JudikaturJustiz33R92/23a

33R92/23a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
26. Januar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, den Richter Mag. Schmoliner sowie die Patentanwältin DI Bachinger-Fuchs in der Rechtssache der klagenden Partei B***** , vertreten durch die Schmidtmayr | Sorgo | Wanke Rechtsanwälte OG in Wien, unter Mitwirkung von Dr. Paul Ganter, MSc, Patentanwalt in Nürnberg, Deutschland, wider die beklagte Partei M***** , vertreten durch die e|n|w|c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, unter Mitwirkung von Cohausz Florack Patentanwälte in Düsseldorf, Deutschland, wegen Unterlassung (EUR 120.000), Beseitigung (EUR 15.000), Auskunft (EUR 10.000), Rechnungslegung (EUR 10.000), Zahlung (EUR 10.000) und Urteilsveröffentlichung (EUR 10.000) über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 15.5.2023, 30 Cg 33/22p-31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 5.018,28 (darin EUR 836,38 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung

Text

Die Klägerin ist Inhaberin unter anderem der Patente EP 2 975 327 (Klagspatent I), EP 3 869 107 (Klagspatent II) und EP 2 702 329 (Klagspatent III). Im Wesentlichen betreffen die Patente ein Kochfeld, das zusammen mit einer Vorrichtung zum Abzug von Kochdünsten und zum Betreiben des Kochfeldes eine Montageeinheit bildet, um Kochdünste in einem zentralen Bereich nach unten (und nicht über eine Dunstabzugshaube nach oben) abzusaugen.

Das für das Rekursverfahren relevante Klagspatent II ist eine Teilanmeldung aus der Europäischen Patentanmeldung Nr. 20216989.2 (veröffentlicht als EP 3 828 469 A1) und teilt somit deren Anmeldetag 28.4.2012.

Die Veröffentlichung der Patentanmeldung erfolgte am 25.8.2021, die Veröffentlichung der Patenterteilung am 23.2.2022. Im österreichischen Patentregister wurde das Klagspatent II unter der E-Nummer 1470759 eingetragen, und die Eintragung am 15.3.2022 im Österreichischen Patentblatt veröffentlicht.

Anspruch 1 des Klagspatents II lautet:

1. Kochfeld (1) mit

1.1. einer zentralen Aussparung (4) und

1.2. einer an seiner Unterseite (35) angebrachten Vorrichtung (36) zum Betreiben des Kochfeldes (1) und zum Abzug von Kochdünsten nach unten,

1.3. wobei das Kochfeld (1) mit der Vorrichtung (36) in Form einer Montageeinheit ausgebildet ist, und dadurch gekennzeichnet, dass

1.4. die Kochdünste von einem rotierenden Lüfterrad (65) vertikal nach oben in ein oberhalb einer Ansaugkammer (39) vorgesehenes Lüfter-Gehäuse (48) transportiert werden können.

Die Beklagte bringt in Österreich Kochfelder mit integriertem Dunstabzug (unter anderem mit der Modellbezeichnung KMDA 7476, KMDA 7633, KMDA 7634 und KMDA 7774), die von der in Deutschland ansässigen M***** Cie. KG hergestellt werden, unmittelbar und über autorisierte Fachhändler („M*****-Center“), sowie sonstige Wiederverkäufer aus dem Elektro- und Möbelfachhandelsbereich in Verkehr. Die angegriffenen Ausführungen der Beklagten verfügen jeweils über nur eine Kochdunst-Ansaugkammer und nur einen Lüfter-Motor.

Gegen das Klagspatent II wurden zahlreiche Einsprüche – unter anderem der M***** Cie. KG, nicht aber der Beklagten – vor dem Europäischen Patentamt (EPA) erhoben, über die bisher noch nicht entschieden wurde.

Die Klägerin begehrt die Unterlassung, Beseitigung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung. Die Beklagte biete über ihre Website und ihre Vertragshändler Kochfelder mit integriertem Dunstabzug an und vertreibe diese in Österreich. Ihre Modelle KMDA 7476, KMDA 7633, KMDA 7634 und KMDA 7774 verletzten die Klagspatente. Das Klagspatent II sei rechtsbeständig, was auch die Entscheidung des EPA im Einspruchsverfahren gegen Patent I zeige, das vom EPA im eingeschränkten Umfang aufrecht erhalten worden sei. Eine Überschreitung der ursprünglichen Offenbarung liege nicht vor; aus dieser ergebe sich für den Fachmann zweifelsfrei, dass auch eine Ausführung mit bloß einem einzigen Abluft-Lüfter – wie sie die Beklagte in ihren Modellen verwende – möglich sei.

Zur Sicherung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs beantragte sie auch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Die Beklagte wandte – soweit für dieses Rekursverfahren von Relevanz – ein, sie habe die Patente der Klägerin nicht verletzt, weil ihre Montageeinheit nur eine Kochdunst-Ansaugkammer und einen Lüfter-Motor enthalte. Das Klagspatent II überschreite die ursprüngliche Offenbarung und sei daher nichtig. Sein Anspruch 1 beschränke sich entgegen der ursprünglichen Offenbarung nicht auf das Vorhandensein von zwei oder mehr Lüftern. Ursprünglich sei darüber hinaus auch eine Mehrzahl von Kochdunst-Ansaugkammern offenbart worden, sodass auch diesbezüglich eine Überschreitung der ursprünglichen Offenbarung vorliege.

Das Erstgericht wies die Sicherungsbegehren mit Beschluss vom 21.12.2022 (ON 21) unbekämpft ab. Es ging dabei davon aus, das Merkmal 1.4. des Klagspatent II gehe über die ursprüngliche Offenbarung hinaus, die sich auf eine Vorrichtung mit einer Mehrzahl von Radial-Lüftern beschränkt habe, und sei daher nach überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht rechtsbeständig.

Mit dem angefochtenen Beschluss unterbrach das Erstgericht das Verfahren hinsichtlich des Klagspatents II gemäß § 156 Abs 3 PatG bis zur rechtskräftigen Beendigung des Einspruchsverfahrens vor dem EPA.

Rechtlich führte es aus, es sei – wie bereits in der Entscheidung im Provisorialverfahren dargelegt – wahrscheinlich, dass das Klagspatent II über die ursprüngliche Offenbarung hinausgehe und es daher nichtig sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen; hilfsweise den Beschluss abzuändern und auszusprechen, dass der Einwand der Nichtigkeit des Klagspatents verworfen werde und von einer Unterbrechung des Verfahrens abzusehen sei. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Voranzustellen ist, dass im Rekursverfahren ausschließlich zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für eine Unterbrechung nach § 156 Abs 3 PatG gegeben sind, und in diesem Zusammenhang, ob die Annahme der Wahrscheinlichkeit der Nichtigkeit des Patents durch das Erstgericht korrekturbedürftig ist.

§ 156 Abs 3 PatG lautet (Hervorhebungen durch den Rekurssenat):

„Hängt ein Urteil davon ab, ob das Patent nichtig (§ 48) ist, so hat das Gericht diese Frage vorerst selbständig zu prüfen. Das Patentamt erstellt auf Ersuchen des Gerichts ein schriftliches Gutachten, ob aufgrund der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Schriftstücke die Nichtigerklärung des Patents wahrscheinlich ist. Hält das Gericht die Nichtigkeit des Patents aufgrund des Beweisverfahrens für wahrscheinlich, so hat es das Verfahren zu unterbrechen.“

Die Unterbrechung liegt daher nicht bloß im Ermessen des Gerichts, sondern § 156 Abs 3 PatG hat einen zwingenden Charakter (4 Ob 41/15f; OLG Wien 133 R 39/18k; im Gegensatz dazu die deutsche Rechtslage, nach der die Aussetzung eine Ermessensentscheidung ist: vgl Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts § 9 Rz 164 ff; Fitzner/Lutz/Bodeweg, Patentrechtskommentar 4 Vor §§ 139 ff Rz 160 ff; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung 10 Rz 647):

Durch diese Bestimmung sollen einander widersprechende Entscheidungen von Gerichten und dem Patentamt vermieden werden, wobei das Gericht zwingend zu unterbrechen hat, wenn es die Nichtigkeit als wahrscheinlich annimmt (vgl Meinl in Stadler/Koller , PatG § 156 Rz 22; Weiser, PatG GMG³ § 156 PatG 616 f). Zu berücksichtigen ist auch, dass die Möglichkeit zur Verfahrensunterbrechung nach § 156 Abs 3 PatG die Zuständigkeit des Patentamts für die (endgültige) Entscheidung über den Bestand eines Patents absichern soll (RS0124044) und daher eine rein verfahrensrechtliche Bedeutung hat (vgl 17 Ob 18/08h).

2. Entgegen den Voraussetzungen im Provisorialverfahren, in dem die Patenterteilung einen ersten Anschein für das Bestehen des Patentrechts bewirkt und die Rechtsbeständigkeit eine widerlegbare Vermutung ist (RS0071369; RS0103412 [T1]; Weiser aaO 615 mwN), ist im Hauptverfahren die Nichtigkeit eigenständig zu prüfen.

3.1 Im Wesentlichen wendet sich der Rekurs gegen die Annahme des Erstgerichts, Anspruch 1 des Klagspatents II gehe über die Stammanmeldung hinaus und sei daher unzulässig erweitert. Auch die ursprüngliche Offenbarung beschränke sich nicht bloß auf eine Vorrichtung mit einer Mehrzahl von Radial-Lüftern. Außerdem stelle Merkmal 1.4. nicht auf Lüfter-Motoren oder Lüfter als solche ab, sondern auf das rotierende Lüfterrad. Pro Lüfter rotiere aber nur ein solches.

Diese Ausführungen überzeugen das Rekursgericht aus dem Blickwinkel der verfahrensrechtlichen Beurteilung nach § 156 Abs 3 PatG nicht:

3.2 Wie bereits das Erstgericht ausgeführt hat, lässt sich der Stammanmeldung (./S) durchgehend eine Ausführung mit zwei Lüfterrädern entnehmen (vgl dortige Figuren 12 bis 16 und folgende Ausführungen:)

Insbesondere die Figuren 14 und 16 zeigen, dass die Drehachsen der Radiallüfter-Motoren (56) vertikal ausgerichtet sein können und dass die von dem rotierenden Lüfterrad (65) vertikal nach oben ansaugend erfassten Kochdünste (63) in das oberhalb der jeweiligen Ansaug-Kammer (39) vorgesehene Lüfter-Gehäuse (48) transportiert werden können. (Seite 12, Rz 9-13)

Wie besonders aus Figur 15 ersichtlich, können – in einer Draufsicht – zwei Radial-Lüfter (38) in dem Lüfter-Gehäuse (48) beidseitig von der stromabwärts von der zentralen Kochfeld-Aussparung (4) vorgesehenen, rohrförmigen Abluft-Leitung (50) positioniert sein. Vorzugsweise sind dann die Drehrichtungen (73) der beiden Lüfterräder (65) dieser beiden Radial-Lüfter (38) zueinander entgegengesetzt: Gemäß Figur 1 5 kann – in einer Draufsicht – das linke Lüfterrad (65) entgegen dem Uhrzeigersinn rotativ antreibbar sein, während – in einer Draufsicht – das rechte Lüfterrad (65) dann im Uhrzeigersinn rotativ antreibbar ist. In diesem Falle können die beiden Ausblaskammern (67) der beiden Radial-Lüfter (38) zu der zentralen Abluft-Leitung (50) benachbart sein. (Seite 13 Rz 25 bis Seite 14, Rz 3)

Anspruch 14 lautet:

14. Kochfeld (1) nach einem der Ansprüche 1, 2, 11, 12 oder 13, dadurch gekennzeichnet, dass – in einer Draufsicht – zwei Radial-Lüfter (38) in dem Lüfter-Gehäuse (48) beidseitig von der stromabwärts von der zentralen Kochfeld-Aussparung (4) vorgesehenen, rohrförmigen Abluft-Leitung (50) positioniert sind, wobei die Drehrichtungen (73) der beiden Lüfterräder (65) dieser beiden Radial-Lüfter (38) zueinander entgegengesetzt sind, wobei – in einer Draufsicht – das linke Lüfterrad (65) entgegen dem Uhrzeigersinn rotativ antreibbar ist, während – in einer Draufsicht – das rechte Lüfterrad (65) im Uhrzeigersinn rotativ antreibbar ist, sodass die beiden Ausblaskammern (67) der beiden Radial-Lüfter zu der zentralen Abluft-Leitung (50) benachbart sind und die beiden Kochdunst-Ausblasströme (69) den stromabwärts von dem Raum (68) zur Aufteilung und Ausrichtung der der Ausblasströme (69) vorgesehenen Geruchsfilter (71) mittelbar über Luftleitflächen (70) oder unmittelbar gleichmäßig anströmen.

Die einzige Ausnahme dazu bildet die Figur 17 (./S, Seite 33), die nur ein einzelnes Lüfterrad abbildet. Dazu wird ausgeführt:

Figur 17 eine schematische Ansicht eines hohlzylindrischen Fettfilters (6), welcher lediglich mit einem einzigen Abluft-Lüfter (38) in Verbindung steht.

Figur 18 eine schematische Ansicht eines hohlzylindrischen Fettfilters (6), welcher mit zwei einander gegenüberliegenden Abluft-Lüftern (38) in Verbindung steht.

(./S, Seite 5 Rz 24-29)

Durch das Vorsehen von zwei oder mehreren, zueinander gegenüberliegenden Radial-Lüftern (38) stromabwärts von dem hohlzylindrischen Fettfilter (6) – gemäß den Figuren 17 und 18 – ergibt sich eine deutlich vergrößerte Wirkfläche des Fettfilters (6) und eine Erhöhung des Durchsatzvolumens unter Verbesserung des Fett-Abscheidegrades sowie unter Ausbildung eines besonders niedrigen Druckverlustes an der größeren, effektiv wirksamen Fettfilterfläche (6).

Dies führt zu dem Vorteil, dass die Lüfter-Motoren (56) der Radial-Lüfter (38) besonders klein, energiesparend, energieeffizient und leise ausgebildet sein können. Außerdem kann die Drehzahl der Lüfter-Motoren (56) geringer gewählt werden, weshalb die erfindungsgemäß eingesetzten Radial-Lüfter (38) besonders leise, vibrationsarm und energieeffizient arbeiten.

(./S, Seite 16 Rz 5 ff)

Figur 17 dient damit in Verbindung mit Figur 18 offensichtlich nur dazu, zu veranschaulichen, welche Vorteile sich durch eine Anordnung mit zwei oder mehreren (erfindungsgemäß eingesetzten) Radial-Lüftern ergeben. Darin liegt aber keine Erfindungsoffenbarung eines einzigen Lüfterrads.

Die Stammanmeldung offenbart somit kein Kochfeld, bei dem die Kochdünste nur durch ein einziges (rotierendes) Lüfterrad erfasst und in ein Lüfter-Gehäuse transportiert werden können.

3.3 Daran vermögen auch die Rekursausführungen, nach denen pro Lüfter nur ein Lüfterrad rotiere und dieses die Kochdünste aus jeweils einer Ansaugkammer in ein jeweils über dieser liegendes Gehäuse transportiere, nichts zu ändern. Vielmehr bestätigt die Klägerin damit das Vorbringen der Beklagten, nach dem die ursprüngliche Offenbarung mehrere Ansaugkammern umfasst habe, wogegen Merkmal 1.4 des Klagspatents II nur eine Ansaugkammer vorsehe.

3.4 Ferner wird in der gesamten Stammanmeldung nur ein „Radial“-Lüfter offenbart. Anspruch 1 des Klagspatents II ist jedoch nicht auf solche Lüfter beschränkt, sondern umfasst jegliche Art von Lüftern mit einem Lüfterrad, also zB auch Axiallüfter.

3.5 Der Anspruch ist deshalb wahrscheinlich unzulässig erweitert und geht wahrscheinlich über die Offenbarung der Stammanmeldung hinaus.

4. Ausgehend davon ist daher die Beurteilung des Erstgerichts, die Voraussetzung für eine Unterbrechung nach § 156 Abs 3 PatG sei gegeben, weil die Nichtigerklärung des Klagspatents wahrscheinlich sei, nicht korrekturbedürftig. Die Klägerin vermag mit ihrer Interpretation des Anspruchs dagegen keine berechtigten Bedenken zu erzeugen.

Da schon diese Erwägungen die Annahme des Erstgerichts tragen, eine Nichtigerklärung des Klagspatents II sei wahrscheinlich, war auf die – vom Erstgericht zur Begründung des Unterbrechungsbeschlusses nicht herangezogenen – Fragen der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit nicht weiter einzugehen.

5. Dem Einwand, die Unterbrechung widerspreche dem Unionsrecht, konkret Art 3 Abs 1 der Richtlinie 2004/48/EG, und dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK, ist in der gebotenen Kürze entgegenzuhalten: Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist stets im Lichte der Einzelumstände des Falls unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) festgelegten Kriterien zu beurteilen. Diese Kriterien sind insbesondere die Komplexität des Falls, das Verhalten der Parteien und das Verhalten der staatlichen Behörden (RS00120794). Eine allgemeine Regel, wonach jedes mehrere Jahre dauernde (Patent)verfahren gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoße, lässt sich der Rechtsprechung nicht entnehmen. Folgte man diesem Argument, widerspräche auch jedes Einspruchsverfahren vor dem EPA, das nach dem Vorbringen der Klägerin rund vier Jahre dauere, Art 6 MRK und Art 47 GRC. Patentverfahren sind – schon aufgrund der ihnen inhärenten Wechselbeziehung zwischen rechtlichen und technischen Aspekten – durchaus komplexe, mit gewöhnlichen Zivilverfahren kaum vergleichbare Verfahren.

Aus Sicht des Rekursgerichts sprechen damit auch keine grund- und unionsrechtlichen Bedenken gegen die Unterbrechung, die überdies auch nur eines von drei Patenten, auf die die Klägerin ihre Ansprüche stützt, betrifft.

6. Die angefochtene Entscheidung war daher zu bestätigen. Über den zwischenzeitig eingelangten Fortsetzungsantrag (ON 41) wird das Erstgericht zu entscheiden haben.

7. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands, der nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, orientiert sich an der von der Klägerin vorgenommenen unbedenklichen Bewertung des Streitgegenstands sowie der wirtschaftlichen Bedeutung des Patentrechts.

8. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Streit über die Verfahrensunterbrechung ist ein Zwischenstreit, der kostenrechtlich unabhängig vom Verfahrensausgang zu beurteilen ist (RS0035908) und in dem die Beklagte obsiegt hat. Ihr steht auch der Zuschlag für die Beiziehung eines Patentanwalts zu, weil nicht nur prozessual-juristische Fragen Gegenstand des Rekursverfahrens waren (4 Ob 71/19y; OLG Wien 33 R 61/22s ua; vgl auch EuGH C-531/20, NovaText ).

9. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (vgl RS0037059 [insbes T5]).