JudikaturJustiz7Bl10/08a

7Bl10/08a – LG Klagenfurt Entscheidung

Entscheidung
14. Februar 2008

Kopf

REPUBLIK ÖSTERREICH

Landesgericht Klagenfurt 7 Bl 10/08 a

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Landesgericht Klagenfurt hat durch den VPräs Dr. Lutschounig als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Pasterk und Dr. Schofnegger in der Strafsache gegen ***** wegen der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 11.09.2007, 19 U 127/07 h-19, nach der am 14. Februar 2008 in Gegenwart des Staatsanwaltes Mag. Liensberger, des Vertreters des Privatbeteiligten *****, Dr. Toriser,

sowie des Angeklagten ***** und seiner Verteidigerin Mag. Pachner durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Berufungen des Angeklagten ***** und der

Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch

die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 08.09.1954 geborene *****der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle zur Geldstrafe von 100 (einhundert) Tagessätzen, á € 2,--, für den Fall der Nichteinbringlichkeit zur Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen, gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von insgesamt € 670,-- an ***** und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Kostenersatz verurteilt. Der Privatbeteiligte ***** wurde gemäß § 366 Abs 2 StPO mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Nach dem Schuldspruch hat er es am 06.02.2007 in Klagenfurt unterlassen, für die ordnungsgemäße Verwahrung seines Berner Sennenhundes zu sorgen und dadurch fahrlässig nachangeführte Personen am Körper verletzt, und zwar

1) ***** dadurch, dass der Hund ihm in die rechte Hand biss, wodurch er zu Sturz kam und eine Bissverletzung an der rechten Hand sowie Prellungen im Bereich des Rückens, am Gesäß und am rechten Oberschenke erlitt;

2) ***** dadurch, dass der Hund ihm in den linken Oberschenkel biss, wodurch er eine Bissverletzung am linken Oberschenkel und ein Hämatom erlitt.

Gegen dieses Urteil richten sich die wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruches über die Schuld erhobene Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe, die beide unbegründet sind.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Anträge auf Einvernahme der ***** als Zeugin und auf Durchführung eines Ortsaugenscheines in der Hauptverhandlung vom 05.06.2007 (AS 68) gestellt, in der nach Verstreichen von mehr als zwei Monaten neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 11.09.2007 (ON 18) aber nicht wiederholt wurden. Mangels Erneuerung dieser Anträge können sie nicht Grundlage für eine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO sein (Mayerhofer StPO5 § 276 a E 6).

Auch die Ablehnung des weiteren Antrages auf Einholung einer Expertise aus dem Fachbereich der Metallbearbeitung bzw. -verarbeitung in Bezug auf die Qualität des vorgelegten Karabiners erfolgte im Ergebnis zu Recht, weil unter Zugrundelegung der Rechtsansicht der Erstrichterin eine entsprechende Verbreiterung der Beweislage nicht erforderlich war. Dazu ist Nachstehendes festzuhalten:

Gemäß § 8 Abs 1 des Kärntner Landes-Sicherheitspolizeigesetzes (K-LSPG) müssen an öffentlichen Orten, an denen erfahrungsgemäß mit einer größeren Anzahl von Menschen, Tieren oder Verkehrsmitteln gerechnet werden muss, Hunde entweder mit einem um den Fang geschlossenen Maulkorb versehen sein (Maulkorbzwang) oder so an der Leine geführt werden, dass eine jederzeitige Beherrschung des Hundes gewährleistet ist (Leinenzwang). Gemäß § 8 Abs 2 leg cit besteht für bissige Hunde an öffentlichen Orten Maulkorb- und Leinenzwang.

Unter Hinweis auf den Umstand, dass der Hund des Angeklagten bereits am 02.03.2006 *****, eine Nachbarin des Angeklagten, gebissen hat, und zudem davon auszugehen ist, dass ***** schon des öfteren von diesem Tier „gezwickt“ wurde (niederschriftliche Angaben der ***** vom 25.04.2006 in 78 BAZ 588/06 a der Staatsanwaltschaft Klagenfurt), wandte die Erstrichterin zutreffend die Bestimmung des § 8 Abs 2 des K-LSPG an und verlangte das kumulative Anlegen der Leine und eines Maulkorbes. In beiden Schuldspruchfällen war aber, was vom Angeklagten nicht bestritten wurde (AS 18, 56, 68 ff, 99), zumindest der Maulkorb nicht angebracht. Der objektive Sorgfaltsverstoß ist damit begründet.

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der Angeklagte selbst unter der Annahme, dass er seinen Hund an der Leine führte, auch der Bestimmung des § 8 Abs 1 K-LSPG nicht entsprach, wonach das Tier derart an der Leine geführt werden muss, dass seine jederzeitige Beherrschung gewährleistet ist. Um diese Vorschrift näher zu konkretisieren, ist das Verhalten einer mit den Werten der Rechtsordnung verbundenen Modellfigur zu ermitteln. Dabei ist eine Vielzahl von Faktoren wie der Gefährlichkeitsgrad des zu beurteilenden Verhaltens, der Wert des allenfalls betroffenen Gutes sowie der Umfang der drohenden Beeinträchtigung zu berücksichtigen, sohin bei der näheren Konkretisierung der Sorgfaltsnorm zu fragen, wie sich in der gegebenen Situation ein gewissenhafter und einsichtiger Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters verhalten hätte (Burgstaller WK-StGB2 § 6 Rz 38, 49 f).

Im vorliegenden Fall ist in Rechnung zu stellen, dass es sich beim Hund des Angeklagten um ein relativ schweres Tier (zirka 35 kg, vgl. das Gutachten des Sachverständigen ***** in AS 96), das bereits im Jahre 2006 ein auffälliges Verhalten zeigte, handelte, weshalb unabhängig vom attestierten niedrigen Aggressionspotential allgemein und (auch) für den Angeklagten zu erwarten war, dass er das Tier mit der Leine allein nur schwer beherrschen konnte. Gerade diese mangelnde Beherrschbarkeit führte aber - unabhängig von der Verpflichtung zum zusätzlichen Anlegen eines Maulkorbes - in offensichtlicher Weise zu den inkriminierten Verletzungen. Weil ein kausaler Verlauf, wie er hier vorlag, keineswegs atypisch ist und sich geradezu als Realisierung jenes Risikos erweist, dessen Abwendung das Sorgfaltsgebot bezweckt, sind auch die objektiven Zurechnungsvoraussetzungen des Adäquanz- und des Risikozusammenhangs gegeben. Die Missachtung der objektiv gebotenen Sorgfalt indiziert die Fahrlässigkeitsschuld. Hinweise für eine „subjektive“ Unzumutbarkeit eines normgemäßen Verhaltens sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Unter Zugrundelegung dieser bereits vom Erstgericht zutreffend referierten Rechtslage ist es demnach nicht entscheidend, ob der im Verfahren vorgelegte Karabiner - für den Angeklagten allenfalls unvorhersehbar - gebrochen ist oder sich der Hund auf andere Weise von der angelegten Leine losriss.

Auch die Schuldberufung ist nicht im Recht.

Aus den glaubwürdigen Depositionen der Zeugen ***** (AS 17 f, 91 ff, 99) und ***** (AS 64 ff) geht, was vom Angeklagten nicht bestritten wurde, klar hervor, dass sie Bissverletzungen erlitten haben. Allfällige Unsicherheiten des Zeugen ***** in Bezug auf die Frage der Anleinung (AS 91 und 92) sind bei Bedachtnahme auf das konkrete Biss- und Sturzgeschehen zum einen nachvollziehbar, zum anderen aber unmaßgeblich, weil der Hund eben nicht zusätzlich mit einem Maulkorb gesichert war. Aus diesem Grund war es auch nicht erforderlich, die Art der Befestigung der Lederleine um den Baum näher zu erörtern. Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ist ebenso wenig begründet.

Die vom Erstgericht dem Strafbemessungsvorgang zugrunde gelegten Erwägungen sind zu Lasten des Angeklagten nicht korrekturbedürftig. Der Vorfall vom 02.03.2006, der zu keiner Verurteilung führte, kann nämlich nicht zusätzlich als erschwerend im Sinne des § 33 Z 2 StGB gewertet werden. Berücksichtigt man zudem, dass die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten schon Jahre zurückliegen und sich daher nicht als besonders aggravierend auswirken (12 Os 119/06a ua.), erweist sich die von der Erstrichterin verhängte Sanktion als schuld- und unrechtsangemessen, entspricht aber auch general- und spezialpräventiven Erfordernissen. Die bekämpfte Höhe des Tagessatzes ist im Hinblick auf das geringe Einkommen des Angeklagten, das unter dem Existenzminimum liegt, nicht zu kritisieren. Auch bei Bedachtnahme auf das Fehlen von Sorgepflichten entspricht sie den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten (§ 19 Abs 2 StGB).

Die Verpflichtung zum Kostenersatz ist als Folge der Sacherledigung in der Bestimmung des § 390 a Abs 1 StPO begründet.

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