JudikaturJustiz50R129/22k

50R129/22k – LG HG Wien Entscheidung

Entscheidung
09. Januar 2023

Kopf

Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Richter Mag. a Michlmayr (Vorsitzende), Dr. Gumpinger und KR Flenreiss in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, **, vertreten durch JBB Rechtsanwälte Jaschinski Biere Brexi Partnerschaft m.b.H. in D-10119 Berlin, Einvernehmensrechtsanwalt: Dr. Andreas Manak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , ** Straße **, **, **, vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, wegen EUR 250,-- samt Anhang, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 28.10.2022, GZ 15 C 278/22z-13, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 176,28 (darin EUR 29,38 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der klagenden Partei EUR 250,-- samt Anhang zu bezahlen, ab. Die dazu auf den Seiten 2 bis 3 der Urteilsausfertigung getroffenen Feststellungen, auf die verwiesen wird, beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst dahingehend, dass grundsätzlich betroffenen Fluggästen im Falle der Annullierung eines Fluges gemäß Artikel 5 der Fluggastrechte-VO (EG) 261/2004 eine Ausgleichsleistung nach Artikel 7 vom ausführenden Luftfahrtunternehmen zustehe. Dieses sei gemäß Artikel 5 Abs. 3 leg.cit. nicht verpflichtet, eine solche Ausgleichszahlung zu leisten, wenn es nachweisen könne, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Der Verlauf der (Covid-19) Pandemie und die Handlungen der französischen Regierung (Verordnung Nr. 2020-1310) seien von der Beklagten nicht tatsächlich beherrschbar gewesen. Es sei der Beklagten nicht möglich gewesen, die außergewöhnlichen Umstände selbst zu vermeiden.

Der klagsgegenständliche Flug sei daher wegen außergewöhnlicher Umstände annulliert worden, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Es stehe daher kein Ausgleichsanspruch zu.

Dagegen richtet sich die Berufung der klagenden Partei aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil klagsstattgebend abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

In ihrer Rechtsrüge wendet sich die klagende Partei weitwendig gegen eine Wertung der Umstände als entlastende außergewöhnliche und scheide eine Entlastung der Beklagten schon deshalb aus, da sie sich nicht um eine frühestmögliche Ersatzbeförderung bemüht hätte. Das Vorliegen der Pandemie sei weder im Allgemeinen, noch konkret bezogen auf den streitgegenständlichen Flug einer (planmäßigen) Durchführung entgegengestanden. Verneint wird überdies das Vorliegen einer rein subjektiven Unzumutbarkeit für einen entlastenden außergewöhnlichen Umstand sowie das Vorliegen eines Vortrages aller Tatsachen, aus denen eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit abgeleitet werden könnte.

Diesen Ausführungen sowie der umfangreichen Zitierung von diversen Entscheidungen, welche sich mit der pauschalen Berufung auf die aktuelle Covid-Pandemie befassten, ist Folgendes entgegenzuhalten:

Das Erstgericht hat unbekämpfbar festgestellt, dass am 29.10.2020 in Frankreich eine Verordnung erlassen wurde (Verordnung Nr. 2020-1310), nach welcher es Personen nur dann erlaubt war, ihren Wohnsitz zu verlassen, wenn sie einen der in der Verordnung angeführten Gründe nachweisen können und dass die Stornierung des gegenständlichen Fluges als Reaktion auf diese Verordnung zum Schutz der Passagiere und der Besatzung erfolgt ist.

Nun hat die klagende Partei im gesamten Verfahren, trotz entsprechenden Sachvortrages der Beklagten samt Beweisanboten, zu keinem Zeitpunkt dieses Verfahrens korrespondierende Behauptungen und den Beweis dazu angetreten, dass die klagende Partei unter einen der in der besagten Verordnung normierten Außnahmetatbestände zu subsumieren ist, weshalb das Berufungsgericht auf Grund des danach unstrittig feststehenden Sachverhaltes davon auszugehen hat, dass die klagende Partei unter keinen dieser Ausnahmetatbestände gefallen ist und somit am 6.11.2020, an dem der Flug geplant war, ihren Wohnsitz gar nicht verlassen durfte.

Davon ausgehend argumentiert die klagende Partei in ihrer gesamten Rechtsmittelschrift nicht nur in unzulässiger Weise abweichend vom festgestellten Sachverhalt, sondern ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Fluggastrechte-VO, auf welche die klagende Partei ihren Anspruch stützt, zwar Mindestrechte für Fluggäste u.a. bei Annullierung des Flugs vorsieht, welche gemäß Artikel 15, insbesondere durch abweichende oder restriktive Bestimmungen im Beförderungsvertrag nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden dürfen, um ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen (Schmid/Degott in Schmid Fluggastrechte-VO – Kommentar, Rz 1 zu Art. 15). Dennoch würde es einen völligen Wertungswiderspruch zur allgemeinen Rechtsordnung darstellen, müsste einer zum Antritt eines Fluges gar nicht berechtigten Person auf Grund staatlicher Verordnung ein Ausgleichsanspruch zuerkannt werden.

Überdies wäre ein Luftfahrtunternehmen im Sinne des Artikels 2 lit. j zur „Nichtbeförderung“ aus vertretbaren Gründen, die in der Person des Fluggastes liegen, die den Flugverkehr oder andere Passagiere in ihrer Sicherheit gefährden oder sonstige, öffentliche oder vertragliche Belange berühren, berechtigt (Hopperdietzel in Schmied, Fluggastrechte-VO, Kommentar, Rz 47 zu Art. 2). Im Hinblick auf diese Ausnahmeregelung kann aber letztlich bei Annullierung eines Fluges bei staatlicher Verordnungsgesetzgebung, unter die – wie hier die klagende Partei – ein Fluggast fällt, nichts anderes gelten, da es ansonsten schon in der Fluggastrechte-VO zu einem unauflösbaren inneren Widerspruch käme.

Der im Ergebnis somit unberechtigten Berufung war daher der angestrebte Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf § 502 Abs. 2 ZPO.