JudikaturJustiz36R46/22i

36R46/22i – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
10. März 2022

Kopf

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht fasst durch seinen Richter VPräs. Mag. Peter Weiß als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Gabriele Smudits und Mag. Inge Strebl in der Rechtssache der Klägerin *****, vertreten durch Putz Rischka Rechtsanwälte KG, Rechtsanwälte in 1030 Wien, wider den Beklagten *****, emeritierter Rechtsanwalt , *****, wegen EUR 253,56 s.A., infolge Rekurses (Rekursinteresse EUR 254,40) des Beklagten gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 11.01.2022, 80 C 628/21w-11, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s :

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass er insgesamt wie folgt zu lauten hat:

„Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 254,40 bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 116,-- bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs. 2 Z 3 ZPO).

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Klägerin begehrte vom Beklagten zunächst mit Mahnklage vom 07.10.2021 die Zahlung von EUR 253,56, wogegen der Beklagte am 05.11.2021 rechtzeitig Einspruch erhob. Daran anschließend zog die Klägerin nach Anberaumung der vorbereitenden Tagsatzung für den 10.12.2021 am 26.11.2021 die Klage unter Anspruchsverzicht zurück. Der bezughabende Schriftsatz wurde dem Beklagten nach der Aktenlage am 02.12.2021 zugestellt. Bereits vorher, nämlich am 30.11.2021 erstattete der Beklagte einen vorbereitenden Schriftsatz (siehe ON 7).

Der Beklagte begehrte in seinem am 02.12.2021 eingebrachten Antrag, die Klägerin zum Ersatz seiner Kosten von insgesamt EUR 254,40 zu verpflichten.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des Beklagten auf Kostenersatz von EUR 254,40 durch die Klägerin ab und führte dazu aus, dass der Beklagte als emeritierter Rechtsanwalt keinen Ersatzanspruch nach dem RATG habe, weil er nicht als Rechtsanwalt iSd § 1 Abs. 1 RATG anzusehen sei.

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs des Beklagten aus dem Rechtsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss dahingehend abzuändern, dass dem Kostenbestimmungsantrag vollinhaltlich Folge gegeben werde.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt .

Der Rekurswerber argumentiert, dass das Erstgericht seinen Kostenersatzanspruch verneine, indem es anführe, dass „nur in die Liste der Rechtsanwälte eingetragene Personen auch als Rechtsanwälte iSd § 1 Abs. 1 RATG zu verstehen sind und nur als solche Kosten nach den Tarifposten des RATG geltend machen können“. Das Erstgericht gehe davon aus, dass der Beklagte emeritierter Rechtsanwalt sei.

Die Rechtsansicht des Erstgerichts sei unrichtig und widerspreche der hierzu ergangenen, näher zitierten Judikatur.

Den Ausführungen des Rekurses ist im Ergebnis beizupflichten.

Vorerst zum Argument in der Rekursbeantwortung betreffend den vom Beklagten zu erbringenden Nachweis der (ehemaligen) Ausübung der Rechtsanwaltschaft: Wie aus

https://www.rechtsanwaelte.at/fileadmin/user_upload/Kundmachungen/Kundmachung_Neu_KV_Erl_alt/Wien/liste_wien_2017.pdf unschwer (öffentlich zugänglich) zu entnehmen ist, hat der Beklagte am 28.02.2017 auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet, weswegen er sich zu Recht als emeritierter Rechtsanwalt bezeichnet.

Richtig ist, dass gemäß § 28 Abs. 1 ZPO die in die Rechtsanwaltsliste eingetragenen Rechtsanwälte von der Anwaltspflicht befreit sind. Aufgrund einer gebotenen gleichheitskonformen Auslegung des § 28 Abs. 1 ZPO gilt diese Befreiung nach nunmehr herrschender Meinung auch für emeritierte Rechtsanwälte. Es kommt somit nicht auf die tatsächliche Amtsausübung als Rechtsanwalt, sondern ausschließlich auf die juristische Fähigkeit an (AnwBl 1993, 11). Ein altersbedingter Ruhestand ist dabei mit sonstigen Fällen des Verzichts auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft gleichzustellen ( Zib in Fasching / Konecny 3 II/1 § 28 ZPO).

Ob Anwaltszwang im Verfahren besteht oder nicht, ist für die Selbstvertretungsbefugnis von emeritierten Rechtsanwälten irrelevant (OLG Wien 7 Rs 8/11i). Der Beklagte war somit als (gerichtsnotorisch) emeritierter Rechtsanwalt unzweifelhaft berechtigt, sich in eigener Sache selbst rechtmäßig zu vertreten.

Nach § 1 Abs. 2 RATG steht einem Rechtsanwalt auch dann Kostenersatz iSd RATG zu, wenn ihm bei Selbstvertretung in eigener Sache Kosten vom Gegner zu ersetzen sind. Erfasst ist dabei auch der Ersatz der Kosten eines emeritierten Rechtsanwalts (OLG Wien 12 R 89/04b). Zu beachten ist hierbei, dass die Umsatzsteuer einem emeritierten Rechtsanwalt, mangels selbständiger Tätigkeit und somit mangels Umsatzsteuerpflicht, nicht mehr zuzusprechen ist ( Kliches Umsatzsteuerfragen im Zusammenhang mit Prozesskostenersatz von Anwaltskosten, ecolex 1999, 349).

Entgegen der Ansicht des Erstgerichts findet § 1 Abs. 2 RATG auch dann Anwendung, wenn die Kosten einem emeritierten Rechtsanwalt entstehen. Dies ist systematisch korrekt, wenn man bedenkt, dass er als emeritierter Rechtsanwalt in eigener Sache eben als Rechtsanwalt tätig wird, wodurch ihm auch – wie einem „aktiven“ Rechtsanwalt - Kosten zu ersetzen sind. Es soll sich für den Beklagten nicht nachteilig auswirken und letztlich damit ohne ersichtliche sachliche Rechtfertigung den Gegner von seinem Risiko auf Kostenersatz befreien, wenn dem emeritierten Rechtsanwalt gemäß § 28 Abs. 1 ZPO zugestanden wird, sich in eigener Sache selbst zu vertreten. Entsprechend den obigen Ausführungen zur Selbstvertretungsbefugnis kann es daher auch für die Honorierung nach dem RATG (für einen emeritierten Rechtsanwalt) keinen Unterschied machen, ob in dem Verfahren Anwaltszwang herrscht oder nicht. Damit ist auch dem Argument der Klägerin in der Rekursbeantwortung, die unten zitierte Entscheidung des OLG Wien 7 Rs 8/11i beziehe sich auf ein Verfahren nach dem ASGG, der Boden entzogen. Das gilt auch für den Einwand der fehlenden Kanzleiorganisation. Gerade in der heutigen Zeit gibt es verschiedenste Möglichkeiten/Konstellationen, wie sich ein Rechtsanwalt einer Kanzlei bedienen kann; das reicht von einer Tätigkeit alleine mit eigener Kanzlei bis hin zu einem Angestelltenverhältnis. Den Honoraranspruch nach dem RATG somit (nur) von einer eigenen Kanzleiorganisation abhängig zu machen, erscheint ebenso nicht sachgerecht.

Die dem Beklagten tatsächlich erwachsenen Kosten für seine Selbstvertretung, die von ihm entsprechend dem RATG verzeichnet worden sind (und zwar ohne Umsatzsteuer), stehen ihm nach obigen Ausführungen somit dem Grunde nach zu (siehe dazu auch OLG Wien 12 R 89/04b; 7 Rs 8/11i).

Der Beklagte hat für den am 05.11.2021 eingebrachten Einspruch Kosten nach TP 3A mit doppeltem Einheitssatz und ohne Umsatzsteuer verzeichnet. Der am 30.11.2021 eingebrachte vorbereitende Schriftsatz wurde nach TP 3A und einfachem Einheitssatz sowie ohne Umsatzsteuer verzeichnet. Dieser wurde rechtzeitig vor der ursprünglich am 10.12.2021 anberaumten vorbereitenden Tagsatzung eingebracht und enthielt ein (neues) Vorbringen samt Beweisanboten; die Klage wurde am 26.11.2021 zurückgezogen, wodurch der vorbereitende Schriftsatz (nachträglich) zwar obsolet wurde, aufgrund der zeitlich vorgestellten Einbringung des vorbereitenden Schriftsatzes vor Klagsrückziehung aber zu honorieren ist (kostenrechtliches ex-ante Prinzip, vgl. Obermaier , Kostenhandbuch 3 , Rz 1.246). Ebenso zutreffend verzeichnete der Beklagte den am 02.12.2021 eingebrachten Kostenbestimmungsantrag mit TP 1 und 60% Einheitssatz sowie ohne Umsatzsteuer.

Der Beklagte verzeichnete somit zusammengefasst seine jeweils oben angeführten Kosten richtig, weshalb ihm diese von der Klägerin iSd § 237 Abs. 3 ZPO zu ersetzen sind.

In Stattgebung des Rekurses war daher der angefochtene Beschluss in diesem Sinn abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründen sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 11 RATG.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus der eingangs zitierten Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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