JudikaturJustiz3R51/08x

3R51/08x – LG Klagenfurt Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2008

Kopf

3 R 51/08x

Spruch

Das Landesgericht Klagenfurt hat als Rekursgericht durch die Richter HR Dr. Kurt Straschuschnig (Vorsitz), Dr. Martin Reiter und Dr. Gerard Kanduth in der Exekutionssache der betreibenden Partei ***** vertreten durch Dr. Gerhard Fink und Partner, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, gegen die verpflichtete Partei ***** vertreten durch den Sachwalter *****, *****, vertreten durch Dr. Klaus J. Mitzner, Dr. Michael Krautzer, Rechtsanwälte in 9500 Villach, wegen € 2.982,84 s. A., über den Rekurs der Verpflichteten gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes St. Veit/Glan vom 25. 1. 2008, 3 E 2904/07z-7, den Beschluss

gefasst:

Text

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Begründung:

Am 18. 12. 2007 stellte die betreibende Partei den Antrag, ihr zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung an rückständigen Pflegegebühren für die Zeit vom 6. 12. 2004 bis 14. 1. 2005 in Höhe von € 2.982,84 laut Urteil des Bezirksgerichtes St. Veit/Glan vom 23. 4. 2007 zu 5 C 268/06k samt Zinsen und Kosten gegen die Verpflichtete die Forderungs- und Fahrnisexekution zu bewilligen. Der Verpflichteten sei mit Bescheid vom 19. 1. 2005 rückwirkend per 1. 11. 2004 Pflegegeld zugesprochen worden, welches samt Witwenpension über die Drittschuldnerin Pensionsversicherungsanstalt Landesstelle Kärnten zur Auszahlung gelange. Das Pflegegeld sei hier wegen der widmungsgemäßen Bestimmtheit der Leistung im Sinne des § 290 Abs 2 EO pfändbar.

Mit Beschluss vom 3. 1. 2008, ON 2, bewilligte das Erstgericht die beantragte Exekution.

Im Gegensatz zur ebenfalls namhaft gemachten Drittschuldnerin BKS Bank AG anerkannte die Pensionsversicherungsanstalt Landesstelle Kärnten die gepfändete Forderung mit Drittschuldnererklärung vom 7. 1. 2008, ON 3, als begründet und führte aus, dass die Verpflichtete derzeit einen Leistungsanspruch von monatlich netto € 708,90 zuzüglich Sonderzahlungen habe. Aufgrund der geringen Pensionshöhe sei derzeit kein pfändbarer Betrag vorhanden.

Am 10. 1. 2008 stellte die Verpflichtete den Antrag auf Einstellung der Exekution und brachte dazu vor, dass sie sich lediglich vom 4. 12. 2004 bis 14. 1. 2005 in Pflege der betreibenden Partei befunden und während dieses Zeitraumes ein anteiliges Pflegegeld von € 826,01 bezogen habe. Dieser Betrag sei dem Vertreter der betreibenden Partei überwiesen worden. Weitere Ansprüche im Sinne des § 290 Abs 2 EO würden nicht mehr bestehen (vgl. Schriftsatz ON 4). Mit Schriftsatz vom 23. 1. 2008, ON 6, sprach sich die betreibende Partei gegen die begehrte Einstellung aus. Unter Berücksichtigung der erfolgten Teilzahlung hafte einschließlich Zinsen und Kosten immer noch ein Betrag von € 6.237,84 unberichtigt aus. Die Berechnung der Verpflichteten sei unrichtig, nicht nachvollziehbar und für das Exekutionsverfahren irrelevant. Die Voraussetzungen für eine Einstellung seien daher nicht gegeben, der Antrag sei überdies mutwillig gestellt worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Einstellungsantrag ab (= Punkt 1.)) und bestimmte die Kosten der Betreibenden Partei für die aufgetragene Äußerung mit € 124,22 (= Punkt 2.)).

Das Rekursgericht setzt die Begründung des angefochtenen Beschlusses als bekannt voraus, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen ein Hinweis darauf genügt.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Verpflichteten, mit welchem sie in erster Linie Abänderung in eine gänzliche Einstellung, in eventu bis auf den Betrag von € 2.982,84 und hilfsweise Aufhebung begehrt. Der Rekurs ist in seinem Aufhebungsantrag begründet.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 39 Abs 1 Z 2 EO ist die Exekution unter gleichzeitiger Aufhebung aller bis dahin vollzogener Exekutionsakte unter anderem dann einzustellen, wenn sie auf Sachen, Rechte oder Forderungen geführt wird, die nach den geltenden Vorschriften der Exekution überhaupt oder einer abgesonderten Exekutionsführung entzogen sind. Ob eine gerichtliche Exekution nach dieser Gesetzesstelle einzustellen sei, ist ohne Verweisung auf den Rechtsweg vom Exekutionsrichter nach Einvernehmung der Parteien und amtlicher Erhebung selbstständig zu entscheiden (Angst/Jakusch/Mohr EO 14. Aufl. § 39 E 60).

Nach § 1 des Bundespflegegeldgesetzes, BGBl Nr. 110/1993 idgF BGBl I Nr. 51/2007, BPGG, hat das Pflegegeld den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Das Pflegegeld gebührt zwölf Mal jährlich und beträgt derzeit etwa in der Stufe 6 € 1.171,70 (§ 5 BPGG).

Die Exekutionsordnung regelt, inwieweit Pflegegelder nach diesem Bundesgesetz verpfändet und gepfändet werden können (§ 15 BPGG). Die Vorschriften der §§ 290 ff EO stellen ihrem Wesen nach soziale Schutzbestimmungen zugunsten des Verpflichteten dar (RpflSlgE 2001/139).

Gemäß § 290 Abs 1 sind unter anderem gesetzliche Beihilfen und Zulagen, die zur Abdeckung des Mehraufwands wegen körperlicher oder geistiger Behinderung, Hilflosigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu gewähren sind, wie z.B. das Pflegegeld, unpfändbar (= Z 2). Die Unpfändbarkeit gilt nach Abs 2 dieser Bestimmung nicht, wenn die Exekution wegen einer Forderung geführt wird, zu deren Begleichung die Leistung widmungsgemäß bestimmt ist.

Demnach darf das Pflegegeld gepfändet werden, soweit es zur Abgeltung von pflegebezogenen Dienstleistungen herangezogen wird. Wegen der relativ strengen Zweckbindung des Pflegegeldes ist die „widmungsgemäße Bestimmung“ im Sinne des § 290 Abs 2 EO eng zu verstehen (2 Ob 129/97b).

Wurde eine beschränkt pfändbare Geldforderung des Verpflichteten bereits an dessen Quelle gepfändet und wird nur mehr das vom Drittschuldner überwiesene Existenzminimum dem Konto gutgebucht, so ist die Pfändung aufzuheben (RpflSlgE 2005/152).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus diesen Grundsätzen, dass das Erstgericht den Einstellungsantrag vorschnell abgewiesen hat. Der erkennende Senat teilt die Ansicht der Rekurswerberin, dass die Forderungsexekution hier nur bezüglich des Pflegegeldes, das sie für den Zeitraum der Unterbringung im Pflegeheim der betreibenden Partei vom 4. 12. 2004 bis 14. 1. 2005 bezogen hat, zulässig ist. Es bedarf wegen der strengen Zweckbestimmung des Pflegegeldes nach dem BPGG jedenfalls einer genauen Kongruenz zwischen Leistung und gepfändeter Forderung, und, nachdem das Pflegegeld monatlich zur Auszahlung gelangt, kann nicht zur Abdeckung der gegenständlichen Pflegegebühren und umso weniger zur Einbringung von Zinsen und Kosten auf Pflegegeld gegriffen werden, das für frühere oder spätere Zeiträume gewährt wurde.

Auch weil die betreibende Partei die diesbezügliche Berechnung der Verpflichteten bestreitet, wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren durch geeignete Erhebungen zu klären und festzustellen haben, welche Pflegegeldbezüge genau auf den titelmäßigen Zeitraum laut Urteil vom 23. 4. 2007 zu 5 C 268/06k entfallen und in welchem Ausmaß diese bereits an die Betreibende weitergeleitet wurden. Sollte sich herausstellen, dass das gesamte Pflegegeld für diese Zeit schon an die Betreibende überwiesen wurde, wäre die gegenständliche Exekution im Sinne des § 39 Abs 1 Z 2 EO einzustellen. Es war daher dem Rekurs dahin Folge zu geben, dass der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wird.

Der Vorbehalt hinsichtlich der Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO.

Landesgericht Klagenfurt

als Rekursgericht

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