JudikaturJustiz3R158/13w

3R158/13w – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
26. September 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Brigitta Hütter als Vorsitzende sowie die Richter Dr. Wolfgang Seyer und Dr. Robert Singer in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R*****, Pensionist, 2. M*****, *****, beide vertreten durch Mag. Guido Leitgeb, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei F*****, *****, vertreten durch Dr. Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR 18.697,27 über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 20. August 2013, 13 Cg 27/13w-6, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er lautet:

„Der Antrag der klagenden Parteien, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens über die Privatanklage gegen die Beklagte zu unterbrechen, wird abgewiesen.”

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.026,42 (darin EUR 171,07 USt) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Kläger sind die Eltern der Beklagten. Mit der Klage vom 26. April 2013 begehren sie von ihrer Tochter EUR 18.697,27 und behaupten, sie hätten zu ihrer Altersvorsorge Wertpapiere gekauft und auf einem für die Beklagte bei der ***** angelegten Depot (Depot-Nr. 167-0624.13) verwahrt. Der Erstkläger habe mit einer Verwaltervollmacht die Depotwerte jahrelang verwaltet. Intern hätten die Streitteile vereinbart, dass die Depotwerte der Beklagten nur im Ablebensfall beider Kläger zur Verfügung stehen sollten. Die Beklagte habe vertragswidrig aus dem Depot Anleihen mit der Wertpapiernummer ***** im Wert von EUR 18.697,27 aufgelöst und sich zugeeignet, wie der Erstkläger im Mai 2012 erfahren habe. Diesen Betrag habe die Beklagte den Klägern zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und erwidert: Sie sei Inhaberin des Depots. Es bestehe zwischen den Streitteilen keine Vereinbarung, die das Verfügungsrecht der Beklagten über ihr Depot beschränke.

Nach der zivilrechtlichen Klage erhoben die Kläger am 5. Juni 2013 gegen die Beklagte auch eine Privatanklage, in der sie der Beklagten nun wegen des gleichen Sachverhaltes eine Veruntreuung vorwerfen und beantragen, sie gemäß §§ 133 Abs 2 iVm 166 Abs 1 StGB zu bestrafen. Gleichzeitig beantragen die Privatankläger, die „Auskunft der ***** zum Depot mit der Nr. 167-0624.13” gemäß § 116 StPO gerichtlich zu bewilligen.

In der vorbereitenden Tagsatzung beantragten die Kläger, aus prozessökonomischen und präjudiziellen Gründen den Zivilprozess bis zur rechtskräftigen Erledigung der Privatanklage zu unterbrechen.

Die Beklagte sprach sich gegen die Unterbrechung aus, weil das Verfahren über die Privatanklage nicht präjudiziell sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss unterbrach das Erstgericht den Zivilprozess gemäß § 191 ZPO bis zur rechtskräftigen Erledigung der Privatanklage. Das Strafverfahren sei - so das Erstgericht - wegen des identen Sachverhalts für den Zivilprozess präjudiziell; überdies könnten im strafgerichtlichen Verfahren bezogen auf die dem Bankgeheimnis unterliegenden Tatsachen weitere Erkenntnisse gewonnen werden, als im Zivilverfahren.

Dagegen rekurriert die Beklagte wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung; sie beantragt, den bekämpften Beschluss ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Zivilverfahrens aufzutragen.

Die Kläger beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, den bekämpften Beschluss zu bestätigen.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Nichtigkeit :

Die Rekurswerberin meint, das Erstgericht hätte den erst nach der vorbereitenden Tagsatzung beigeschafften Strafakt mit den Parteien mündlich erörtern müssen. Der insoweit dem Gericht unterlaufene Fehler belaste seine Entscheidung mit Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO.

Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO setzt einen ungesetzlichen Vorgang voraus. Solange das Prozessrecht ausdrücklich oder durch rechtliche Schlussfolgerungen einwandfrei gedeckt ein Verhandeln ohne Zuziehung der Partei gestattet, liegt der Nichtigkeitsgrund nicht vor (Pimmer in Fasching/Konecny² § 477 ZPO Rz 46).

§ 193 Abs 3 ZPO ermöglicht es dem Gericht, die Verhandlung vorzeitig zu schließen, wenn nur mehr die „außerhalb der Verhandlung zu bewirkende Aufnahme einzelner Beweise aussteht”. Diese Bestimmung ermöglicht es dem Gericht, die Verhandlung zu schließen, obwohl noch eine Akten- oder Urkundenbeischaffung aussteht (vgl Schragel in Fasching/Konecny² § 193 ZPO Rz 6). Ein ungesetzlicher Vorgang des Erstgerichtes, das die nachträgliche Beischaffung des Strafaktes mit den Streitteilen in der vorbereitenden Tagsatzung ausdrücklich erörterte (ON 5, 2 = AS 16), liegt daher nicht vor.

Die Beklagte releviert auch gar nicht, den Inhalt des beigeschafften Strafaktes nicht zu kennen (vgl dazu Schragel aaO Rz 6). Es kann daher dem Gericht kein Fehler angelastet werden.

2. Zur Rechtsrüge:

Die Rekurswerberin meint, es sei fragwürdig, ob es überhaupt zu einem Strafverfahren komme; das Strafverfahren sei für den Zivilprozess auch nicht präjudiziell. Das Bankgeheimnis sei für den Prozess unbedeutend, weil im Zivilverfahren nur die interne Vereinbarung zwischen den Parteien über die Verwendung des angelegten Geldes zu klären sei. Überdies sei die der Beklagten vorgeworfene strafbare Handlung (Veruntreuung vom 22. Jänner 2010 bzw 18. Mai 2012) gemäß § 57 Abs 3 StGB verjährt. Es bedürfe daher keiner Unterbrechung des Zivilprozesses.

Dazu ist auszuführen: Ergibt sich im Laufe des Rechtsstreits der Verdacht einer strafbaren Handlung, deren Ermittlung und Aburteilung für die Entscheidung des Rechtsstreites voraussichtlich von maßgebendem Einfluss ist, so kann das Gericht anordnen, dass der Rechtsstreit bis zur Erledigung des Strafverfahrens unterbrochen werde (§ 191 Abs 1 ZPO). Das Gesetz unterscheidet nicht, ob die strafbare Handlung von Amts wegen oder nur über Privatanklage, Verlangen oder Ermächtigung zu verfolgen ist; in letzteren Fällen kann aber eine Verfahrensunterbrechung erst zulässig sein, wenn das Strafverfahren bereits eingeleitet worden ist (Schragel in Fasching/Konecny² § 191 ZPO Rz 1).

Erste Voraussetzung ist der „Verdacht einer strafbaren Handlung”. Verdacht bedeutet, dass aufgrund bestimmter Tatsachen eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Delikt begangen wurde. Es müssen immer konkrete Umstände gegeben sein, bloße Gerüchte oder Vermutungen reichen nicht aus (vgl Schwaighofer, WK-StPO altes Vorverfahren § 84 Rz 16). Auf einen Tatverdacht ist durch eine Bewertung von Beweisergebnissen bzw Anhaltspunkten für das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Be- bzw Entlastungsbeweisen durch Werturteil zu schließen (vgl 15 Os 106/10t; siehe auch RIS-Justiz RS0127029).

Die Kläger begründen ihren Unterbrechungsantrag bloß mit der eingebrachten Privatanklage gegen die Beklagte. Beweisergebnisse oder sonstige Anhaltspunkte, aus denen sich folgern ließe, die Beklagte habe die ihr vorgeworfene strafbare Handlung begangen, präsentieren die Kläger nicht. Die Kläger legten bloß Depotauszüge (Beilagen ./A und ./B) für das unstrittig auf die Beklagte lautende Depot (ON 1, 2 und ON 3, 2), sowie eine Privatanklage (Beilage ./C) und den gerichtlichen Abtretungsbeschluss (Beilage ./D) vor. In ihrer Privatanklage berufen sich die Kläger zwar auf mehrere Zeugen, die sie vernommen haben wollen; dass diese Zeugen die Version der Kläger (nieder)schriftlich bestätigt hätten, geht daraus jedoch nicht hervor. In ihrer Klage vom 26. April 2013 erwähnen die Kläger die später in der Privatanklage behauptete Veruntreuung der Beklagten mit keinem Wort. Die Klage stützen sie vielmehr nur allgemein auf „Vertragsverletzung, Schadenersatz und Bereicherung” (ON 1, 2 = AS 2), nicht jedoch auf eine vorsätzliche Schädigung. Nach dem derzeitigen Verfahrensstand liegen nur Behauptungen der Kläger vor. Diese Behauptungen sind derzeit gänzlich unbelegt, sodass jedenfalls vorerst der inkriminierte Tatverdacht nicht gefolgert werden kann.

Dem Rekurs ist daher Folge zu geben.

Das Rechtsmittelverfahren über die von den Klägern beantragte Verfahrensunterbrechung ist ein Zwischenstreit (RIS-Justiz RS0035908; vgl Bydlinski in Fasching/Konecny² Band II/1 § 48 Rz 15; Obermaier, Kostenhandbuch² Rz 296), in dem die Beklagte erfolgreich war. Die Kläger haben daher der Beklagten die Kosten ihrer Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 192 Abs 2 ZPO absolut unzulässig (7 Ob 120/06g; vgl RIS-Justiz RS0037034, RS0036983).

Rechtssätze
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