JudikaturJustiz60R64/23a

60R64/23a – LG HG Wien Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2023

Kopf

Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Präsidentin Dr. in Wittmann-Tiwald (Vorsitzende), Richterin Mag. a Hotter-Kaiser und KR Hanzl in der Rechtssache der klagenden Partei A* , 46, ** B*, Vereinigtes Königreich, vertreten durch JBB Rechtsanwälte in D-10119 Berlin, wider die beklagte Partei C* GmbH , ** Straße **, **, **, **,vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, wegen EUR 250,-- samt Anhang, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 28.4.2023, GZ 12 C 62/23iz-9, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 211,63 (darin EUR 35,27 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Der Kläger verfügte über eine bestätigte Buchung für den von der beklagten Partei auszuführenden Flug EJU 8576 am 20.03.2020 von **) nach B*

(**). Der Flug wurde von der beklagten Partei annulliert.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der klagenden Partei EUR 250,-- samt Anhang zu bezahlen, ab. Die dazu auf den Seiten 4 bis 5 der Urteilsausfertigung getroffenen Feststellungen beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst dahingehend, dass grundsätzlich betroffenen Fluggästen im Falle der Annullierung eines Fluges gemäß Artikel 5 der Fluggastrechte-VO (EG) 261/2004 eine Ausgleichsleistung nach Artikel 7 vom ausführenden Luftfahrtunternehmen zustehe. Dieses sei gemäß Artikel 5 Abs. 3 leg.cit. nicht verpflichtet, eine solche Ausgleichszahlung zu leisten, wenn es nachweisen könne, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Der Verlauf der (Covid-19) Pandemie sei von der Beklagten nicht tatsächlich beherrschbar gewesen. Es sei der Beklagten nicht möglich gewesen, die außergewöhnlichen Umstände selbst zu vermeiden. Die Beklagte habe nachgewiesen, dass die Annullierung des Fluges zu Zwecken des Gesundheitsschutzes, zur Verringerung der Ansteckungsgefahr für Passagiere und Flugpersonal und nicht etwa ausschließlich aus betriebswirtschaftlichen Gründen vorgenommen wurde.

Der Kläger habe nicht bestritten, dass er - wie von der beklagten Partei behauptet und nachgewiesen - die Reise bloß zum Zwecke der Freizeitgestaltung angetreten hätte und er unter keinen Ausnahmetatbestand des Artikels 7 des Königlichen Dekrets 463/2020 vom 14.3.2020 gefallen wäre. Es würde einen völligen Wertungswiderspruch zur allgemeinen Rechtsordnung darstellen, müsste einer zum Antritt eines Fluges gar nicht berechtigten Person auf Grund staatlicher Verordnung ein Ausgleichsanspruch zuerkannt werden. Überdies wäre ein Luftfahrtunternehmen im Sinne des Artikels 2 lit. j zur „Nichtbeförderung“ aus vertretbaren Gründen, die in der Person des Fluggastes liegen, die den Flugverkehr oder andere Passagiere in ihrer Sicherheit gefährden oder sonstige, öffentliche oder vertragliche Belange berühren, berechtigt. Im Hinblick auf diese Ausnahmeregelung kann aber letztlich bei Annullierung eines Fluges bei staatlicher

Verordnungsgesetzgebung, unter die ein Fluggast falle, nichts anderes gelten, da es ansonsten schon in der Fluggastrechte-VO zu einem unauflösbaren inneren Widerspruch käme.

Der klagsgegenständliche Flug sei daher wegen außergewöhnlicher Umstände annulliert worden, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Es stehe daher kein Ausgleichsanspruch zu.

Dagegen richtet sich die Berufung der klagenden Partei aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil klagsstattgebend abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. In ihrer Rechtsrüge wendet sich die klagende Partei weitwendig gegen eine Wertung der Umstände als entlastende außergewöhnliche und allein die Tatsache, dass es in Spanien ein durch königliches Dekret verhängtes grundsätzliches Ausgehverbot gegeben habe, könne nicht dazu führen, dass Luftfahrtunternehmen zur Annullierung von jeglichen Flügen zu jeglichen Zeitpunkten ohne Anbieten von alternativen Beförderungsmöglichkeiten und ohne Angabe von jeglichen Gründen befugt seien. Das Vorliegen der Pandemie sei weder im Allgemeinen, noch konkret bezogen auf den streitgegenständlichen Flug einer (planmäßigen) Durchführung entgegengestanden. Verneint wird überdies das Vorliegen einer rein subjektiven Unzumutbarkeit für einen entlastenden außergewöhnlichen Umstand sowie das Vorliegen eines Vortrages aller Tatsachen, aus denen eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit abgeleitet werden könnte.

2. Diesen Ausführungen sowie der umfangreichen Zitierung von diversen Entscheidungen, welche sich mit der pauschalen Berufung auf die aktuelle Covid-Pandemie befassten, ist Folgendes entgegenzuhalten:

2.1. Das Erstgericht hat unbekämpfbar festgestellt, dass der Kläger bei der Flugbuchung als Reisezweck „Freizeit“ angab und am 14.3.2020 in Spanien mit königlichem Dekret 436/2020 Alarmzustand ausgerufen und die Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurde, nach welcher es Personen nur dann erlaubt war, ihren Wohnsitz zu verlassen, wenn sie einen der im Dekret angeführten Gründe nachweisen können und dass die Stornierung des gegenständlichen Fluges als Reaktion auf diese Verordnung zum Schutz der Passagiere und der Besatzung erfolgt ist.

2.2. Nun hat die klagende Partei im gesamten Verfahren, trotz entsprechenden Sachvortrages der Beklagten samt Beweisanboten, zu keinem Zeitpunkt dieses Verfahrens korrespondierende Behauptungen und den Beweis dazu angetreten, dass die klagende Partei unter einen der in der besagten Verordnung normierten Ausnahmetatbestände zu subsumieren ist, weshalb das Berufungsgericht auf Grund des danach unstrittig feststehenden Sachverhaltes davon auszugehen hat, dass die klagende Partei unter keinen dieser Ausnahmetatbestände gefallen ist und somit am 20.3.2020, an dem der Flug geplant war, ihren Wohnsitz gar nicht verlassen durfte.

2.3. Wenn die klagende Partei erstmals in der Berufung behauptet, es wäre eine Rückkehr zum gewöhnlichen Aufenthaltsort vorgelegen, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot.

2.4. Die Argumentation, wonach ein mit Ausgehverbot behafteter Passagier keine Annullierung rechtfertige, geht an der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts vorbei, das ausschließlich auf einen Wertungswiderspruch Bezug nimmt.

3. Davon ausgehend argumentiert die klagende Partei in ihrer gesamten Rechtsmittelschrift nicht nur in unzulässiger Weise abweichend vom festgestellten Sachverhalt, sondern ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Fluggastrechte-VO, auf welche die klagende Partei ihren Anspruch stützt, zwar Mindestrechte für Fluggäste u.a. bei Annullierung des Flugs vorsieht, welche gemäß Artikel 15, insbesondere durch abweichende oder restriktive Bestimmungen im Beförderungsvertrag nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden dürfen, um ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen ( Schmid/Degott in Schmid Fluggastrechte-VO – Kommentar, Rz 1 zu Art. 15). Dennoch würde es einen völligen Wertungswiderspruch zur allgemeinen Rechtsordnung darstellen, müsste einer zum Antritt eines Fluges gar nicht berechtigten Person auf Grund staatlicher Verordnung ein Ausgleichsanspruch zuerkannt werden.

Überdies wäre ein Luftfahrtunternehmen im Sinne des Artikels 2 lit. j zur „Nichtbeförderung“ aus vertretbaren Gründen, die in der Person des Fluggastes liegen, die den Flugverkehr oder andere Passagiere in ihrer Sicherheit gefährden oder sonstige, öffentliche oder vertragliche Belange berühren, berechtigt ( Hopperdietzel in Schmid , Fluggastrechte-VO, Kommentar, Rz 47 zu Art. 2). Im Hinblick auf diese Ausnahmeregelung kann aber letztlich bei Annullierung eines Fluges bei staatlicher Verordnungsgesetzgebung, unter die – wie hier die klagende Partei – ein Fluggast fällt, nichts anderes gelten, da es ansonsten schon in der Fluggastrechte-VO zu einem unauflösbaren inneren Widerspruch käme.

Das Berufungsgericht schließt sich somit der in einem vergleichbaren Sachverhalt vom Senat 50 vertretenen Rechtsmeinung an (HG Wie 50 R 129/22k).

4. Der unberechtigten Berufung war daher derErfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf § 502 Abs 2 ZPO.