JudikaturJustiz50R94/23i

50R94/23i – LG HG Wien Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 2023

Kopf

Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Richter Mag. a Michlmayr (Vorsitzende), Dr. Gumpinger und KR Hanzl in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A* B* , 2. C* B* , beide **, **, Frankreich, beide vertreten durch JBB Rechtsanwälte in 10119 Berlin, Deutschland, wider die beklagte Partei D* GmbH , ** Straße **, **, **, vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, wegen EUR 500,-- samt Anhang, über die Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 27.4.2023, GZ 7 C 87/23d-8, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 278,10 (darin EUR 46,35 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die klagenden Parteien begehrten mit Mahnklage vom 11.2.2023 die Zahlung von EUR 500,-- samt Anhang und brachten dazu vor, sie hätten über eine gültige Buchung für den Flug 1727 der Beklagten am 30.3.2020 von ** (TLS) nach ** (PMI), planmäßiger Abflug um 12.00 Uhr und planmäßige Ankunft um 13.00 Uhr, verfügt. Der Flug sei jedoch annulliert worden und über die Annullierung seien sie weniger als sieben Tage vor Abflug informiert worden. Eine Ersatzbeförderung sei nicht erfolgt.

Die Beklagte bestritt, beantragte kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, der genannte Flug sei von der Beklagten am 25.3.2020 annulliert worden. Die Annullierung sei auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinn des Artikels 5 Abs. 3 der Fluggastrechte-VO zurückzuführen gewesen, nämlich auf die Auswirkungen der Covid 19-Pandemie. Am 16.3.2020 sei in Frankreich durch das Dekret Nr. 2020-260 ein Lockdown verhängt worden, welcher den Aufenthalt außerhalb der Wohnung ab 17.3.2020 grundsätzlich verbat. Das Dekret 2020-293 vom 23.3.2020 habe diese Lockdown-Regelung nur geringfügig abgeändert. Ebenso sei in Spanien durch das Dekret 463/2020 ein Lockdown ab 14.3.2020 angeordnet worden, wobei die Regelung im Wesentlichen jener in Frankreich entsprach. Das Dekret 465/2020 vom 17.3.2020 habe diese Lockdownregelung nur geringfügig abgeändert. Eine Reise zum Zweck eines Urlaubs sei nach diesen Verordnungen ausdrücklich verboten gewesen. Eine Ersatzbeförderung sei nur dann anzubieten, wenn es sich dabei um eine zumutbare und sinnvolle Maßnahme handle. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, da sich die vom Virus ausgehenden Gefahren bei Flügen aller Fluglinien ergeben hätten.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, den Klägern zur ungeteilten Hand EUR 500,-- zuzüglich 4 % Zinsen p.a. ab 23.11.2021 zu bezahlen, ab. Die dazu auf den Seiten 2 bis 4 der Urteilsausfertigung getroffenen Feststellungen, auf die verwiesen wird, beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst dahingehend, dass die Beklagte den Flug als Reaktion auf die französischen und spanischen Dekrete zur Eindämmung der Pandemie und nicht ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen annulliert habe. Selbst wenn die Beklagte den Flug auch aus wirtschaftlichen Gründen annulliert hätte, wäre den Klägern nicht geholfen, da im Einklang mit der Fluggastrechte-VO die Vermeidung von gesundheitlicher Gefährdung der Passagiere und der Besatzung Vorrang gegenüber eventuellen wirtschaftlichen Beweggründen und eventuellen Unannehmlichkeiten der Passagiere haben.

Der klagsgegenständliche Flug sei daher wegen außergewöhnlicher Umstände annulliert worden, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Es stehe daher kein Ausgleichsanspruch zu.

Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sowie von Feststellungsmängeln mit dem Antrag, das angefochtene Urteil klagsstattgebend abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Vorauszuschicken ist, dass das Erstgericht über einen Streitgegenstand entschieden hat, der an Geld oder Geldeswert EUR 2.700,-- nicht übersteigt und das Urteil daher nur wegen Nichtigkeit oder unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten werden kann (§ 501 ZPO). Die Berufung ist überdies nur dann dem Gesetz entsprechend ausgeführt, wenn sie vom festgestellten Sachverhalt ausgeht.

Eingangs ihrer Rechtsrüge vermeinen die Kläger, dass unstreitig sei, dass es auch bezogen auf den streitgegenständlichen Flug keine Anweisung einer Behörde oder sonstigen Institution gegeben habe, die die Durchführung des konkreten Flugs untersagt hätte und demnach als außergewöhnlicher Umstand, der die Beklagte entlasten könnte, nur eine subjektive Unzumutbarkeit der Durchführung eines Fluges sein könnte.

Damit argumentieren die Klägerinnen aber nicht auf Basis des festgestellten Sachverhalts. Das Erstgericht hat unbekämpft festgestellt, dass mit den französischen Dekreten 2020-260 (ab 17.3.2020) und 2020-293 (ab 23.3.2020) bis 31.3.2020, um der Verbreitung des Covid-19-Virus zuvor zu kommen, einer jeglichen Person verboten wurde, sich aus ihrem Wohnort zu entfernen, außer den in Artikel 1.1 bis 5. genannten Ausnahmen. Demnach war es Personen nur dann erlaubt, ihren Wohnsitz zu verlassen, wenn sie einen der in der Verordnung angeführten Gründe nachweisen können und dass die Stornierung des gegenständlichen Fluges als Reaktion auf diese Verordnungen erfolgt ist.

Nun haben aber die klagenden Parteien im gesamten Verfahren, trotz entsprechenden Sachvortrags der Beklagten, samt Beweisanboten, zu keinem Zeitpunkt dieses Verfahrens korrespondierende Behauptungen und den Beweis dazu angetreten, dass die klagenden Parteien unter einen der in den besagten Verordnungen normierten Ausnahmetatbestände zu subsumieren seien, weshalb das Berufungsgericht auf Grund des danach unstrittig feststehenden Sachverhalts davon auszugehen hat, dass die klagenden Parteien unter keinen dieser Ausnahmetatbestände gefallen sind und somit am 30.3.2020, an dem der Flug geplant war, ihren Wohnsitz gar nicht verlassen durften.

Davon ausgehend argumentieren die klagenden Parteien in ihrer gesamten Rechtsmittelschrift nicht nur in unzulässiger Weise abweichend vom festgestellten Sachverhalt, sondern ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Fluggastrechte-VO, auf welche die Klägerinnen ihren Anspruch stützen, zwar Mindestrechte für Fluggäste u.a. bei Annullierung des Fluges vorsieht, welche gemäß Artikel 15, insbesondere durch abweichende oder restriktive Bestimmungen, im Beförderungsvertrag nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden dürfen, um ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicher zu stellen (Schmid/Degott in Schmid/Fluggastrechte-VO-Kommentar, Rz 1 zu Artikel 15). Dennoch würde es einen völligen Wertungswiderspruch zur allgemeinen Rechtsordnung darstellen, müsste einer zum Antritt eines Fluges auf Grund staatlicher Verordnung gar nicht berechtigten Person ein Ausgleichsanspruch zuerkannt werden (HG 50 R 129/22k).

Überdies wäre ein Luftfahrtunternehmen im Sinne des Artikels 2 lit.j zur „Nichtbeförderung“ aus vertretbaren Gründen, die in der Person des Fluggastes liegen, die den Flugverkehr oder andere Passagiere in ihrer Sicherheit gefährden oder sonstige öffentliche oder vertragliche Belange berühren, berechtigt (Hopperdietzel in Schmid, Fluggastrechte-VO, Kommentar, Rz 47 zu Art. 2). Im Hinblick auf diese Ausnahmeregelung kann aber letztlich bei Annullierung eines Fluges bei staatlicher Verordnungsgesetzgebung, unter die – wie hier die KlägerInnen – ein Fluggast fällt, nichts anderes gelten, da es ansonsten schon in der Fluggastrechte-VO zu einem unauflösbaren inneren Widerspruch käme.

Im Übrigen kann auf die zutreffende erstgerichtliche Begründung verwiesen werden (§ 500a ZPO).

Der unberechtigten Berufung musste daher schon aus diesen Gründen, ohne dass es einer weiteren inhaltlichen Auseinandersetzung mit den übrigen Argumenten der klagenden Parteien bedurft hätte, der angestrebte Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf § 502 Abs. 2 ZPO.