JudikaturJustiz6R80/21p

6R80/21p – LG Ried/Innkreis Entscheidung

Entscheidung
09. Juli 2021

Kopf

Das Landesgericht Ried im Innkreis

hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Koller als Vorsitzenden sowie Dr. Knoglinger und Dr. Rieß in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A***** A***** , *****, vertreten durch Rechtsanwälte Estermann Partner OG in 5230 Mattighofen, wider die beklagte Partei ***** Versicherungen AG , *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, wegen EUR 4.600,00 s. A., über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Braunau am Inn vom 15. Februar 2021, 20 C 80/20v-8 in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„1. Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von EUR 4.600,00 samt 4 % Zinsen seit dem 23. November 2020 zu bezahlen sowie die Prozesskosten zu ersetzen, wird abgewiesen.

2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.254,24 (darin enthalten EUR 209,04 an USt) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.339,97 (darin enthalten EUR 121,83 an USt und EUR 609,00 an Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Der Kläger ist selbstständig erwerbstätig. Er organisiert Veranstaltungen wie etwa Kunst- oder Designmärkte. Zwischen den Streitteilen besteht eine Betriebsunterbrechungsversicherung, der die „Klipp Klar Bedingungen, Unternehmer Erfolgreich Betriebsunterbrechungsversicherung 2010 für freiberuflich Tätige und Selbstständige Fassung 10/2012“ (kurz BU91) zugrunde liegen. Die Versicherungssumme beträgt EUR 18.000,00.

Der Kläger begehrte mit der am 16. Dezember 2020 bei Gericht eingebrachten Mahnklage von der beklagten Partei die Zahlung von EUR 4.600,00 s.A.. Zur Begründung brachte er im Wesentlichen vor, dass aufgrund des Erlasses des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nach § 15 Epidemiegesetz vom 10. März 2020 und der nachfolgenden Maßnahmen des Covid-19-Maßnahmengesetzes sein Betrieb vom 13. März 2020 bis zum 30. Juni 2020 behördlich geschlossen worden bzw. gänzlich unterbrochen worden sei. Der Kläger habe weder Veranstaltungen organisieren noch abhalten können. Nachdem Art 1.1 BU91 nicht auf Art 1.4 BU91 verweise, liege ein „sonstiger Verhinderungsgrund“ vor, der die Leistungspflicht der beklagten Partei begründe. Jedenfalls liege ein Versicherungsfall gemäß Art 1.2.3 BU91 vor, weil der Betrieb des Klägers infolge von Quarantäne-Maßnahmen geschlossen worden sei. Zudem habe der Kläger als für den Betrieb verantwortlich leitende Person seine berufliche Tätigkeit nach objektiven Kriterien im Sinne von Artikel 1.2.4 BU91 nicht ausüben können. Ein individueller Verwaltungsakt (Bescheid) betreffend den versicherten Betrieb oder persönlich über den Kläger verhängte Quarantäne-Maßnahmen seien nicht erforderlich. Im Übrigen sei der Versicherungsfall der Schließung des Betriebes infolge Quarantäne unabhängig vom Eintritt der völligen Erwerbsunfähigkeit.

Die beklagte Partei bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte zusammengefasst ein, dass kein Versicherungsfall vorliege. Die Gesundheitsbehörden hätten über den Kläger keine Quarantänemaßnahmen angeordnet, weshalb keine völlige (100%ige) Erwerbsunfähigkeit vorliege. Der Kläger sei aus medizinischer Sicht jederzeit in der Lage gewesen, seine berufliche Tätigkeit auszuüben. Auch sei der Betrieb des Klägers nie unmittelbar durch behördliche Maßnahmen/ Verfügungen geschlossen worden; eine behördliche Schließung des versicherten Betriebes sei nicht angeordnet, sondern nur ein Veranstaltungsverbot verordnet worden. Sämtliche in Art 1 BU91 genannten Versicherungsfälle (Personen- oder Sachschaden oder ein sonstiger Verhinderungsgrund) würden eine unmittelbare individuelle Betroffenheit des Versicherungsnehmers voraussetzen und sei eine bloß mittelbare Auswirkung eines den Versicherungsnehmer bzw. den Betrieb nicht unmittelbar betreffenden Ereignisses nicht mitversichert.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem (im Zinsenbegehren eingeschränkten) Klagebegehren statt. Der Entscheidung liegt folgender wesentlicher Sachverhalt zu Grunde:

Aufgrund des Erlasses vom 10.03.2020 des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz war die Abhaltung von Veranstaltungen, wie sie der Kläger im Rahmen seines Betriebes organisiert, ab 10.03.2020 in Österreich nicht mehr möglich. Dieser Zustand dauerte bis 30.06.2020 an. In diesem gesamten Zeitraum war der Kläger nicht in der Lage, im Rahmen seines Betriebes Umsätze zu erwirtschaften und dadurch Einkommen zu erzielen. Der Kläger war in diesem Zeitraum nicht erkrankt. Es wurden bei ihm auch keine Quarantänemaßnahmen verfügt. Es wurde auch keine förmliche Betriebsschließung verordnet.

Der Kläger erstattete zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt Schadensmeldung an die beklagte Partei. Als Grund für die gänzliche Unterbrechung des Betriebes führte er an:

„Es dürfen aufgrund des Erlasses der Bundesregierung keine Veranstaltungen durchgeführt werden, wodurch sich kein Umsatz mehr erwirtschaften lässt.“

Diese Schadensmeldung wurde vom Versicherungsberater des Klägers am 17.04.2020 an die beklagte Partei übermittelt. Im Oktober 2020 erfolgte das Angebot einer „Freiwilligen Unterstützungsleistung“ an den Kläger durch die beklagte Partei. Mit Schreiben vom 16.11.2020 forderte der Klagevertreter die beklagte Partei zur Zahlung des Klagsbetrages auf. Die beklagte Partei lehnte diese Forderung mit E-Mail vom 07.12.2020 ab.

Auszugsweise lauten die klagsgegenständlichen Versicherungsbedingungen wie folgt:

„Artikel 1- Was ist versichert? Wo und wann besteht Versicherungsschutz? Was gilt als Versicherungsfall?

4. Sonstige Verhinderungsgründe

Artikel 7- Was umfasst unsere Leistungspflicht?

.

.

.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen nach dem objektiven Erklärungswert auszulegen seien, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen würden und es auf den allgemeinen Lebenssprachgebrauch ankomme. Nach dem Erlass des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 10. März 2020 (GZ 2020-0.172.682) seien bis 30. Juni 2020 Veranstaltungen in geschlossenen Räumen ab 100 Personen und im Freien ab 500 Personen verboten worden. In dieser Zeit habe der Kläger keinen Umsatz und kein Einkommen erwirtschaften können. Artikel 1.2.3 der Bedingungen führe als Betriebsunterbrechungsgrund unter dem Fachbegriff „Personenschaden“ auch die „Quarantäne-Maßnahmen“ an und definiere sie als Maßnahmen aufgrund einer Verfügung einer Gesundheitsbehörde oder ihr gleich gestellten Organe, die anlässlich einer Seuche oder Epidemie ergehen würden. Nach dem ganz eindeutigen Wortlaut liege ein solcher Fall auch beim Kläger vor. Der zweite Satz dieses Punktes führe nämlich als Versicherungsfall auch an, wenn der Betrieb in Folge Quarantäne geschlossen werde. Es habe nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut also nicht eines förmlichen Schließungsbeschlusses einer Gesundheitsbehörde bedurft. Die vom zuständigen Bundesminister verfügte generelle Norm führe zu einer „Quarantäne“ im Sinne der Versicherungsbedingungen, weshalb der Versicherungsfall eingetreten sei und der Kläger daher grundsätzlich Anspruch auf Zahlung aufgrund des Versicherungsvertrages habe, der der Höhe nach unstrittig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Berufung der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren vollinhaltlich abzuweisen.

Der Kläger erstattete fristgerecht eine Berufungsbeantwortung mit dem Antrag, der Berufung (kostenpflichtig) keine Folge zu geben.

Die Berufung ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtslage im entscheidungsrelevanten Zeitraum (10. März 2020 bis zum 30. Juni 2020) stellte sich hinsichtlich Covid-19-Schutzmaßnahmen wie folgt dar:

Am 10.03.2020 wies der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die Bezirksverwaltungsbehörden (Gesundheitsämter) mit Erlass (GZ: 2020-0.172.682) an, durch Verordnung zu verfügen, dass nach § 15 des Epidemiegesetzes 1950 sämtliche und insbesondere Veranstaltungen iSd Epidemiegesetzes 1950 in ihrem Wirkungsbereich, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen mit sich bringen, zu untersagen sind, bei denen mehr als 500 Personen (außerhalb geschlossener Räume oder im Freien) oder mehr als 100 Personen in einem geschlossen Raum zusammenkommen.

Das Epidemiegesetz wurde durch das am 15.03.2020 verabschiedete, inzwischen mehrfach novellierte COVID-19-Maßnahmengesetz ( Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ) ergänzt und abgeändert.

Mit der Verordnungsermächtigung in § 1 f COVID-19-Maßnahmengesetz verordnete und untersagte der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz am selben Tag – mit den bekannten Ausnahmen des täglichen Bedarfs in § 2 leg cit – das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen, von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben sowie das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe (BGBl II 96/2020). Mit einer weiteren Verordnung vom 15.03.2020 verbot der Bundesminister generell das Betreten öffentlicher Orte mit den allbekannten Ausnahmen (BGBL II 98/2020). In weiterer Folge wurden durch die COVID-19-Lockerungsverordnungen die Maßnahmen sukzessive aufgehoben; ab 01.07.2020 waren Veranstaltungen ohne zugewiesene und gekennzeichnete Sitzplätze mit mehr als 100 Personen untersagt; Veranstaltungen mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen in geschlossenen Räumen mit bis zu 250 Personen und im Freiluftbereich mit bis zu 500 Personen zulässig (BGBl II Nr. 197/2020 idF 287/2020).

Wie das Erstgericht zutreffend ausführte, sind Allgemeine Versicherungsbedingungen (vorliegend die BU91) nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) zu interpretieren, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers. Die Klauseln sind objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS005063; RS0008901). Die Frage, ob bei einer Betriebsunterbrechungsversicherung Deckung besteht, stellt grundsätzlich eine Einzellfallentscheidung dar.

Gegenständlich beschränkt sich der Versicherungsschutz auf die nahtlos nach Art 1.1 BU91 taxativ aufgezählten Gründe des Personen- oder Sachschaden oder sonstigen Verhinderungsgründe (vgl auch RIS- Justiz RS0080975 [T 7]). Art 1.1. BU91 stellt klar, dass der Unterbrechungsschaden nach den angeführten Bestimmungen ersetzt wird; verweist daher auch auf die aufgezählten Unterbrechungsgründe. Der Versicherungsnehmer selbst war im relevanten Zeitraum nicht erkrankt und wurden gegen ihn auch keine Quarantäne-Maßnahmen verfügt, weshalb der Versicherungsfall des Personenschadens nicht eingetreten ist. Der Kläger war jedenfalls nicht völlig (100%ig) erwerbsunfähig im Sinne von Art 1.2.4 BU91, weshalb sich die Frage erübrigt, ob der Kläger nach objektiven Kriterien seine Tätigkeiten ausführen konnte.

Die entscheidungswesentliche Frage ist vielmehr, ob der Versicherer zur Deckung der Betriebsunterbrechung verpflichtet ist, zumal nach Art 1.2.3 zweiter Satz BU91 als Versicherungsfall auch gilt, wenn der Betrieb infolge Quarantäne geschlossen wird.

Dabei stellt sich die von den Streitteilen umstrittene Frage, ob eine faktische Betriebsstilllegung durch generell abstrakte Maßnahmen für eine Deckung ausreicht oder ein individuell konkreter Akt einer Behörde erforderlich ist. In seinem Aufsatz „COVID-19: Deckung in der BUFT“ (veröffentlicht in: Versicherungsrundschau Ausgabe 5/20, 26 ff) hat sich Perner ausführlich mit dieser Frage auseinandergesetzt und dabei aufgezeigt, dass von einem „Bedingungsstandard“ von der am Markt verfügbaren Bedingungswerke auszugehen sei, unter denen auch das gegenständliche Klauselwerk (BU91) einzuordnen sei. Nach Perner gingen die Bedingungen stets von einer individuellen Betroffenheit aus, die bloß mittelbare Auswirkung eines Ereignisses sei nicht versichert. Auch die Quarantänemaßnahme müsse daher unmittelbar (individuell) gegen den Betrieb gerichtet sein, um den Versicherungsfall auszulösen. Dass sich eine behördliche Maßnahme (Ausgangsbeschränkung, allgemeine Betretungsverbote) mittelbar auf den Betrieb auswirke, reiche daher nicht aus. Auch die gegenständlichen Bedingungen (BU91) sind so auszulegen, dass von einer individuellen Betroffenheit auszugehen ist (Arg.: eine gänzliche oder teilweise Unterbrechung des versicherten Betriebes (Art 1.1 BU91) ; die Beschädigung oder die Zerstörung einer dem Betrieb dienenden Sache (Art 1.3 BU91) ; Einbruchsdiebstahl […] in die Betriebsräumlichkeiten (Art 1.3.5)). Bei der Definition „Personenschaden“ stellen die BU91 auf die „namentlich genannte, für den Betrieb verantwortliche und leitende Person“ ab . Dass Art 1.2.3 zweiter Satz BU91 beim Personenschaden angesiedelt ist, liegt daran, dass die den Betrieb betreffende Maßnahme jener im ersten Satz des Art 1.2.3 gleichgesetzt wird, die den Versicherungsnehmer selbst betrifft ( Perner, aaO, 31 ).

Der Meinung von Perner ist insofern beizupflichten, als diese auch mit der jüngst ergangenen Entscheidung des OGH vom 24.02.2021, 7 Ob 214/20a, in Einklang zu bringen ist. Im Anlassfall wurde das vom Kläger betriebene Hotel zuerst aufgrund einer Verordnung durch die Bezirksverwaltungsbehörde, die eine bezirksweite Schließung von Beherbergungsbetrieben zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 vorsah, geschlossen. Aufgrund der nachfolgenden, auf dem COVID-19-Maßnahmengesetz beruhenden Verordnung, mit der ein Betretungsverbot von Beherbergungsbetrieben für Touristen angeordnet worden war, hielt der Kläger sein Hotel weiterhin geschlossen. Zwischen den Streitteilen bestand eine Seuchen-Betriebsunterbrechungsversicherung mit anderen Bedingungen, weshalb eine Anwendung auf den gegenständlichen Fall nur begrenzt möglich ist. Der OGH sprach aber insbesondere aus, dass eine Betriebsschließung mit Betretungsverboten nicht gleichzusetzen ist. So richte sich ein Betretungsverbot nicht unmittelbar an den Unternehmer selbst, sodass der unmittelbare Bezug zum Betrieb fehle. Beim Betretungsverbot sei die Aufrechterhaltung etwa durch alternative Geschäftsmodelle möglich, weshalb ein erheblicher Unterschied zwischen einem Betretungsverbot und einer Betriebsschließung bestehe. Das Risiko einer – wie gegenständlich – bloß faktisch als Nebenwirkung eintretenden Betriebsschließung aufgrund eines angeordneten Betretungsverbotes nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz ist nach den Bedingungen von Art 1.1.1 des konkreten Falles – der ebenso wie der verfahrensgegenständliche Art 1.2.3 BU 91 auf eine Schließung abstellt – nicht gedeckt.

Auch nach Strasser/Meyer (Die Betriebsunterbrechungsversicherung in Zeiten von COVID-19, ZVers 2020, 183 ff) stellt eine behördliche Betriebsschließung (konkreter Einzelfall, ein Adressat) ganz objektiv und daher auch für den Versicherungsnehmer erkennbar ein völlig anderes Risiko dar als eine Schließung auf Grundlage eines Gesetzes bzw einer Verordnung (allgemeiner, nicht feststehender, bloß bestimmbarer Adressatenkreis). Nach diesen Autoren handelt es sich aufgrund der weltweiten Verbreitung der Krankheit um ein für die Versicherungswirtschaft kaum versicherbares Kumulrisiko und stellen die Bedingungswerke regelmäßig nur auf das innerbetriebliche Auftreten von Infektionen bzw das intern entstandene Infektionsrisiko ab ( Strasser/Meyer, aaO, 185 f). Diese Ansicht findet auch in der höchstgerichtlichen Judikatur Deckung; so sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks auszulegen (RIS-Justiz RS0050063 [T71]) und muss dem Versicherungsnehmer das Wissen zugemutet werden, dass gewisse Begrenzungsnormen einer Betriebsunterbrechungsversicherung zu Grunde liegen (OGH 17.09.2014, 7 Ob 137/14v). Schließlich gibt es in der österreichischen Versicherungspraxis keine generelle „All-risk-Versicherung“ (RIS- Justiz RS0119747) und würde eine Deckungspflicht bei Maßnahmen, die temporär die Wirtschaft nahezu zum Stillstand bringt im Ergebnis auch dem Wesen einer Versicherung – das Kollektiv gleicht die einzelnen Schäden aus den gesammelten Prämien aus – widersprechen.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass behördliche Maßnahmen gegen die Verbreitung von COVID-19, die nicht konkret auf einen einzelnen Versicherungsnehmer oder bestimmten Betrieb in der Betriebsunterbrechungsversicherung abzielen (wie Gesetze, Verordnungen und Erlässe) und die sich daher nur mittelbar auf den Versicherungsnehmer oder Betrieb auswirken, grundsätzlich keinen Versicherungsfall der Betriebsunterbrechungsversicherung begründen.

Deshalb war in Stattgebung der Berufung das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern, womit auch die Kostenentscheidung erster Instanz neu zu fällen war. Einwendungen gegen die Kostennote der (letztlich obsiegenden) beklagten Partei im Sinne des § 54 Abs 1a ZPO wurden nicht erhoben. Diese Kostennote war daher lediglich einer Grobprüfung zu unterziehen, der sie (rechtlich und rechnerisch) standhielt.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Die Berufungswerberin verzeichnete in der Berufung unterschiedliche ERV- Kosten (EUR 2,10 im Deckblatt und EUR 4,10 auf S 5 der Berufungsausführung). Der Zuschlag von EUR 4,10 nach § 23a erster Satz RATG gebührt nur für verfahrenseinleitende Schriftsätze – darunter sind keine Rechtsmittel zu verstehen (RIS- Justiz RS0126594); es waren daher lediglich EUR 2,10 zuzusprechen.

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