JudikaturJustiz5Ob563/78

5Ob563/78 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. April 1978

Kopf

SZ 51/51

Spruch

Ein zinsenfreies Darlehen des Wohnhauswiederaufbaufonds mit langjähriger Laufzeit kann wegen der besonders günstigen Bedingungen bei Festsetzung des Verkehrswertes der Liegenschaft (Eigentumswohnung) im Rahmen der Inventarerrichtung nach § 105 AußStrG nicht mit dem ganzen noch aushaftenden Betrag berücksichtigt werden. Die Bewertung kann hiebei aber auch nicht mit einem schematischen Hundertsatz vom Nennwert des seinerzeit gewährten Darlehens unter unmittelbarer Heranziehung der für abgabenrechtliche Belange maßgeblichen Grundsätze des Bewertungsgesetzes (§ 14 Abs. 3) erfolgen. Es ist die Schätzung durch einen Sachverständigen unter Berücksichtigung der am Todestag des Erblassers noch offenen Darlehenssumme erforderlich

OGH 18. April 1978, 5 Ob 563/78 (LG Klagenfurt, 2 R 728/77; BG Villach, A 191/77)

Text

Das Nachlaßvermögen besteht im wesentlichen aus je einem Drittel Miteigentumsanteil an den Liegenschaften EZ 596 und 200 der KG J. Diesbezüglich liegen offene Forderungen des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds vor.

Das Erstgericht hat mit seinem Beschluß zunächst das vom Gerichtskommissär aufgenommene Inventar mit Aktiven in der Höhe von 879 540.65 S und Passiven in der Höhe von 196 913.73 S, sohin mit einem reinen Nachlaß von 682 627.28 S verlaßbehördlich und für die beiden minderjährigen pflichtteilsberechtigten Noterben pflegschaftsbehördlich genehmigt und der Verlaßabhandlung zugrunde gelegt (Punkt 1). Weiters wurde ausgesprochen, daß der Pflichtteil der beiden minderjährigen Noterben je ein Zwölftel, sohin je 56 858.60 S beträgt (Punkt 2). Schließlich verwies das Erstgericht die beiden Testamentserben zum Nachlaß angemeldeten Forderung in der Höhe von 242 451 S gemäß § 2 Abs. 2 Z. 7 AußStrG auf den Rechtsweg.

Nach dem vorn Notar Dr. W F als dem mit der Abhandlungspflege beauftragten Gerichtskommissär aufgenommenen Protokoll wurde am 18. November 1977 im Beisein der beiden Erben und ihres rechtsfreundlichen Vertreters sowie des rechtsfreundlichen Vertreters der beiden Noterben ein Inventar errichtet, wobei unter den Passiven vier Forderungen des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds aufscheinen. Die im Inventar berücksichtigten Beträge resultieren aus den Nennwerten der Verbindlichkeiten nach den Schuldscheinen mit dem auf den Erblasser entfallenden 1/3-Anteil "laut Bewertungsgesetz mit 19.19%". Die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch offenen Darlehenssummen scheinen nicht auf.

Das Rekursgericht gab dem Rekurse der beiden Testamentserben Folge, hob den erstgerichtlichen Beschluß zur Gänze auf und trug dem Erstgericht hinsichtlich der Punkte 1 und 2 die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Zu der Frage der Bewertung der offenen Darlehensschuld nach dem Wohnhaus-WiederaufbauG im Rahmen der Nachlaßpassiven erachtete das Rekursgericht, daß dann, wenn für die Errichtung eines Wohnhauses ein zinsenfreies Darlehen des Wohnhauswiederaufbaufonds in Anspruch genommen wurde, das eine Laufzeit von mehreren Jahrzehnten hat, es sich um ein Darlehen handelt, das unter sehr günstigen Umständen gewährt wurde, weshalb sein noch aushaftender Betrag nicht zur Gänze vom Schätzwert der Liegenschaft, sondern nur zu einem Teil abzuziehen ist. Das Bewertungsgesetz BGBl. 148/1955, i. d. F. BGBl. 318/1976, das nur für die bundesrechtlich geregelten Abgaben und bundesrechtlich geregelten Beiträge an sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechtes und an Fonds gelte, stelle keine Rechtsquelle für die Schätzung des Wertes des Nachlasses dar. Vielmehr werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Bewertung solcher Darlehensschulden erforderlich sein. Die vom Landesgericht für ZRS Wien vertretene gegenteilige Ansicht (vgl. RPflSlgA 4454) werde vom Rekursgericht nicht geteilt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Noterben nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rechtsmittelwerber verweisen zunächst darauf, daß im gegenständlichen Falle ein Inventar errichtet und von allen Beteiligten unterschrieben und somit anerkannt worden sei, so daß sich zumindest die großjährigen Erben des Rechtes, eine Schätzung zu beantragen, begeben hätten.

Die Beteiligten haben einvernehmlich den Antrag auf Errichtung des Inventars und Schätzung des Nachlasses gestellt. Eine solche ist bezüglich der Liegenschaftsanteile gemäß §§ 102, 103 AußStrG durch zwei Sachverständige erfolgt. Die Gutachtensergebnisse wurden der Feststellung der Aktiven in dem am 18. November 1977 vom Gerichtskommissär errichteten Inventar zugrunde gelegt. An der Bewertung der offenen Forderungen des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds im Rahmen der Feststellung der Passiven im Inventar waren die Sachverständigen nicht beteiligt. Es sind auch die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bewertung mit "19.19% laut BewertungsG" dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Gemäß § 109 AußStrG ist das Inventar von dem Gerichtsabgeordneten, den Sachverständigen und den bei der Verfassung desselben anwesenden Beteiligten zu unterschreiben und samt allen Beilagen dem Gerichte zu überreichen, welches dasselbe nach vorausgegangener Prüfung aufzubewahren und jedermann auf Verlangen Abschrift davon zu erteilen hat. Die unmittelbare Anfechtung der Vorgangsweise des Gerichtskommissärs bei der Inventarerrichtung durch Rekurs ist nicht zulässig. Die Beurteilung des Inventars unterliegt der freien Beweiswürdigung des Abhandlungsgerichtes. Dagegen gerichtete Stellungnahmen sind bei diesem zu überreichen, gegen dessen Verfügung dann der Rekurs zulässig ist. Wenn das Inventar rechtskräftig angenommen ist, bildet es bis zur Einantwortung die Grundlage des weiteren Verfahrens; es ist allerdings nicht unabänderlich und Richtigstellungen zugänglich (vgl. Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, 67 ff.). Daraus erhellt schon, daß der Unterfertigung des Protokolls über die Inventarerrichtung durch den Gerichtskommissär nicht die Wirkung eines Anerkenntnisses der darin enthaltenen Bewertung beigemessen werden kann.

Was nun die Frage der Berücksichtigung offener Darlehen des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds im Rahmen des Passivstandes anbelangt, so ist gemäß § 105 Abs. 1 AußStrG davon auszugehen, daß die Verlassenschaftsschulden in dem Inventar vorkommen und die Rückstände an den Zinsen, an schuldigen Steuern und anderen fortlaufenden Zahlungen bis zum Todestag des Erblassers berechnet werden sollen, wenn der Betrag und die Beschaffenheit ohne weitläufige Verhandlungen und großen Zeitverlust ins Klare gesetzt werden kann.

Es kann der Auffassung beigepflichtet werden, daß bei Inanspruchnahme eines zinsenfreien Darlehens mit langjähriger Laufzeit bei Errichtung eines Hauses das Darlehen unter sehr günstigen Umständen gewährt wurde, so daß dessen noch aushaftender Betrag nicht zur Gänze, sondern nur zu einem Teil vom Schätzwert der Liegenschaft abzuziehen ist. Wie der Betrag zu ermitteln ist, ist im § 105 AußStrG nicht geregelt und daher Sache der Auslegung. Es bietet sich zwar diesbezüglich eine Feststellung nach den Bestimmungen des Bewertungsgesetzes 1955 in seiner jeweils geltenden Fassung an. Allerdings gelten die Grundsätze dieses Gesetzes nach dessen § 1 unmittelbar nur für die Bemessung von Abgaben und Beiträgen an Körperschaften des öffentlichen Rechts und an Fonds. Ob darüber hinaus eine sinngemäße Heranziehung der Bestimmungen des Bewertungsgesetzes, insbesondere des § 14 Abs. 3 angebracht ist, begegnet unterschiedlichen Auffassungen. Nach dieser Bestimmung ist der Wert unverzinslicher befristeter Forderungen oder Schulden der Betrag, der nach Abzug von Jahreszinsen in der Höhe von (derzeit)

5.5 v. H. des Nennwertes bis zur Fälligkeit verbleibt.

Kostner geht in seinem Aufsatz Verlassenschaftsinventar und Nachlaßvermögen, NZ 1960, 34 f., ohne nähere Begründung davon aus, daß in jenen Fällen, in denen der Liegenschaftsanteil für ein Wohnhaus-Wiederaufbaudarlehen haftet, bei Bewertung dieser Schuld nach § 14 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes 1955 vorzugehen ist. Auch Faistenberger - Barta - Call verweisen (im Zusammenhang mit § 10 Wohnungseigentumsgesetz 1975) darauf, daß die Bewertung eines Wohnhaus-Wiederaufbaudarlehens § 14 Abs. 3 Bewertungsgesetz regelt (Komm. zum Wohnungseigentumsgesetz 1975, 255). Insoweit dort auf VWGHSlg NF 4752/F verwiesen wird, liegt auf der Hand, daß dies in steuerlichen Belangen keinen Bedenken begegnen kann.

Der OGH hat diesbezüglich zunächst die Auffassung vertreten, daß die Bestimmungen des Bewertungsgesetzes 1955 nicht unmittelbar bei der Aufnahme der Nachlaßschulden im Rahmen der Inventarerrichtung herangezogen werden können, daß aber auch eine sinngemäße Heranziehung unangebracht sei, weil es bei der Errichtung des Inventars im Verlassenschaftsverfahren gemäß § 105 AußStrG auf die Höhe der im Zeitpunkt des Todes des Erblassers aushaftenden Schuld und nicht darauf ankomme, ob sie verzinslich und wann sie zurückzuzahlen ist (MietSlg. 16 622; MietSlg. 17 700). In seiner Entscheidung vom 24. April 1968, 7 Ob 80/68, veröffentlicht in NZ 1969/39 und MietSlg. 20 737, ist der OGH bereits davon ausgegangen, daß ein zinsenfreies Darlehen des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds mit einer Laufzeit von 75 Jahren unter derartig günstigen Umständen gewährt wurde, daß dessen noch aushaftender Betrag bei Feststellung der Passiven im Rahmen der Inventarerrichtung nur zu einem Teil, nicht zur Gänze vom Schätzwert einer in den Nachlaß fallenden Eigentumswohnung abzuziehen ist. In dem dort entschiedenen Fall folgten die Untergerichte dem Gutachten des Sachverständigen, nach dem üblicherweise solche Darlehensschulden mit 17 2/3% der am Todestag des Erblassers noch offenen Darlehenssumme zu bewerten sind. Dagegen wurden kein Bedenken vorgefunden. Es blieb dahingestellt, ob sich der Sachverständige dabei auf einen im Zusammenhang mit dem Bewertungsgesetz 1955 stehenden Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen gestützt hat, weil dieser nur die Bewertung zum Zwecke der Steuervorschreibung betreffe und keine Rechtsquelle für die Schätzung des Wertes eines Nachlasses sei. Abgelehnt wurde aber die Auffassung, daß die Berechnung des Gegenwartswertes des Darlehens mit einem Prozentsatz vorn Nennwert des seinerzeit gewährten Darlehens zu erfolgen habe, weil für den Gegenwartswert eines solchen Darlehens und damit für den Verkehrswert der Eigentumswohnung nicht ohne Bedeutung sein könne, wie viel von dem Darlehen am Stichtage noch offen sei. Dem schließt sich der erkennende Senat an, wobei die früher geäußerte Auffassung, die Schuld sei in jedem Fall mit dem im Zeitpunkt des Todes aushaftenden Betrag ins Inventar aufzunehmen, aus den bereits angeführten Gründen nicht aufrecht erhalten kann.

Dem Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 25. Jänner 1972, Z. 258 857/10/71, AÖFV Nr. 86 (Czurda, Kommentar zum Gründerwerbssteuergesetz, Anhang-Erlässe, 28) ist zu entnehmen, daß die Bewertung von Darlehensschulden (zu Steuerzwecken) zufolge der im § 36 Abs. 2 des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 getroffenen Neuregelung hinsichtlich der Rückzahlung von unverzinslichen Darlehen, die für die Errichtung von Eigentumswohnungen (Geschäftslokalen) aus Mitteln des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds gewährt wurden, wie nach früheren diesbezüglichen Erlässen, unter direkter Bezugnahme auf die Bestimmungen des § 14 Abs. 3 Bewertungsgesetz 1955 (vgl. Czurda, Komm. Erlässe, 13), mit einem bestimmten Hundertsatz des ursprünglichen Darlehens erfolgt. Dieser Hundertsatz beträgt etwa bei einer Laufzeit des Restdarlehens über 18 Jahre und einer Laufzeit des ursprünglichen Darlehens von 50 Jahren 19, 19. Von diesem Hundertsatz ist der Gerichtskommissär bei der Erstellung der Passiven im Inventar anscheinend ausgegangen, wobei mangels Feststellung der diesbezüglichen tatsächlichen Gegebenheiten die Richtigkeit dieser Annahme nichtüberprüft werden kann. Da aber für die Feststellung des Verkehrswertes der Liegenschaft unter Berücksichtigung ihrer Belastung durch Darlehen des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds mit besonders günstigen Bedingungen nicht ein schematischer Hundertsatz vom Nennwert des seinerzeit gewährten Darlehens zur Bewertung des aushaftenden Betrages im Zeitpunkt des Todes des Erblassers angewendet werden kann, kann dessen Feststellung nicht unmittelbar unter Zugrundelegung der Grundsätze des Bewertungsgesetzes erfolgen, sondern ist die Schätzung durch einen Sachverständigen erforderlich.