JudikaturJustiz3R110/06h

3R110/06h – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
16. Mai 2006

Kopf

Beschluss

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Bildstein als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Weißenbach und die Richterin Dr. Kempf als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei I*****, vertreten durch Anwälte Achammer und Partner, Feldkirch, wegen ausgedehnt EUR 6.571,69 samt Anhang, infolge Rekurses der Zeugen W***** und E*****, gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 14.7.2005, 11.11.2005 und 6.4.2006, 23 C 205/05 h-12, 24 und 31, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt aus der Vermittlung von Versicherungsverträgen und Finanzierungen offene Provisionen von ausgedehnt EUR 6.571,69 samt Anhang und hat zu seinem Vorbringen Beweis angeboten unter anderem durch Einvernahme der Zeugen E***** und W*****.

Nachdem die Zeugen zu einer auf den 7.7.2005 anberaumten Verhandlung geladen worden waren, teilte Mag. M***** für die U***** AG mit, dass die Zeugen dem Versicherungsgeheimnis unterliegen würden und es ihnen bei Strafe untersagt sei, vor einem ausländischen Gericht auszusagen. Mit Beschluss vom 14.7.2005 (ON 12) sprach das Erstgericht aus, dass für die Zeugen kein Aussageverweigerungsrecht bestehe. Der gegen diesen Beschluss von den Zeugen erhobene Rekurs wurde als unzulässig zurückgewiesen (ON 20). Begründend wurde ausgeführt, die Entscheidung des Gerichtes über die Berechtigung der Aussageverweigerung sei nicht gesondert anfechtbar.

Zur Tagsatzung am 3.11.2005 erschienen die Zeugen W***** und E*****, machten aber zu den ihnen vom Erstgericht gestellten Fragen keine Aussagen. Daraufhin drohte das Erstgericht den Zeugen mit Beschluss vom 11.11.2005 eine Geldstrafe von EUR 100,-- an (ON 24). Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs der Zeugen wurde mit Beschluss des Landesgerichtes vom 20.12.2005 (ON 28) als unzulässig zurückgewiesen. Durch die Androhung der Geldstrafe werde die Rechtstellung der Zeugen nicht gefährdet, weshalb ihr Rekurs mangels Beschwer unzulässig sei. In der Tagsatzung vom 9.6.2005 stellte das Erstgericht den Zeugen insgesamt 12 Fragen, zu denen beide Zeugen die Aussage verweigerten. Daraufhin verhängte das Gericht über beide Zeugen eine Geldstrafe von EUR 100,--.

Die Zeugen fechten sowohl den Beschluss auf Verhängung der Geldstrafe vom 6.4.2006 als auch die Beschlüsse vom 14.7.2005 und 11.11.2005 mit Rekurs an und beantragen, die Beschlüsse ersatzlos aufzuheben und die Geheimhaltungspflicht der Zeugen anzuerkennen.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind nicht berechtigt.

Die Rekurswerber machen geltend, Art 44 des (Liechtensteinischen) Versicherungsaufsichtsgesetz (VersAG) lege ihnen eine zeitlich unbegrenzte Geheimhaltungspflicht auf, von der sie nur durch die Aufsichtsbehörde entbunden werden könnten. Eine Zeugnis- und Auskunftspflicht treffe sie nur gegenüber den liechtensteinischen Gerichtsbehörden, nicht gegenüber dem österreichischen Gericht, widrigenfalls das dem österreichischen Gericht nicht bekannte Versicherungsgeheimnis ad absurdum geführt werden könnte. Die zeitliche unbegrenzte Geheimhaltungspflicht des Art 44 VersAG sei eine anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit. Eine Entbindung hievon sei nur durch die Aufsichtsbehörde in Liechtenstein mit Zustimmung des Datenschutzbeauftragten möglich.

Nach § 321 Abs 1 Z 3 ZPO darf die Aussage von einem Zeugen verweigert werden in Bezug auf Tatsachen, über welche der Zeuge nicht würde aussagen können, ohne eine ihm obliegende staatlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit zu verletzten, insofern er hievon nicht gültig entbunden wurde. Diese Gesetzesbestimmung regelt ein Aussageverweigerungsrecht bei staatlich anerkannten, dh durch eine generell-abstrakte Norm verankerten Verschwiegenheitspflichten. Diese Regelung nimmt allgemein auf Verschwiegenheitspflichten Bezug, die gesetzlich verankert sind und beruht auf dem Grundsatz, dass die Ausübung bestimmter Berufe faktisch unmöglich wäre, wenn die solche Dienste in Anspruch nehmenden Personen nicht darauf vertrauen könnten, dass die ihm gegenüber erteilten Informationen vertraulich bleiben (Frauenberger in Fasching/Konecny² III § 321 ZPO Rz 16). Diese Verschwiegenheitspflicht schützt also das für die Berufsausübung nötige Vertrauensverhältnis.

Art 44 des (Liechtensteinischen) VersAG normiert das sog. „Versicherungsgeheimnis“ und lautet wie folgt:

Artikel 44

1. Die Mitglieder der Organe von Versicherungsunternehmen und ihre Mitarbeiter sowie sonst für für solche Gesellschaften tätige Personen sind zur Geheimhaltung von nicht öffentlich bekannten Tatsachen verpflichtet, die ihnen auf Grund der Geschäftsverbindung mit Kunden anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind. Die Geheimhaltungspflicht gilt zeitlich unbegrenzt.

2. Werden Behördenvertreter bei ihrer dienstlichen Tätigkeit Tatsachen bekannt, die dem Versicherungsgeheimnis unterliegen, so haben sie das Versicherungsgeheimnis als Amtsgeheimnis zu wahren.

3. Vorbehalten bleiben die gesetzlichen Vorschriften über die Zeugnis- oder Auskunftspflicht gegenüber Gerichtsbehörden.

4. Die Versicherungsbehörde kann vom Versicherungsgeheimnis entbinden, sofern dafür ein ausgewiesenes Interesse besteht, nämlich zur Erfüllung gesetzlicher Informationspflichten oder zur Erfassung und Überprüfung von Versicherungsrisiken. Die Aufsichtsbehörde nimmt in einem solchen Fall Rücksprache mit dem Datenschutzbeauftragten. Aus dem zitierten Gesetzestext ergibt sich zwar aus Abs 1 eine Geheimhaltungspflicht, die aber im Abs 3 durch den Vorbehalt in Bezug auf die Zeugnis- und Auskunftspflicht gegenüber den Gerichtsbehörden eingeschränkt wird. Aus diesem Vorbehalt ergibt sich, dass gegenüber Gerichtsbehörden eine Zeugnis- und Auskunftspflicht besteht, wovon die Rekurswerber in ihrem Rechtsmittel ohnehin selbst ausgehen. Sie vertreten aber die Ansicht, diese Pflicht bestehe nur gegenüber den liechtensteinischen, nicht gegenüber dem österreichischen Gericht. Dieser Argumentation schließt sich das Rekursgericht nicht an, weil nicht nachvollziehbar ist, warum der Schutz des Versicherungsgeheimnisses bei einem in Liechtenstein geführten Zivilprozessverfahren anders (besser) sein soll als bei einem in Österreich anhängigen Verfahren, zumal die Bestimmungen über die Akteneinsicht (§ 219 ZPO) und über die Öffentlichkeit der Verhandlung (§ 171 f ZPO) - bis auf wenige hier nicht maßgebliche Ausnahmen - ident sind.

Es ist richtig, dass das (Liechtensteinische) VersAG im Art 64 Strafbestimmungen für die Verletzung des Versicherungsgeheimnisses vorsieht. Da aber Art 44 Abs 3 eine Ausnahme von der Geheimhaltungspflicht vorsieht und bei einer Zeugnispflicht gegenüber Gerichtsbehörden das Versicherungsgeheimnis nicht verletzt wird, liegt auch kein Straftatbestand vor und es ist mit keinem vermögensrechtlichen Nachteil zu rechnen.

§ 108 a des österreichischen VersAG normiert, dass, wer als Mitglied eines Organs oder als Dienstnehmer eines Versicherungsunternehmers ihm ausschließlich auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit bekannt gewordenen Verhältnisse oder Umstände, deren Geheimhaltung im berechtigten Interesse der davon betroffenen Personen gelegen ist, weitergibt oder verwertet, es sei denn, dass die Weitergabe oder Verwertung nach Inhalt und Form durch ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse gerechtfertigt oder der Betroffene mit der Weitergabe oder Verwertung ausdrücklich einverstanden ist, zumindest eine Verwaltungsübertretung begeht.

Im hier zu beurteilenden Fall hat der Kläger ein berechtigtes privates Interesse an der Bekanntgabe, ob und wenn ja welche Provisionszahlungen in Bezug auf die von ihm vermittelten Versicherungsverträge geleistet wurden. Es läge daher auch keine Verletzung eines Geheimnisses nach dem österreichischen Versicherungsaufsichtsgesetzes vor, weil ein entsprechendes berechtigtes privates Interesse zu bejahen ist.

Die Zeugen berufen sich im Rekurs auch auf § 321 Abs 1 Z 5 ZPO und verweisen darauf, die Beantwortung der Fragen würden zu einer Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen führen.

Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse sind unternehmensbezogene Tatsachen kommerzieller oder technischer Art, die bloß einer bestimmten und begrenzten Zahl von Personen bekannt und anderen nicht oder nur schwer zugänglich sind und die nach dem (zumindest erkennbaren) Willen des Berechtigten nicht über den Kreis der Eingeweihten hinausdringen sollen, wobei der Geschäfts- und Betriebsinhaber an der Nichtoffenbarung dieser Umstände ein wirtschaftliches Interesse haben muss. Dieses Interesse muss sich aus der Eigenschaft des Geschäfts- oder Betriebsinhabers als im Geschäftsverkehr Tätigem ergeben und besteht darin, die Verschlechterung der geschäftlichen Position im wirtschaftlichen Wettbewerb zu vermeiden. Geschäftsgeheimnisse sind in der Regel etwa Verfahrenstechniken, Modelle, Muster, Rezepturen, Konstruktionsbezeichnungen, Berechnungsunterlagen, Forschungsergebnisse, Computerprogramme, Art der Durchführung einer Bankrevision, Kalkulationsgrundlagen, Präferenzverträge, Kundenliste, Höhe der Gehälter, Einzelheiten aus dem Finanzierungsbereich, wie Kreditumfang, Bankverbindung, Geldgeber, Umsatzhöhe und Reingewinn, steuerliche Verhältnisse udgl. Es ist jedoch stets im Einzelfall zu prüfen, ob diese Umstände tatsächlich ein Kunst- oder Geschäftsgeheimnis darstellen, weil etwa das Geheimhaltungsinteresse an wirtschaftlich nicht mehr aktuellen Umständen (Kalkulationsgrundlagen oder Umsatzentwicklungen aus der Vergangenheit, soweit keine Rückschlüsse auf die Gegenwart möglich sind) fehlen kann (Frauenberger in Fasching/Konecny² III § 321 ZPO Rz 50). Durch Beantwortung der vom Erstgericht gestellten Fragen zu der Provisonsabrechnung und -zahlung zu Polizze Nr. ***** - betreffend die Provisionssache ***** - wird ein Geschäftsgeheimnis der U*****nicht offenbart und ist auch nicht ersichtlich, inwieweit die U***** an der Nichtoffenbarung der Provisionsabrechnung und -auszahlung an die Beklagte ein wirtschaftliches Interesse haben soll. Dazu kommt, dass es sich bei der Provisionsabrechnung und -auszahlung auch nicht um einen aktuellen Umstand handelt und die geschäftliche Position der U***** im wirtschaftlichen Wettbewerb durch Bekanntgabe dieser Umstände nicht verschlechtert wird. Aus oben Gesagtem folgt, dass die Rekurswerber sich im Hinblick auf den Vorbehalt in Art 44 Abs 3 VersAG nicht auf eine Geheimhaltungspflicht gegenüber den Gerichtsbehörden berufen können, die Erfüllung der Zeugnispflicht keinen Straftatbestand im Sinne einer Verletzung des Versicherungsgeheimnisses erfüllt und bei Beantwortung der Fragen zur Abrechnung und Auszahlung der Provision zu Polizze Nr. ***** kein Geschäftsgeheimnis geoffenbart wird. Da die Zeugen schon die Beantwortung der Frage 1 des Gerichtes unberechtigterweise verweigert haben, hat das Erstgericht zu Recht über die Zeugen eine Ordnungsstrafe verhängt.

Was die weiteren Fragen an die Zeugen anlangt, ist darauf zu verweisen, dass das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren darauf Bedacht zu nehmen haben wird, dass nur solche Fragen an die Zeugen zu stellen sein werden, die sich auf die konkret vom Kläger geltend gemachten Provisionsansprüche (und -fälle) beziehen und von seinen Tatsachenbehauptungen mitumfasst sind. Fragen, die lediglich darauf abziehen, Umstände in Erfahrung zu bringen, die für den konkreten Rechtsfall und die erhobenen Ansprüche des Klägers nicht von Relevanz sind, werden nicht zuzulassen sein.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses stützt sich auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.

Landesgericht Feldkirch

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