JudikaturJustiz7Bs98/23d

7Bs98/23d – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Dampf und die Richterin Dr. Offer als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen D*** P*** P*** wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit und der Aussprüche über die Schuld und die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 3.11.2022, GZ 21 Hv 94/22z-20, sowie über dessen (implizierte) Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss nach § 494a Abs 6 StPO auf Verlängerung zweier Probezeiten nach der am 25.5.2023 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. Stinig, des Sitzungsvertreters der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Kuznik, des Verteidigers RA Dr. Josef Kantner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der Berufung wegen Nichtigkeit und des Ausspruchs über die Schuld wird n i c h t Folge gegeben.

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird t e i l w e i s e Folge gegeben und der Angeklagte in Anwendung der §§ 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 1 und 43a Abs 2 StGB nach § 105 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten sowie einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen , im Fall der Uneinbringlichkeit zu 150 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, v e r u r t e i l t .

Die Freiheitsstrafe wird gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die Höhe des einzelnen Tagessatzes bleibt davon unberührt.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

II. beschlossen:

Infolge Abänderung des Strafausspruchs wird der gemeinsam mit dem angefochtenen Urteil gefasste Beschluss nach § 494a StPO a u f g e h o b e n , vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht und der bedingten Entlassung jeweils zu 20 Hv 32/20v des Landesgerichts Ried im Innkreis gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO a b g e s e h e n und beide Probezeiten nach Abs 6 leg cit auf fünf Jahre v e r l ä n g e r t .

Der Angeklagte wird mit seiner Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Entscheidungsgründe :

Text

Mit dem angefochtenen Urteil 2023 zum Suchtgiftkonsum des Angeklagten sowie dessen wurde D*** P*** P*** des Vergehens der Nötigung nach „§§ 15, 105 Abs 1 StGB“ schuldig erkannt.

Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) hat er am 07.08.2022 in Dornbirn seinen auf der Couch liegenden Ex-Freund M*** M*** durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich nicht (mehr) den Namen seines verstorbenen besten Freundes zu nennen, zu nötigen versucht, indem er sich mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von circa 20 cm über M*** M*** beugte, das Küchenmesser bis knapp 20 cm an dessen Kopf bzw Hals heranführte und ihn währenddessen anschrie, dass er nicht den Namen seines besten Freundes in den Mund nehmen solle, dass er sich eine „Puffen“ holen und ihn abknallen oder ihn vom Balkon werfen werde .

Hiefür verhängte die Einzelrichterin über den Angeklagten in Anwendung des § 43a Abs 2 StGB nach § 105 Abs 1 StGB eine unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von drei Monaten sowie eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je EUR 4,--, im Fall der Uneinbringlichkeit 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe und verurteilte ihn gemäß § 366 Abs 2 erster Satz iVm § 369 StPO zur Zahlung eines Teilschadenersatzbetrags von EUR 50,-- binnen 14 Tagen an den Privatbeteiligten M*** M*** sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens. Mit seinem Mehrbegehren wurde der Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs 2 (zweiter Satz) StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Mit gleichzeitig gefasstem Beschluss wurde gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu 1 U 136/17w des Bezirksgerichts Braunau sowie der bedingten Strafnachsicht und der bedingten Entlassung zu 20 Hv 32/20v des Landesgerichts Ried im Innkreis abgesehen und die beiden letztgenannten Probezeiten gemäß § 494a Abs 6 StPO jeweils auf fünf Jahre verlängert.

Die Einzelrichterin traf - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - nachfolgende Feststellungen:

1.3. Der Angeklagte und M*** M*** unterhielten über längere Zeit eine Art On-Off-Beziehung, bis sie sich zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor August 2022 trennten. Trotz der Beziehungsbeendigung blieben die Beiden vorerst in der gemeinsamen Wohnung in 6850 Dornbirn, Eisengasse 65, wohnen.

1.3.1. Dort kam es am 07.08.2022 zu einer heftigen verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und M*** M***, wobei wechselseitig Beleidigungen und Beschimpfungen ausgesprochen wurden. Ursache des Streits war ein von M*** M*** in der gemeinsamen Wohnung vorgefundenes gebrauchtes Kondom, woraus der gegenüber dem Angeklagten erhobene Vorwurf des Fremdgehens resultierte. Angetrieben von Eifersucht und im Bestreben, den Angeklagten emotional zu verletzen sagte M*** M*** sinngemäß, dass sich der im Jahr 2017 bei einem Motorradunfall verstorbene beste Freund des Angeklagten im Grab umdrehen würde, wenn er sehen würde, wie sich der Angeklagte verhält und dass er sich für den Angeklagten in Grund und Boden schämen würde. Gleichwohl M*** M*** zu diesem Zeitpunkt auf der Couch lag und der Angeklagte gerade dabei war, in der Küche Essen zuzubereiten, war die Äußerung von M*** M*** für den Angeklagten gut hörbar.

1.3.2. Wutentbrannt über das, was er gehört hatte, und mit hochrotem Gesicht kam der Angeklagte aus der Küche auf M*** M*** zu, wobei er in der rechten Hand ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von circa 20 cm hielt. Ob der Angeklagte das Messer schon vorher in der Hand hatte, oder erst nach der Äußerung von M*** M*** aus dem Messerblock gezogen hat, ist nicht feststellbar. Fest steht jedoch, dass der Angeklagte das Messer erhob, sich mit dem erhobenen Küchenmesser über den auf der Couch sitzenden bzw. liegenden M*** M*** beugte, das Messer mit der Klinge voraus bis knapp 20 cm an dessen Kopf bzw. Hals heranführte und M*** M*** dabei lautstark anschrie, dass er nicht den Namen seines besten Freundes in den Mund nehmen solle, dass er sich eine „Puffen“ holen und ihn abknallen oder ihn vom Balkon werfen werde.

1.3.3. Daraufhin ging der Angeklagte wieder zurück in die Küche, während M*** M*** in eine Schockstarre verfiel. Erst ungefähr zwei Stunden später verständigte M*** M*** die Polizei.

1.4. Der Sinngehalt der Äußerungen des Angeklagten unter Vorhalt des Küchenmessers bestand darin, M*** M*** zumindest die Zufügung einer Verletzung am Körper in Aussicht zu stellen.

1.5. Als der Angeklagte die Äußerungen unter Vorhalt eines Küchenmessers mit einer Klingenlänge von circa 20 cm tätigte, wollte er diese in dem Moment auch genau so verstanden wissen und bei M*** M*** den Eindruck einer ernst gemeinten Ankündigung eines bevorstehenden Angriffs auf seine körperliche Unversehrtheit erwecken. Der Angeklagte handelte dabei mit dem Wissen und Willen, M*** M*** ernsthaft mit zumindest einer Verletzung am Körper zu bedrohen, durch die Drohung seinen Willen zu beugen und ihn zu einer Unterlassung, nämlich nicht (mehr) den Namen seines verstorbenen Freundes zu nennen, zu zwingen .

Gegen das Urteil richtet sich eine - durch den Verteidiger - rechtzeitig angemeldete „volle Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe“ des Angeklagten (ON 21), die wegen „Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über Schuld und Strafe“ fristgerecht schriftlich ausgeführt wurde. Unter nomineller Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe nach „§ 489 Abs 1, § 468 Abs 1 Z 4 (§ 281 Abs 1 Z 8) StPO sowie § 489 Abs 1, § 468 Abs 1 Z 4 (§ 281 Abs 1 Z 9a) und § 489 Abs 1, § 468 Abs 1 Z 4 (§ 281 Abs 1 Z 11) StPO“ trägt das Rechtsmittel darauf an, der Berufung wegen Nichtigkeit, in eventu wegen des Ausspruchs über die Schuld Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und einen Freispruch zu fällen, in eventu die Strafsache zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens an das Erstgericht zurückzuverweisen, in eventu (bei Erfolglosigkeit der Berufung wegen Nichtigkeit und des Ausspruchs über die Schuld) der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe Folge zu geben und die Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe „zu wandeln“ (ON 26). Die zugunsten des Angeklagten erhobene Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe impliziert auch eine Beschwerde gegen den Beschluss auf Verlängerung der beiden Probezeiten (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO).

Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass der Berufung und der implizierten Beschwerde nicht Folge zu geben sein werde.

Lediglich der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt teilweise Berechtigung zu.

Der Beantwortung der Berufung ist - mit Blick auf die schriftlichen Ausführungen der Oberstaatsanwaltschaft, welche sie jedoch in der Berufungsverhandlung ohnehin nicht mehr aufrecht hielt - klarstellend voranzustellen, dass sich die Berufung ungeachtet der in der Anmeldung verwendeten Diktion „volle Berufung wegen Nichtigkeit […]“ nicht auch gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche richtet, bezeichnete der anwaltlich vertretene Angeklagte doch sowohl bei der Anmeldung der Berufung als auch der schriftlichen Ausführung die Berufungspunkte „Nichtigkeit sowie Aussprüche über die Schuld und die Strafe“ konkret und unmissverständlich. Nur auf diese bezog sich das Wort „volle“. Das Adhäsionserkenntnis blieb demnach vom Angeklagten unangefochten.

Als nichtig nach §§ 489 Abs 1 iVm 281 Abs 1 Z 8 StPO rügt der Berufungswerber, dass das Gericht den Schuldspruch „um die Passage: dass er sich eine Puffen holen und ihn abknallen oder ihn vom Balkon werfen würde“ ergänzt habe, damit vom Strafantrag abgewichen sei und daher eine Überschreitung der Anklage vorliege.

Von einem Überschreiten der Anklage kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn das Urteil den Angeklagten eines Verhaltens schuldig erkennt, welches nicht Gegenstand der Anklage war. Nur an diesen Anklagevorwurf ist das Gericht gemäß §§ 262, 267 StPO gebunden. Im Übrigen hat es jedoch das Verhalten des Angeklagten in Bezug auf das inkriminierte Ereignis nach allen Richtungen zu erforschen und sich ohne Rücksicht auf die in der Anklage vertretene Anschauung ein Urteil zu bilden, in welcher Art sich das Ereignis abgespielt und in welcher Form sich der Angeklagte daran beteiligt hat. Ein Urteil überschreitet die Anklage nicht, wenn der Schuldspruch in dem dort geschilderten Lebenssachverhalt als historischem Geschehen (prozessualer Tatbegriff) Deckung findet (RIS-Justiz RS0113142; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 502 ff). Weshalb vorliegend die (bloße) Erweiterung des Wortlauts der inkriminierten Äußerung aber nicht vom angeklagten Lebenssachverhalt umfasst sein sollte, vermag der Berufungswerber nicht aufzuzeigen.

Des Weiteren behauptet die Nichtigkeitsberufung - im Übrigen ohne Bezugnahme auf konkrete Gesetzesstellen -, das Urteil sei „unvollständig (und mangelhaft begründet), undeutlich und [lägen] teilweise keine oder unzureichende Begründungen vor“. Damit macht sie der Sache nach Nichtigkeit aus §§ 489 Abs 1 iVm 281 Abs 1 Z 5 erster, zweiter und vierter Fall StPO geltend.

Soweit die Mängelrüge vermeint (der Sache nach Z 5 vierter Fall), die Sachverhaltsannahmen zum objektiven Tatgeschehen (US 4 [Punkt 1.3.2.]) seien (unter den Punkten 2.3.4. und 2.3.5. [US 6 und 7]) lediglich damit begründet worden, dass das Gericht aufgrund des persönlichen Eindrucks am Wahrheitsgehalt der Angaben des Opfers nicht den geringsten Zweifel hege und daher eine unzureichende Scheinbegründung vorliege, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie sich nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe orientiert (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504), sondern die weitere Beweiswürdigung der Erstrichterin (US 5 bis 7 [Punkte 2.2. bis 2.4.]) außer Acht lässt, in der sie unter ausführlicher Erörterung der Angaben des Angeklagten und des Opfers und insbesondere unter Bezugnahme auf die vorliegenden Lichtbilder darlegte, weshalb sie von der Glaubwürdigkeit des Opfers überzeugt war und demgegenüber den - größtenteils - leugnenden Depositionen des Angeklagten nicht zu folgen vermochte. Dass die Erstrichterin ihre Überzeugung von der Schuld des Angeklagten (vgl explizit US 7 [Punkt 2.3.7.]) „im Übrigen“ auch auf die einschlägige Vorstrafenbelastung stützte, ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit ebenfalls nicht zu beanstanden.

Ob der Angeklagte mit - wie festgestellt - „hochrotem“ oder - wie vom Opfer geschildert - „rotem“ Gesicht mit dem Messer aus der Küche kam, betrifft keine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0117264) und ist daher nicht Gegenstand der Mängelrüge ( Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398; RIS-Justiz RS0106268) - wie im Übrigen auch nicht der Schuldberufung ( Ratz aaO § 464 Rz 2 und 6).

Unabhängig davon, dass der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen rechtsstaatlich vertretbar und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch auch gar nicht zu ersetzen ist (RIS-Justiz RS0116882 [T1], RS0098671), hat die Erstrichterin entgegen der weiteren Mängelrüge (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) die Angaben des Angeklagten zur subjektiven Tatseite „nicht ohne weiteres übergangen“, sondern diese ausdrücklich als Schutzbehauptung gewertet (vgl insb den letzten Absatz zu Punkt 2.6. in US 8). Indem die Berufung wiederum nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe festhält, sondern in ihrer Argumentation lediglich den ersten Absatz zu Punkt 2.6. der Beweiswürdigung isoliert herausgreift, erweist sie sich erneut nicht als gesetzmäßig ausgeführt.

Des Weiteren verliert sich die Mängelrüge mit ihren weitwendigen Ausführungen unter selektiver Hervorhebung und eigenständiger Würdigung von Beweisergebnissen in einer Bekämpfung der erstrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung ohne dabei aber Mängel im Sinne der genannten Anfechtungskriterien der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO aufzuzeigen.

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld, die - wie gerade ausgeführt - auch disloziert in der Nichtigkeitsberufung ausgeführt wurde, gelingt es nicht, Bedenken des Oberlandesgerichts an der erstrichterlichen Beweiswürdigung und damit an der Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Sachverhaltsannahmen zu wecken. Die Erstrichterin konnte sich sowohl vom Angeklagten als auch dem Zeugen M*** M*** einen persönlichen Eindruck verschaffen und begründete in einer ausführlichen, auf alle in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnisse eingehenden, widerspruchsfreien und lebensnahen Beweiswürdigung, weshalb sie den Zeugen für glaubwürdig erachtete und demzufolge von der Schuld des Angeklagten überzeugt war. Aus dem von der Erstrichterin ins Treffen geführten Lichtbild Nr 2 (AS 2 in ON 2.5) ist deutlich zu erkennen, wie der Angeklagte entgegen seinen diesbezüglichen Depositionen das Küchenmesser nicht bloß mit der Spitze nach hinten hielt, sondern dieses mit der Klinge voran in aggressiver Weise an das Opfer heranführte.

Dass er und das Opfer Ex-Partner waren, zwischen ihnen ein Spannungsverhältnis bestand, es an diesem Tag bereits zu einem Streit gekommen ist und M*** M*** den Angeklagten vor der Tat provozierte, hat die Erstrichterin ohnehin bereits berücksichtigt und ausreichend und nachvollziehbar gewürdigt.

Auch auf den Umstand, dass der Zeuge die weitere Drohung mit dem Holen einer „Puffen“ erst in der Hauptverhandlung schilderte, ist die Einzelrichterin ebenfalls eingegangen und hat diesbezüglich auch unter Würdigung des Inhalts des Briefs des Zeugen (Beilage ./I) überzeugend begründet, weshalb sie ausgehend davon und auch dem Einräumen der Provokation von einer besonderen Glaubwürdigkeit des Opfers ausging.

Dass M*** M*** während der Tat Fotos mit seinem Mobiltelefon anfertigte, steht seiner Glaubwürdigkeit ebenso wenig entgegen, wie der Umstand, dass er die Polizei nicht sofort, sondern erst ungefähr zwei Stunden nach dem Vorfall verständigte.

Weshalb die erstrichterlichen Feststellungen zum (objektiven) Bedeutungsgehalt der Äußerungen des Angeklagten unter Vorhalt des Küchenmessers „nicht korrekt“ sein sollten, vermag die Schuldberufung nicht aufzuzeigen. Bei dem unbedenklich konstatierten Tathergang, bei dem der Angeklagte ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 20 cm zur Drohung einsetzte, kann sich der Berufungswerber nach Ansicht des Oberlandesgerichts mit der erstrichterlichen Feststellung, wonach der Sinngehalt (Bedeutungsgehalt) der Äußerungen unter Vorhalt des Küchenmessers lediglich darin bestanden habe, das Opfer „zumindest“ die Zufügung einer Verletzung am Körper in Aussicht zu stellen und demnach die Einzelrichterin ohnehin nicht von einer - durchaus indizierten - Todesdrohung (iSd § 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB) ausging, wahrlich nicht beschwert erachten.

Auch die Sachverhaltsannahmen zur Ernstlichkeit der inkriminierten Äußerungen trotz der vorher erfolgten Provokation durch das Opfer begründete die Erstrichterin überzeugend. Entgegen den Berufungsausführungen führt alleine der Umstand, dass M*** M*** den Angeklagten zuvor provozierte hatte, nicht per se zur Annahme einer nicht ernst gemeinten Unmutsäußerung. Das unbedenklich festgestellte konkrete objektive Tatgeschehen, das teilweise auch durch die vorliegenden Lichtbilder dokumentiert ist, lässt anlassbezogen die Annahme einer nicht ernst gemeinten (bloßen) Unmutsäußerung keinesfalls zu.

Dass der Berufungswerber beabsichtigte, dass es das Opfer unterlässt, den Namen des verstorbenen besten Freundes (des Angeklagten) zu nennen, räumte er ohnehin ein. Dass seine subjektive Seite aber auch umfasste, dieses Ziel mittels Willensbeugung durch gefährliche Drohung mit (zumindest) einer Körperverletzung zu erreichen, hat die Erstrichterin entgegen der Schuldberufung ebenfalls ausgehend vom objektiven Tatgeschehen und unter Verwerfung der diesbezüglich leugnenden Verantwortung des Angeklagten überzeugend begründet.

Soweit die Rechtsrüge (§§ 489 Abs 1 iVm 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) behauptet, der Angeklagte sei vom Zeugen provoziert worden und habe lebensnah nach mehreren andauernden Streitigkeiten seinen Unmut zutage gebracht, bestreitet sie die (ausschließlich den Tatsachenbereich betreffende) Ernstlichkeit der inkriminierten Äußerungen (RIS-Justiz RS0092448 [T5], RS0093096 [T6]). Indem sie dabei aber nicht von den erstrichterlichen Sachverhaltsannahmen zur Ernstlichkeit ausgeht, verfehlt sie den – gerade darin gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit und ist damit nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (RIS-Justiz RS0099810).

Die Sanktionsrüge (§§ 489 Abs 1 iVm Z 11 [der Sache nach] erster Fall StPO) behauptet Nichtigkeit des Strafausspruchs infolge Nichtanwendung des „§ 39a StGB“. Sie ist damit aber nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt (§ 282 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Mit Blick auf die erstrichterlichen Ausführungen zum Schuldspruch , wonach „versehentlich bloß Versuchsstrafbarkeit angenommen wurde“ (US 10) ist der Vollständigkeit halber auszuführen, dass sich die rechtliche Bedeutung der Abgrenzung zwischen versuchter und vollendeter Tat ausschließlich auf die Frage des Vorliegens des Milderungsgrunds des § 34 Abs 1 Z 13 StGB beschränkt und die Subsumtion nicht tangiert (RIS-Justiz RS0122138, RS0122137).

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe behauptet, die ausgesprochene Sanktion sei überhöht, es hätte keine Freiheitsstrafe verhängt werden müssen, sondern mit einer teilweise bedingt nachgesehenen Geldstrafe das Auslangen gefunden werden können.

Der Beantwortung der Strafberufung ist voranzustellen, dass die Erstrichterin, wie sie in der Urteilsausfertigung im Übrigen zutreffend ausführt (US 10 [Punkt 3.2.]), die Strafrahmenvorschrift des § 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 1 StGB trotz der unbedenklichen Feststellungen zur Drohung mit dem Küchenmesser, sohin einer Waffe im funktionalen Sinn (RIS-Justiz RS0134002; zur Drohung mit dem Holen einer „Puffen“ vgl im Übrigen RIS-Justiz RI0100093), unangewendet ließ und demnach von einem verfehlten Strafrahmen von lediglich bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen ausging. Damit überschritt sie aber - von der Staatsanwaltschaft jedoch unbekämpft geblieben - ihre Strafbefugnis (§§ 489 Abs 1, 281 Abs 1 Z 11 erster Fall), was sich im Übrigen nicht zum Nachteil, sondern vielmehr zum Vorteil des Angeklagten auswirkte.

Überschreitung der Strafbefugnis ist seit der StGNov 1989 Gegenstand - (neben der Nichtigkeitsbeschwerde bzw Nichtigkeitsberufung) auch - der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (RIS-Justiz RS0099996). Über eine solche entscheidet das Berufungsgericht, das im Übrigen nach § 295 Abs 1 erster Satz (in den einzelrichterlichen Verfahren iVm §§ 489 Abs 1 zweiter Satz, 471) StPO - neben der Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte (Urteilsaussprüche) - ausschließlich an den Ausspruch über die Schuld des Angeklagten und über das anzuwendende Strafgesetz ( Ratz aaO § 295 Rz 15), nicht jedoch auch an den vom Erstgericht angewendeten Strafrahmen gebunden ist, - sowohl im kollegial- als auch im einzelrichterlichem Verfahren - stets (zur Kassation des Strafausspruchs in Stattgebung einer gegen die Strafe gerichteten Strafberufung [oder - in den einzelrichterlichen Verfahren - in amtswegiger Wahrnehmung nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO] ist das Berufungsgericht nicht befugt) als iudicium novum, es ersetzt demnach den erstgerichtlichen Sanktionsausspruch durch einen eigenständigen, der an die Stelle des bekämpften tritt (RIS-Justiz RS0127710, RS0120232, RS0120535, RS0109969; Ratz aaO § 295 Rz 2 und 4; Ratz, Verfahrensführung und Rechtsschutz nach der StPO² Rz 418, 424 und 426; Birklbauer/Kert, Linzer Kommentar zur StPO § 295 Rz 5 ff; Fabrizy/Kirchbacher, StPO 14 § 295 Rz 1; Leitner in Schmölzer/Mühlbacher, StPO § 295 Rz 1 und 4). Bei - wie hier - Berufung nur zugunsten des Angeklagten verbietet sich zwar eine Verschlechterung im Ergebnis „Strafe“ (§ 295 Abs 2 StPO, § 16 StPO; vgl auch Ratz, WK-StPO § 290 Rz 43 ff), für die bei der Strafbemessung anzuwendenden (straf)gesetzlichen Bestimmungen kennt das Gesetz aber keine von der erstinstanzlichen Entscheidung in der Sache selbst abweichende Vorschriften, womit weder die angefochtene Entscheidung noch deren Begründung maßgeblich ist (vgl erneut § 295 Abs 1 erster Satz StPO). Eine rechtlich verfehlte Anwendung oder - wie hier - Nichtanwendung von Strafzumessungsvorschriften durch das Erstgericht hindert demnach das Berufungsgericht nicht, seiner Entscheidung über die Strafberufung die von ihm für richtig erachtete Strafrahmenvorschrift zugrunde zu legen (vgl auch Ratz aaO § 290 Rz 52, wonach bei Geltung des Verschlechterungsverbots vom Erstgericht zu niedrig angenommene strafbestimmende Wertbeträge nach dem FinStrG, deren Summe ebenfalls den Strafrahmen bestimmt, zwar vom Berufungsgericht nach oben korrigiert, die konkret ausgemessene Strafe aber nicht verschärft werden darf).

Ausgehend von diesen dogmatischen Erwägungen hält der erkennende Senat 7 die bisherige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Innsbruck, wonach - zusammengefasst - mangels Anfechtung zum Nachteil des Angeklagten auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung über die Strafberufung den vom Erstgericht verfehlt angewendeten (zu milden) Strafrahmen zugrunde zu legen habe (zuletzt 7 Bs 220/22v, 7 Bs 204/22s, 7 Bs 43/20m, 11 Bs 42/23y, 11 Bs 151/22a und 6 Bs 6/23t), nicht mehr aufrecht, sondern war fallaktuell durch das Berufungsgericht in Anwendung des § 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 1 StGB von einer von zwei Monaten bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe reichenden Strafbefugnis auszugehen und erst bei der konkret auszumessenden Strafe das Verschlechterungsverbot zu berücksichtigen.

Die vom Berufungswerber nicht kritisierten Strafzumessungsgründe des Erstgerichts treffen zu und sind vollständig. Demnach wurden sie vom Oberlandesgericht übernommen und zwei einschlägige Vorstrafen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), die Tatbegehung während drei offener Probezeiten (RIS-Justiz RS0090597) und die Umstände, dass der Angeklagte eine vorsätzliche strafbare Handlung nach dem dritten Abschnitt des Besonderen Teils des StGB als mit dem Opfer zusammenlebende Person (§ 33 Abs 2 Z 2 StGB) sowie unter Drohung mit einer Waffe beging (§ 33 Abs 2 Z 6 StGB) als erschwerend, mildernd hingegen die der Tat unmittelbar vorangehende Provokation durch das Opfer gewertet.

Entgegen der Ansicht der Oberstaatsanwaltschaft kommt dem Angeklagten der - im Übrigen von der Erstrichterin in der Strafzumessung tatsächlich nicht angenommene - besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB ungeachtet der Anführung eines Versuchs im Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und des § 15 StGB im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nicht zugute, weil ausgehend von den auch diesbezüglich unbedenklichen erstrichterlichen Sachverhaltsannahmen zum Verhalten des Opfers nach der gefährlichen Drohung (als Tatmittel des § 105 Abs 1 StGB) die Nötigung tatsächlich vollendet war (RIS-Justiz RS0093469).

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die (zusätzliche) aggravierende Wertung der Begehung der Nötigung unter Drohung mit einer Waffe (§ 33 Abs 2 Z 6 StGB) trotz der nunmehr vom Oberlandesgericht aus diesem Grunde erfolgten Anwendung des § 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 1 StGB (und damit Anhebung der Mindeststrafdrohung unter Ausschaltung der alternativen Geldstrafe) nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 erster Satz StGB verstößt, weil sich dieses nach gefestigter jüngerer Rechtsprechung nur auf subsumtionsrelevante Umstände bezieht (RIS-Justiz RS0130193), während § 39a StGB eine reine - den Strafsatz nicht bestimmende - Strafrahmenvorschrift darstellt (RIS-Justiz RI0100123; zum gleichgelagerten Fall des § 39 StGB vgl RIS-Justiz RS0091527 [insb 14 Os 134/21v, 14 Os 53/21g und 11 Os 73/21a]).

Ausgehend vom nunmehr zutreffenden Strafrahmen (zwei Monate bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe), den angeführten Strafzumessungsgründen sowie unter weiterer Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung nach § 32 StGB würde sich die über den Angeklagten verhängte Strafenkombination, die einer Freiheitsstrafe von acht Monaten entspricht, der Berufung zuwider grundsätzlich keinesfalls als zu streng erweisen.

Zutreffend zeigt jedoch die Oberstaatsanwaltschaft auf, dass anlassbezogen der besondere Milderungsgrund nach § 34 Abs 2 StGB (zu den beiden Fallgruppen dieses Milderungsgrunds vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0132858; Ebner in WK² § 34 Rz 56) vorliegt, weil die Dauer der Ausfertigung des zwölfseitigen Urteils (welches erst am 27.2.2023 der Kanzlei zur Zustellung an den Verteidiger zur Ausführung der Berufung übergeben wurde [ON 25]) die vierwöchige Frist des § 270 Abs 1 StPO objektiv beträchtlich überschritt und vom Umfang und der Schwierigkeit her nicht sachlich gerechtfertigt und demnach unangemessen lange war (RIS-Justiz RS0120138). Dieser Verstoß gegen Art 6 Abs 1 MRK ist durch eine diesem hinreichend Rechnung tragende Reduktion der Strafe (RIS-Justiz RS0114926) von einem Monat auszugleichen.

Eine vom Berufungswerber geforderte Geldstrafe scheitert aufgrund der einschlägigen Vorstrafenbelastung und der Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen, dabei vor allem auch eines teilweisen Vollzugs einer Freiheitsstrafe, an spezialpräventiven Gründen (§ 37 Abs 1 StGB).

Die - trotz Wirkungslosigkeit einer Strafteilung nach § 43a Abs 3 StGB und dem teilweisen Vollzug der unbedingten Freiheitsstrafe im Verfahren 20 Hv 32/20v des Landesgerichts Ried im Innkreis durch die Erstrichterin erfolgte - Anwendung des § 43a Abs 2 StGB war schon aufgrund des geltenden Verschlechterungsverbots vom Oberlandesgericht zu übernehmen und ausgehend davon über den Angeklagten die im Erkenntnis angeführte Strafenkombination zu verhängen.

Der einzelne Tagessatz wurde ohnehin mit der Mindesthöhe des § 19 Abs 2 StGB bemessen, weshalb der Berufungswerber dadurch nicht beschwert ist.

Der Strafberufung kam daher insgesamt (im Ergebnis) lediglich teilweise Berechtigung zu.

Die Kostenentscheidung ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der angeführten Gesetzesstelle.

Infolge Abänderung des Strafausspruchs durch das Oberlandesgericht war der gemeinsam mit dem Urteil – und davon abhängige – ergangene Beschluss nach § 494a StPO aufzuheben und vom Rechtsmittelgericht eine neue Entscheidung im Sinne dieser Gesetzesstelle unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots zu treffen (RIS-Justiz RS0101886, RS0101859; Jerabek , WK-StPO § 494a Rz 11 und § 498 Rz 8).

Weil die bedingte Strafnachsicht zu 1 U 136/17w des Bezirksgerichts Braunau am Inn während des Berufungsverfahrens am 18.4.2023 für endgültig erklärt wurde (§ 43 Abs 2 StGB, § 497 Abs 1 StPO), kam eine (neuerliche) Entscheidung des Oberlandesgerichts über deren Widerruf nicht mehr in Betracht, weshalb es in diesem Umfang mit einer ersatzlosen Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses sein Bewenden hatte.

Vom Widerruf der bedingten Strafnachsichten und der bedingten Entlassung zu 20 Hv 32/20v des Landesgerichts Ried im Innkreis war schon aufgrund des geltenden Verschlechterungsverbots wiederum abzusehen (§ 494a Abs 1 Z 2 StPO). Der einschlägige Rückfall innerhalb der offenen Probezeiten zu 20 Hv 32/20v des Landesgerichts Ried im Innkreis erfordert jedoch spezialpräventiv deren Verlängerung auf jeweils fünf Jahre (§ 494a Abs 6 StPO).

Der Angeklagte war mit seiner implizierten Beschwerde auf diese amtswegige Maßnahme infolge Abänderung des Strafausspruchs zu verweisen.