JudikaturJustiz40R234/13b

40R234/13b – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2014

Kopf

Das Landesgericht für ZRS Wien als Berufungsgericht erkennt durch HR Dr. Garai als Vorsitzenden sowie die weiteren Richter des Landesgerichtes Mag. Dr. Hörmann und Dr. Fink in der Rechtssache der Klägerin C***** GmbH, ***** Wien, vertreten durch Mag. Clemens Mayer und Mag. Stefan Herrmann, Rechtsanwälte in Wien, wider den Beklagten DI Peter G *****, Wien, vertreten durch Dr. Madeleine Zingher, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 1.8.2013, 95 C 73/11d-37, gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten dessen mit € 1.085,09 (darin enthalten € 180,85 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Urteil hob das Erstgericht die auf Verwirklichung eines vereinbarten Kündigungsgrundes gestützte Aufkündigung auf und wies das Begehren auf Rückgabe einer Dachwohnung im 1. Wiener Gemeindebezirk ab. Es verhielt die Klägerin zum Kostenersatz an den Beklagten.

Das Erstgericht stellte den auf Seiten 5 bis 9 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Sachverhalt fest. Rechtlich sei - nach Rückziehung der Aufkündigung wegen „Untervermietung über drei Zimmer hinaus“ - nur noch verfahrensgegenständlich, ob der vereinbarte Kündigungsgrund, nämlich "bauliche Veränderungen ohne rechtskräftige behördliche Genehmigung (Baubehörde oder Denkmalamt)" im Mietvertrag vom 10.9.1976 wirksam vereinbart wurde. Dies sei der Fall, weil das Gebäude unter Denkmalschutz stehe. Der Einwand des Beklagten, diese Vereinbarung eines Kündigungsgrundes sei nicht wirksam, weil dies eine Schlechterstellung des Mieters gegenüber dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG darstelle, gehe ins Leere, weil jeder vereinbarte Kündigungsgrund notwendig eine Verschärfung gegenüber dem Katalog der gesetzlich geregelten Kündigungsgründe darstelle. Die Ende 2008 (die Klägerin ist erst seit 1.1.2010 Liegenschaftseigentümerin) vom Beklagten an den Decken unterhalb dreier Räume seines Mietobjektes angebrachten Wärmedämmplatten in der Größe von 60 x 120 cm, die er jeweils einmal an jeder Ecke und einmal in der Mitte mit 6 mm-Schrauben fachgerecht anbrachte, ohne eine denkmalschutzbehördliche Genehmigung einzuholen oder die Baumaßnahme der Baubehörde anzuzeigen, und welche Dämmplatten - 8 Monate vor Einbringung der Aufkündigung – durch die Klägerin, kurz nachdem sie Liegenschaftseigentümerin wurde, entfernt wurden, verwirkliche den wirksam vereinbarten Kündigungsgrund dennoch nicht. Insbesondere weil die denkmalgeschützten Stuckdecken unterhalb des Mietobjektes vor Anbringung der Dämmplatten bereits in einem stark beschädigten Zustand aufgrund der mangelnde Pflege und Instandhaltung durch den Vermieter - jene Wohnung stand ab ca 1998 dauerhaft leer und wurde nicht beheizt und nicht instand gehalten, wobei sie sich 2008 in einem sehr schlechten baulichen Zustand befand - nicht verwirklichen. Einem Vermieter, der selbst das in seinem Eigentum stehende Denkmal massiv vernachlässige, könne die Berufung auf einen Kündigungsgrund des Verstoßes gegen denkmalschutzrechtliche Bestimmungen, bei einer so geringfügigen Beeinträchtigung wie der gegenständlichen nicht zugestanden werden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Klägerin aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Aufkündigung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Zunächst war der Name der Klagevertreter richtigzustellen, die sich selbst als Mayer Herrmann Rechtsanwälte bezeichnen. Mag es sich dabei um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handeln, so ist eine solche nicht vertretungsbefugt, sie ist nicht rechtsfähig, ihr kann Prozessvollmacht nicht erteilt werden (§ 21e RAO). Das Berufungsgericht geht davon aus, dass den in dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisierten Rechtsanwälten Vollmacht erteilt wurde.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Die Beweisrüge bekämpft die Feststellung, „dass der Stuck in der Wohnung unterhalb des Mietobjektes des Beklagten schon 2008 massiv beschädigt war; an einigen Stellen war der Putz und damit auch der Stuck so stark beschädigt, dass die darüberliegende Schicht, nämlich die Berohrung, sichtbar war; zum Teil war sogar auch die offenliegende Berohrung schon schadhaft". Gerade dieser sich eindeutig aus der Fotodokumentation des Sachverständigen Krupp im Parallelakt 49 C 210/10m des Erstgerichtes, aber auch aus den vorgelegten Fotos Beil ./4 und der Aussage des Beklagten ergebende Zustand wird in der Beweisrüge ohnehin bestätigt. Sie führt aus, dass der Zustand der Decke vom Gericht grundsätzlich zutreffend wiedergegeben wurde. Es zeigt sich, dass die Beweisrüge sich gegen die sehr nachvollziehbare Beweiswürdigung des Erstgerichtes richtet, wonach die Darstellung des Geschäftsführers der Klägerin, dass die Decke abgesehen von den Bohrlöchern in einem guten Zustand gewesen ist, verniedlichend als "deutlich vom Prozessstandpunkt gefärbt" bewertete. Die gerügte Feststellung ist somit nicht nur unbedenklich, sondern sogar von der Berufung als richtig zugestanden. Das Berufungsgericht übernimmt die Feststellung des Erstgerichtes und legt sie seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde.

Auch die Rechtsrüge versagt.

Am 21.7.2010 kündigte die Klägerin dem Beklagten bereits zu 49 C 210/10m des Erstgerichtes wegen erheblich nachteiligen Gebrauch vom Mietobjekt wegen Anbringung der hier auch verfahrensgegenständlichen elastischen Wärmedämmplatten; also drei Monate nachdem die Dämmplatten entfernt waren. Das Vorliegen des Kündigungsgrundes einer Substanzschädigung oder -gefährdung wurde dort in erster und zweiter Instanz verneint, die außerordentliche Revision vom OGH zurückgewiesen. 8 Monate nach Entfernung der Dämmplatten stützt sich nun die vorliegende Aufkündigung auf die Verwirklichung des vereinbarten Kündigungsgrundes im Mietvertrag vom 10.9.1976, nämlich "bauliche Veränderungen ohne rechtskräftige behördliche Genehmigung (Baubehörde und Denkmalamt)". Diesen Kündigungsgrund will die Klägerin für sich geltend machen, die die Liegenschaft bereits mit dieser Wärmedämmung unterhalb des Mietobjektes des Beklagten und damit mit den zahlreichen 6 mm-Löchern der die Wärmedämmung tragenden Schrauben erwarb. Schon das Erstgericht argumentierte dabei, dass die Kündigungsvereinbarung nicht den Fall treffen kann, dass Schraublöcher in eine sanierungsbedürftige Stuckdecke eines generalsanierungsbedürftigen Hauses angebracht werden.

In Wahrheit ist die Vereinbarung dieses Kündigungsgrundes im Mietvertrag vom 10.9.1976 schon damals unwirksam gewesen.

Bis zum Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes waren nur Vereinbarungen zulässig, durch die ein bestimmter Fall des Eigenbedarfs festgesetzt wurde. Durch die Neufassung des § 19 Abs 6 MG sollte den im Gesetz normierten Kündigungstatbeständen der bestimmt vereinbarte Kündigungsgrund unter der Voraussetzung gleichwertig zur Seite gestellt werden, dass die bestimmt bezeichnete, als Kündigungsgrund schriftlich vereinbarte Tatsache in Bezug auf die Kündigung des Mietverhältnisses als wichtig und bedeutsam anzuerkennen ist (500 BlgNR 11.GP). Damit konnten wichtige Interessen des Vermieters in Form der Vereinbarung eines Kündigungsgrundes berücksichtigt werden. Aber § 19 Abs 6 1. Satz MG ordnete weiterhin die Ungültigkeit von Vereinbarungen an, in denen dem Vermieter das Kündigungsrecht in einem weiteren als dem im § 19 MG vorgesehenen Ausmaß eingeräumt wurde. Also konnte auch im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses nur ein Umstand als Kündigungsgrund vereinbart werden, wenn er den in § 19 Abs 2 MG aufgezählten Fällen an Bedeutung nahekommt (Zingher MG 18 126, MietSlg 33.396 ua). Der Gesetzgeber hat schließlich die Bestimmung des § 19 Abs 6 MG in § 30 Abs 2 Z 13 MRG übernommen. Danach ist auch heute eine Vereinbarung, wonach dem Vermieter das Kündigungsrecht unbeschränkt oder in einem weiteren als dem vorstehend bestimmten Maß zustehen soll, unwirksam.

Nach dem hier in Anspruch genommenen Vertragspunkt würden bauliche Veränderungen, selbst wenn sie überhaupt keine Schädigung der Substanz mit sich brächten, selbst wenn sie in denkmalschützerischer Hinsicht erstrebenswert und etwa vom Bundesdenkmalamt angestrebt oder gar gefördert werden würden, für die aber kein rechtskräftiger Bescheid noch vorliegt die Aufkündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen. Der Sinn und Zweck des angesprochenen Vertragspunktes erhellt nicht. Sollte die Bestimmung eine Substanzschädigung sanktionieren, so wäre sie weitergehend als der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 3 1. Fall MRG, weil sie die Gravität der Substanzbeeinträchtigung, ja überhaupt keine Substanzbeeinträchtigung voraussetzt. Sollte sie aber die Bestimmung des § 19 Abs 1 MG, nun § 30 Abs 1 MRG in Richtung drohender behördlicher Sanktionen ausfüllen wollen, fehlt der Hinweis auf die Gravität der Sanktionen für den Vermieter, könnten doch die Baumaßnahmen vom Bundesdenkmalamt auch begrüßt werden.

Wieso sich die Klägerin überhaupt auf die Nichteinholung einer Genehmigung des Bundesdenkmalamtes in der Zeit, bevor sie Liegenschaftseigentümerin war zu stützen versucht, obwohl diese Veränderung bereits 8 Monate vor Einbringung der Aufkündigung entfernt war und sie die Generalsanierung des Hauses in Angriff nahm, wurde von ihr nie plausibel dargelegt.

"Bauliche Veränderungen ohne rechtskräftige behördliche Genehmigung (Baubehörde und Denkmalamt)" ist kein wirksam zu vereinbarender Kündigungsgrund.

Der Berufung war damit der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil das Berufungsgericht von den schon bisher judizierten Anforderungen an die wirksame Vereinbarung eines Kündigungsgrundes nicht abwich.

Rechtssätze
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