JudikaturJustiz6C618/13P

6C618/13P – BG Neusiedl Entscheidung

Entscheidung
07. August 2013

Kopf

BESCHLUSS

Spruch

1. Die Klagseinschränkung auf EUR 10,- zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit 8.6.2013 wird zur Kenntnis genommen.

2. Die darüber hinausgehende Änderung des Klagebegehrens mit Schriftsatz der klagenden Partei vom 19.7.2013, insbesondere die Ausdehnung des Klagebegehrens um EUR 2.000,- zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit 8.6.2013 wird als unzulässig zurückgewiesen .

3. Der Antrag der klagenden Partei auf Kostenersatz für den Schriftsatz vom 19.7.2013 wird abgewiesen .

Text

Begründung:

Mit Mahnklage vom 16.7.2013 begehrt der Kläger von der beklagten Partei Zahlung von EUR 3.400,- zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit 8.6.2013 und bringt hiezu vor, am 7.6.2013 habe der Lenker eines in Deutschland zugelassenen Kfz einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem der Kläger verletzt und das in seinem Eigentum stehende Fahrzeug beschädigt worden sei und Totalschaden erlitten habe. Die Totalschadensablöse betrage EUR 1.340,-, hiezu kämen pauschale Unkosten in der Höhe von EUR 60,- und ein Schmerzengeld in der Höhe von EUR 2.000,-.

Am 17.7.2013 erließ das Gericht den Zahlungsbefehl laut dieser Klage, dieser Zahlungsbefehl wurde noch am 17.7.2013 mit Hilfe automationsunterstützter Datenverarbeitung abgefertigt und der beklagten Partei am 23.7.2013 zugestellt.

Am 19.7.2013 langte ein Schriftsatz des Klägers bei Gericht ein, in dem er vorbrachte, die beklagte Partei habe am 18.7.2013 einen Betrag von EUR 1.390,- auf den Klagsbetrag geleistet, er gehe davon aus, dass es sich hiebei um den Sachschaden handle. Weiters brachte der Kläger vor, es sei grundsätzlich richtig, dass er beim Verkehrsunfall vom 7.6.2013 im Ausmaß des Klagsbetrages geschädigt worden sei, richtigzustellen sei allerdings, dass nicht er, sondern die Lenkerin des Fahrzeuges, nämlich seine Gattin C**** K****** verletzt worden sei, welche ihre Schmerzengeldansprüche an den Kläger abgetreten habe. Der Kläger erklärte daher, im Hinblick auf die Berichtigung des Klagebegehrens und die nach Klagseinbringung erfolgte Zahlung, das Klagebegehren vorerst auf den Betrag von EUR 10,- (restliche pauschale Unkosten) einzuschränken und es in einem Zug um EUR 2.000,- (abgetretener Schadenersatzanspruch von C**** K*****) auf nunmehr EUR 2.010,- „samt 4 % Zinsen seit dem 8.6.2013 und 4 % Zinsen aus EUR 1.390,- seit dem 8.6.2013 und 18.7.2013“ auszudehnen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu ist folgendes auszuführen:

Gemäß § 235 Abs. 1 ZPO ist der Kläger zu einer Änderung der bei Gericht überreichten Klage und namentlich zu einer Erweiterung des Klagebegehrens, durch welche die Zuständigkeit des Prozessgerichtes nicht ausgeschlossen wird, vor Eintritt der Streitanhängigkeit stets berechtigt. Nach Eintritt der Streitanhängigkeit bedarf es hiezu gemäß § 235 Abs. 2 ZPO der Einwilligung des Gegners; mit dieser Einwilligung ist eine Änderung der Klage auch dann zulässig, wenn das Prozessgericht für die geänderte Klage nicht zuständig wäre, sofern es durch Parteienvereinbarung zuständig gemacht werden könnte oder die Unzuständigkeit nach § 104 Abs. 3 JN geheilt wird. Die Einwilligung des Gegners ist als vorhanden anzunehmen, wenn er, ohne gegen die Änderung eine Einwendung zu erheben, über die geänderte Klage verhandelt. Das Gericht kann gemäß § 235 Abs. 3 ZPO eine Änderung selbst nach Eintritt der Streitanhängigkeit und ungeachtet der Einwendungen des Gegners zulassen, wenn durch die Änderung die Zuständigkeit des Prozessgerichtes nicht überschritten wird und aus ihr eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist. Als eine Änderung der Klage ist es gemäß § 235 Abs. 4 ZPO nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes die tatsächlichen Angaben der Klage und die in derselben angebotenen Beweise geändert, ergänzt, erläutert oder berichtigt werden, oder wenn, gleichfalls ohne Änderung des Klagegrundes, das Klagebegehren in der Hauptsache oder in Beziehung auf Nebenforderungen beschränkt oder statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

Klagsänderung ist jede Änderung des durch den Kläger bestimmten Streitgegenstandes. Da der Streitgegenstand des Zivilprozesses aus dem Begehren des Klägers und den Tatsachen, aus denen es sich ableitet, gebildet wird, kann eine Klagsänderung nur dann vorliegen, wenn entweder a) das Klagebegehren geändert wird; oder b) an Stelle der Tatsachen, aus denen das bisherige Begehren abgeleitet wird, andere Tatsachen vorgebracht werden; oder c) sowohl das Klagebegehren wie auch das dieses begründende Tatsachenvorbringen abgeändert werden. Eine Klagsänderung liegt also vor, wenn zumindest das Klagebegehren erweitert oder (abgesehen von den Fällen des § 235 Abs 4 ZPO) abgeändert wird oder wenn die klagebegründenden Tatsachen geändert werden ( Klicka in Fasching , Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen 2 Rz 14 zu § 235 ZPO). Keine Änderung des Streitgegenstandes liegt dann vor, wenn a) nicht der Inhalt des Rechtsstreites, sondern die Personen der Parteien geändert oder gewechselt werden sollen; deshalb ist die Parteiänderung keine Klagsänderung, ebenso wenig der freiwillige oder gesetzliche Parteiwechsel. Auf sie finden die Vorschriften des § 235 ZPO keine Anwendung; b) das Klagebegehren eingeschränkt wird; da der Streitgegenstand hier quantitativ eingeschränkt, nicht aber erweitert oder qualitativ verändert wird; c) die Angaben in der Klage berichtigt werden. Eine Berichtigung liegt nur dann vor, wenn Ergänzungen und Richtigstellungen erfolgen, die das Wesen der bereits geltend gemachten rechtserzeugenden Tatsachen nicht berühren oder wenn offenbare Irrtümer in der Fassung des Klagebegehrens richtig gestellt werden, die sich nicht aus einer unrichtigen Begründung des Begehrens herleiten, sondern auf einem mit dem Streitgegenstand nicht in innerem sachlichen Zusammenhang stehenden Verhalten des Klägers beruhen (so z.B. Schreib- und Rechenfehler). Es muss sich hier also um Ergänzungen, Änderungen, Berichtigungen und Erläuterungen des Begehrens oder von Tatsachen handeln, die nicht das Begehren in seiner Substanz oder „den Rechtsgrund“ des Anspruchs ändern, das heißt also, dass sie insbesondere nur Tatsachen betreffen dürfen, die den bisherigen Sachverhalt nur konkretisieren; d) wenn das Sachvorbringen, das die Entscheidungsgrundlage für das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen bildet, ergänzt, neu vorgetragen oder geändert wird. Da die Prozessvoraussetzungen grundsätzlich amtswegig zu prüfen sind und nur Voraussetzungen für die sachliche Entscheidung über den Anspruch, nicht aber Elemente desselben sind, sind sie auch nicht Streitgegenstand. Eine Änderung dieser zu ihrer Begründung vorgetragenen Tatsachen fällt daher keinesfalls unter § 235 ZPO ( Klicka aaO Rz 16).

Als eine Änderung des Begehrens und somit als Klagsänderung nach § 235 Abs. 1 bis 3 ZPO ist es anzusehen, wenn bei Leistungsbegehren das Begehren quantitativ erweitert wird; jede Klagserweiterung ist auch eine Klagsänderung. Eine durch § 235 Abs. 4 ZPO ausdrücklich für zulässig erklärte Form der Klagsänderung ist die Einschränkung des Klagebegehrens. Es muss sich hier um eine quantitative Reduzierung des Umfanges (oder um eine Abänderung von Leistung oder Rechtsgestaltung auf Feststellung) handeln. Die Klagseinschränkung ist auch nicht zum Gegenstand einer besonderen Entscheidung zu machen. Sie ist in jeder Lage des Verfahrens ohne Zustimmung des Gegners (§ 235 Abs. 4 ZPO) zulässig und sie ist nicht als Klagsrücknahme aufzufassen ( Klicka aao Rz 17 mwN). Eine „Änderung des Klagegrundes“ und damit eine Klagsänderung liegt auch dann vor, wenn anspruchsbegründende Tatsachen abgeändert, ergänzt oder durch andere ersetzt werden ( Klicka aaO Rz 25). Die Änderung der rechtlichen Qualifikation ist daher, solange sie nicht mit einer Änderung der vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen oder einer als Klagsänderung aufzufassenden Änderung des Klagebegehrens verbunden ist, für Gericht und Parteien unbeachtlich und keine Klagsänderung. Ist mit der „Änderung der rechtlichen Qualifikation“ hingegen auch eine Veränderung der rechtserzeugenden Tatsachen bzw. ein Neuvorbringen erfolgt, dann liegt eine Klagsänderung vor ( Klicka aaO Rz 26). Die Ersetzung der ursprünglichen anspruchsbegründenden Tatsachenbehauptung, die Forderung stehe dem Kläger aus eigenem Recht gegen den Beklagten zu, durch jene, sie gründe sich auf Zession, ist eine Änderung des Streitgegenstandes durch Änderung des Klagegrundes – das ist die Summe der anspruchserzeugenden Tatsachenbehauptungen – und somit eine Klagsänderung (OGH 5 Ob 75, 76/75 = JBl. 1975, 549).

Eine Klagseinschränkung ist (ebenso wie die gänzliche Klagsrücknahme) auch nach Erlassung des Zahlungsbefehls bis zum Einlangen des Einspruchs zulässig ( Kodek in Fasching aaO Rz 84 zu § 244 ZPO).

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die im Schriftsatz vom 19.7.2013 vorgenommene Klagseinschränkung auf EUR 10,- s.A. jedenfalls zulässig ist, die Ausdehnung (bzw. „Berichtigung“) des Schmerzengeldes aber jedenfalls eine Klagsänderung darstellt, deren Zulässigkeit in der Folge zu prüfen ist.

Vor Eintritt der Streitanhängigkeit, also gemäß § 232 ZPO noch vor Zustellung der Klageschrift an den Beklagten kann der Kläger alle Klagsänderungen ohne sachliche Einschränkung vornehmen (ausgenommen bleibt nur die Einschränkung durch den Zuständigkeitsbereich des Gerichtes und die Notwendigkeit des Vorliegens der Prozessvoraussetzungen); er bedarf dazu weder der Zustimmung des Gerichtes noch derjenigen des Beklagten.

Streitanhängig wird die Streitsache mit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes an den Beklagten. Dazu zählen die Klage, aber etwa auch der Zahlungsbefehl im Mahnverfahren ( Mayr in Fasching aaO Rz 3 zu § 232 ZPO).

Im gegenständlichen Fall liegt die Besonderheit darin, dass die Klagsänderung zu einem Zeitpunkt vorgenommen wurde, zu dem der Zahlungsbefehl noch nicht zugestellt war (also noch keine Streitanhängigkeit eingetreten war), der Zahlungsbefehl aber bereits erlassen und abgefertigt war. Nach der Rechtsprechung sind Klagsänderungen zwar auch im Wechselmandatsverfahren (OGH 6 Ob 211/67 = SZ 40/105 = EvBl 1967/146 = RZ 1968, 74; OGH 5 Ob 57/75 = NZ 1981, 84) oder im Verfahren über eine gerichtliche Aufkündigung (OGH 8 Ob 580/88 = EvBl. 1989/235 [731]) zulässig, diese Entscheidungen betreffen aber ausschließlich Fälle, in denen die Klagsänderung nach Erhebung von Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag bzw. die gerichtliche Aufkündigung erfolgte. Auch die Bestimmung des § 235 Abs. 1 ZPO, wonach Klagsänderungen vor Eintritt der Streitanhängigkeit (abgesehen von den bereits erwähnten Ausnahmen) jedenfalls zulässig sind, stammt noch aus einer Zeit vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983 und damit einer Zeit vor Einführung des Mahnverfahrens. Ist nun aber ein Verfahren anhängig, in dem ein bedingter Zahlungsbefehl zu erlassen ist, so führt dies – anders als etwa bei einem Verfahren, in dem unmittelbar nach Einlangen der Klage eine Tagsatzung anzuberaumen ist – dazu, dass eine Änderung (insbesondere Erweiterung) des bedingten Zahlungsbefehles nicht möglich ist. Eine Änderung des Zahlungsbefehles nach dessen Erlassung würde nämlich dazu führen, dass der beklagten Partei für den geänderten Teil des Begehrens nicht mehr die gesamte 4-wöchige Einspruchsfrist des § 248 Abs. 2 ZPO zur Verfügung stünde, weil ihr der Schriftsatz, mit dem die Klagsänderung vorgenommen wird, regelmäßig erst nach dem Zahlungsbefehl zugestellt wird, die Frist für die Erhebung des Einspruches aber gemäß § 248 Abs. 2 letzter Satz ZPO bereits mit der Zustellung des Zahlungsbefehles zu laufen beginnt. Dass eine Klagsänderung nach Erlassung des Zahlungsbefehles unzulässig ist, wird außerdem vor allen in jenen Fällen deutlich, wo die beklagte Partei den Zahlungsbefehl nicht beeinsprucht, weil dies dazu führt, dass der Zahlungsbefehl in Rechtskraft erwächst und freilich nur der einmal erlassene Zahlungsbefehl in Rechtskraft erwachsen kann, der aber dann vom nunmehrigen Begehren der klagenden Partei abweicht. Eine „Abänderung“ des Zahlungsbefehles im Hinblick auf eine nach dessen Erlassung vorgenommene Klagsänderung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Bei der Klagseinschränkung stellt dies kein Problem dar, weil in diesem Fall selbst dann, wenn der Zahlungsbefehl in seiner ursprünglichen Form in Rechtskraft erwächst und der Kläger aufgrund dieses Zahlungsbefehles Exekution führt, dem Beklagten die Oppositionsklage offensteht, eine Erweiterung oder sonstige Änderung des Zahlungsbefehles ist demgegenüber aber nicht möglich.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Klagseinschränkung auf EUR 10,- zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit 8.6.2013 zulässig ist, wohingegen die gleichzeitig vorgenommene Klagsausdehnung unzulässig und daher zurückzuweisen ist.

Der Antrag auf Kostenersatz ist abzuweisen, weil der Schriftsatz nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war.

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