JudikaturJustiz60R7/21s

60R7/21s – LG HG Wien Entscheidung

Entscheidung
08. März 2021

Kopf

Das Handelsgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Präsidentin Dr. Wittmann-Tiwald als Einzelrichterin in der Rechtssache der klagenden Partei A* vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG, in 8605 Kapfenberg gegen die beklagte Partei B* GmbH , ** vertreten durch Dr. Riess Rechtsanwälte GmbH, in 1080 Wien, wegen € 1.620,-- sA über die Rekurse der klagenden Partei und beklagten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 09.11.2020, 11 C 362/19v-26, den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Beiden Rekursen wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass dieser zu lauten hat:

„Die Gebühr des Sachverständigen D*. E*, **, für die vorgesehene Teilnahme an der für den 01.09.2020 anberaumten mündlichen Verhandlung wird wie folgt bestimmt:

§ 30 Z 1 GebAG

Hilfskraft zum Kopieren und Planpausen

1 Std à € 50,00 € 50,00

§ 31 Z 1 GebAG

Kosten für Ablichtungen

86 Stk A4 à €0,60 € 51,60

4 Stk A3 in Farbe à € 1,20 € 4,80

Planpause Einreichplan- pauschal € 15,00

§ 31 Z 5 GebAG

G* für Retournierung Gerichtsakt – pauschal € 8,00

§ 32 Z 1 GebAG

Entschädigung für Zeitversäumnis (Weg zum Postamt und Copyshop)

1 Std à € 22,70 € 22,70

§ 36 GebAG

Aktenstudium € 30,00

Zwischensumme € 182,10

20% Ust € 36,42

Gebührenanspruch insgesamt € 218,52

abgerundet gemäß § 39 Abs 2 GebAG € 218,00“

Die Auszahlungsanordnung des Erstgerichts wir aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Erlassung einer neuen Auszahlungsanordnung aufgetragen.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften jeweils selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

B e g r ü n d u n g

In einem Verfahren wegen einer Werklohnforderung wurde D*. E* als Sachverständiger für die Teilnahme an der nächsten Tagsatzung bestellt. Noch vor dieser Tagsatzung vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens. Der Sachverständige legte daraufhin eine Gebührennote.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von Werklohn sowie Mahnspesen und brachte hierzu im Wesentlichen vor, dass sie von der Beklagten mit der Erstellung eines Energieausweises für eine konkrete Liegenschaft auf Grundlage eines bereits genehmigten Einreichplanes zu einem Preis von € 1.620,-- beauftragt worden sei. Auf Basis des Einreichplanes sei es aber nicht möglich gewesen, sämtliche gesetzliche Anforderungen zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund habe sie, die Klägerin, auftragsgemäß und ordnungsgemäß einen Energieausweis mit dem Hinweis erstellt, dass für die Gesetzeskonformität des Energieausweises bestimmte Änderungen im Einreichplan (durch einen Auswechslungsplan) notwendig seien. Auf Wunsch der Beklagten habe sie auch einen Energieausweis auf Basis des Einreichplanes erstellt, wobei hierfür nicht sämtliche gesetzlichen Anforderungen hätte erfüllt werden können. Die Beklagte habe die vereinbarte Zahlung nicht geleistet.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, die Klägerin habe der Beklagten einen mangelhaften Energieausweis mit dem unzutreffenden Ergebnis übermittelt, dass das Bauwerk der Beklagten den Wärmeschutzanforderungen nicht gerecht werden würde. Trotz Aufforderung habe die Klägerin keinen Verbesserungsversuch unternommen. Sofern die Erstellung des Energieausweises auf Basis des Einreichplanes von vornherein unmöglich gewesen sein sollte, hätte die Klägerin die Beklagten darüber noch vor dem Vertragsabschluss warnen müssen.

Nach Mitteilung der Ruhensanzeige legte der Sachverständige am 28.08.2020 eine Gebührennote über € 1.354,80. Die Beklagte erhob dagegen Einwendungen; der Sachverständige habe keinen Anspruch auf Gebühren, da dieser bisher weder zum Sachverständiger bestellt worden sei noch einen konkreten gerichtlichen Auftrag erhalten habe, Leistungen zu erbringen. Selbst wenn der Sachverständige mit einem bestimmten Auftrag bestellt worden sei, seien seine Leistungen nicht unter § 34 GebAG zu subsumieren; er habe wegen der vorhersehbarer Höhe der Gebühren gegen seine Warnpflicht verstoßen.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Gebühr des Sachverständigen für die Vorbereitung der Teilnahme an der für den 01.09.2020 anberaumten mündlichen Verhandlung mit € 1.352,-- und verpflichtete die Klägerin zur Zahlung dieses Betrags.

Das Erstgericht führte aus, dass D*. E* mittels Ladungsformular D3 als Sachverständige bestellt worden sei. Da der Sachverständige (noch) nicht mit der Erstattung von Befund und Gutachten, sondern zunächst zur Mitwirkung an der Befragung des Zeugen H* in der mündlichen Verhandlung beauftragt gewesen sei, sei ex-ante mit keinen weiteren Kosten als den der Vorbereitungen für die Befragung des Zeugen H* zu rechnen gewesen, die den Wert des Streitgegenstandes von € 1.620,-- nicht überstiegen hätten. Der Sachverständige habe daher nicht die Warnpflicht gemäß § 25 Abs 1a GebAG verletzt. Weil der Sachverständige aus Gründen enthoben worden sei, die von ihm nicht zu vertreten gewesen seien, habe er Anspruch auf die seiner unvollendeten Tätigkeit entsprechende Gebühr (OLG Wien 33 Bs 214/15k). Die Vorbereitungshandlungen des Sachverständigen seien wie vom Sachverständigen geltend gemacht gemäß § 34 GebAG zu honorieren. Auch die restlichen verrechneten Gebühren für die Anfertigung von Kopien und Planpausen, Kosten für die Ablichtung, G* und Zeitentschädigung für die Wege zur Post und zum Copyshop seien mit Ausnahme des Stundensatz für eine Hilfskraft (nicht € 52,00 sondern lediglich € 50,00) gerechtfertigt und stünden daher dem Sachverständigen zu.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Rekurse der Klägerin und der Beklagten aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichts dahingehend abzuändern, dass dem Sachverständigen keine Gebühren zugesprochen werden.

Der Sachverständige beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind teilweise berechtigt.

1. Die Rekurswerber argumentierten in ihren annähernd gleichlautenden Rekursschriften, dass das Erstgericht dem Sachverständigen keinen über die bloße Teilnahme an der Tagsatzung hinausgehenden Auftrag erteilt habe. Da der Sachverständige weder mit der Aufnahme eines Befundes noch mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt gewesen sei, habe er daher für die Vorbereitung der Teilnahme an der Verhandlung keinen Anspruch auf eine Gebühren gemäß § 34 GebAG. Selbst wenn dem Sachverständigen bereits für die Vorbereitung der Teilnahme an der für den 01.09.2020 anberaumten gewesenen Tagsatzung eine Gebühr in Höhe von € 1.352,-- gebühren würde, hätte der Sachverständige seine Warnpflicht nach § 25 Abs 1a GebAG verletzt, da unter Berücksichtigung der geplanten Teilnahme des Sachverständigen an der für drei Stunden angesetzt gewesenen Tagsatzung die voraussichtlich anfallenden Gebühren den Streitwert von € 1.620,-- bereits überstiegen hätten. Dies sei dem Sachverständigen auch erkennbar gewesen.

2. Gemäß § 25 Abs 1 GebAG richtet sich der Anspruch auf die Gebühr nach dem dem Sachverständigen erteilten gerichtlichen Auftrag; hat der Sachverständige I* über den Umfang und Inhalt des gerichtlichen Auftrags, so hat er die Weisung des Gerichtes einzuholen.

Der dem Sachverständigen erteilte gerichtliche Auftrag ist für den Gebührenanspruch maßgebend. Umfang und Inhalt der Untersuchungen des Sachverständigen und der von ihm zu beantwortenden Fragen müssen durch die Formulierung des gerichtlichen Auftrags gedeckt sein ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG 4 (2018) § 25 GebAG E 3).

Bestehen (nach Aktenlage) I* über Umfang und Inhalt des gerichtlichen Auftrages, ist dieser nach seinem objektiven Erklärungsinhalt nicht eindeutig, hat der Sachverständige vor Durchführung technisch aufwendiger und kostenintensiver Untersuchungsmethoden, Analysen und Berechnungen Weisungen des Gerichtes oder ein neuerlicher Gerichtsauftrag einzuholen ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG 4 (2018) § 25 GebAG E 77f).

3. Aus dem Akt ergibt sich zum Auftrag des Sachverständigen Folgendes:

In der vorbereitenden Tagsatzung vom 04.03.2020 erörterte das Gericht mit den Parteienvertretern, ob bereits zur Einvernahme des Zeugen H* ein Sachverständiger beizuziehen ist. Am 16.06.2020 fand zwischen dem Sachverständigen E* und dem Gericht ein Telefonat statt. Dabei wurde vereinbart, dass dem Sachverständigen zunächst der Akt zur Einsichtnahme übermittelt und im Hinblick auf dessen beabsichtigte Beiziehung zur Vernehmung des beantragten Zeugen H* ein Verhandlungstermin am 18.09.2020 oder 25.09.2020 in Aussicht genommen. Mit Schreiben vom 29.06.2020 retournierte der Sachverständige den ihm übermittelten Gerichtsakt und gab an, dass er vorweg zur Vorbereitung der Einvernahme des Zeugen H* eine „lesbare Kopie des baubewilligten Einreichplanes“ sowie „den vollständigen Energieausweis Beilage./E“ benötige.

Das Gericht fasste am 02.07.2020 zwei Beschlüsse: Mit Beschluss ON 10 beraumte es eine Tagsatzung am 01.09.2020 an, lud und bestellte E* mit dem Ladungsformular D3 als Sachverständigen zu dieser Verhandlung. Das Ladungsformular D3 hat folgenden Inhalt: „Sie werden zum Sachverständigen bestellt und zu dieser Verhandlung geladen.“ Mit Beschluss ON 11 teilte das Gericht den Parteien mit, dass es beabsichtigte E* zum Sachverständigen zu bestellen und der Verhandlung bei der Einvernahme des Zeugen H* beizuziehen; allfällige Einwendungen gegen die Person des Sachverständigen seien binnen 7 Tagen anzubringen. Ferner trug es der Klägerin auf, dem Sachverständigen per E-Mail eine lesbare Kopie des baubewilligten Einreichplanes, sowie den vollständigen Energieausweis Beilage./E binnen 4 Wochen zu Verfügung zu stellen. Am 25.08.2020 zeigten beide Parteien die Ruhensvereinbarung an, wovon der Sachverständige am 26.08.2020 verständigt wurde.

4.1. Mag es im vorliegenden Fall auch keinen expliziten Auftrag des Sachverständigen gegeben haben, war dem Sachverständigen klar und musste ihm aus den Korrespondenzen mit dem Gericht klar gewesen sein, dass er zunächst lediglich für die Teilnahme an der Verhandlung (bei der Vernehmung des Zeugen ** Schügerl) bestellt worden war. Daraus folgt, dass der Gegenstand des gerichtliche Auftrag an den Sachverständigen lediglich die Teilnahme an einer Verhandlung war; hingegen war er (noch) nicht mit der Erstattung von Befund und Gutachten beauftragt.

Die in der Gebührennote des Sachverständigen vom 28.08.2020 ON 18 aufgezählten Tätigkeiten (Vorbereitung von Fragen, Überprüfung der Massen laut Einreichplan, Prüfung der Aufbauten [Vergleich zwischen Energieausweis und Einreichplan], Tel. mit Gericht) für die er eine Gebühr für Müheverwaltung nach § 34 GebAG verrechnete, sind daher nicht vom gerichtlichen Auftrag gedeckt. Hatte der Sachverständige I* über Inhalt und Umfang des gerichtlichen Auftrages, hätte er vor Beginn der Durchführung dieser Tätigkeiten eine Weisung des Gerichtes einzuholen müssen, was er aber nicht getan hat.

4.2. Gemäß § 34 Abs 1 GebAG steht die Gebühr für Mühewaltung dem Sachverständigen für die Aufnahme des Befundes und die Erstattung des Gutachtens zu und deckt alle damit im Zusammenhang entstandenen Kosten, soweit dafür im GebAG kein gesonderter Ersatz vorgesehen ist.

Mit der Gebühr für Müheverwaltung wird (nur) die für die Aufnahme des Befundes und die Erstattung des Gutachtens aufgewendete Zeit und Mühe entlohnt, die nach dem Gegenstand der Untersuchung, den Regeln der Wissenschaft und Kunst sowie der besonderen, zur Problemlösung erforderlichen Sorgfalt notwendig ist ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG 4 (2018) § 34 GebAG E 2).

Für die Vorbereitung einer Verhandlung ist im GebAG keine eigene Gebühr vorgesehen. Derartige Vorbereitungshandlungen sind im Allgemeinen durch die Gebühr für Müheverwaltung für das Gutachten abgegolten ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG 4 (2018) § 34 GebAG E 25).

Die Vorbereitung der Verhandlung, für die im GebAG keine Gebühr vorgesehen ist, kann durch die Gebühr für das Aktenstudium abgegolten werden ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG 4 (2018) § 36 GebAG E 61).

Gemäß § 36 GebAG gebührt für das Studium des ersten Aktenbandes dem Sachverständigen je nach Schwierigkeit und Umfang der Akten ein Betrag von 7,60 € bis 44,90 €, für das Studium jedes weiteren Aktenbandes jeweils bis zu 39,70 € mehr.

Wurde der im Ermittlungsverfahren bestellte Sachverständige aus Gründen enthoben, die von ihm nicht zu vertreten sind, hat er Anspruch auf die seiner unvollendeten Tätigkeit entsprechende Gebühr (OLG Wien 33 Bs 214/15k)

Da der Sachverständige weder mit der Aufnahme eines Befundes noch mit der Erstattung des Gutachtens beauftragt war, steht ihm für die Vorbereitungen für die Teilnahme an der Verhandlung keine Gebühr für Müheverwaltung nach § 34 Abs 1 GebAG, sondern lediglich eine Gebühr für das Aktenstudium im Sinne des § 36 GebAG zu. Diese wird innerhalb der vom Gesetz eingeräumten Bandbreite mit € 30,-- bestimmt.

4.3. Das Unterbleiben von Einwendungen gegen eine in den Tatsachenbereich fallende, disponible Gebührenposition – wie etwa die Ermessensentscheidung über die Höhe des Stundensatzes - ist als fingierte Zustimmung zu den im Gebührenbestimmungsverfahren nicht kritisierten Gebührenposition zu verstehen und führt auch zum Verlust des Rechtsschutzinteresses für ein Rechtsmittel ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG 4 (2018) § 39 GebAG E 85f).

Die übrigen, vom Sachverständigen verrechnete Gebühren (außer für Müheverwaltung) wurden weder in den Einwendungen gegen den Gebührenanspruch noch in den Rekursen mit konkreten Vorbringen beeinsprucht. Sie waren für die Gebührenbestimmung zu übernehmen.

4.4. Die durch die Rechtsmittelentscheidung bedingte Änderung der Auszahlungsanordnung ist dem Erstgericht vorzubehalten. Das Rekursgericht kann die erstgerichtliche Auszahlungsanordnung nicht abändern, sondern nur aufheben und dem Erstgericht die Erlassung einer neuen Auszahlungsanordnung auftragen. ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG 4 (2018) § 42 GebAG E 36f).

5. In teilweiser Stattgebung der Rekurse wurde der angefochtene Beschluss entsprechend abgeändert.

6. Gemäß § 41 Abs 3 letzter Satz GebAG findet für Rechtsmittelschriften kein Kostenersatz statt.

7. Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 5 ZPO.

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