JudikaturJustiz5Ob179/00k

5Ob179/00k – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Juli 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Verlassenschaft nach Dr. Wilhelm T*****, vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Waltraud S*****, wegen § 9 Abs 1 iVm § 37 Abs 1 Z 6 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9. Februar 2000, GZ 39 R 31/00y-12, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 1. Dezember 1999, GZ 46 Msch 30/99a-8, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragsgegnerin ist seit 1972 Mieterin einer Wohnung im Haus *****, das Dr. Wilhelm T***** gehörte. Sie hat auf dem Dach des Hauses von der Firma K***** zwei Parabolspiegelantennen für den Fernsehempfang von Satellitenprogrammen montieren lassen, und zwar die erste - mit Zustimmung ihres Vermieters - am 21. 4. 1993, die zweite - ohne Zustimmung des Vermieters - am 30. 6. 1993. Die beiden auf einem Mast montierten Parabolspiegel sind zwar von der Straße aus sichtbar, beeinträchtigen aber die äußere Erscheinung des Hauses nicht. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass durch die Antennen das Dach beschädigt wurde oder beschädigt werden könnte.

Als Dr. Wilhelm T***** anlässlich einer Dachbesichtigung im Sommer/Herbst 1998 das Vorhandensein von zwei Antennen bemerkte, stellte er zunächst bei der Schlichtungsstelle der Stadt Wien, dann gemäß § 40 Abs 2 MRG bei Gericht den Antrag, die Antragsgegnerin zur Entfernung der zweiten (oberen) Satellitenschüssel zu verpflichten. Die Antragsgegnerin trat diesem Begehren ua mit dem Argument entgegen, sie brauche die zweite Antenne für den Empfang fremdsprachiger Programme, um ihre Berufsbefähigung zur Dolmetscherin nicht zu verlieren.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab, weil alle Voraussetzungen für eine Duldungsverpflichtung des Vermieters nach § 9 Abs 1 MRG vorlägen, die in § 9 Abs 1 Z 2 MRG genannte schon allein deswegen, weil unter notwendigen Antennen iSd § 9 Abs 2 Z 5 MRG nach der Judikatur auch solche für den Empfang von Satellitenprogrammen zu verstehen seien (WoBl 1998, 15/2). Eine nähere Überprüfung des Interesses der Antragsgegnerin, mehr Satellitenprogramme empfangen zu können als üblich, unterblieb.

Das Rekursgericht hob diesen Sachbeschluss auf und verwies die Mietrechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück. Dies aus folgenden Erwägungen:

Das Erstgericht habe der Tatsache, dass die Antragsgegnerin vor Anbringung der gegenständlichen "Satellitenschüssel" schon eine andere montiert hatte, zu Unrecht keinerlei Bedeutung beigemessen. Einem Mieter, der ohnehin bereits über eine Parabolspiegelantenne verfügt, sei die Anbringung einer weiteren Antenne nur dann zu gestatten, wenn er für seinen Wunsch wichtige Interessen ins Treffen führen kann (vgl 5 Ob 30/98t). Dies ergebe sich aus § 9 Abs 2 Z 5 MRG, der den Vermieter nur dann zur Duldung der Anbringung einer Fernsehempfangsanlage des Mieters verpflichtet, wenn der Anschluss an eine bestehende Einrichtung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit des Anschlusses an eine bestehende Einrichtung könne unter besonderen, vom Mieter darzutuenden Umständen die nicht ausreichende Kapazität der vorhandenen Anlage zum Empfang bestimmter ausländischer Fernsehprogramme gleichgehalten werden.

Die Antragstellerin habe nun zwar berufliche Gründe für die Erforderlichkeit der zweiten Satellitenantenne, nämlich die Notwendigkeit des mit der ersten nicht möglichen Empfanges französischer und italienischer Sender angegeben, das Erstgericht habe jedoch, von der vom Rekursgericht nicht geteilten Rechtsauffassung ausgehend, dass jede dem Stand der Technik entsprechende Anbringung von Antennen der Übung des Verkehrs bereits entspreche und einem wichtigen Interesse des Hauptmieters diene, dazu keine Feststellungen getroffen. Dies stelle einen sekundären Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung des angefochtenen Sachbeschlusses führen müsse.

Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht nach Ergänzung des Beweisverfahrens festzustellen haben, ob und bejahendenfalls aus welchem Grunde die Antragstellerin die zweite Parabolspiegelantenne benötigt. Wenn der Antragsteller in diesem Zusammenhang Feststellungen vermisse, wonach die Antragsgegnerin wohl früher ihre Fremdsprachenkenntnisse ständig auf dem Laufenden halten musste, nunmehr aber auf den französischen und italienischen Sender nicht mehr angewiesen sei, weil sie seit langem arbeitslos sei und in Kürze in Pension gehe, so spreche er damit die grundsätzliche Frage an, auf welchen Zeitpunkt im Bezug auf das wichtige Interesse des Hauptmieters abzustellen ist. In diesem Punkt vertrete das Rekursgericht die Rechtsauffassung, dass es im vom Vermieter angestrengten Verfahren auf Beseitigung eigenmächtig vom Mieter durchgeführter Änderungen darauf ankommt, ob das wichtige Interesse des Mieters nach wie vor besteht.

Sorgt der Mieter, der eine Veränderung des Mietgegenstandes beabsichtigt oder bereits durchgeführt hat, nicht dafür, die Zustimmung des Vermieters einzuholen oder durch das Gericht ersetzen zu lassen, so laufe er Gefahr, vom Vermieter mit einem Entfernungsbegehren im Sinne des § 9 MRG belangt zu werden (WoBl 1996/54, 1998/239 ua). Wohl werde er in einem solchen Verfahren einwenden können, dass der Vermieter keinen Entfernungs- oder Wiederherstellungsanspruch hat, weil er die Veränderung gemäß § 9 Abs 1 Z 1 bis 7 MRG ohnedies nicht verweigern könnte (vgl Würth-Zingher20 Rz 1 zu § 9), doch erscheine es nicht gerechtfertigt, den die Einholung einer Zustimmung verabsäumenden Mieter auch bei zwischenzeitigem Wegfall seines wichtigen Interesses an der Veränderung gegen das Wiederherstellungsbegehren des Vermieters zu schützen, hätte er es doch in der Hand gehabt, einen nachträglichen Entfernungsanspruch des Vermieters infolge Wegfalles des wichtigen Interesses des Mieters durch rechtzeitige Stellung eines Antrages auf Zustimmung gemäß § 37 Abs 1 Z 6 MRG von vornherein zu verhindern.

Nach den diesen Darlegungen komme es also nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin in den Jahren 1993 und folgenden ein wichtiges berufliches Interesse an der Installierung der zweiten Satellitenantenne hatte, sondern ob dieses noch während des erstinstanzlichen Verfahrens fortbestand. Diese positive Voraussetzung werde die Antragsgegnerin zu behaupten und zu beweisen haben (MietSlg 40.267 ua), da - wie dargelegt - von einer privilegierten Arbeit im Sinne des § 9 Abs 2 MRG nicht ausgegangen werden könne. Erst nach Feststellungen im aufgezeigten Sinn werde sich beurteilen lassen, ob ein Entfernungsanspruch des Vermieters besteht.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Begründet wurde dies mit dem Fehlen einer Judikatur zur Frage, ob ein nachträglicher Wegfall des wichtigen Interesses des Mieters an eigenmächtig vorgenommenen Änderungen im Verfahren auf Entfernung zu berücksichtigen ist.

Gegen den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluss hat die Antragsgegnerin Revisionsrekurs erhoben und beantragt, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Sachbeschluss des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Von der Antragstellerin liegt dazu eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, den Revisionsrekurs zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Zur Rechtsfrage, wegen der das Rekursgericht den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof eröffnete, vertritt die Antragsgegnerin den Standpunkt, dass es für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Veränderung des Mietgegenstandes keinen Unterschied machen könne, ob der Vermieter die Wiederherstellung des früheren Zustands sofort - noch bei Vorliegen des vom Mieter darzutuenden wichtigen Interesses iSd § 9 Abs 1 Z 2 MRG - oder erst später - nach dessen Wegfall - verlangt. Es müsse daher für die Abwehr eines Entfernungsbegehrens genügen, dass das wichtige Interesse des Mieters an der vorgenommenen Änderung einmal vorhanden war.

Dem ist aus Gründen, die bereits das Rekursgericht ausführte, nicht zu folgen. Der Mieter, der sich über die gesetzlichen Vorgaben für eine an sich zulässige Veränderung des Mietobjekts hinwegsetzt und sie eigenmächtig vornimmt, ist nicht schutzwürdig und hat daher grundsätzlich den früheren Zustand wieder herzustellen, wenn dies der Vermieter verlangt. Dieser aus dem Eigentumsrecht ableitbare Wiederherstellungs- bzw Entfernungsanspruch (vgl § 523 ABGB) besteht, solange die Eigenmacht andauert, nach Maßgabe des § 9 Abs 1 MRG also bis zum Vorliegen einer wenigstens zu fingierenden Zustimmung des Vermieters oder bis zur Feststellung, dass der Vermieter die Änderung zu dulden hat, weil die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 1 bis 7 MRG gegeben sind. Bei Prüfung dieser Duldungspflicht ist folgerichtig auf die im Verfahren über das Entfernungsbegehren gewonnenen Erkenntnisse abzustellen. Auch das in § 9 Abs 1 Z 2 MRG geforderte wichtige Interesse des Mieters an der Änderung muss in dem für die Entscheidung über das Wiederherstellungs- bzw Entfernungsbegehren relevanten Zeitpunkt im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 6 MRG (noch) vorliegen.

Die deshalb vom Rekursgericht zu Recht angeordnete Verfahrensergänzung wird von der Rechtsmittelwerberin außerdem mit dem Argument in Frage gestellt, dass die in § 9 Abs 1 Z 2 MRG geforderten wichtigen Interessen des Mieters an der Änderung des Mietobjekts nur dann sehr genau zu prüfen seien, wenn eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Vermieters droht. Da dies nach der Sachlage auszuschließen sei, bedürfe es auch keines Nachweises eines aktuellen wichtigen Interesses der Antragsgegnerin an der Beibehaltung der seit Jahren bestehenden Situation. Bei dieser Argumentation wird übersehen, dass die Duldungspflicht des Vermieters nur dann besteht, wenn alle Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 1 bis 7 MRG gegeben sind. Es findet auch keine Abwägung gegenläufiger Interessen statt (Würth in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 9 zu § 9 MRG mwN).

Schließlich meint die Rechtsmittelwerberin, die Pensionierung als Dolmetscherin habe ihr wichtiges Interesse an der Erhaltung beider Antennen für den Empfang fremdsprachiger Fernsehprogramme nicht beseitigt, weil sie nicht in ihrem Recht beschnitten werden dürfe, zur Erzielung von Nebeneinkünften ihre Fremdsprachenkenntnisse zu pflegen. Dies festzustellen und zu bewerten bleibt jedoch dem weiteren Verfahren vorbehalten, weil der Oberste Gerichtshof einer vom Rekursgericht aus richtigen rechtlichen Erwägungen notwendig erachteten Verfahrensergänzung nicht entgegentreten kann (WoBl 1996, 70/18 uva). Zu bemerken bleibt lediglich, dass Erwägungen, die dazu geführt haben, Zuwanderern zur Pflege ihrer Sprache und Kultur im Rahmen des § 9 Abs 1 und Abs 2 Z 5 MRG den Empfang ausländischer Fernsehprogramme zu ermöglichen (vgl 5 Ob 140/00z mwN), auch für Personen gelten können, die sich eine für den Beruf angeeignete besondere Bildung nach ihrer Pensionierung erhalten wollen.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Rechtssätze
5