JudikaturJustiz34R28/20z

34R28/20z – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
23. April 2020

Kopf

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht erkennt durch die Richterinnen VPräs. Dr. Beatrix Engelmann als Vorsitzende sowie Mag. Ulf Marschner und Dr. Christine Marka in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P***** GmbH, *****, 1010 Wien, vertreten durch pfletschinger.renzl, Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei E***** K***** , Pensionistin, *****, 1210 Wien, vertreten durch Mag. Christoph Marik, Rechtsanwalt in Mödling, über die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 11.12.2019, 28 C 258/19y-10, zu Recht:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit 1.215,48 Euro bestimmte Kosten (darin 202,58 Euro USt) des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist zulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klägerin ist ein auf internationale Erbenermittlung und historische Recherchen spezialisiertes Unternehmen. Nach einem Aufruf des Verlassenschaftsgerichtes an unbekannte Erben ihre Ansprüche im Verlassenschaftsverfahren geltend zu machen, eruierte die Klägerin innerhalb eines Tages die Beklagte und deren Schwester als Cousinen des Verstorbenen. Die Beklagte hatte von der Existenz ihres Cousins keine Kenntnis gehabt. Die Klägerin teilte der Beklagten schriftlich mit, es bestehe die begründete Annahme, dass sie erbberechtigt sei und bat um Kontaktaufnahme. Daraufhin suchte die Beklagte die Geschäftsräumlichkeiten der Klägerin auf. Dort wurde ihr anhand eines Stammbaumes erläutert, dass sie eine der Erbinnen des verstorbenen Cousins sei. Danach unterfertigte sie folgende Vereinbarung: „ Die Dr. P***** GmbH erhält für ihre Ermittlungstätigkeit, die zu meiner Ermittlung als Berechtigte führte, eine Vergütung von 25 % vom Wert des mit als Berechtigter vor Abzug der Steuer zufallenden Vermögens zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer. Die Vergütung ist zahlbar bei Auszahlung oder eigentumsrechtlicher Übernahme der Vermögenswerte .“ Die Beklagte unterfertigte auch eine Vollmacht für eine Rechtsanwalts GmbH für das Verlassenschaftsverfahren. In dieser war festgehalten, dass durch die Vertretung keine Kosten für den Vollmachtgeber entstehen. Im Zeitpunkt der Unterfertigung gingen die Beklagte und der Geschäftsführer der Klägerin davon aus, dass weder das Verlassenschaftsgericht noch der Gerichtskommissär von der Erbenstellung der Beklagten wusste. Tatsächlich war dem Gerichtskommissär der Name und die Adresse der Beklagten bereits bekannt; kurze Zeit nach dem Termin bei der Klägerin erhielt die Beklagte eine Ladung zu einer Inventur- und Schätzungstagsatzung. Hätte sie gewusst, dass dem Gerichtskommissär ihr Name und ihre Adresse bereits bekannt waren, hätte sie die Vereinbarung nicht unterfertigt. Mit Schreiben vom 22.2.2018 gab die bevollmächtige Rechtsanwalts GmbH dem Gerichtskommissär unter Vorlage von Personenstandsurkunden die Beklagte als weitere Erbberechtigte bekannt; eine Erbantrittserklärung wurde vorbehalten. Eine weitere Tätigkeit entfaltete die Rechtsanwalts GmbH nicht, weil die Beklagte die Vollmacht widerrufen hatte. Die Beklagte erhielt am 7.3.2019 einen Betrag von 95.647,23 Euro aus der Verlassenschaft.

Die Klägerin begehrt eine Vergütung von 7.920 Euro brutto.

Die Beklagte wandte ein, dass die Ermittlungstätigkeit der Klägerin nutzlos gewesen sei, weil sie vom Gerichtskommissär über ihre Stellung im Verlassenschaftsverfahren informiert worden sei. Zudem habe die Klägerin nach Vertragsabschluss keinerlei Leistungen im Zusammenhang mit dem Verlassenschaftsverfahren erbracht. Die Beklagte habe außerdem von ihrem Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG Gebrauch gemacht. Zudem sei die Vereinbarung gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB nichtig, weil die Beklagte rechtlich unerfahren sei und angesichts der in Aussicht gestellten hohen Erbschaft eine Gemütsaufregung vorgelegen sei, was von der Klägerin ausgenützt worden sei, indem sie sich eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung versprechen habe lassen. Der Vertrag sei auch gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Die Beklagte habe sich im Übrigen darüber geirrt, dass erst das weitere Tätigwerden der Klägerin dazu führen werde, dass die Beklagte als Erbin im Verlassenschaftsverfahren bekannt werde. Dieser Irrtum sei durch die Klägerin veranlasst worden. Deren Geschäftsführer habe sie nicht darüber aufgeklärt, dass das Aufsuchen von Erben zur Tätigkeit eines Gerichtskommissärs zähle und daher die in Aussicht gestellte Tätigkeit der Klägerin sinnlos sein könnte.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Es begründete dies damit, dass Gegenstand der zu honorierenden Tätigkeit der Klägerin nicht bloß die Namhaftmachung des Erblassers gegenüber der Beklagten gewesen sei, sondern auch deren Namhaftmachung und ihre anwaltliche Vertretung im Verlassenschaftsverfahren; beide Leistungen bildeten eine unteilbare Einheit. Da dem Gerichtskommissär die Identität der Beklagten im Zeitpunkt der Unterfertigung der Vereinbarung bereits bekannt gewesen sei, habe die Klägerin für die Beklagte nicht mehr „verdienstlich“ werden können. Darüber hinaus habe der Geschäftsführer der Klägerin durch die Vorlage der Honorarvereinbarung einen wesentlichen Geschäftsirrtum veranlasst.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie strebt eine Klagsstattgebung an; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Die Berufungswerberin argumentiert zusammengefasst, dass von ihr keine weiteren Leistungen zu erbringen gewesen seien. Nach dem Vertragsinhalt sei die Vergütung allein dafür zu leisten, dass die Beklagte als Erbberechtigte ausgeforscht und die Klägerin ihr dies mitgeteilt bzw dargelegt habe. Die Auffassung, dass der Vergütungsanspruch erst entstehe, wenn die Beklagte auch im Verlassenschaftsverfahren vertreten werde und ihre Berechtigung an den Gerichtskommissär bekannt gegeben werde, führe zu dem absurden Ergebnis, dass sich die Beklagte ihrer Zahlungspflicht dadurch entledigen könne, dass sie ihre Erbenstellung selbst anzeige.

Dazu wurde erwogen :

1.1 Es kann dahingestellt bleiben, ob die Erbenermittlung und die Namhaftmachung der Beklagten sowie ihre weitere anwaltliche Vertretung im Verlassenschaftsverfahren als einheitliche Leistung anzusehen ist. Selbst wenn dies der Fall wäre, folgte daraus nicht der Verlust des Entgeltanspruchs. Denn die Klägerin hat den ersten Teil ihrer Leistung bereits dadurch erbracht, dass sie die Beklagte als Erbin ermittelt und ihr diese Information mitgeteilt hat. Dass die Klägerin keinen kausalen Beitrag für den Erhalt des Erbteils geleistet hat, steht dem Entgeltanspruch nicht entgegen; der Erbenermittler muss nicht „verdienstlich“ werden. Es besteht nämlich keine Ähnlichkeit zum Maklervertrag. Denn die Tätigkeit des Erbensuchers ist regelmäßig schon beendet, wenn er an einen Erben herantritt. Eine Möglichkeit auf einen Vertragsabschluss oder sonst auf die Willensbildung eines Dritten einzuwirken besteht für den Erbenermittler, anders als für einen Makler, gerade nicht. Die Leistung des Erbenermittlers liegt vielmehr im Aufdecken von bisher unbekannten Erbrechtsverhältnissen durch genealogische Recherche. Letztlich verkauft er die von ihm recherchierten Ebrechtsinformationen an den ausgeforschten Erben und übergibt ihm die zum Nachweis seiner Erbenstellung erforderlichen Urkunden. Im Zeitpunkt dieses Verkaufs hat der Erbenermittler daher seine Leistungen idR schon erbracht. Das Gesagte gilt auch im gegenständlichen Fall; weitere Leistungen hatte die Klägerin selbst daher nicht zu erbringen.

1.2 Die weitere anwaltliche Vertretung der Beklagten im Verlassenschaftsverfahren unterblieb allein wegen des Widerrufs der Vollmacht. Da der Grund für das Unterbleiben in der Sphäre der Beklagten lag, gebührt der Klägerin jenes Entgelt, das ihr im Falle der Ausführung des Vertrages zugekommen wäre (§ 1168 ABGB analog; vgl RIS-Justiz RS0021856, RS0019821). Durch den Widerruf der Vollmacht trat die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs sofort ein, weil in den Fällen einer Abbestellung feststeht, dass das zu besorgende Geschäft endgültig unterbleibt (vgl RS0021845, RS0021826). Der Unternehmer muss sich zwar gemäß § 1168 ABGB anrechnen lassen, was er sich erspart hat; er muss dies aber nicht von sich aus machen (vgl RS0112187); vielmehr hat der Besteller zu behaupten und zu beweisen, was sich der Unternehmer anrechnen lassen muss (vgl RS0021768, RS0021904). Die Beklagte hat dazu nichts vorgebracht.

2.1 Zur Irrtumsanfechtung: Nach § 871 ABGB berechtigt ein Irrtum über die Natur des Geschäfts, über eine für das Geschäft bedeutsame Eigenschaft (oder Identität) der Person des Geschäftspartners, sowie über den Inhalt (Gegenstand) des Rechtsgeschäfts, grundsätzlich aber nicht ein Motivirrtum, zur Anfechtung des Vertrages (vgl RS0014910). Wird die Anfechtung auf einen Geschäftsirrtum gestützt, muss sich die unrichtige Vorstellung auf einen innerhalb des Geschäfts liegenden Punkt beziehen (vgl

RS0014901).

Die Beklagte machte geltend, sie sei bei der Unterfertigung irrtümlich davon ausgegangen, dass ihr Name und ihre Adresse dem Gerichtskommissär noch nicht bekannt waren. Ihr Beweggrund war also, dass ihr Informationen über ihre Erbenstellung zukommen, die dem Gerichtskommissär noch unbekannt waren. Dieser Irrtum betrifft den Grund und nicht den Inhalt des Parteiwillens; ein solcher Irrtum bildet einen Motivirrtum (vgl RS0014902). Ein Motivirrtum aber berechtigt nicht zur Anfechtung eines entgeltliches Vertrages nach § 871 ABGB (vgl § 901 2. Satz ABGB). Die Möglichkeit, den Beweggrund gemäß § 901 ABGB zur Bedingung zu erheben, haben die Parteien nicht in Anspruch genommen.

2.2 Gemäß § 871 Abs 2 ABGB gilt der Irrtum eines Teils über einen Umstand, über den ihn der andere nach geltendem Recht hätte aufklären müssen, immer als Irrtum über den Inhalt des Vertrags und nicht bloß als solcher über den Beweggrund oder den Endzweck.

Unter die Fiktion des Abs 2 fallen grundsätzlich nur gesetzlich normierte Aufklärungspflichten. Doch soll auch bei Verletzung von aus allgemeinen Grundsätzen abgeleiteten Aufklärungspflichten ein Geschäftsirrtum vorliegen (vgl Bollenberger in KBB 5 § 871 Rz 13 mwN). Danach

wäre ein Irrtum über einen Umstand, über den nach der getroffenen Verabredung oder nach der Verkehrsauffassung aufzuklären wäre, immer ein Geschäftsirrtum (

vgl 8 Ob 19/12w;

4 Ob 9/12w =

RS0016184 [T7]).

Andererseits ist zu beachten, dass es keine allgemeine Rechtspflicht gibt, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die für die rechtsgeschäftliche Willensbildung von Bedeutung sein könnten. Im vorliegenden Fall hieße es die vorvertraglichen Aufklärungspflichten der Klägerin zu überspannen, wollte man von ihr verlangen, die Beklagte darauf hinzuweisen, welche Aufgaben dem Gerichtskommissär in Österreich zukommen. Zudem hat die Beklagte nicht vorgebracht, dass sie den Vertrag nicht geschlossen hätte, wäre sie darüber aufgeklärt worden.

Ein Irrtum, der zur Anfechtung berechtigt, liegt daher nicht vor.

Auf die Beweisrüge, die sich gegen die Negativfeststellung wendet, wonach nicht festgestellt werden könne, dass der Gerichtskommissär die Meldeauskunft der Beklagten aufgrund der Bekanntgabe der Vollmachtserteilung ihrer Schwester (Anm: die ebenfalls durch die Klägerin ausgeforscht wurde) eingeholt hat, muss daher nicht eingegangen werden.

3. Zum Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG: Abs 1 ermöglicht den Rücktritt von Vertragserklärungen, die der Verbraucher außerhalb der vom Unternehmer für dessen geschäftliche Zwecke ständig benützten Geschäftsräume abgegeben hat ( Kathrein/Schoditsch in KBB 5 § 3 KSchG Rz 3). Abs 2 ermöglicht den Rücktritt von in diesen Räumlichkeiten abgegebenen Erklärungen, sofern der Verbraucher dorthin befördert worden ist (vgl dieselben aaO Rz 5). Dieses Rücktrittsrecht betrifft zum einen Werbe- und Ausflugsfahrten oder ähnliche Veranstaltungen, zum anderen Fälle, in denen der Verbraucher durch gezielte Kontakte auf der Straße oder sonst in der Öffentlichkeit in die vom Unternehmer benützten Geschäftsräume gelockt wird. Dem Erstgericht ist darin beizupflichten, dass die schriftliche Einladung der Beklagten den in § 3 Abs 2 KSchG genannten Fällen mangels Überrumpelung nicht gleichzuhalten ist.

4.1 Das Erstgericht hat eine wucherische Vereinbarung verneint, weil kein auffallendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege. Dazu verwies es auf die Entscheidung 7 Ob 155/00w. In dieser bejahte der Oberste Gerichtshof – unter Hinweis auf 1 Ob 2168/96x - einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) und sprach dem Erbensucher ein „branchenübliches Entgelt“ zu, welches nach den Feststellungen des Erstgerichts prozentuell bemessen werde und 20 % vom Reinnachlass (zuzüglich USt) betrage. In der deutschen Rechtsprechung wurde die Vereinbarung einer Vergütung in Höhe eines Anteils von 10 % bis 30 % vom Reinnachlass als nicht unangemessen gesehen (LG Nürnberg-Fürth vom 05.02.2007, 10 O 7175/05 mwN; vgl auch OLG Brandenburg vom 20.05.2008, 11 U 157/07, Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis [ZErb] 2008, 278).

4.2 Unter Hinweis auf die oben zitierte Rechtsprechung des Höchstgerichtes sollen Erbensucher Vereinbarungen über ein Entgelt von bis zu 35 % (zuzüglich USt) vom Reinnachlass vorgelegt haben (vgl Tschugguel , Unbekannte Erben: Ein gefundenes Fressen für Erbensucher in EF-Z 2014/36).

Nach Ansicht des Berufungsgerichts bedeutet dies jedoch nicht, dass das verkehrsübliche Entgelt, also der (Markt-)Wert iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB von Leistungen der Klägerin diesem Prozentsatz entspricht. Bereits das Berufungsgericht in dem vom Obersten Gerichtshof zu 7 Ob 155/00w entschiedenen Fall hat darauf hingewiesen, dass das von den Erben nach ihrer Ausforschung mit den Erbenermittlern vereinbarte Honorar nur bedingt für die Beurteilung der Ortsüblichkeit bzw Angemessenheit der Honorarforderung herangezogen werden könne, weil der präsumtive Erbe einem gewissen Druck zum Vertragsabschluss ausgesetzt sei. Er unterliege unter Umständen dem Eindruck, die Honorarvereinbarung schließen oder sonst mangels Aushändigung entsprechender Urkunden auf seine Erbschaft verzichten zu müssen. Dieser Druck wurde durch die zitierte oberstgerichtliche Rechtsprechung noch verschärft. Erbensucher konnten darauf verweisen, dass ihnen auch ohne Vereinbarung ein Entlohnungsanspruch aus GoA in Höhe des „branchenüblichen Entgelts“ zustehe. Der ermittelte Erbe stand also vor der Wahl entweder eine Vereinbarung mit dem Erbenermittler in Höhe des geforderten Prozentsatzes zu schließen oder aber zur Zahlung eines „branchenüblichen“ Prozentsatzes (von zumindest 20 % des Reinnachlasses) aus GoA verpflichtet zu werden (vgl Tschugguel , aaO). Erst in der Entscheidung 3 Ob 228/13w ging der Oberste Gerichtshof von dieser Rechtsprechung ab und erkannte, dass der Aufwandersatzanspruch aus nützlicher GoA nicht in einer am Wert der Verlassenschaft anknüpfenden branchenüblichen Entlohnung, sondern nur in einem Ersatz des tatsächlich entstandenen Aufwands bestehe.

4.3 Ungeachtet dessen besteht für den aufgeforschten Erben weiterhin die Zwangslage, dass er sich im Zeitpunkt des Angebotes des Erbenermittlers die angebotenen Erbrechtsinformationen nicht von Dritten besorgen kann. Der Erbenermittler kann dem Erben also die Vertragskonditionen gleichsam diktieren (vgl Limberg/Tschugguel , Ein Erbteil für den Erbensucher? Ecolex 2014, 400 [402]). Dadurch könnte aber das Entgelt im Vereinbarungsweg nach und nach hinaufgeschraubt werden, was offenbar passiert ist, zumal auch schon 35 % und 40 % vom Reinnachlass vereinbart worden sein sollen (vgl Tschugguel , aaO). Daraus folgt aber, dass diese Prozentsätze nicht den objektiven Wert der Leistung iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB darstellen.

4.4 Als objektiver Wert, der dem gemeinen Wert des § 934 ABGB, also idR dem Marktpreis entspricht (vgl Reischauer in Rummel/Lukas ABGB 4 § 934 Rz 28), kann aber auch nicht die Höhe des Anspruchs des vom Gerichtskommissär beauftragten Genealogen angesehen werden (vgl dazu G. Kodek , Die Suche nach unbekannten Erben im Verlassenschaftsverfahren, ÖJZ 2009, 197 [202 f]). Denn während der beauftragte Genealoge auch dann entlohnt wird, wenn er nicht fündig wird, beruht das Geschäftsmodell der Klägerin auf einer Querfinanzierung. Die Entlohnung nach erfolgreicher Suche muss in der Kostenrechnung des Erbensuchers auch den erfolglos gebliebenen Aufwand in anderen Fällen abdecken. Daher muss der Erbensucher bei Auffinden eines Erben eine (deutlich) über seinem tatsächlichen Aufwand liegende Entlohnung anstreben. Dazu kommt, dass für den Erbenermittler im Zeitpunkt seiner Leistungen nicht absehbar ist, ob es überhaupt zum Abschluss einer Honorarvereinbarung kommen wird.

Der objektive Wert von Leistungen eines Erbensuchers orientiert sich daher nach Auffassung des Berufungsgerichts weder an einem Prozentsatz vom Reinnachlass (ebenso Dornis , Die Erbensuche im Rechtsvergleich zwischen Österreich und Deutschland, ZfRV 2016/6, [38]), noch nach den Stundensätzen der Genealogen. Vielmehr ist ein erhöhter Stundensatz anzulegen, der die Notwendigkeit der Querfinanzierung berücksichtigt. Ob auch ein –  je nach Höhe des zufließenden Erbschaftsteils variierender - Prozentsatz im Bereich von 5 bis 10 % des Reinnachlasses gerechtfertigt sein kann, kann hier dahingestellt bleiben, weil hier mehr als das Doppelte vereinbart wurde.

4.5 Da der Anfechtende das Vorliegen der Voraussetzungen des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB zu behaupten und zu beweisen hat (vgl RS0016912 [T2]) und sich nicht mit der bloßen Behauptung begnügen kann, dass Leistung und Gegenleistung in einem auffallenden Missverhältnis stünden (RS0016915 [T3], RS0016520), lag es an der Beklagten, den Wert der klägerischen Leistungen darzutun. Ein entsprechendes Vorbringen fehlt jedoch. Im konkreten Fall schadet das nicht, weil das Erstgericht feststellte, dass die Klägerin die Beklagte innerhalb eines Tages ausgeforscht hat. Darüber hinaus ergibt sich aus dem bereits vom Erstgericht herangezogenen, unbestritten geblieben Schreiben der Klägerin vom 22.2.2018 (./C), dass zum Nachweis der Erbenstellung der Beklagten allein das Ausheben von Personenstandsurkunden notwendig war. Dieser Aufwand rechtfertigt auch unter Berücksichtigung eines erhöhten Stundensatzes aufgrund der oben dargestellten Notwendigkeit einer Querfinanzierung keinesfalls einen Betrag in Höhe des Klagsbegehrens, umso weniger das vereinbarte Entgelt von 23.911,75 Euro (= 25 % von 95.647,23). Dies selbst dann nicht, wenn man – entgegen dem Standpunkt der Klägerin – auch die anwaltlichen Leistungen berücksichtigt. Denn dem vom Erstgericht verlesenen Verlassenschaftsakt ist zu entnehmen, dass es nach der gegenständlichen Vereinbarung nur noch zu zwei Schätzungen (6.3. und 20.3.2018), einer Safeöffnung (28.3.2018), der Errichtung des Inventars (24.8.2018) und einer Inventarsberichtigung (18.12.2018) gekommen ist.

Zusammengefasst liegt daher eine grobe, leicht erkennbare Äquivalenzstörung iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB vor.

4.6 Der Tatbestand des Wuchers erfordert neben der objektiven Äquivalenzstörung auch, dass der Betroffene aus gewissen Gründen verhindert gewesen sein muss, die Äquivalenz aus eigenem wahrzunehmen (RS0016947[T2]). § 879 Abs 2 Z 4 ABGB erwähnt den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung. Die Aufzählung ist nicht taxativ ( Bollenberger in KBB 5 § 879 Rz 20). Die Beklagte stützte sich ausdrücklich auf eine Gemütsaufregung mit der Begründung, dass ihr kurz vor Vertragsabschluss die Möglichkeit einer hohen Erbschaft in Aussicht gestellt worden sei. Das Erstgericht sah sich aufgrund der Verneinung einer Äquivalenzstörung nicht veranlasst dazu Feststellungen zu treffen. Dies schadet jedoch nicht, weil ausreichend spezifiertes Tatsachenvorbringen von der Beklagten für das Vorliegen einer Zwangslage erstattet wurde.

Eine Zwangslage ist dann anzunehmen, wenn der Vertragsgegner vor die Wahl gestellt ist, in den Vertrag einzutreten oder einen Nachteil zu erleiden, der nach vernünftigem Ermessen schwerer wiegt, als der wirtschaftliche Verlust, den der Vertrag zur Folge hat (RS0104125). Die Zwangslage, die eine Anfechtung wegen Wuchers rechtfertigt, kann auch nur vorübergehend, psychisch oder vermeintlich sein und in Befürchtungen bestehen (RS0016878 [T1]).

Dass die Lage, in der sich die Beklagte befand, einer solchen Zwangslage entspricht, wurde bereits unter 4.3 dargelegt. In Fällen, in welchen der Erbe nach der ersten Kontaktaufnahme durch den Erbensucher mangels näherer Kenntnis nicht von sich aus an die Erbschaft gelangen kann, befindet sich der Erbe in einer Durcksituation; er kann sich nur schwer nach einem alternativen Anbieter der Erbrechtsinformationen umsehen und ist „seinem“ Erbensucher gewissermaßen ausgeliefert. In dieser Zwangssituation ist eine ausgewogene Preisbildung für die angebotenen Erbrechtsinformationen nicht denkbar. Der Willensmangeltatbestand des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ist aufgrund der speziellen Zwangslage der Erben daher jedenfalls erfüllt ( Limberg/Tschugguel , aaO [402]).

Auch die Beklagte befand sich in der beschriebenen Zwangslage, hatte sie doch von der Existenz ihres verstorbenen Cousins keine Kenntnis. Sie glaubte daher im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf die Informationen der Klägerin angewiesen zu sein, wenn sie den in Ausicht gestellten Erbteil nicht wieder verlieren wollte.

4.7 Das Tatbestandsmerkmal der Ausbeutung setzt schließlich voraus, dass der Wucherer zu seiner Bereicherung eine Lage benützt, die er nicht geschaffen haben muss, die ihm aber ebenso wie das Missverhältnis von Leistungen und Gegenleistungen bewusst ist oder hätte bewusst sein müssen (RS0016894). „Ausbeuten“ kann somit auch fahrlässig erfolgen (RS0104129). Zusammengefasst muss der Wucherer die Lage des Bewucherten und das grobe Missverhältnis der Leistungen gekannt haben oder er hätte sie zumindest erkennen müssen (vgl 7 Ob 50/18f mwN). Die typische Vorgehensweise der Erbensucher, einen Erben ohne dessen Auftrag zu ermitteln um diesem dann die Erbrechtsinformationen gegen Entgelt anzubieten, bringt es regelmäßig mit sich, dass der Erbe in die soeben geschilderte Zwangslage gerät. Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin sich zumindest bewusst war, dass der erfolgreiche Vertragsabschluss nur diesen besonderen Umständen zu verdanken war (vgl Limberg/Tschugguel , aaO [404]).

Zusammengefasst ist die Vereinbarung vom 22.2.2018, auf die die Klägerin ihr Klagebegehren ausschließlich stützt, wegen Vorliegens des Wuchers im Sinn des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB nichtig. Das Erstgericht hat daher das Klagebegehren im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Berufung der Klägerin bleibt daher ein Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Die ordentliche Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehlt, ob ein typischerweise in einer Drucksituation vereinbartes Entgelt – hier in Form eines (höheren) Prozentsatzes vom Reinnachlass – einen Marktpreis darstellen kann (§ 502 Abs 1 ZPO).

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