JudikaturJustiz3R396/97a

3R396/97a – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
09. Dezember 1997

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Berufungsgericht hat durch den Richter Dr. Mähr als Vorsitzenden und die Richter Dr. Müller und Dr. Künz als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede H***** vertreten durch Dr. Dietmar Fritz, Rechtsanwalt in Bezau, gegen die beklagte Partei Johann V***** vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 9.940,-- sA infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Bezau vom 11.11.1997, 3 C 486/97 p-7, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird keine Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit S 2.031,36 (hievon USt S 338,56) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten S 9.940,--, nämlich den Schilling-Gegenwert von DM 1.400,--. Sie habe Manfred R***** eine Wohnung vermietet. Dieser schulde ihr an offener Miete für April 1997 DM 700,-- und an Betriebskosten für Juli 1996 bis April 1997 ebenfalls DM 700,--. Ihr stehe an den eingebrachten Sachen ein "Vorzugspfandrecht" nach § 1101 ABGB zu. Dieses Vorzugspfandrecht habe sie am 18.4.1997 geltend gemacht.

Im Zuge eines Exekutionsverfahrens des Beklagten als betreibende Partei gegen Manfred R***** seien die in die Wohnung eingebrachten Sachen versteigert worden. Eine gerichtliche Verteilung des Verkaufserlöses habe nicht stattgefunden; der Verwertungserlös sei unmittelbar an die betreibende Partei ausgefolgt worden.

Der Beklagte verweigere sowohl die Akzeptierung des Bestandgeberpfandrechtes als auch die Herausgabe des anteiligen Verkaufserlöses.

Der Beklagte hat Klagsabweisung beantragt und eingewendet, daß die exekutiv gepfändeten Gegenstände am 16.4.1997 versteigert worden seien. Der Versteigerungserlös sei am 18.4.1997 an den Beklagtenvertreter überwiesen worden. Die Klägerin habe den Antrag verspätet eingebracht.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht dem Klagebegehren stattgegeben und folgenden wesentlichen Sachverhalt festgestellt:

Die Klägerin hatte Manfred R***** ab Mitte Juli 1996 eine Wohnung vermietet. Der monatliche Mietzins betrug DM 700,-- und war jeweils am 1. eines jeden Monats zur Zahlung fällig. Manfred R***** hat die Aprilmiete 1997 nicht bezahlt. Außerdem schuldet er der Klägerin noch Betriebskosten für den Zeitraum Juli 1996 bis April 1997 in Höhe von ebenfalls DM 700,--.

Der Beklagte (betreibende Gläubiger) hat gegen Manfred R***** eine Fahrnisexekution erwirkt, bei der am 5.3.1997 in der angeführten Wohnung des Verpflichteten mehrere Gegenstände gepfändet wurden. Am 16.4.1997 wurden die Gegenstände teilweise verkauft. Nach Abzug von Gebühren wurde der restliche Verkaufserlös von S 14.166,-- am 17.4.1997 dem Beklagten überwiesen.

Am 18.4.1997 hat die Klägerin eine "Anmeldung des Bestandgeberpfandrechtes" beim Erstgericht eingebracht. In diesem Schreiben machte sie eine Gesamtforderung aus dem Mietverhältnis in Höhe von DM 2.050,-- geltend. Es bestehe ein Vorzugspfandrecht an den eingebrachten Sachen der verpflichteten Partei. Nach gerichtlicher Veräußerung gehe dieses Pfandrecht auf den Erlös über.

Rechtlich führte das Erstgericht wie folgt aus:

Gemäß § 1101 ABGB kommt dem Vermieter an in den vermieteten Gegenstand eingebrachten Sachen des Mieters das Pfandrecht zu, das sich auch auf offene Betriebskosten erstreckt. Werden an eingebrachten Sachen später neue - auch exekutive - Pfandrechte begründet, so folgen diese im Rang dem Bestandgeberpfandrecht nach. Durch den exekutiven Verkauf erlischt zwar das Pfandrecht an den damit behafteten Gegenständen, es geht allerdings auf den Erlös über (Hinweis auf EvBl 1984/112; Reckenzaun, Das gesetzliche Bestandgeberpfandrecht, S 19).

Gemäß § 283 Abs 1 EO ist der beim Versteigerungstermin erzielte Erlös bei Beteiligung lediglich eines Gläubigers diesem auszufolgen. Sind mehrere Gläubiger vorhanden, so hat eine Verteilungstagsatzung stattzufinden. Ein durch eine unmittelbare Ausfolgung nach § 283 Abs 1 EO in rechtswidriger Weise benachteiligter Anspruchsberechtigter kann jedoch gegen den Zuweisungsgläubiger in der gleichen Weise vorgehen, wie wenn eine derartige Zuweisung im Verteilungsverfahren vorgenommen worden wäre (Hinweis auf Heller-Berger-Stix II, 1850). Nach der Ausfolgung des Meistbotes an den Zuweisungsgläubiger steht dem Aussonderungsberechtigten gegen diesen ein Anspruch auf Herausgabe des ihm zu Unrecht zugewiesenen Betrages nach § 1041 ABGB zu (Hinweis auf Heller-Berger-Stix II, 1593). Im Hinblick auf diese überzeugende Argumentation war dem Klagebegehren - trotz der gegenteiligen Meinung von Reckenzaun, Das gesetzliche Bestandgeberpfandrecht, 56 - stattzugeben. Der Gesetzgeber hat für die Wahrung der Ansprüche des Vermieters eine einheitliche Regelung getroffen, die nicht davon abhängig ist, ob die Ansprüche von einem oder mehreren Gläubigern mit ihm konkurrieren.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß das Klagebegehren abgewiesen wird.

Die Klägerin beantragte, der Berufung keine Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufungsausführungen beschäftigen sich überwiegend mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Bestandgeberpfandrecht im Zuge eines Exekutionsverfahrens zu berücksichtigen ist. Da eine pfandweise Beschreibung nicht erfolgt ist und der Gerichtsvollzieher offenbar vom gesetzlichen Pfandrecht nach § 1101 ABGB (es handelt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht um ein Vorzugspfandrecht) keine Kenntnis hatte, konnte im Exekutionsverfahren auf das Bestandgeberpfandrecht nicht Bedacht genommen werden.

Soweit in der Berufung auf Pkt. 127 Abs 2 Z 11 DV verwiesen wird, ist festzuhalten, daß das Dienstbuch für die Vollstrecker (DV) gemäß Pkt. 6. des Erlasses des Bundesministeriums für Justiz vom 19. Juni 1996 über die Exekutions-Novelle 1995 (2. Einführungserlaß zur EO-Nov 1995) aufgehoben wurde.

Im gegenständlichen Fall geht es aber nicht um die Frage, ob das gesetzliche Bestandgeberpfandrecht hätte berücksichtigt werden müssen, sondern ausschließlich darum, ob die Klägerin gegenüber dem Beklagten als betreibenden Gläubiger einen Ersatz- bzw Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB hat.

Reckenzaun hat in seiner Monographie "Das gesetzliche Bestandgeberpfandrecht" zur Anmeldung des Bestandgeberpfandrechtes gemäß § 1101 Abs 1 Satz 2 ABGB folgendes ausgeführt:

"Betreibt nur ein einzelner Gläubiger die Exekution durch Versteigerung der nicht pfandweise beschriebenen Pfandsachen im Bestandsobjekt, kann der Verkaufserlös gemäß § 283 Abs 1 EO diesem Gläubiger nach Abzug der Versteigerungs- und Schätzungskosten unmittelbar nach der Versteigerung übergeben werden. Will der Bestandgeber in diesem Falle noch berücksichtigt werden, muß er bei der Versteigerung, also spätestens vor Ausfolgung des Verkaufserlöses, sein Pfandrecht gemäß § 1101 Abs 1 Satz 2 ABGB geltend machen... Macht der Bestandgeber nicht spätestens bis zur Ausfolgung des Verkaufserlöses an den betreibenden Gläubiger sein Pfandrecht geltend, erlischt mit dem Zuschlag sein gesetzliches Pfandrecht und setzt sich auch nicht am Verkaufserlös fort. Der betreibende Gläubiger ist im Vertrauen auf die Pfandfreiheit des Verkaufserlöses gleichermaßen schutzwürdig wie der Erwerber ersteigerter Pfandsachen."

Das Berufungsgericht teilt durchaus die Ansicht von Reckenzaun, daß der Bestandgeber bei nur einem betreibenden Gläubiger spätestens vor Ausfolgung des Verkaufserlöses sein Pfandrecht gemäß § 1101 Abs 1 Satz 2 ABGB geltend machen muß, wenn dieses Pfandrecht noch im Exekutionsverfahren berücksichtigt werden soll. Mit Ausfolgung des Verkaufserlöses ist nämlich das Exekutionsverfahren beendet, sodaß danach auf das gesetzliche Pfandrecht nicht mehr Bedacht genommen werden kann.

Zweifellos erlischt mit der gerichtlichen Veräußerung das gesetzliche Pfandrecht gemäß § 269 EO und § 367 ABGB, doch tritt an dessen Stelle das Pfandrecht am Verkaufserlös (SZ 56/112; SZ 46/8; SZ 27/47 ua).

Die gegenteilige Ansicht von Reckenzaun wird offenbar nur damit begründet, daß der betreibende Gläubiger im Vertrauen auf die Pfandfreiheit des Verkaufserlöses gleichermaßen schutzwürdig sei wie der Erwerber versteigerter Pfandsachen. Dieser Ansicht schließt sich das Berufungsgericht schon deshalb nicht an, weil § 269 EO ausschließlich auf den lastenfreien Eigentumserwerb abzielt und nicht auf den lastenfreien Erwerb des an die Stelle des Verkaufsgegenstandes getretenen Versteigerungserlöses. Gegenstand des Gutglaubenserwerbs ist die versteigerte Sache und keineswegs jener Betrag, der dem betreibenden Gläubiger zur Befriedigung seiner Forderung zukommt. Insofern ist es auch nicht gerechtfertigt, wenn der betreibende Gläubiger mehr erhält als ihm zustünde, wenn dem Gerichtsvollzieher das Bestandgeberpfandrecht bekannt gewesen wäre.

Da daher zum Zeitpunkt der Auszahlung des Verkaufserlöses an den Beklagten das gesetzliche Pfandrecht am Erlös bestand und die Klägerin innerhalb von drei Tagen ihr Recht angemeldet hat, steht der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Verwendungsanspruch gemäß § 1041 ABGB zu.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist ein Retentionsrecht einem Pfandrecht ähnlich (JBl 1991, 241). In seiner Entscheidung vom 7.11.1972, 8 Ob 227/72, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß auch nach Ausfolgung des Versteigerungserlöses an den Gläubiger das Retentionsrecht dadurch nicht untergeht, sondern daß anstelle des Pkws, an dem ein Zurückbehaltungsrecht bestand, der Versteigerungserlös tritt.

Es wäre auch nicht einzusehen, weshalb zB im Falle einer abgeirrten Exekution der Eigentümer gegen den betreibenden Gläubiger einen Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB in Höhe des Versteigerungserlöses hat, im gegenständlichen Fall jedoch ein solcher Anspruch verneint würde. Ebensowenig ist es einsichtig, daß im Falle mehrerer betreibender Gläubiger das vorrangige Bestandgeberpfandrecht zum Tragen kommt, dies jedoch nicht der Fall ist, wenn zufälligerweise nur ein Gläubiger die Verwertung betreibt.

Daß auch eine Pfandrechtsforderung einen Verwendungsanspruch begründet, ist in Lehre und Rechtsprechung unstrittig (Apathy, Der Verwendungsanspruch, 66; EvBl 1966/445).

Nur dann, wenn die Ansicht vertreten würde, daß auch der betreibende Gläubiger gutgläubig und lastenfrei den Versteigerungserlös erworben hätte, käme eine Verwendungsklage nach § 1041 ABGB nicht in Betracht (Schwimann/Apathy, ABGB2, § 1041 Rz 16; Apathy aaO, 76).

Wenn der Berufungswerber die Ansicht vertritt, daß bei der vom Erstgericht vertretenen Meinung der betreibende Gläubiger bis zum Ende der dreijährigen Verjährungszeit mit Mietzinsforderungen rechnen müßte, wird übersehen, daß die Forderung des Vermieters ohnehin innerhalb von 3 Tagen ab Versteigerung geltend zu machen ist. Es besteht daher für den betreibenden Gläubiger nur eine Ungewißheit in der Dauer von 3 Tagen, die durchaus zumutbar ist.

Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht wird auch durch die Ausführungen von Stanzl in Klang zu § 1041 ABGB gestützt, wo ua die Ansicht vertreten wird, daß dem durch einen irrtümlichen Verteilungsbeschluß benachteiligten Pfandgläubiger gegen den bevorzugten Pfandgläubiger wegen des zuviel zugewiesenen und ausgezahlten Betrages ein Verwendungsanspruch zusteht.

Das Berufungsgericht schließt sich daher der Rechtsansicht des Erstgerichtes an, wonach der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB zusteht, sodaß dem Klagebegehren zu Recht stattgegeben wurde.

Der Kostenspruch stützt sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Landesgericht Feldkirch

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen