JudikaturJustiz3R10/24a

3R10/24a – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
02. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Richter Mag. Tanczos (Vorsitz) und die Richterinnen Dr in . Pfurtscheller und Mag a . Binder in der Insolvenzsache der Schuldnerin Verlassenschaft nach A* , geb am **, verstorben am **, zuletzt wohnhaft gewesen in **, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Horst Pechar, Rechtsanwalt in Weiz, wegen Entlohnung des Masseverwalters, Genehmigung der Schlussrechnung und des Verteilungsentwurfs, über den Rekurs der Gläubigerin B*, geb. am **, **, vertreten durch DDr. Karl Scholz, Rechtsanwalt in Lieboch, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. Dezember 2023, 27 S 83/22s - 92, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

I. Die Rekursbeantwortung des Insolvenzverwalters wird, soweit sie sich gegen den Rekurs der Gläubigerin gegen den Beschluss ON 92, mit dem die Schlussrechnung und der Verteilungsentwurf des Masseverwalters genehmigt wurden, wendet, zurückgewiesen .

II. Der Rekurs wird, soweit er sich gegen die Entlohnung des Masseverwalters richtet, zurückgewiesen .

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

III. Im übrigen wird dem Rekurs Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss ON 92, mit dem die Schlussrechnung und der Schlussverteilungsentwurf des Masseverwalters genehmigt wurden, wird aufgehoben und die Insolvenzsache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung über die Schlussrechnung und den Schlussverteilungsentwurf an das Erstgericht zurückverwiesen .

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Beschluss vom 22. April 2022 (ON 2) eröffnete das Erstgericht über Eigenantrag des Schuldners A*, Inhaber eines Einzelunternehmens, über dessen Vermögen das Konkursverfahren und bestellte Mag. C*, Rechtsanwalt in **, zum Masseverwalter. Mangels Vorliegens von kostendeckendem Vermögen hatte die Tochter des Schuldners, B* (in Folge: Gläubigerin), die damals Prokuristin des Einzelunternehmens war, am 22. April 2022 einen Kostenvorschuss von EUR 4.000,00 erlegt (siehe Überweisungsbestätigung vom 22. April 2022, zu ON 1 sowie ON 93, Beilage 1).

Mit Beschluss vom 26. April 2022 (ON 5) genehmigte das Erstgericht die vom Masseverwalter beantragte Unternehmensschließung.

Am 17. Mai 2022 meldete die Gläubigerin eine unbedingte Forderung von EUR 5.560,00 und eine bedingte Forderung von EUR 2.054,00, jeweils als Insolvenzforderungen an (3/44). Der Masseverwalter anerkannte die unbedingte Forderung und bestritt die bedingte Forderung (siehe Bericht des Masseverwalters vom 31. Jänner 2023, ON 57, Beilage ./6)

Mit Eingabe vom 7. Juni 2022 (ON 14) meldete die Gläubigerin eine Masseforderung von EUR 4.000,00 an und ersuchte um Überweisung des von ihr erlegten Kostenvorschusses auf ihr Bankkonto. Das Erstgericht übermittelte die Eingabe dem Masseverwalter mit dem Ersuchen um weitere Veranlassung (siehe Verfügung vom 8. Juni 2022, zu ON 14)

Der Schuldner verstarb am 10. Juni 2022. Mit Beschluss vom 14. Juni 2022 (ON 18) berichtigte das Erstgericht die Parteienbezeichnung des Schuldners auf dessen Verlassenschaft.

Am 21. November 2023 (ON 82) legte der Masseverwalter den Schlussbericht, die Schlussrechnung sowie den Verteilungsentwurf vor und beantragte die Festsetzung seiner Entlohnung mit EUR 30.000,00 zuzüglich EUR 6.000,00 USt, dies unter Berufung auf eine Erhöhung der Regelentlohnung um 30%. Dem Bericht zufolge meldeten die Gläubiger unbedingte Forderungen in Höhe von EUR 1.013.797,09 sowie bedingte Forderungen in Höhe von EUR 5.078,41 an, wovon EUR 972.411,03 der unbedingten und EUR 3.024,41 der bedingten Forderungen anerkannt seien. Bestritten seien EUR 41.386,06 der unbedingten und EUR 3.0124,41 der bedingten Forderungen. Den aktuellen Massestand bezifferte der Masseverwalter mit EUR 204.500,84. Der Verteilunsgentwurf sieht einen Verwertungserlös von EUR 156.367,04 sowie offene Masseforderungen (Entlohnung des Masseverwalters EUR 40.033,80, Belohnung der bevorrechteten Gläubigerschutzverbände EUR 3.600,00, und Pauschalgebühr von EUR 4.500,00) vor. Unter Zugrundelegung der anerkannten (unbedingten) Forderungen in Höhe von EUR 972.411,03 errechne sich bei dem verbleibenden Massevermögen von EUR 156.367,04 eine Quote von 16%. Sämtliche (weiteren) Masseforderungen seien befriedigt worden, es bestünden keine offenen Masseforderungen mehr. Hinsichtlich des von der Gläubigerin ihm gegenüber als Masseforderung geltend gemachten Kostenvorschusses von EUR 4.000,00 verwies der Masseverwalter darauf, dass die Gläubigerin als Prokuristin keine organschaftliche Vertreterin des Einzelunternehmens des verstorbenen Schuldners gewesen sei und daher die Rückzahlung des Kostenvorschusses als Masseforderung nicht begehren könne. Auch ein Rückzahlungsanspruch nach § 71a IO sei ausgeschlossen, weil diese Bestimmung auf einen Gläubigerantrag abstelle. Ein Dritter, der gesetzlich nicht zur Leistung eines Kostenvorschusses verpflichtete sei, habe keinen Anspruch auf Rückersatz. Dem Masseverwalter sei auch trotz mehrmaliger Aufforderung nicht nachgewiesen worden, dass der Kostenvorschuss aus eigenen finanziellen Mitteln der Gläubigerin geleistet worden sei.

Das Erstgericht beraumte daraufhin eine Prüfungs-, Schlussrechnungs- und Verteilungstagsatzung an; die Beteiligten wies es darauf hin, in die Schlussrechnung und den Verteilungsentwurf einsehen und innerhalb von 14 Tagen schriftlich oder mündlich Einwendungen erheben zu können. Den Termin für die Tagsatzung machte es öffentlich bekannt (Beschluss vom 22. November 2023, ON 84).

Mit Beschluss vom [richtig] 12. Dezember 2023 (ON 90) bestimmte das Erstgericht die Entlohnung des Masseverwalters unter Berücksichtigung einer um 30% erhöhten Regelentlohnung mit EUR 30.000,00 zuzüglich 20% USt.

In der Schlussrechnungs- und Verteilungstagsatzung vom 12. Dezember 2023, an der die Gläubigerin nicht teilnahm, gab das Erstgericht den wesentlichen Inhalt der Schlussrechnung und des Verteilungsentwurfes bekannt und stellte fest, dass weder Bemängelungen noch Erinnerungen vorgebracht worden waren (ON 92).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 12. Dezember 2023 (ON 92) genehmigte das Erstgericht die Schlussrechnung und den Verteilungsentwurf des Insolvenzverwalters. Eine Begründung enthält der Beschluss nicht. Der Beschluss wurde am 13. Dezember 2023 in die Insolvenzdatei übernommen und veröffentlicht.

Mit Antrag vom 14. Dezember 2023 (ON 93) begehrte die Rekurswerberin die Rückzahlung des von ihr erlegten Kostenvorschusses von EUR 4.000,00 und legte die Überweisungsbestätigung vom 22. April 2022 vor.

Der Masseverwalter nahm zu diesem Antrag mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2023 (ON 94) Stellung: Eine Masseforderung könne nur der organschaftliche Vertreter geltend machen, die Rekurswerberin sei als ehemalige Prokuristin jedoch keine organschaftliche Vertreterin. Der Rückersatzanspruch des § 71a Abs 3 IO setze einen Gläubigerantrag voraus, für einen Dritten, den keine gesetzliche Verpflichtung zur Leistung des Kostenvorschusses treffe, sehe die IO keinen Rückersatzanspruch vor. Der Masseverwalter habe die geltend gemachte Masseforderung daher schon mehrfach zurückgewiesen.

Gegen den Beschluss ON 92, mit dem das Erstgericht die Schlussrechung und den Verteilungsentwurf genehmigte, richtet sich der Rekurs der Gläubigerin (ON 95), mit dem sie beantragt, den Kostenvorschuss von EUR 4.000,00 als Masseforderung im Rahmen der Schlussrechnung und des Schlussverteilungsentwurfes zu berücksichtigen sowie dem Masseverwalter keine Erhöhung der Regelentlohnung von 30% zuzusprechen. Hilfsweise wird beantragt, der Schlussrechnung und dem Schlussverteilungsentwurf des Masse-verwalters die Genehmigung zu versagen.

Der Masseverwalter erstattete eine Rekursbeantwortung (ON 96), mit der er beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist, soweit er sich gegen die Entlohnung des Masseverwalters richtet, unzulässig, im Übrigen im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses berechtigt.

I. 1. Im Insolvenzverfahren ist das Rekursverfahren - mit Ausnahme des Eröffnungsverfahrens sowie der im Gesetz genannten Sonderfälle - einseitig (§ 260 Abs 4 IO; RIS-Justiz RS0116129 [T2]; OGH 8 Ob 146/19g; 8 Ob 26/21p; 8 Ob 9/22i; 8 Ob 104/23m).

2. Einer der im Gesetz genannten Ausnahmefälle betrifft die Entlohnung des Masseverwalters. Der Rekurs gegen Beschlüsse des Insolvenzgerichts, mit dem die Entlohnung des Masseverwalters bestimmt wurde, ist zweiseitig (§ 125 Abs 2 S 5 und 6 IO; Stefula in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 [2023] § 125 Rz 21).

3 . Für Rekurse gegen die Genehmigung der Schlussrechnung und des Verteilungsentwurfes sieht das Gesetz keine Sonderregelung vor. Das Rekursverfahren ist daher einseitig.

Es bestand hier auch keine Veranlassung, dem Masseverwalter ausnahmsweise aus Gründen der „Waffengleichheit“ die Möglichkeit einer Rekursbeantwortung einzuräumen, hat er doch seinen Rechtsstandpunkt zu der von der Rekurswerberin geltend gemachten Masseforderung bereits in seinem Schriftsatz vom 21. November 2023 (ON 82) sowie in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2023 (ON 94) umfassend dargelegt (RIS-Justiz RS0118686 [T17]; OGH 8 Ob 9/22i).

Die Rekursbeantwortung des Masseverwalters war daher – soweit sie sich gegen den Rekurs der Gläubigerin gegen den Beschluss ON 92, mit dem die Schlussrechnung und der Verteilungsentwurf des Masseverwalters genehmigt wurden, wendet, - zurückzuweisen.

II. 1. Die Entlohnung des Masseverwalters wurde mit Beschluss des Erstgerichts ON 90 bestimmt. Wie sich aus der VJ ergibt, fasste das Erstgericht diesen Beschluss - ebenso wie die Beschlüsse ON 91 und 92 – am 12. Dezember 2023; das auf der Beschlussausfertigung ON 90 vermerkte Datum „13.12.2023“ erfolgte offensichtlich irrtümlich.

Mit dem Beschluss vom 12. Dezember 2023, ON 91, bestimmte das Erstgericht die Kosten des Masseverwalters für Leistungen, die er in seiner Funktion als Rechtsanwalt erbracht hatte. Schließlich genehmigte das Erstgericht mit Beschluss vom 12. Dezember 2023, ON 92, die Schlussrechnung und den Schlussverteilungsentwurf des Masseverwalters.

Der Rekurs richtet sich zwar ausdrücklich nur gegen den „Beschluss vom 12. Dezember 2023, mit dem die Schlussrechnung und der Schlussverteilungsentwurf des Masseverwalters jeweils genehmigt wurde“, somit gegen ON 92. Einen gesonderten Rekurs gegen den Beschluss ON 90, mit dem die Entlohnung des Masseverwalters bestimmt wurde, erhob die Rekurswerberin nicht. Ihr Rekurs lässt aber eindeutig erkennen, dass er sich auch gegen den Beschluss vom selben Tag, ON 90, über die Bestimmung der Entlohnung des Masseverwalters richtet.

2.1. Das Insolvenzgericht hat die Entlohnung des Masseverwalters entsprechend den Bestimmungen der §§ 82, 82a, 82b und 82c IO mit einem Pauschalbetrag festzusetzen. Die Entscheidung ist dem Insolvenzverwalter, dem Schuldner und allen Mitgliedern des Gläubigerausschlusses zuzustellen. Sie können die Entscheidung mit Rekurs anfechten (§ 125 Abs 2 S 1, 2, 3 und 4 IO).

Das Rekursverfahren ist – wie bereits ausgeführt (siehe oben I.2.) - ausnahmsweise zweiseitig (§ 125 Abs 2 S 5 und S 6 IO; Stefula in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 125 Rz 21).

2.2. In § 125 Abs 2 IO sind die Rekursberechtigten ausdrücklich angeführt. Nach dieser eindeutigen Regelung sind einzelne Insolvenz- und Massegläubiger nicht rechtsmittellegitimiert ( Stefula in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 125 Rz 21; OGH 8 Ob 64/16v).

2.3. Der Rekurs war daher, soweit er sich gegen die Bestimmung der Entlohnung des Masseverwalters richtet, mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen.

3. Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 125 Abs 2 S 7 IO, wonach das Gericht zweiter Instanz über die Ansprüche des Masseverwalters endgültig entscheidet. Dies gilt unabhängig davon, ob seine Entscheidung bestätigend, abändernd oder aufhebend ist oder auf Zurückweisung des Rekurses lautet. Der Rechtsmittelausschluss gilt somit auch für die Beurteilung der Rechtsmittellegitimation durch das Rekursgericht (RIS-Justiz RS0065177; OGH 8 Ob 64/16v; 8 Ob 82/23a).

Zu III. 1. Die Rekurswerberin wendet sich in ihrem Rekurs gegen die Nichtberücksichtigung ihrer Masseforderung in der Schlussrechnung und im Verteilungsentwurf des Masseverwalters. Sie habe nach Rücksprache mit dem Erstgericht am 22. April 2022 den Betrag von EUR 4.000,00, der aus ihrem Privatvermögen stamme, als Kostenvorschuss überwiesen. Ihr stehe daher als Massegläubigerin ein Rückzahlungs-anspruch, insbesondere nach § 71d IO zu. Trotz mehrmaliger Aufforderung an den Masseverwalter sei der von ihr erlegte Kostenvorschuss im Rahmen der Schlussrechnung und im Schlussverteilungsentwurf nicht berücksichtigt worden. Der Beschluss des Erstgerichts leide an Rechtswidrigkeit; die Genehmigung hätte versagt werden müssen.

2.1. Nach § 71 Abs 1 IO ist das Vorhandensein kostendeckenden Vermögens eine Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Vermögen des Schuldners muss zumindest ausreichen, um die Anlaufkosten des Insolvenzverfahrens zu decken (§ 71 Abs 2 IO).

Das Vorliegen von kostendeckendem Vermögen ist auch bei einem Eigenantrag des Schuldners von Amts wegen zu prüfen ( Schuhmacher in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 69 Rz 20).

2.2. Ergibt sich aufgrund der amtswegigen Erhebungen kein kostendeckendes Vermögen, ist das Verfahren dennoch zu eröffnen, wenn ein Kostenvorschuss zur Deckung der Anlaufkosten erlegt wird ( Schneider in Konecny , Insolvenzordnung § 71a IO Rz 1 [Stand 1. Oktober 2016]).

2.2.1. Nach § 71a Abs 1 IO hat der Antragsteller auf Anordnung des Gerichts innerhalb einer bestimmten Frist einen von diesem zu bestimmenden Betrag zur Deckung der Kosten vorschussweise zu erlegen.

„Antragssteller“ iSd § 71a Abs 1 IO ist der antragstellende Insolvenzgläubiger. Darüber hinaus ist jeder Insolvenzgläubiger zum Erlag eines Kostenvorschusses berechtigt, auch wenn er selbst nicht den Eröffnungsantrag gestellt hat ( Schneider in Konecny , Insolvenzgesetze § 71a Rz 11 f [Stand 1. Oktober 2016, rdb.at]). Es besteht auch die Möglichkeit, dass ein Gläubigerschutzverband einen Kostenvorschuss erlegt ( Schneider in Konecny , Insolvenzgesetze § 71a Rz 12 [Stand 1. Oktober 2016, rdb.at]).

Wird der Eröffnungsantrag, so wie hier, vom Schuldner gestellt, so ist dem Schuldner ein Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses zu erteilen ( Schneider in Konecny , Insolvenzgesetze § 71a Rz 13 [Stand 1. Oktober 2016, rdb.at]; Schuhmacher in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 71a Rz 10). Da dieser Auftrag voraussetzt, dass beim Schuldner kein kostendeckendes Vermögen vorhanden ist, wird diese Vorgehensweise zumeist nicht zielführend sein. Der Schuldner kann aber versuchen, von dritter Seite den Kostenvorschuss aufzubringen ( Schneider in Konecny , Insolvenzgesetze § 71a Rz 13 [Stand 1. Oktober 2016, rdb.at]).

Grundsätzlich kommt auch der Erlag des Kostenvorschusses durch einen Dritten in Betracht. Erleger kann auch ein naher Angehöriger sein, dem keine Insolvenzforderung zusteht (OGH 8 Ob 246/02p; 8 Ob 147/03f; 8 Ob 5/05a; Feil , Insolvenzordnung 8 [2014] § 183 Rz 8; Kodek , Handbuch Privatkonkurs. Die Sonderbestimmungen für das Konkursverfahren natürlicher Personen 3 [2021] Rz 5.37, 5.42; Schneider in Konecny , Insolvenzgesetze § 71a Rz 13 [Stand 1. Oktober 2016, rdb.at]; siehe auch die ErläutRV 734 BlgNR 20. GP 41: „Eine Konkurseröffnung ist nur dann möglich, wenn ein Kostenvorschuss – von wem immer – erlegt wird, sonst wird der Konkursantrag mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen.“).

2.2.2. In den §§ 72 ff IO sind Sonderbestimmungen geregelt, die sich ausschließlich auf Fälle erstrecken, in denen Schuldner eine juristische Person ist. In diesem Fall sind - vor der juristischen Person - der organschaftliche Vertreter (§ 72a IO) und der Mehrheitsgesellschafter (§ 72d IO) zur Leistung des Kostenvorschusses verpflichtet ( Schumacher in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 71a Rz 11).

Der in der IO enthaltene Begriff der „juristischen Person“ wird nach dem Verständnis des Gesellschaftsrechts definiert ( Schneider in Konecny , Insolvenzgesetze § 72 IO Rz 6 [Stand 1. Oktober 2016, rdb.at]).

Bei einem Einzelunternehmer handelt es sich um keine juristische, sondern um eine unternehmerisch tätige, natürliche Person (§ 8 Abs 1 UGB; Told in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 8 Rz 3, 11 [Stand 1. Juli 2018, rdb.at]). Die sich nur auf juristische Personen beziehenden Sonderbestimmungen der §§ 72 ff IO kommen hier - entgegen der Rechtsansicht des Masseverwalters in seinem Bericht (ON 82) – nicht zur Anwendung.

2.3. Der Kostenvorschuss soll die einleitenden Schritte des Insolvenzverfahrens sicherstellen und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermöglichen ( Bachmann , Rückersatz des Kostenvorschusses im Konkurs, ÖJZ 1995, 451). Er dient als Sondermasse nicht der Befriedigung der Gläubiger, sondern ausschließlich der Deckung der Anlaufkosten ( Bachmann ,ÖJZ 1995, 451; Schumacher in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 71a Rz 18; Schneider in Konecny , Insolvenzgesetze § 71a Rz 1 [Stand 1. Oktober 2016, rdb.at]).

2.4. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (ON 1) wurde zwar von der Rekurswerberin verfasst, aber im Namen des Schuldners gestellt und vom Schuldner auch unterfertigt. Es handelt sich daher um einen Eigenantrag des Schuldners.

Bereits im Eröffnungsantrag verwies die Rekurswerberin darauf, dass kein kostendeckendes Vermögen vorhanden sei und der notwendige Kostenvorschuss von EUR 4.000,00 von ihr erlegt werde. Über Ersuchen der Rekurswerberin vom 22. April 2022 teilte ihr das Erstgericht die Kontoverbindung für die Zahlung des Kostenvorschusses mit (siehe EMail und Aktenvermerk vom 22. April 2022, zu ON 1), woraufhin die Rekurswerberin am 22. April den Kostenvorschuss von EUR 4.000,00 überwies. Das Erstgericht eröffnete noch am selben Tag das Konkursverfahren über das Vermögen des A*.

2.5. Da die Rekurswerberin nicht nur Angehörige des zwischenzeitig verstorbenen Schuldners ist, sondern auch Insolvenzgläubigerin (siehe Forderungsanmeldung vom 17. Mai 2022, 3/44), war sie zum Erlag des Kostenvorschusses sowohl aufgrund ihrer Position als Insolvenzgläubigerin als auch als „angehörige Dritte“ berechtigt.

3. Der Masseverwalter führte in seinem Bericht ON 82 aus, dass er die Masseforderung der Rekurswerberin deshalb zurückgewiesen habe, weil es keine gesetzliche Regelung gebe, wonach ein Dritter, der zum Erlag des Kostenvorschusses nicht verpflichtet sei, den erlegten Kostenvorschuss zurückfordern könne.

3.1.1. Gemäß § 71a Abs 3 IO kann der Antragssteller den rechtzeitig als Kostenvorschuss geleisteten Betrag nur als Masseforderung geltend machen. Diese Bestimmung regelt den Rückforderungsanspruch als Masseforderung nach § 46 Z 1 IO, wonach die Kosten des Insolvenzverfahrens vorrangig zu befriedigende Masseforderungen sind ( Widhalm-Budak in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 46 Rz 6).

3.1.2. Darüber hinaus sieht die IO in § 71d IO auch Rückgriffs- bzw Regressansprüche vor: Nach § 71d Abs 1 IO kann der Erleger eines Kostenvorschusses diesen Betrag von jener Person verlangen, die zur Beantragung der Insolvenzeröffnung verpflichtet war und den Antrag schuldhaft nicht gestellt hat. Ebenso kann der Erleger den Kostenvorschuss von jenen Personen verlangen, die nach § 72a (organschaftlicher Vertreter einer juristischen Person) oder § 72d IO (Mehrheitsgesellschafter einer juristischen Person) zur Leistung des Kostenvorschusses verpflichtet gewesen wären (§ 71d Abs 2 IO).

Da die Rekurswerberin eine Masseforderung und keine Regressforderung geltend macht, ist § 71d IO – entgegen der Rechtsansicht der Rekurswerberin – hier nicht einschlägig.

3.2. Auch wenn nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 71a Abs 3 IO (nur) der Antragssteller den Kostenvorschuss als Masseforderung geltend machen kann, wird dieses Recht jedem Dritten – mit Ausnahme des Schuldners – eingeräumt ( Kodek , Handbuch Privatkonkurs. Die Sonderbestimmungen für das Konkursverfahren natürlicher Personen 3 [2021] Rz 5.42; Schneider in Konecny , Insolvenzgesetze § 71a IO Rz 26, § 47 Rz 48 ff [Stand 1. Oktober 2016, rdb.at]).

Kodek (Handbuch Privatkonkurs. Die Sonderbestimmungen für das Konkursverfahren natürlicher Personen 3 [2021] Rz 5.42 FN 440) verweist im Fall der Aufbringung durch einen Dritten, wie zB den Ehegatten, auf den praktischen Vorteil, dass dann ein Rückforderungsanspruch als Masseforderung nach § 71a Abs 3 IO bestehe.

Diese Auslegung wird auch durch § 47 Abs 2 Z 1 IO bestätigt, wonach bei Masseunzulänglichkeit „der von Dritten erlegte Kostenvorschuss, soweit er zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens benötigt wurde“, als Masseforderung im dritten Rang zu befriedigen ist. Die ErläutRV (734 BlgNR 20. GP 39) sprechen in diesem Zusammenhang auch nur pauschal vom „Gläubiger“ und nicht vom „antragsstellenden Gläubiger“.

3.3. Nur dann, wenn der Schuldner selbst den Kostenvorschuss erlegt hat, steht diesem kein Rückforderungsanspruch zu, weil es sich um Vermögen handelt, das den Gläubigern zur Verfügung steht ( Schneider in Konecny , Insolvenzgesetze § 71a IO Rz 26 [Stand 1. Oktober 2016, rdb.at]; Schumacher in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 71a Rz 19).

3.4. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die Rekurswerberin die Rückzahlung des von ihr geleisteten Kostenvorschusses als Masseforderung gestützt auf      § 71a Abs 3 IO iVm § 46 Z 1 IO verlangen kann.

4.1. Nach § 124 Abs 1 IO sind Massegläubiger ohne Rücksicht auf den Stand des Verfahrens zu befriedigen, sobald ihre Ansprüche feststehen und fällig sind.

Voraussetzung für die Rückzahlung des Kostenvorschusses als Masseforderung ist, dass der Kostenvorschuss verbraucht oder ein nicht gänzlich verbrauchter Kostenvorschuss nicht mehr benötigt wird ( Schumacher in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 71a Rz 20), wenn somit feststeht, dass die derzeitigen und die noch zu erwartenden Verfahrenskosten Deckung in der vorhanden Masse finden (OLG Wien 28 R 152/10z; K.F. Engelhart in Konecny , Insolvenzgesetze § 46 Rz 36 [Stand 1. November 2012, rdb.at]).

4.2. Das in der Insolvenzordnung vorgesehen Prüfungs- und Feststellungsverfahren gilt nur für Insolvenzforderungen, nicht hingegen für Masseforderungen (RIS-Justiz RS0064792; OGH 5 Ob 332/87; 8 Ob 155/03g; Stefula in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 124 Rz 1 f; Kodek in Partsch/Polak/Buchegger , Österreichisches Insolvenzrecht IV 4 [2006] § 124 KO Rz 11). Die Anmeldung einer Masseforderung ist vom Insolvenzgericht als unzulässig zurückzuweisen (OLG Wien 28 R 11/02x; 28 R 94/07k; Kodek in Partsch/Polak/Buchegger , Österreichisches Insolvenzrecht IV 4 [2006] § 124 KO Rz 16; Stefula in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 124 Rz 1 f).

4.3. Masseforderungen sind gegenüber dem Masseverwalter jederzeit und ohne Rücksicht auf den Stand des Konkursverfahrens geltend zu machen (RIS-Justiz RS0064634; OGH 3 Ob 138/03w; Stefula in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 124 Rz 4). Dieser hat zu beurteilen, ob es sich um eine Masseforderung handelt, ob diese zu Recht besteht und ob sie fällig ist ( Stefula in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 124 Rz 10).

4.4. Verzögert oder verweigert der Masseverwalter die Leistung, kann der Massegläubiger einen Abhilfeantrag beim Insolvenzgericht erheben oder eine Klage gegen den Masseverwalter richten (§ 124 Abs 3 IO; OGH 8 Ob 155/03g; Stefula in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 124 Rz 4 ff; 15 ff; Widhalm-Budak in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 46 Rz 1).

4.5. Verweigert der Masseverwalter die Zahlung einer Masseforderung und ist die Masseforderung dem Grunde und der Höhe nach eindeutig belegt, hat das Insolvenzgericht entweder aufgrund eines Antrags des Massegläubigers oder auch von Amts wegen in Ausübung seiner Aufsichtspflicht dem Masseverwalter nach § 124 Abs 3 IO eine Weisung zur Berichtigung der Masseforderung zu erteilen (RIS-Justiz RS0065193; OGH 5 Ob 332/87; 8 Ob 49/88; 8 Ob 38/89; 8 Ob 67/00m; OLG Linz 4 R 76/86 EvBl 1988/35; Holzer/Reissner in Reissner , Arbeitsverhältnis und Insolvenz 5 § 47 IO Rz 11 [Stand 1. Jänner 2018, rdb.at]; Kodek in Partsch/Polak/Buchegger , Österreichisches Insolvenzrecht IV 4 § 124 KO Rz 31; Reisch in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 84 Rz 18; Stefula in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 124 Rz 15).

Eine Abweisung des Abhilfeantrags kommt nur dann in Betracht, wenn Grund oder Höhe der Masseforderung oder deren Eigenschaft als Masseforderung von streitigen Tatsachen abhängen, nicht aber wenn es sich nur um die Lösung von Rechtsfragen handelt (OGH 5 Ob 297/63; OLG Linz 4 R 76/86 EvBl 1988/35; Kodek in Partsch/Polak/Buchegger , Österreichisches Insolvenzrecht IV 4 § 124 KO Rz 31; Stefula in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 124 Rz 15). Die Abweisung des Abhilfeantrags kommt im Ergebnis einer Verweisung auf den Rechtsweg gleich (OGH 8 Ob 38/89; 8 Ob 67/00m; Kodek in Partsch/Polak/Buchegger , Österreichisches Insolvenzrecht IV 4 § 124 KO Rz 26).

5.1. Der Masseverwalter hat spätestens bei Beendigung seiner Tätigkeit, somit nach vollständigem Abschluss der Verwertung und nach endgültiger Entscheidung über die bestrittenen Forderungen (vgl § 136 Abs 1 IO), (Schluss-) Rechnung zu legen (§ 121 Abs 1 IO). Zweck der Rechnungslegung ist die Schaffung einer Grundlage für die Überwachung des Masseverwalters und die Vorbereitung der (Schluss-) Verteilung (OGH 8 Ob 37/13v; Riel in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 121 KO Rz 2 mwN, Rz 18 [Stand 1. März 2006, rdb.at]).

5.2. Der Masseverwalter hat im Rahmen der Schlussrechnung in Form einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung abzurechnen. Dementsprechend besteht die Rechnung aus einer Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben, wobei der Saldo dem aktuellen Massestand entsprechen muss (OGH 8 Ob 37/13v; Stapf/Grill in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 121 Rz 3; Riel in Konecny/Schubert , Insolventgesetze § 121 KO Rz 25 [Stand 1. März 2006, rdb.at]).

5.3. Die Prüfung der vom Masseverwalter vorgelegten Schlussrechnung erfolgt von Amts wegen durch das Insolvenzgericht (OGH 8 Ob 37/13v; OLG Wien 6 R 180/18m ZIK 2019/183; Stapf/Grill in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 121 Rz 8; Riel in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 121 KO Rz 29 [Stand 1. März 2006, rdb.at]).

5.4. Die Verfahrensbeteiligten haben gemäß § 121 Abs 3 IO das Recht, in die Rechnung Einsicht zu nehmen, gegen diese Bemängelungen zu erheben und an der zur Prüfung der Rechnung durchzuführenden Tagsatzung teilzunehmen.

Nach dem Gesetzeswortlaut des § 121 IO handelt es sich bei diesen Personen um die Gläubigerausschussmitglieder, den Schuldner und sämtliche Insolvenzgläubiger. Nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Lehre werden die Verfahrensrechte auch den Massegläubigern eingeräumt (OGH 8 Ob 15/05x; 8 Ob 37/13v mwN; OLG Wien 6 R 180/18m ZIK 2019/183; Riel in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 121 KO Rz 39 [Stand 1. März 2006, rdb.at]; Stapf/Grill in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 121 Rz 9).

Daraus ergibt sich, dass auch Massegläubiger ein Rekursrecht gegen den Beschluss über die Genehmigung der Schlussrechnung des Masseverwalters zusteht, wenn sie sich durch die Schlussrechnung in ihren Individualansprüchen beschwert erachten (OGH 8 Ob 37/13v). Dieses Rekursrecht besteht unabhängig davon, ob sie Bemängelungen gegen die Rechnung vorgebracht oder an der Rechnungslegungstagsatzung teilgenommen haben ( Stefula in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 122 Rz 5).

6.1. Ist die Masse vollständig verwertet und über sämtliche bestrittenen Forderungen endgültig entschieden, ist nach Feststellung der Ansprüche des Insolvenzverwalters und Genehmigung der Schlussrechnung, die Schlussverteilungen vorzunehmen (§ 136 Abs 1 IO). Die Schlussverteilung ist aufgrund eines Verteilungsentwurfes nach den Bestimmungen der §§ 130 ff IO durchzuführen (§ 136 Abs 2 IO; OGH 8 Ob 104/18d; Lentsch in Konecny , Insolvenzgesetze § 129 IO Rz 2 [Stand 30. September 2020, rdb.at]); Reckenzaun in Konecny , Insolvenzgesetze § 137 IO Rz 1 [Stand 30. September 2020, rdb.at]). Der Verteilungsentwurf ist vom Masseverwalter aufzustellen (OGH 8 Ob 310/00x; 8 Ob 80721d; Lentsch in Konecny , Insolvenzgesetze § 129 IO Rz 15, 19 [Stand 30. September 2020, rdb.at]; Reckenzaun in Konecny , Insolvenzgesetze § 137 IO Rz 10 [Stand 30. September 2020, rdb.at]).

6.2. Im Verteilungsentwurf sind nach § 129 Abs 3 IO sämtliche Forderungen in ihrer Rangordnung, ferner das zur Verteilung verfügbare Vermögen und die Beträge anzuführen, die auf jede einzelne Forderung entfallen (OGH 8 Ob 37/13v; Zeitler in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 128 Rz 4). Insofern sind auch Masseforderungen Gegenstand des Schlussverteilungsentwurfs ( Zeitler in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 128 Rz 4). In der Schlussverteilung soll nach Feststellung des gesamten Aktiv- und Passivstandes die gesamte Masse verteilt werden (OGH 8 Ob 65/16s).

6.3. Der Schuldner und die Gläubiger sind vom Insolvenzgericht zu verständigen, dass es ihnen frei steht, Einsicht in den Verteilungsentwurf zu nehmen und binnen 14 Tagen ihre Erinnerungen anzubringen (§ 130 Abs 1 IO).

Unter „Gläubiger“ sind in diesem Zusammenhang auch die Massegläubiger zu verstehen, denen die Möglichkeit offensteht, Erinnerungen gegen den Verteilungsentwurf zu erheben (OGH 8 Ob 37/13v; OLG Wien 6 R 180/18m ZIK 2019/183; Lentsch in Konecny , Insolvenzgesetze § 130 IO Rz 18 [Stand 30. September 2020, rdb.at]; Zeitler in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 130 Rz 12).

Durch die Anbringung von Erinnerungen können formelle und materielle Mängel des Verteilungsentwurfs geltend gemacht werden. Es können daher auch Einwendungen gegen die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Forderungen erhoben werden ( Lentsch in Konecny , Insolvenzgesetze § 130 IO Rz 20 [Stand 30. September 2020, rdb.at]).

6.4. In der Verteilungstagsatzung, die in der Praxis zumeist mit der Schlussrechnungstagsatzung verbunden wird ( Lentsch in Konecny , Insolvenzgesetze § 130 IO Rz 22 [Stand 30. September 2020, rdb.at]), ist über alle geltend gemachten Erinnerungen und über die von Amts wegen gefassten Bedenken zu verhandeln ( Lentsch in Konecny , Insolvenzgesetze § 130 IO Rz 23 [Stand 30. September 2020, rdb.at]). Das Insolvenzgericht ist verpflichtet, die materielle Richtigkeit des Verteilungsentwurfes zu prüfen und ist daher nicht auf die vorgebrachten Einwendungen beschränkt (§ 130 Abs 2 und Abs 3 iVm § 254 Abs 5 IO; RIS-Justiz RS0065197; OGH 5 Ob 356/87; 8 Ob 288/98f; Lentsch in Konecny , Insolvenzgesetze § 130 IO Rz 23 [Stand 30. September 2020, rdb.at]; Reckenzaun in Konecny , Insolvenzgesetze § 137 IO Rz 17 [Stand 30. September 2020, rdb.at]).

6.5. Voraussetzung für die Schlussverteilung ist, dass alle Masseforderungen festgestellt sind und sämtliche feststehenden und fälligen Masseforderungen befriedigt sind (OGH 8 Ob 288/98f; Reckenzaun in Konecny , Insolvenzgesetze § 137 IO Rz 5 [Stand 30. September 2020, rdb.at]). Fehlt es an dieser Voraussetzung, liegen die Voraussetzungen für die Genehmigung des Verteilungsentwurfes durch das Insolvenzgericht nicht vor (OGH 8 Ob 288/98f).

6.6. Gegen den Beschluss über den Verteilungsentwurf steht auch den Massegläubigern ein Rekursrecht zu, wenn sie sich durch die Verteilung in ihrem den Insolvenzgläubigern vorangehenden Befriedigungsrecht beschwert erachten (OGH 8 Ob 288/98f; Erler in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 260 Rz 23; Lentsch in Konecny , Insolvenzgesetze § 130 IO Rz 26 [Stand 30. September 2020, rdb.at]; Zeitler in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 130 Rz 32).

7. Die Rekurswerberin wendet sich in ihrem Rekurs gegen die Nichtberücksichtigung ihrer Masseforderung in der Schlussrechnung und im Verteilungsentwurf des Masseverwalters.

7.1. Bereits mit Eingabe vom 7. Juni 2022, ON 14, machte die Rekurswerberin den von ihr erlegten Kostenvorschuss von EUR 4.000,00 als Masseforderung geltend und ersuchte um die Überweisung des Betrages auf ihr Konto. Das Erstgericht wies die Anmeldung weder zurück, noch belehrte sie die damals unvertretene Rekurswerberin über die Möglichkeiten des § 124 Abs 3 IO. Es übermittelte die Eingabe dem Masseverwalter mit dem Ersuchen um weitere Veranlassung (siehe Verfügung vom 8. Juni 2022, zu ON 14).

In seinem Bericht ON 84 führte der Masseverwalter aus, dass er die von der Rekurswerberin geltend gemachte Masseforderung nicht anerkannt habe,weil ihr als „Dritte“ kein Rückforderungsanspruch zustehe und sie nicht nachgewiesen habe, dass der Kostenvorschuss aus ihren eigenen finanziellen Mitteln stamme.

7.2. Das Erstgericht war zum Zeitpunkt der amtswegigen Prüfung der Schlussrechnung und des Verteilungsentwurfs in Kenntnis davon, dass der Kostenvorschuss von der Rekurswerberin erlegt worden war und dass sie diesen als Masseforderung geltend macht. Aufgrund des Berichts des Maseverwalters wusste das Erstgericht auch, dass der Masseverwalter die Masseforderung aus den von ihm im Bericht dargelegten Gründen zurückgewiesen hatte. Bei dieser Sachlage durfte das Erstgericht nicht davon ausgehen, dass die Rekurswerberin von einer weiteren Verfolgung ihrer Masseforderung Abstand genommen hatte. Das Erstgericht hätte sich daher im Rahmen seiner amtswegigen Prüfungspflicht – auch ohne Erhebung von Bemängelungen und Erinnerungen durch die Rekurswerberin nach §§ 121 Abs 3, 130 Abs 1 IO (vgl zum gegenteiligen Fall OLG Wien 6 R 180/18m ZIK 2019/183) – mit der Masseforderung auseinandersetzen müssen.

Da sich aus dem Insolvenzakt auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kostenvorschuss nicht aus dem Vermögen der Rekurswerberin geleistet worden ist, sondern sich aus der vorgelegten Überweisungsbestätigung vom 22. April 2022 vielmehr ableitet, dass der Betrag von EUR 4.000,00 von einem Konto der Rekurswerberin und somit aus ihrem Vermögen an das Insolvenzgericht überwiesen wurde, hätte das Erstgericht spätestens in der Tagsatzung vom 12. Dezember 2023 vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage (siehe insbesondere III.3.) die Zurückweisung der Masseforderung mit dem Masseverwalter erörtern müssen. Da das Erstgericht in seinem angefochtenen Beschluss (ON 92) auch nicht darlegte, warum es die Schlussrechnung und den Verteilungsentwurf trotz der von der Rekurswerberin geltend gemachten, aber sowohl in der Schlussrechnung als auch im Verteilungsentwurf unberücksichtigt gebliebenen Masseforderung genehmigte, ist es seiner amtswegigen Prüfungs- und Begründungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen und hätte weder die Schlussrechnung noch den Verteilungsentwurf genehmigen dürfen.

8.1. Nach § 259 Abs 2 IO können Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienenen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden. Diese Rechtsfolge beschränkt die im Rekursverfahren ansonsten bestehende Neuerungszulässigkeit (OGH 8 Ob 56/01w; OGH 36/04h; 8 Ob 23/16i).

§ 259 Abs 2 IO gilt auch im Rechnungslegungs- und Verteilungsverfahren; unterlassene Bemängelungen und Erinnerungen können daher im Rekurs nicht nachgetragen werden ( Zeitler in Koller/Lovrek/Spitzer , IO 2 § 130 Rz 8).

8.2. Die Rekurswerberin hat weder gegen die Schlussrechnung Bemängelungen noch gegen den Verteiliungsentwurf Erinnerungen erhoben. Der Rekurs kann daher nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Genehmigung der Schlussrechnung und des Verteilungsentwurf schon aufgrund der erstinstanzlichen Verfahrensergebnisse unrichtig sei.

8.3. Genau diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, lagen dem Erstgericht doch bereits zum Zeitpunkt seiner Entscheidung sämtliche notwendigen Behauptungen der Rekurswerberin und Entscheidungsgrundlagen zur Beurteilung der Masseforderung vor.

8.4. Der Rekurs wendet sich somit berechtigt gegen die Genehmigung der Schlussrechnung und des Verteilungsentwurfes.

9.1. Der angefochtene Beschluss ON 92 war daher – im Sinne der Rechtsprechung, wonach jeder Abänderungsantrag auch einen Aufhebungsantrag enthält (OGH 5 Ob 207/02f; 5 Ob 158/14t; 1 Ob 21/16v) - aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

9.2. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren zunächst mit dem Masseverwalter die Rechtslage zu erörtern haben. Bleibt der Masseverwalter bei seinem bisherigen Standpunkt, dass es sich bei der von der Rekurswerberin geltend gemachten Forderung um keine Masseforderung handelt, wird das Erstgericht mit der Rekurswerberin zu erörtern haben, ob es sich bei dem von ihr gestellten Antrag auf Rückforderung des Kostenvorschusses ON 93, der vom Erstgericht noch keiner Entscheidung zugeführt wurde, um einen Abhilfeantrag nach § 124 Abs 3 IO handelt. Sollte dies der Fall sein, wird das Erstgericht entsprechend den dargestellten Grundsätzen (siehe oben III.4.) über den Abhilfeantrag zu entschieden haben.

Erst anschließend - wenn alle Masseforderungen festgestellt sind und sämtliche feststehenden und fälligen Masseforderungen befriedigt sind - kann die Schlussverteilung erfolgen und das Insolvenzgericht über die Schlussrechnung und den Verteilungsentwurf entscheiden.

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