JudikaturJustiz3R199/12f

3R199/12f – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
03. September 2012

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch die Richterin Dr. Kempf als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Kallina und die Richterin Dr. Ciresa als weitere Senatsmitglieder in der Exekutionssache der betreibenden Partei ***** AG , *****, vertreten durch Mag. Bernhard Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die verpflichtete Partei R *****, wegen EUR 901,89 sA, über den Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Bregenz vom 13. Juli 2012, 28 E 2593/11m-8, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs, dessen Kosten die betreibende Partei selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 10. August 2011 wurde der betreibenden Partei gegen den Verpflichteten auf Grund des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch vom 6. Juli 2011, 25 Bl 68/11f, nach Einholung einer Auskunft der Sozialversicherungsträger Österreichs zur Hereinbringung einer Forderung von EUR 901,89 sowie der mit EUR 211,07 bestimmten Kosten des Exekutionsantrages die Forderungsexekution gemäß § 294a EO und die Fahrnisexekution bewilligt. Die Zustellung der Exekutionsbewilligung ist an den bekannt gegebenen Drittschuldner sowie an den Verpflichteten - an diesen durch Hinterlegung am 16. August 2011 - erfolgt. In ihrer Drittschuldnererklärung vom 16. August 2011 hat die Drittschuldnerin C***** die gepfändete Forderung des Verpflichteten anerkannt und gleichzeitig auf vorrangige Pfandrechte verwiesen. Der Beschluss vom 18. August 2011, mit welchem das Erstgericht die Kosten der Drittschuldnerin für ihre Äußerung mit EUR 25,00 bestimmt hat, konnte an den Verpflichteten nicht (mehr) zugestellt werden, da er unbekannt verzogen war. Am 9. September 2011 langte beim Erstgericht die Mitteilung der Drittschuldnerin ein, dass das Dienstverhältnis mit dem Verpflichteten am 2. September 2011 beendet worden sei.

Die betreibende Partei hat am 27. Juni 2012 (ON 7) beim Erstgericht unter Vorlage des Exekutionsbewilligungsbeschlusses vom 10. August 2011 beantragt, den im Beschluss enthaltenen Kostenbestimmungsbeschluss nach Möglichkeit als Europäischen Vollstreckungstitel zu erklären.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht diesen Antrag mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei dem in der Exekutionsbewilligung enthaltenen Kostenbestimmungsbeschluss um keine „unbestrittene Forderung“ im Sinne des Art 3 der Verordnung (EG) Nr. 805/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 handle, da der Verpflichtete die Kostenbestimmung erst nach der Entscheidung des Gerichtes zugestellt bekomme, was keine ausreichende Zustellung sei, um eine „unbestrittene Forderung“ zu kreieren.

Gegen die Entscheidung richtet sich der fristgerechte Rekurs der betreibenden Partei aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, den in der Exekutionsbewilligung enthaltenen Kostenbestimmungsbeschluss über den Betrag von EUR 211,07 als Europäischen Vollstreckungstitel zu erklären. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel (Verordnung 805/2004/EG, Abl L 143/15 vom 30.4.2004 = EuVTVO) ist seit 21. Oktober 2005 anzuwenden; sie gilt für Exekutionstitel in Zivil- und Handelssachen, die nach dem 21.1.2005 entstanden sind. Bei einem Europäischen Vollstreckungstitel (künftig bezeichnet als: EuVT) handelt es sich um einen nationalen Exekutionstitel, für den vom Titelgericht eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausgestellt wird (vgl § 7a EO). Die Inanspruchnahme eines EuVT durch den Gläubiger macht eine Vollstreckbarerklärung und damit das sogenannte Exequaturverfahren nach der EuGVVO obsolet. Die Voraussetzungen für die Vollstreckung im EU-Ausland werden ausschließlich im Entscheidungsstaat geschaffen bzw geprüft. Im Vollstreckungsstaat ist der EuVT wie ein eigener Exekutionstitel zu behandeln. Die Ausstellung der Bestätigung als EuVT erfolgt unter Verwendung des Formblatts im Anhang I zur EuVTVO.

Bei Ablehnung (Ab- oder Zurückweisung) einer beantragten innerstaatlichen Vollstreckbarkeitsbestätigung ist die Zulässigkeit eines Rekurses zu bejahen (Burgstaller/Neumayr, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, ÖJZ 2006, 179 [188] mwN; Höllwerth in Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahren Art 9 EuVTVO Rz 18).

Der Rekurs der betreibenden Partei ist daher grundsätzlich zulässig, allerdings unbegründet.

Eine in einem Mitgliedstaat über eine unbestrittene Forderung ergangene Entscheidung wird nach Art 6 EuVTVO auf jederzeitigen Antrag an das Ursprungsgericht als EuVT bestätigt, wenn a) die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist, und b) die Entscheidung nicht im Widerspruch zu den Zuständigkeitsregeln in Kapitel II Abschnitte 3 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 steht, und c) das gerichtliche Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat im Falle einer unbestrittenen Forderung im Sinne von Art 3 Abs 1 Buchstabe b) oder c) den Voraussetzungen des Kapitels III entsprochen hat, und d) die Entscheidung in dem Mitgliedstaat ergangen ist, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz im Sinn von Art 59 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 hat, sofern die Forderung unbestritten im Sinne von Art 3 Absatz 1 Buchstabe b) oder c) ist, sie einen Vertrag betrifft, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zeitpunkt geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann und der Schuldner der Verbraucher ist.

Der sachliche Anwendungsbereich der EuVTVO erfasst alle zivil- und handelsrechtlichen Streitigkeiten mit Ausnahme der in Art 2 Abs 2 EuVTVO genannten Rechtsmaterien wie etwa die ehelichen Güterstände und das Erbrecht. Nach Art 3 iVm Art 4 Z 2 EuVTVO können allerdings nur Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden über unbestrittene Geldforderungen als EuVT bestätigt werden. Der Titel muss demnach auf Zahlung einer bestimmten, dh bezifferten Geldsumme lauten, die fällig ist oder deren Fälligkeitsdatum in der Entscheidung angegeben ist, und die dem Titel zugrunde liegende Forderung muss ferner „unbestritten“ im Sinn des Art 3 EuVTVO sein. Nach Art 3 Abs 1 EuVTVO ist eine Forderung dann unbestritten, wenn sie der Schuldner in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Verfahren ausdrücklich anerkannt hat (zB Anerkenntnisurteil, Vergleich oder Notariatsakt; lit a und d leg cit), oder wenn der Schuldner im gerichtlichen Verfahren untätig geblieben ist (unwidersprochene Entscheidung) und dementsprechend der Forderung im Verfahren nach der lex fori zu keiner Zeit (wirksam) widersprochen hat (lit b) oder nach anfänglicher Bestreitung zu einer Verhandlung nicht erschienen ist und dies nach dem Recht des Entscheidungsstaats als (stillschweigendes) Zugeständnis (der Forderung oder des vorgetragenen Sachverhalts) zu werten ist (lit c). Ist die der Entscheidung zugrunde liegende Forderung nach Art 3 Abs 1 lit b oder lit c EuVTVO unbestritten, kann sie nur dann als EuVTVO bestätigt werden, wenn bei Durchführung des Verfahrens die in Kapitel III der EuVTVO normierten verfahrensrechtlichen Mindeststandards eingehalten worden sind (Brenn, Europäischer Vollstreckungstitel, Zak 2005, 3 [4 f]).

Umfasst eine Entscheidung eine vollstreckbare Entscheidung über die Höhe der mit dem gerichtlichen Verfahren verbundenen Kosten, einschließlich Zinsen, wird sie gemäß Art 7 EuVTVO auch hinsichtlich dieser Kosten als EuVT bestätigt, es sei denn, der Schuldner hat im gerichtlichen Verfahren nach den Rechtsvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats der Verpflichtung zum Kostenersatz ausdrücklich widersprochen. Wenn die Entscheidung die Voraussetzungen der Verordnung nur in Teilen erfüllt, so wird die Bestätigung als EuVT nur für diese Teile ausgestellt (Art 8 EuVTVO).

Der Anwendungsbereich der EuVTVO umfasst also auch Entscheidungen über die Höhe der Kosten eines gerichtlichen Verfahrens, und zwar unabhängig davon, ob die Kostenentscheidung in einem eigenen, dh isolierten Verfahren - wie etwa im deutschen Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 dZPO - oder als Teil der Hauptsachenentscheidung – wie etwa grundsätzlich nach österreichischem Recht (vgl § 54 ZPO) - ergeht. Damit eine Kostenentscheidung als EuVT bestätigt werden kann, muss sie nach Art 4 Z 1 EuVTVO von einem Gericht eines Mitgliedstaats, dh einem staatlichen Rechtsprechungsorgan, das kraft seines gesetzlichen Auftrags selbst über die zwischen den Parteien bestehenden Streitpunkte entscheidet, erlassen worden sein (Garber, Kostenentscheidungen als Europäischer Vollstreckungstitel, Zak 2009/452, 287 [288] mwN). Kostenentscheidungen sind – wie alle Nebenentscheidungen – ferner nur dann vom Anwendungsbereich der EuVTVO erfasst, wenn auch die Entscheidung in der Hauptsache in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung fällt. Eine Bestätigung einer Kostenentscheidung als EuVT ist daher ausgeschlossen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache keine Zivil- bzw Handelssache iSd Art 2 EuVTVO betrifft (Garber aaO mwN; Burgstaller/Neumayr aaO 183).

Gegenstand des (gerichtlichen) Exekutionsverfahrens ist die zwangsweise Durchsetzung eines auf einem der in § 1 EO angeführten Exekutionstitel basierenden Anspruchs der betreibenden Partei, wobei nach dem aus § 369 Abs 2 EO ableitbaren allgemeinen Grundsatz die Exekutionsbewilligung ipso iure auch die Bewilligung der Exekution zur Hereinbringung der Kosten dieses Exekutionsverfahrens (§ 74 EO) umfasst. Gegenstand des Exekutionsverfahrens war im hier zu beurteilenden Fall wohl die zwangsweise Durchsetzung einer Geldforderung der betreibenden Partei von EUR 901,89 gegen den Verpflichteten auf Grund des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch vom 6. Juli 2011, 25 Bl 68/11f, und zwar im Wege der Forderungsexekution gemäß § 294a EO und der Fahrnisexekution. Die Entscheidung in der Hauptsache beinhaltete damit aber keine ziffernmäßig bestimmte Geldforderung, sondern die Bewilligung der Exekutionsführung zur Hereinbringung der Geldforderung sowie eine Kostenentscheidung.

Es stellt sich die Frage, ob die in der Exekutionsbewilligung enthaltene Kostenentscheidung, bei der es sich grundsätzlich (auch) um eine Geldforderung handelt, unabhängig vom rechtlichen Schicksal der Hauptsachenentscheidung als EuVT bestätigt werden kann, oder ob - wie aus dem Wortlaut des Art 7 EuVTVO („auch hinsichtlich dieser Kosten“) abgeleitet werden könnte - zwischen der Entscheidung in der Hauptsache und der darin enthaltenen Kostenentscheidung ein Konnex bestehen muss (Garber aaO 289 mwN). Letzterer gelangt zum Ergebnis, dass Art 8 EuVTVO nicht - zumindest nicht unmittelbar - anzuwenden ist, wenn lediglich die Nebenentscheidung, nicht jedoch die Hauptsachenentscheidung die Voraussetzungen für die Bestätigung als EuVT erfüllt. Kann der Hauptsachenentscheidung keine Bestätigung als EuVT erteilt werden, kann grundsätzlich - mit hier nicht zutreffenden Ausnahmen - auch die ihr zugrunde liegende Kostenentscheidung nicht als EuVT bestätigt werden. Daher kann etwa eine Kostenentscheidung, die auf einem Feststellungs- oder Gestaltungsurteil basiert, nicht als EuVT bestätigt werden (Garber aaO mwN). Auch Burgstaller/Neumayr (aaO 183) gehen davon aus, dass dem Verfahren, in dem die Kostenforderung entstanden ist, eine Geldforderung zugrunde gelegen sein muss, was auf die auf der Exekutionsbewilligung basierenden Kostenentscheidung aber nicht zutrifft. Die gegenteilige Ansicht vertritt Höllwerth (aaO Art 2 Rz 14, Art 7 Rz 4), der aus Art 8 EuVTVO ableiten will, dass auch eine Entscheidung über einen Kostenersatzanspruch im Zusammenhalt mit einer - weil insbesondere als nicht in Geld bestehend – nicht bestätigbaren Hauptforderung dennoch im Umfang der Kostenentscheidung als EuVT bestätigt werden könne. Das Rekursgericht schließt sich der von Garber unter Berücksichtigung des Wortlautes in Art 7 EuVTVO vorgenommenen Auslegung an.

Das Erstgericht hat damit im Ergebnis zu Recht den Antrag der betreibenden Partei abgewiesen werden, ohne dass die weiteren Voraussetzungen für die Bestätigung als EuVT noch zu prüfen sind.

Dem Rekurs, dessen Kosten die betreibende Partei infolge Erfolglosigkeit jedenfalls selbst zu tragen hat, ist ein Erfolg zu versagen.

Für das analog anzuwendende Verfahren auf Erteilung einer innerstaatlichen Vollstreckbarkeitsbestätigung gelten gemäß § 78 EO die Rechtsmittelbeschränkungen der ZPO (OLG Wien 14.6.2007, 1 R 85/07p mwN). Gemäß §§ 78 EO iVm 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

Rechtssätze
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