JudikaturJustiz7Ob97/19v

7Ob97/19v – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. September 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Goldsteiner Rechtsanwalt GmbH in Wiener Neustadt, deren Nebenintervenientin H***** KG, *****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei N***** AG, *****, vertreten durch Dr. Karl Klein, Rechtsanwalt in Wien, wegen 72.803 EUR sA, über die Revisionen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. März 2019, GZ 1 R 20/19x 27, womit das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 15. November 2018, GZ 3 Cg 52/17s 21, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im Umfang eines Zuspruchs von 21.661,61 EUR sA unbekämpft in Rechtskraft erwuchsen, werden im Übrigen, sohin im Umfang der Abweisung von 51.141,39 EUR sA, aufgehoben und es wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin hat bei der Beklagten für ihr Juwelier und Uhrmachergeschäft eine „Gewerbe Plus Versicherung“ abgeschlossen, die auch das Risiko des Einbruchsdiebstahls umfasst. Der Versicherungsvertrag lautet auszugsweise:

Einbruchsdiebstahlversicherung

[...]

Versicherungsgegenstand Versicherungsart Versicherungssumme in EUR

1. Gesamte technische

und kaufmännische

Betriebseinreichung

inkl Adaptierungen NW 215.000 EUR

2. Investition für Gebäude

und/oder Betriebseinrichtung 43.000 EUR

3. Waren und Vorräte (Gold ,

Silber und Platinwaren, Uhren)

ständig außerhalb von Behältnissen

auf 'Erstes Risiko' 50.000 EUR

4. Waren und Vorräte (Gold ,

Silber und Platinwaren, Uhren)

temporär außerhalb von Behältnissen

auf 'Erstes Risiko' 50.000 EUR

5. Wiederherstellungskosten

von Datenträgern (...) und den

darauf befindlichen Daten ER 5.000 EUR

6. Sachen der Betriebsinhaber

und Dienstnehmer (...) NW 5.000 EUR

7. Geld und Geldeswerte (...) ER 5.000 EUR

8. 5 % Aufräumungs ,

Abbruch , Geh und

Remontagekosten, (…) ER 18.650 EUR

9. Beraubung innerhalb der

Versicherungsräumlichkeiten

inklusive Kundenberaubung ER [...]

10. Zentralschlüsselanlage

(Schlüsselverlust) ER 5.000 EUR

11. Öffnung von Behältnissen

mittels geraubter Originial

und Duplikatschlüssel ER [...]

12. Schlossänderungskosten

für Behältnisse ER 5.000 EUR.

Gesamtversicherungssumme 401.650 EUR.“

Dem Versicherungsvertrag liegen weiters die Allgemeinen Bedingungen für die Einbruchs Diebstahlversicherung (AEB 2010) zugrunde. Diese lautet auszugsweise:

Art 3

Versicherte Sachen und Kosten

[...]

1.3 Geld und Geldeswerte, Sparbücher, Wertpapiere, Urkunden, Schmuck , Gold und Platinsachen, Edelsteine, Edelmetalle und echte Perlen sowie Münzen und Briefmarkensammlungen sind nur in den in der Polizze bezeichneten versperrten Behältnissen versichert .

[...]“

Im Geschäftslokal der Klägerin werden Waren (Gold, Silber und Platin) und Uhren zum Teil in Schaufenstern, welche zwar versperrbar, aber oben offen sind oder in Vitrinen, welche rundum mit Glasflächen abgeschlossen und ebenfalls versperrt sind, gelagert. Einzelstücke, deren Wert 2.500 Euro übersteigt, verbleiben über Nacht nicht in den Schaufenstern. Sie werden in einen speziellen Lagerraum verbracht und in unversperrten Vitrinen bzw die teuersten Stücke in einem sogenannten „Wertschutzschrank“ gelagert. Der Lagerraum wird abgesperrt. Die Waren, die sich in den im Geschäftslokal befindlichen versperrten Glasvitrinen befinden, werden nur zu Präsentationszwecken bzw zum Verkauf – temporär – aus den Vitrinen herausgenommen.

Am 7. 4. 2017 kam es im Geschäftslokal der Klägerin zu einem Einbruchsdiebstahl, wobei Waren, Schmuck und Uhren im Gesamtwert von 140.361,85 EUR gestohlen wurden. An Reparatur und Aufräumkosten waren von der Klägerin 8.286,74 EUR aufzuwenden.

Die Klägerin begehrte zuletzt – nach einer Teilleistung von 37.766,52 EUR durch die Beklagte – die Zahlung eines weiteren Betrags von 72.803 EUR sA. Sie bewahre die versicherte Ware zum Teil ständig außerhalb von Behältnissen (Schaufenster, Geschäftslokal, etc) und zum Teil temporär (zur Präsentation an Kunden) außerhalb von Behältnissen (versperrte Glasvitrinen) auf. Bei dem Einbruchsdiebstahl am 7. 4. 2017 seien Waren im Wert von 140.361,85 EUR gestohlen und Reparatur und Aufräumkosten von 8.286,74 EUR entstanden. Ihr gebühre die Versicherungssumme aus beiden Positionen mit nunmehr jeweils 51.141,39 EUR sowie die aufgewendeten Reparatur- und Aufräumkosten von 8.286,74 EUR. Unter Berücksichtigung der Teilzahlung durch die Beklagte errechne sich der Klagsbetrag.

Die Nebenintervenientin schloss sich dem Vorbringen der Klägerin an.

Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung. Der Versicherungsvertrag unterscheide eindeutig zwischen zwei Verwahrungsarten. Die eine Verwahrungsart betreffe „Waren und Vorräte temporär außerhalb von Behältnissen“, die andere solche „ständig außerhalb von Behältnissen“. Da weder Schaufenster noch Vitrinen Behältnisse im Sinne der Versicherungsbedingungen seien, komme hier lediglich die Position betreffend die Verwahrungsart „ständig außerhalb von Behältnissen“ zur Anwendung, sodass die Versicherungssumme nur einmalig in Höhe von 51.141,39 EUR zustehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte habe der Klägerin bei Abschluss des Versicherungsvertrags zugesagt, dass sich der Ausdruck „Behältnisse“ in der Versicherungspolizze auf die im Geschäftslokal befindlichen Vitrinen beziehe. Es seien somit die Waren in den Vitrinen (temporär – zur Präsentation – außerhalb von Behältnissen) als auch die Waren in den Schaufenstern (ständig außerhalb von Behältnissen) versichert, weshalb die Versicherungssummen aus beiden Positionen zuzusprechen seien. Hinzuzurechnen seien auch die Reparatur und Aufräumkosten.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil teilweise ab. Es verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 21.661,61 EUR sA; das Mehrbegehren von 51.141,39 EUR sA wies es ab. Die Klägerin stütze ihren Anspruch auf Pkt 4. der Versicherungspolizze (Waren temporär außerhalb von Behältnissen), weil sie Vitrinen und Schaufenster als „Behältnisse“ qualifiziere. Damit beschränke sich die Versicherungssumme nach Pkt 4. des Versicherungsvertrags auf die gestohlenen Waren, die „temporär außerhalb von Behältnissen“ aufbewahrt wurden, auf 51.141,39 EUR. In der Sachversicherung sei die Versicherung von Positionen mit eigenen Versicherungssummen durchaus gebräuchlich, wobei jede Position so behandelt werde, als liege ein eigener Versicherungsvertrag vor. Für eine kumulative Anwendung der Versicherungssummen bestehe keine Veranlassung, weshalb das Klagebegehren im Teilbetrag von 51.141,39 EUR abzuweisen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob der Versicherungsnehmer bei einer Einbruchsdiebstahl versicherung auch jene Versicherungssumme in Anspruch nehmen dürfe, die für eine weniger diebstahlsichere Verwahrung vereinbart sei.

Gegen den klagsabweisenden Teil des Urteils wenden sich die Revisionen der Klägerin und der Nebenintervenientin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt, die Revisionen zurückzuweisen; hilfsweise ihnen keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind zulässig, sie sind im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Voranzustellen ist, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht davon gesprochen werden kann, dass die Klägerin ihren Anspruch lediglich auf Pkt 4. des Versicherungsvertrags (Waren temporär außerhalb von Behältnissen) gründet, weil sie Vitrinen und Schaufenster als „Behältnisse“ qualifizierte. Bereits im erstgerichtlichen Verfahren – wie auch in der Berufungsbeantwortung – führte die Klägerin aus, dass die Aufbewahrungsverpflichtung in zwei Klauseln („Waren ständig außerhalb von Behältnissen“ und „Waren temporär außerhalb von Behältnissen“) geregelt und Versicherungsschutz von jeweils 51.141,33 EUR vereinbart worden sei. Beide Klauseln würden zur Anwendung gelangen, weil sie die Waren zum Teil „ständig außerhalb von Behältnissen (Schaufenster, Geschäftslokal)“ und zum Teil „temporär außerhalb von Behältnissen (versperrte Vitrinen)“ aufbewahrt habe.

Diese Ausführungen lassen klar erkennen, dass die Klägerin die Schaufenster nicht, wohl aber die Vitrinen als Behältnisse im Sinne der Vertragsbedingungen qualifizierte. Demgegenüber erachtet die Beklagte weder Schaufenster noch Vitrinen als derartige Behältnisse.

2.1 Nach § 54 VersVG umfasst eine Versicherung, die für einen Inbegriff von Sachen genommen wurde, die jeweils zum Inbegriff gehörenden Sachen.

2.2 In einem Versicherungsvertrag können mehrere Versicherungssummen vereinbart werden. Dies geschieht durch die in der Sachversicherung gebräuchliche Vereinbarung von Positionen. Eine solche liegt vor, wenn sich ein Vertrag auf mehrere Sachen oder Sachinbegriffe erstreckt und für jede von ihnen (Position) eine eigene Versicherungssumme gebildet wird. Wird im Vertrag zwischen mehreren Sachinbegriffen unterschieden und für jeden eine eigene Versicherungssumme gebildet, dann liegt eine Versicherungssumme nach Positionen auch dann vor, wenn am Ende eine Gesamtversicherungssumme gebildet wird. Die Rechtsfolge der Bildung von Positionen besteht darin, dass jede Position im Hinblick auf Versicherungswert und Versicherungssumme so behandelt wird, als würde ein eigener Versicherungsvertrag vorliegen ( Schauer in Fenyves/Schauer , Versicherungsvertragsgesetz § 50 Rz 15 ff; derselbe aaO § 54 Rz 6 mwN; zur vergleichbaren deutschen Rechtslage Kollhosser in Prölss/Martin , VVG 27 , § 54 Rn 9, Armbrüster in Prölss/Martin VVG 30 § 89 Rn 10; Langheid in Langheid/Rixecker , VVG 6 § 89 Rn 4).

2.3 Hier wurden die Inbegriffe „Waren und Vorräte ständig außerhalb von Behältnissen“ und „Waren und Vorräte temporär außerhalb von Behältnissen“ in einer jeweils eigenen Position mit einer Versicherungssumme von zuletzt je 51.141,39 EUR versichert. Eine Versicherung von Waren und Vorräten zu einer Gesamtversicherungssumme ergibt sich weder aus dem insoweit klaren Vertragstext noch aus den erstgerichtlichen Feststellungen.

2.4 Davon unabhängig stellt sich die Frage der Auslegung des Begriffs „Behältnis“ im Versicherungsvertrag. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, sodass entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberinnen auch keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen Abgehens von den Feststellungen des Erstgerichts ohne Beweiswiederholung gegeben ist.

3.1 Versicherungsverträge wie auch Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insbesondere T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).

3.2 Behältnis ist jede Umschließung von Sachen ( Martin , Sachversicherungsrecht 3 H III Rn 36). Es ist ein Raum, der geeignet ist, Sachen aufzunehmen und der allseitig verschlossen ist. Größe und Gewicht sind unerheblich (vgl Klimke in Prölss/Martin , VVG 30 VHB § A3 Rn 9, Martin aaO D VI Rn 4).

3.2.1 Die nach oben hin offenen Schaufenster erfüllen diese Voraussetzungen nicht, worin die Streitteile übereinstimmen.

3.2.2 Anders verhält es sich mit den rundum mit Glasflächen umschlossenen und darüber hinaus versperrten Vitrinen. Bei ihnen handelt es sich daher – bereits aufgrund der Versicherungsbedingungen – jedenfalls um Behältnisse, ohne dass es darauf ankommt, ob dies zusätzlich von der Beklagten zugesichert wurde.

3.3 Da die Waren, die gestohlen wurden, in den Schaufenstern, also „ständig außerhalb eines Behältnisses“ und in den Vitrinen, somit „temporär – nur zur Präsentation – außerhalb eines Behältnisses“ aufbewahrt wurden, gelangen grundsätzlich beide Positionen des Versicherungsvertrags zur Anwendung.

4.1 Die Beklagte leistete bereits 37.766,52 EUR. Weiters wurde sie rechtskräftig zur Zahlung weiterer 21.661,61 EUR (inklusive Reparatur und Aufbewahrungskosten) verpflichtet. Offen ist daher noch der Betrag von 51.141,39 EUR.

4.2 Die Rechtsmittelwerberinnen argumentieren, die Beklagte habe die Zahlung auf die Versicherungssumme für die Position „Waren und Vorräte ständig außerhalb von Behältnissen“ geleistet und damit ihre Leistungspflicht in Höhe der Versicherungssumme von 51.141,39 EUR hinsichtlich dieser Position außer Streit gestellt. Das Berufungsgericht habe die Zahlung aber unzulässig auf die Position „Waren und Vorräte temporär außerhalb von Behältnissen“ angerechnet. Die Außerstreitstellung der Beklagten führe nun dazu, dass aus der Position „Waren und Vorräte ständig außerhalb von Behältnissen“ jedenfalls ein weiterer Betrag von 13.374,87 EUR zuzusprechen sei.

4.3 Ein Geständnis im Sinn des § 266 ZPO liegt vor, wenn der Erklärung einwandfrei zu entnehmen ist, dass bestimmte Tatsachenbehauptungen des Gegners als richtig zugegeben werden (RS0040114). Das Zugeständnis im Sinn von § 266 ZPO bezieht sich auf Tatsachen. Rechtsfragen sind einer Außerstreitstellung entzogen (RS0111277).

4.4 Die Beklagte hat die genannte Zahlung auf die Position „Waren und Vorräte ständig außerhalb von Behältnissen“ getätigt, weil sie Vitrinen wie auch Schaufenster rechtlich nicht als Behältnisse im Sinne der Bedingungen qualifizierte. Davon, dass damit bei anderer rechtlicher Beurteilung der Schaden jedenfalls in Höhe der Versicherungssumme aus dieser Position zugestanden wurde, kann daher keine Rede sein.

4.5 Daraus folgt, dass die Rechtssache noch nicht spruchreif ist. Es fehlen Feststellungen zum Aufbewahrungsort der Waren zum Zeitpunkt des Diebstahls, weshalb derzeit auch nicht beurteilt werden kann, welcher Warenwert welche der beiden Positionen betrifft und damit auch nicht in welchem Umfang die jeweilige Versicherungssumme verbraucht ist.

5.1 Die Rechtsmittelwerberinnen vertreten in diesem Zusammenhang, dass der Versicherungsnehmer auch jene Versicherungssumme in Anspruch nehmen könne, die für die weniger diebstahlsichere Verwahrung vereinbart sei.

5.2 Wie bereits ausgeführt wurde, gilt die Entschädigungsgrenze immer nur je Position; mehrere Positionen sind für die Entschädigung grundsätzlich wie getrennte Verträge zu behandeln ( Martin aaO S I Rn 32; Armbrüster aaO Vorbem zu §§ 74–99, Rn 11). Erfüllt also ein Versicherungsfall die Risikobeschreibung mehrerer Positionen, so stehen die Summen bis zur Höhe des Schadens nebeneinander zur Verfügung. Eine Addition kommt nur in Betracht, soweit der Versicherungsfall in mehrere Positionen mit je einer Versicherungssumme fällt, nicht dagegen, wenn ein Versicherungsfall die Voraussetzungen mehrerer Entschädigungen innerhalb derselben Position erfüllt. Die Positionsbildung hat Gründe der Prämienbemessung; sie soll die Entschädigung verschiedener Schäden nebeneinander in verschiedenen Positionen nicht hindern. Sind die verschiedenen Sachen auf verschiedene Positionen verteilt und werden durch einen Versicherungsfall Sachen aus mehreren Positionen betroffen, so ist jede Versicherungssumme gesondert für die in der zugehörigen Position versicherten Sache maßgebend ( Martin aaO S I Rn 32 ff).

5.3 Sofern Waren und Vorräte je nach Art und Weise der Aufbewahrung in zwei gesonderten Positionen versichert und Sachen unter qualifiziertem Verschluss gestohlen werden, die hiefür vereinbarte Versicherungssumme aber nicht ausreicht, dann ist außerdem im Rahmen der Versicherungssumme für Sachen unter einfachem Verschluss zu entschädigen, wenn oder soweit diese nicht durch Diebstahl von Sachen unter einfachem Verschluss anlässlich desselben Versicherungsfalls verbraucht ist. Die positionsweise Versicherung erlaubt Entschädigungen aus beiden Versicherungssummen bis zur Grenze des eingetretenen Schadens. Dasselbe gilt bei Positionen für unterschiedlich qualifizierte Behältnisse (vgl Martin aaO H III Rn 50 und S I Rn 38).

5.4 Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Positionen sind durch die Art der Aufbewahrung „ständig bzw temporär außerhalb von Behältnissen“ abgegrenzt. Sie knüpfen an einen unterschiedlichen Sachinbegriff an, Überschneidungen sind ausgeschlossen und Auswirkungen auf die Versicherungsprämie hintangehalten. Der Sinn der Differenzierung nach Positionen liegt auch auf der Hand. Der Versicherer will sich nur dann zu einer Leistung für Waren über einem Wert von 50.000 EUR verpflichten, wenn diese nicht frei zugänglich, sondern vereinbarungsgemäß vor ungehindertem Zugriff geschützt sind. Weil die qualifizierte Verwahrung (temporär außerhalb von Behältnissen) zugleich die Voraussetzungen der einfacheren Verwahrung (ständig außerhalb von Behältnissen) erfüllt, muss ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass die bloß temporär außerhalb von Behältnissen verwahrten Waren jedenfalls auch unter der Position „ständig außerhalb von Behältnissen) verwahrt versichert sind. Liegt daher der Wert der der Position „ständig außerhalb von Behältnissen“ zuzuordnenden gestohlenen Waren unter und jener der der Position „temporär außerhalb von Behältnissen“ zuzuordnenden gestohlenen Waren über der jeweils vereinbarten Versicherungssumme, so könnte im vorliegenden Fall für letztere eine weitere Entschädigung aus der Versicherungssumme der Position „Waren und Vorräte ständig außerhalb eines Behältnisses“ in Betracht kommen. Das Erstgericht hat daher im fortgesetzten Verfahren – wie bereits ausgeführt – Feststellungen zum Aufbewahrungsort der gestohlenen Waren zu treffen.

6. Den Revisionen ist damit Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
4
  • RS0050063OGH Rechtssatz

    17. April 2024·3 Entscheidungen

    Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach Vertragsauslegungsgrundsätzen auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (vgl VR 1992/277; VR 1992/284).

  • RS0008901OGH Rechtssatz

    17. April 2024·3 Entscheidungen

    Allgemeine Vertragsbedingungen sind so auszulegen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen. Ihre Klauseln sind, wenn sie nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen.