JudikaturJustiz5Ob113/16b

5Ob113/16b – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. November 2016

Kopf

D er Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. Ing. C***** B*****, und 2. A***** W***** G*****, beide vertreten durch MMag. (FH) Christian Otto Meier, dieser vertreten durch Mag. Alexandra Rezaei, beide Funktionäre der Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen die Antragsgegnerin ***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Mag. Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 6 Abs 2 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Februar 2016, GZ 38 R 310/15t 194, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 24. Juli 2015, GZ 22 Msch 10/03b, 22 Msch 9/06k, 22 Msch 3/07d 175, bestätigt wurde, den

Sach beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Zweitantragsteller 4 EUR an Barauslagen des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

In dem über Antrag der Rechtsvorgänger beider Antragsteller eingeleiteten Verfahren zu AZ 22 Msch 10/03b wurde mit rechtskräftigem Teilsachbeschluss vom 23. 5. 2007, GZ 38 R 26/06a-47, KR P***** F***** gemäß § 6 Abs 2 MRG zum Zwangsverwalter zur Durchführung der mit Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 16. 12. 1996 zu MBA 13/14/7053/94 aufgetragenen Erhaltungsarbeiten, nämlich Erneuerung der E Zuleitung, Überprüfung der Stiegenhausbeleuchtung, Isolieren der Wasserleitung im Keller, Instandsetzen der Veranden samt Fenstern und Fundamenten sowie Glaserarbeiten bestellt.

In dem über Antrag der Rechtsvorgängerin des Erstantragstellers eingeleiteten Verfahren zu AZ 22 Msch 9/06k wurde mit rechtskräftigem Teilsachbeschluss vom 21. 9. 2007 (ON 9) wiederum KR P***** F***** als Zwangsverwalter zur Durchführung weiterer, mit der Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 16. 7. 2003 zu MA 16–Schli-ZS 3584/2001, aufgetragenen Erhaltungsarbeiten bestellt und zwar zur Ausrichtung der Dachverblechung und Instandsetzung der Beschichtungen, Instandsetzung der Saumrinnen sowie Instandsetzung zahlreicher Fenster.

Diese Verfahren sowie das weitere Verfahren zu AZ 22 Msch 3/07d betreffend die Feststellung des Nutzflächenschlüssels nach § 17 MRG wurden in der Folge verbunden. Mit Sachbeschluss vom 25. 8. 2009 stellte das Erstgericht den Nutzflächenschlüssel fest.

Das Erstgericht stellte mit seinem nunmehrigen Sachbeschluss die zu AZ 22 Msch 9/06k geführte Zwangsverwaltung ein (Punkt 1.), wies den weiteren Antrag vom 28. 8. 2012 auf Einstellung der Zwangsverwaltung (AZ 22 Msch 10/03b) ab (Punkt 2.) und es verpflichtete die Antragsgegnerin (Eigentümerin der Liegenschaft) zur Herausgabe der Mietzinsreserven für einen näher bezeichneten Berechnungszeitraum an den Zwangsverwalter (Punkt 3.).

Rechtlich führte das Erstgericht – soweit für das Revisionsrekursverfahren noch wesentlich – aus, dass der vom damaligen Masseverwalter im Konkurs der vormaligen Liegenschaftseigentümerin erhobene Antrag vom 28. 8. 2012 auf Einstellung der Zwangsverwaltung unberechtigt sei. Der Masseverwalter habe den Tatbestand der mangelnden Finanzierbarkeit der aufgetragenen Arbeiten verkannt. Hiefür sei nämlich nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gemeinschuldnerin maßgeblich oder ob die Konkursmasse kreditwürdig sei, sondern bloß, ob eine Mietzinserhöhung im Rahmen der Durchführung der Sanierungsarbeiten zu Mietzinsen führe, die von den Marktteilnehmern nicht mehr bezahlt würden. Davon könne hier im Hinblick auf die vorliegende Kostenschätzung für die durchzuführenden Arbeiten nicht ausgegangen werden. Der Auftrag zur Übergabe der Mietzinsreserven an den Zwangsverwalter sei nicht betragsmäßig auf die voraussichtlichen Kosten der durchzuführenden Erhaltungsarbeiten zu beschränken.

Das Rekursgericht gab – soweit für das Revisionsrekursverfahren relevant – dem Rekurs der Antragsgegnerin betreffend die Abweisung des Einstellungsantrags (Punkt 2.) und die Herausgabe der Mietzinsreserven (Punkt 3.) nicht Folge und teilte zu diesen Entscheidungsteilen die Rechtsansicht des Erstgerichts. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle – soweit überblickbar – Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu den Fragen, wer zur Stellung eines Antrags auf Herausgabe der Mietzinsreserven an den Zwangsverwalter berechtigt sei, und zur Notwendigkeit der betragsmäßigen Beschränkung der herauszugebenden Mietzinsreserven auf die zu erwartenden Kosten der durchzuführenden Erhaltungsarbeiten.

Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist rechtzeitig, weil es sich bei der Entscheidung über die Einstellung der Zwangsverwaltung nach § 6 Abs 3 MRG – wie bei deren Bewilligung – um einen den materiellen Durchsetzungsanspruch prüfenden Sachbeschluss handelt. Damit ist auch die Frist zur Anfechtung des Beschlusses über die Herausgabe der Mietzinsreserve gewahrt (RIS Justiz RS0002105; RS0041670; RS0041696). Der Revisionsrekurs ist auch aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist aber nicht berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Annahme des Rekursgerichts, dass bestimmte Rekursausführungen zu Aspekten betreffend die Frage der Finanzierbarkeit (§ 6 Abs 3 Z 2 MRG) eine Neuerung dargestellt hätten. Mit dem bloßen Hinweis, „das Rekursgericht hätte daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung erkennen müssen, dass für die Entscheidung in diesem Spruchpunkt noch Entscheidungsgrundlagen fehlen“, zeigt aber die Antragsgegnerin insoweit keine unrichtige Beurteilung des Rekursgerichts auf.

2. Gemäß § 6 Abs 2 MRG ist dem Verwalter „auf Antrag“ auch die Befugnis zur Verwaltung der in den vorausgegangenen zehn Kalenderjahren erzielten Mietzinsreserven zu erteilen und demjenigen, der über diese Mietzinsreserven verfügt, aufzutragen, diese binnen 14 Tagen bei Exekution an den bestellten Verwalter herauszugeben. Die Formulierung „auf Antrag“ deckt sich mit jener in § 6 Abs 1 MRG, bei der die Antragslegitimation der Mieter unzweifelhaft ist. Dementsprechend gehen Würth (in Rummel ABGB 3 § 6 MRG Rz 6) und T. Hausmann/Riss (in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht § 6 MRG Rz 27) übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass dem Verwalter die Befugnis zur Verwaltung auch der Mietzinsreserven „über Antrag des Verwalters oder einer Partei im Verfahren“ zu erteilen ist. Diese Rechtsansicht, nach der aus § 6 Abs 2 MRG (auch) die Legitimation eines Hauptmieters zum Antrag auf Herausgabe der Mietzinsreserven folgt, steht im Einklang mit den ErläutRV zur Stammfassung des Gesetzes (425 BlgNR 15. GP 37), wonach mit den Regeln über die Zwangsverwaltung „den Mietern eines Miethauses ein psychologisch adäquates und effektives Instrument geboten werden soll, auf die zur Sicherung ihrer Wohnraumversorgung gebotene Erhaltung des Miethauses mit Erfolg zu dringen“. Die gegenteilige Ansicht der Antragsgegnerin, wonach nur der bestellte Verwalter berechtigt sein soll, die Einräumung der Befugnis zur Verwaltung der in den vorausgegangenen zehn Kalenderjahren erzielten Mietzinsreserven zu beantragen, entbehrt einer plausiblen Begründung und wird daher vom erkennenden Senat nicht geteilt.

3. Die Antragsgegnerin behauptet letztlich noch, dass ihr nicht die Herausgabe der gesamten (nicht verbrauchten) Mietzinsreserven, sondern nur jenes Teils aufgetragen werden dürfe, der zur Finanzierung der aufgetragenen Erhaltungsarbeiten notwendig sei. Dieser auch von Würth (in Rummel ABGB 3 § 6 MRG Rz 6) und T. Hausmann/Riss in ( Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht § 6 MRG Rz 27) ohne Begründung vertretenen Ansicht ist ebenfalls nicht zu folgen:

3.1. Zunächst fehlt schon im Gesetzeswortlaut jeglicher Hinweis im Sinn der von der Antragsgegnerin gewünschten Beschränkung der Herausgabepflicht auf die zur Durchführung der aufgetragenen Erhaltungsarbeiten (voraussichtlich) erforderlichen Kosten. Eine solche Beschränkung ist aber auch unter dem Gesichtspunkt der dem nach § 6 Abs 2 MRG bestellten Verwalter obliegenden Aufgaben nicht geboten. Der Zwangsverwalter ist ab Übergabe der Liegenschaft befugt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zur Durchführung der Zwangsverwaltung erforderlich sind (6 Ob 68/11k wobl 2012/40 = immolex 2013/54 [ Klein ] = MietSlg 63.391). Das Ziel der Zwangsverwaltung ist zwar die Durchführung der im Sachbeschluss aufgetragenen Arbeiten. Der bestellte Zwangsverwalter übernimmt aber auch die übrige Verwaltung des Hauses (3 Ob 249/04w). Im Hinblick auf diesen Aufgabenumfang des bestellten Verwalters besteht auch kein Anlass, die Pflicht des Vermieters (Eigentümers der Liegenschaft) zur Herausgabe der Mietzinsreserven betraglich auf die (voraussichtlichen) Kosten für die Durchführung der aufgetragenen Erhaltungsarbeiten zu beschränken.

3.2. Zu diesen (voraussichtlichen) Kosten für die Durchführung der aufgetragenen Erhaltungsarbeiten liegt überdies nur eine „überschlagsmäßige“ Kostenschätzung vor, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass bei Feststellung weitergehender Schäden an der Tragkonstruktion und der Fundamente mit einer Kostenüberschreitung gerechnet werden muss. Es steht daher auch in tatsächlicher Hinsicht nicht fest, dass das von der Antragsgegnerin behauptete „krasse Missverhältnis“ zwischen den Kosten der vom bestellten Verwalter zu veranlassenden Arbeiten und dem von der Antragsgegnerin herauszugebenden Betrag vorliegt.

4. Zusammengefasst folgt:

4.1. Die Legitimation, gemäß § 6 Abs 2 MRG die Herausgabe der Mietzinsreserven an den bestellten Verwalter zu beantragen, steht (auch) jedem Hauptmieter zu.

4.2. Die auf § 6 Abs 2 MRG beruhende Anordnung, die Mietzinsreserven an den bestellten Verwalter herauszugeben, muss nicht auf jenen Betrag beschränkt werden, der zur Durchführung der aufgetragenen Erhaltungsarbeiten (voraussichtlich) erforderlich ist.

4.3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.