JudikaturJustiz60R37/21b

60R37/21b – LG HG Wien Entscheidung

Entscheidung
30. April 2021

Kopf

Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Präsidentin Dr. in Wittmannn-Tiwald (Vorsitzende) sowie Dr. Steinberger und KR Mag. Rab als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. A* B* , C*, D*-E*, 2. F* B* , C*, D*-E*, 3. G* , E* an der H*, D*-E*, 4. I* , E* an der H*, D*-E*, alle vertreten durch Koch Jilek Rechtsanwälte-Partnerschaft in 8600 Bruck an der Mur, wider die beklagte Partei J* AG, **, **, vertreten durch MMag. Christoph Krones, Rechtsanwalt in 1060 Wien, wegen EUR 2.000,-- samt Nebengebühren, über die Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 22.1.2021, GZ 19 C 309/20k-13, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 418,85 (darin enthalten EUR 69,81 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die klagenden Parteien brachten vor, bei der beklagten Partei für den 21.6.2020 einen Flug von ** nach ** und für den 27.6.2020 den Rückflug gebucht zu haben. Die beklagte Partei hätte diese Flüge storniert. Jedem Kläger stünde daher pro storniertem Flug eine Ausgleichsleistung von EUR 250,-- zu. Insgesamt stünden den klagenden Parteien daher auf Basis der Fluggastrechte-VO eine Ausgleichsleistung von EUR 2.000,-- zu. Hinzu kämen kapitalisierte Zinsen für eine verspätete Refundierung der Flugscheinkosten von EUR 23,02.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und wendete im Wesentlichen mangelnde passive Klagslegitimation ein.

Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht die beklagte Partei schuldig, den klagenden Parteien EUR 5,54 an Nebenforderung zu bezahlen. Das Klagebegehren von EUR 2.000,-- samt Nebengebühren wies es ab. Den im wesentlichen unstrittigen Sachverhalt beurteilte es rechtlich – zusammengefasst – dahingehend, dass die Beklagte mit der Rückzahlung des Flugpreises ab 2.6.2020 im Verzug gewesen wäre, weshalb den Klägern für den Zeitraum vom 2.6. bis 19.6.2020 kapitalisierte Zinsen von EUR 5,54 zustünden. Einzige Voraussetzung für den Entfall eines Anspruchs auf Ausgleichsleistung wäre die Verständigung über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugszeit. Diese Voraussetzung sei festgestellter-maßen eingehalten worden. Den klagenden Parteien stünde daher kein Anspruch auf Ausgleichsleistung zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der klagenden Parteien aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern, in eventu aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt .

Die Berufungswerber bringen vor, dass es Ziel der Fluggastrechte-VO sei, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Die Bestimmung des Artikels 5 der Fluggastrechte-VO sei dahingehend auszulegen, dass ein Anspruch auf Ausgleichsleistung gemäß Artikel 7 Fluggastrechte-VO nur dann entfiele, wenn eine rechtzeitige Information über die Annullierung erfolge und die Fluggäste in diesem Zusammenhang Angaben zu einer möglichen anderweitigen Beförderung erhielten.

Den Berufungswerbern ist Folgendes zu erwidern:

Von der Verpflichtung zur Zahlung einer Ausgleichsleistung gemäß der Fluggastrechte-VO ist ein Luftfahrtunternehmen nur dann befreit, wenn der Fluggast über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugszeit informiert wurde (Artikel 5 Abs 1 lit c Z i). Geschieht dies erst in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der geplanten Abflugzeit, ist ihm mit der Information ein Angebot zur anderweitigen Beförderung zu unterbreiten, das es ihm ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und sein Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen (Artikel 5 Abs 1 lit c Z ii). Erfolgt die Information dagegen erst weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit, muss das Luftfahrtunternehmen dem Fluggast mit der Information ein Angebot zur anderweitigen Beförderung unterbreiten, das es ihm ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und sein Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen (Artikel 5 Abs 1 lit c Z iii).

Die von den Berufungswerbern gewünschte Auslegung des Artikel 5 der Fluggastrechte-VO geht nicht nur an dessen eindeutigen Wortlaut, sondern auch Intention vorbei. Der Bestimmung ist klar zu entnehmen, dass die Anforderungen für das Luftunternehmen immer strenger werden je kürzer die Annullierung vor der geplanten Abflugzeit erfolgt. Der Europäische Gesetzgeber ist daher davon ausgegangen, dass bei einer Annullierung des Fluges von mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit dem Fluggast selbst ausreichend Zeit bleibt, sich eine anderweitige Beförderungsmöglichkeit zu suchen. Einer Information bedarf es in diesem Fall nicht. Die Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war nicht aufzugreifen, da die anzuwendende Bestimmung klar und nicht auslegungsbedürftig ist (acte claire). Da die geltend gemachten Ansprüche schon dem Grunde nach nicht bestehen, liegen auch die behaupteten sekundären Feststellungsmängel nicht vor.

Der unberechtigten Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung basiert auf §§ 50, 41 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen