JudikaturJustiz3R232/12h

3R232/12h – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
19. September 2012

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Berufungsgericht hat durch die Richterin Dr. Kempf als Vorsitzende sowie die Richter Dr. Weißenbach und Dr. Flatz als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Y *****, vertreten durch Mag. Bernhard Schwendinger, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei M***** Y***** , Arbeiterin, *****, vertreten durch Dr. Paul Sutterlüty Dr. Wilhelm Klagian Dr. Claus Brändle MMag Josef R. Lercher Rechtsanwälte-Partnerschaft in Dornbirn, wegen EUR 1.074,00 sA, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 11. Juli 2012, 18 C 69/12d-8, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert , dass sie lautet:

1. Die Klagsforderung besteht mit EUR 1.074,00 zu Recht.

2. Der Antrag der beklagten Partei, die Klagsforderung mit einer Gegenforderung von EUR 2.984,98 aufzurechnen, wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 1.074,00 samt 4 % Zinsen aus EUR 358,00 seit 1.1.2012 zu bezahlen und die mit EUR 394,80 (darin enthalten EUR 49,64 an USt und EUR 97,00 an Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters die mit EUR 380,22 (darin enthalten EUR 41,70 an USt und EUR 130,00 an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 3. April 2012 beim Erstgericht eingebrachten Klage verlangte der Kläger die Rückzahlung von drei Unterhaltsbeiträgen zu je EUR 358,00, die er in den Monaten Jänner bis März 2012 an die Beklagte bezahlt habe, obwohl der Beklagten ab 1. Jänner 2012 ein Unterhaltsanspruch gegen den Kläger auf Grund eines eigenen, ausreichenden Einkommens nicht mehr zugestanden sei.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, sie habe ihren ersten Lohn erst am 6. Februar 2012 bekommen. Der vom Kläger geleistete Unterhalt sei ein einstweiliger Unterhalt gewesen, den er freiwillig bezahlt habe. Einer allenfalls zu Recht bestehenden Klagsforderung werde eine Kostenforderung der Beklagten gegen den Kläger aus dem Scheidungsverfahren in der noch offenen Höhe von EUR 2.984,98 aufrechnungsweise entgegen gehalten.

Der Kläger erwiderte dazu, dass er sich im Privatkonkurs befinde und die Gegenforderung der Beklagten, die angemeldet und anerkannt worden sei, im Rahmen des laufenden Abschöpfungsverfahrens ratenweise beglichen werde. Eine Aufrechnung mit dieser Forderung sei nicht zulässig.

Mit dem angefochtenen Urteil stellte das Erstgericht die Klagsforderung mit EUR 1.074,00 und die eingewendete Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung als zu Recht bestehend fest. Dementsprechend wies es das Klagebegehren zur Gänze ab.

Ausgehend von den auf den Seiten 3 bis 7 des Ersturteils enthaltenen Feststellungen, auf die gemäß § 500a ZPO verwiesen wird, vertrat es in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, die Beklagte habe für den Zeitraum Jänner bis März 2012 keinen Anspruch auf Unterhalt gehabt. Der vom Kläger geltend gemachte, bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch bestehe daher zu Recht. Die Gegenforderung der Beklagten übersteige die Klagsforderung und könne ungeachtet des laufenden Abschöpfungsverfahrens auch aufgerechnet werden.

Während die Beklagte diese Entscheidung unangefochten ließ, richtet sich die rechtzeitige Berufung des Klägers dagegen, dass die eingewendete Gegenforderung der beklagten Partei als zu Recht bestehend erkannt wurde. Unter Geltendmachung des Berufungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung strebt er eine Abänderung des Ersturteils im Sinne einer Klagsstattgebung an.

Die Beklagte bestreitet in ihrer ebenfalls rechtzeitigen Berufungsbeantwortung das Vorliegen des geltend gemachten Berufungsgrundes und beantragt, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Da die Beklagte das Ersturteil unbekämpft ließ, steht die Berechtigung der Klagsforderung fest. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist lediglich die Frage, ob die noch offene Kostenforderung, bei der es sich um eine Judikatschuld handelt und die vom Kläger grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird, gegen die Klagsforderung aufgerechnet werden kann.

Dazu ist vorab der zeitliche Ablauf des Geschehens kurz zu rekonstruieren:

Das Bezirksgericht Dornbirn eröffnete am 1. Dezember 2010 zu 16 S 26/10i das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Klägers. Im Zuge dieses Verfahrens meldete die Beklagte Kostenforderungen gegen den Kläger in Höhe von insgesamt EUR 8.202,11 an. Diese Forderung wurde vom Kläger anerkannt. Da der vom Kläger angebotene Zahlungsplan nicht die vom Gesetz geforderte Mehrheit erreichte, leitete das Bezirksgericht Dornbirn am 29. Juni 2011 das Abschöpfungsverfahren ein. Nach Rechtskraft dieses Beschlusses wurde das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 15. Juli 2011 aufgehoben.

Trotz des laufenden Abschöpfungsverfahrens machte die Beklagte im Zeitraum 1. Jänner 2012 bis 31. März 2012 drei monatliche Unterhaltsbeiträge von je EUR 358,00 im Weg der Gehaltsexekution einbringlich. Dies war nur auf Grund der Besonderheiten bei Exekutionen wegen Unterhaltsansprüchen gemäß § 291b EO möglich.

Gemäß § 20 Abs 1 IO, auf den der Berufungswerber zutreffend hinweist, ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Insolvenzmasse geworden ist. Die Beklagte als Insolvenzgläubigerin ist nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Klägers durch die unberechtigte Einbringlichmachung von Unterhaltsbeiträgen Schuldnerin des Klägers geworden. Damit ist grundsätzlich von der in § 20 Abs 1 IO beschriebenen Situation auszugehen. Nun wurde das Insolvenzverfahren nach rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens am 15. Juli 2011 wieder aufgehoben. Dieser Umstand vermag nach Ansicht des Berufungsgerichtes am Aufrechnungsverbot nichts zu ändern. Das Abschöpfungsverfahren ist nach wie vor aufrecht. Der Kläger kann lediglich über den unpfändbaren Teil seines Einkommens frei verfügen. Exekutionen einzelner Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind gemäß § 206 Abs 1 IO während des Abschöpfungsverfahrens nicht zulässig. Gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung umfasst werden, kann gemäß § 206 Abs 3 IO der Drittschuldner eine Forderung gegen den Schuldner nur aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach §§ 19 und 20 zur Aufrechnung berechtigt wäre. Aus dieser Bestimmung ergibt sich deutlich, dass der Gesetzgeber das Aufrechnungsverbot gemäß § 20 IO auch während des Abschöpfungsverfahrens aufrecht erhalten wollte. Auch wenn in dieser Bestimmung nur der Drittschuldner erwähnt wird, ist nach Ansicht des Berufungsgerichtes eine analoge Anwendung auch auf den hier zu beurteilenden Fall angebracht. Es wäre höchst unbillig, der Beklagten, die rechtswidrig unter Inanspruchnahme der besonderen Bestimmungen des § 291b EO Unterhaltsbeiträge beim Kläger exekutiv hereinbrachte, die Möglichkeit einzuräumen, gegen den Rückforderungsanspruch des Klägers ihre Konkursforderung aufzurechnen. Hätte sich die Beklagte rechtmäßig verhalten, wären die exekutiven Abzüge nicht erfolgt und der Klagsbetrag wäre dem Kläger zugeflossen, ohne dass Insolvenzgläubiger darauf einen Anspruch erheben hätten können.

Die Berufungsgegnerin verweist zwar zutreffend darauf, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nach Einbringlichmachung nicht der Konkursmasse zugeführt werden muss, da er aus dem grundsätzlich unpfändbaren Teil der Bezüge des Klägers stammte, allerdings vermag dieser Umstand eine Aufrechenbarkeit der Gegenforderung nicht zu begründen.

Da – entgegen der vom Erstgericht vertretenen Rechtsansicht – eine Aufrechnung der von der Beklagten geltend gemachten Gegenforderung mit der Klagsforderung auf Grund einer analogen Anwendung der Bestimmungen der §§ 20 Abs 1 und 206 Abs 3 IO nicht zulässig ist, ist der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Urteil wie im Spruch ersichtlich abzuändern.

Die Abänderung der Entscheidung in der Hauptsache bedingt auch eine neue Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Die unterliegende Beklagte hat dem Kläger gemäß § 41 ZPO die Kosten zu ersetzen. Nicht zu honorieren ist die Vollmachtsbekanntgabe, die ohne Nachteil für den Kläger auch bei der bereits anberaumten Tagsatzung erfolgen hätte können.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO. Für die Berufung gebührt dem Kläger gemäß § 23 Abs 10 RATG nur der einfache Einheitssatz.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Rechtssätze
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