JudikaturJustiz32Bs47/24g

32Bs47/24g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
15. April 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld, Strafe und des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. November 2023, GZ 46 Hv 27/23k 14, nach der am 15. April 2024 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Seidl, im Beisein der Richterin Dr. Vetter und des Richters Dr. Farkas als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Dr. Lechner und der Privatbeteiligtenvertreterin Mag. B* sowie in Anwesenheit der Angeklagten A* und ihres Verteidigers Mag. Daniel Strauss durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I.a und I.b) sowie des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt, deren Vollzug gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde die Angeklagte schuldig erkannt, der Privatbeteiligten C* 200 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen. Mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen wurde die Privatbeteiligte auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* in **

I. nachgenannte Personen mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

a. am 22. Mai 2023, C*, indem sie sagte „Komm her, dann schlag ich dir ins Gesicht“;

b. am 2. September 2023, C* und D*, indem sie sagte „Kommt her, dann schlage ich euch“;

II. am 6. September 2023, C* durch Gewalt zu einer Handlung, nämlich dem Unterlassen des Filmens mit ihrem Handy, zu nötigen versucht (§ 15 StGB), indem sie mit ihren Fuß versuchte deren Handy wegzutreten und ihr einen Schlag gegen die Schulter versetzte.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, dass es zu II. beim Versuch geblieben ist, als mildernd, erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer Straftaten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die unmittelbar nach Urteilsverkündung wegen Schuld und des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche angemeldete Berufung der Angeklagten (ON 13 S 35), die in weiterer Folge fristgerecht und zulässigerweise (RIS Justiz RS0115811 [insb T7]) in puncto Nichtigkeit, Schuld, Strafe und des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche zur Ausführung gebracht wurde (ON 18).

Was die Reihenfolge der Behandlung der Berufungspunkte und Nichtigkeitsgründe anbelangt, geht eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung einer Rüge wegen der Z 9 bis 10a des § 281 Abs 1 (468 Abs 1 Z 4) StPO vor, jener wegen formeller Nichtigkeitsgründe jedoch nach (vgl Ratz, WK-StPO § 476 Rz 9).

Bezugspunkt der in Ansehung von II. erhobenen Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) ist der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen, also - soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden von der Berufung nicht angesprochen) - über schuld- oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS-Justiz RS0106268). Neben dem Erfordernis der Bezugnahme auf entcheidende Tatsachen nennt das Gesetz fünf Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit nach Z 5 nach sich ziehen:

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn - nach Beurteilung durch das Berufungsgericht, somit aus objektiver Sicht - nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Berufungswerber und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS-Justiz RS0117995).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS-Justiz RS0118316).

Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 438).

Im Sinne der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Wider- spruch stehen (RIS-Justiz RS0119089).

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (14 Os 72/02, RIS-Justiz RS0116732 und RS0118317).

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, RIS-Justiz RS0099431).

In Bezug auf alle fünf Fehlerkategorien ist die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS-Justiz RS0119370).

Vorauszuschicken ist, dass - soweit hier interessierend - eine Nötigung im Sinne des § 105 Abs 1 StGB begeht, wer nicht ganz unerhebliche körperliche Kraft zum Zweck der Willensbeugung einsetzt (RIS Justiz RS0093620[T1]). Dabei setzt Gewalt keine physische Berührung des Genötigten iS eines unmittelbaren Handanlegens voraus ( Seiler in SbgK § 105 Rz 19, 21), es genügt, wenn die Gewalthandlung so gestaltet ist, dass ein körperlicher Kontakt zumindest mittelbar auf den Körper des Opfers einwirkt (14 Os 146/14y) – das eingesetzte Mittel also darauf abzielt, die körperliche Sphäre des Opfers zu treffen ( Seiler aaO Rz 22; idS auch Leukauf/Steiniger/Tipold , StGB 4 § 105 Rz 6) -, wovon etwa auszugehen ist, wenn zwar unmittelbar „nur“ auf eine Sache eingewirkt wird, diese aber mit einer Person in einer Art und Weise verbunden ist, dass sich die Wirkung zwangsläufig auf den Körper „fortpflanzt“ ( Schwaighofer in WK 2 § 105 Rz 30).

Mit dem Monitum, dass im Urteilstenor, nicht jedoch in den Feststellungen von einem Schlag gegen die Schulter die Rede sei, ist die Angeklagte zwar grundsätzlich im Recht, spricht jedoch keine subsumtionsrelevante Tatsache an, weil bei der gebotenen Gesamtbetrachtung den Entscheidungsgründen – nach den obigen Ausführungen - tatbildliche Gewalthandlungen zu entnehmen sind, nämlich ein Tritt und ein Schlag der Angeklagten gegen das in Händen des Opfers befindliche Mobiltelefon (US 5 und US 9).

Auch mit den – wohl Undeutlichkeit monierenden – Ausführungen, den Feststellungen sei nicht zu entnehmen, ob die Angeklagte Gewalt gegen das Opfer oder nur gegen das in deren Hand befindliche Handy geübt habe, spricht die Angeklagte keine subsumtionsrelevante Tatsache an, weil – wie bereits angesprochen - Gewalt keine physische Berührung des Genötigten voraussetzt und es hinreicht, wenn die Gewalthandlung so gestaltet ist, dass ein körperlicher Kontakt zumindest mittelbar auf den Körper des Opfers einwirkt.

Mit dem Vorbringen, dass sich nicht eindeutig beurteilen lasse, ob das Opfer bzw dessen Handy von der Angeklagten überhaupt getroffen worden sei, was aber subsumtionsrelevant sei, weil eine Gewalteinwirkung lediglich auf das Handy den Tatbestand des § 105 Abs 1 StGB nicht verwirkliche, wird neuerlich übergangen, dass die tatbildliche Gewalt keine physische Berührung des Genötigten iS eines unmittelbaren Handanlegens voraussetzt, sondern das eingesetzte Mittel lediglich darauf abzielen muss, die körperliche Sphäre des Opfers zu treffen.

Entgegen der Rechtsansicht der Angeklagten, wonach bei versuchter Gewalt nur eine gefährliche Drohung vorliege, vermag ein misslungener Gewalteinsatz im Übrigen sehr wohl den Versuch einer Nötigung zu bewirken ( Seiler aaO Rz 20).

Der Berufung wegen Schuld ist vorauszuschicken, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungsgrundsätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind ( Mayerhofer , StPO 6 § 258 E 30 f; Kirchbacher , StPO 15 § 258 Rz 8). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so tut dies nichts zur Sache. Der Zweifelsgrundsatz stellt nämlich keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht – im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen – verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336). Es ist daher als Akt der freien Beweiswürdigung durchaus statthaft, wenn sich der Tatrichter mit plausibler Begründung für eine für den Angeklagten ungünstigere Variante entschieden hat ( Mayerhofer , aaO § 258 Rz 45).

Angesichts dieser Prämissen geht die Schuldberufung der Angeklagten ins Leere, weil die Tatrichterin, nachdem sie sich in der Hauptverhandlung einen persönlichen Eindruck von der Angeklagten und den Tatzeugen verschaffen konnte, unter Würdigung aller wesentlichen Ergebnisse des Beweisverfahrens nachvollziehbar darlegte, dass die Angeklagte die Tathandlungen jeweils in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen hat.

Dem Monitum, die Feststellungen zu II. würden sich bezüglich des Schlags und des Tritts auf die unglaubwürdige Aussage der Zeugin C* sowie das von dieser aufgenommene Video stützen, auf dem aber gerade nicht zu erkennen sei, dass die Angeklagte geschlagen und getreten habe, zumal die Bildqualität äußerst schlecht und es bereits dunkel gewesen sei, ist zu entgegnen, dass sich das Erstgericht akribisch mit dem vorgelegten Video auseinandergesetzt und aus dem daraus tatsächlich Ersichtlichen (etwa: dass die Angeklagte ihr rechtes Bein erhebt, dass sich der linke Arm der Angeklagten wiederum auf das Opfer bzw ihr Handy zubewegt)(US 8 f) sowie der Schilderung des Opfers lebensnahe und nachvollziehbare Schlussfolgerungen gezogen hat.

Soweit die Angeklagte kritisiert, die Aussage der C* sei unglaubwürdig, weil diese behauptet habe, dass die Hunde nicht angeleint gewesen seien, sich aus dem Video sowie aus dem Urteil jedoch das Gegenteil ergebe, ist vorauszuschicken, dass das Erstgericht tatsächlich davon ausging, dass die beiden Hunde der Angeklagten am Boden ständig angeleint waren und ein weiterer dauerhaft auf dem Arm gehalten wurde (US 5, 10). Die Aussage der Zeugin wurde vom Erstgericht aber dennoch als grundsätzlich glaubwürdig erachtet, weil C* diesen Umstand so in Erinnerung gehabt habe (US 10), was nicht nur mit Blick auf das Video, aus dem hervorgeht, dass das Opfer (bei Position 00.32 folgend) die Angeklagte auffordert, ihre Hunde anzuleinen (obwohl diese angeleint waren), sondern auch angesichts der durch Dunkelheit bewirkten schlechten Sichtverhältnisse nachvollziehbar ist.

Im Übrigen stützte sich das Erstgericht von der Berufungswerberin übergangen auch auf die Einlassung der Angeklagten, die das Handy der C* „wegschieben“ (ON 14 S 6) und von ihrem Gesicht rausschlagen wollte (ON 14 S 11) sowie sich nach Leibeskräften widersetzt habe (ON 2.15 S 6). Überdies verwies das Erstgericht auch auf ein nachvollziehbares Motiv für den Angriff, dies ausgehend von den Aussagen der Angeklagten und auch deren Verhalten in der Hauptverhandlung (US 9 f), sodass die lebensnahe Beweiswürdigung insgesamt zu überzeugen vermag.

Indem die Angeklagte aus den vorhandenen Beweisergebnissen sohin andere für sich günstigere Schlussfolgerungen zu ziehen trachtet, vermag sie die Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht zu erschüttern.

Dies gilt auch zu I., wobei hier zu betonen ist, dass sich das Erstgericht in Ansehung des Sinngehalts der Drohungen jeweils mit der konkreten (konfrontativen) Situation auseinandersetzte, sich etwa zu I.a nachvollziehbar darauf berief, dass das Opfer der Angeklagten alleine gegenüberstand und diese zur Unterstreichung ihrer Drohung die Hand erhob sowie zu I.b schlüssig erwog, dass eine erneut sich schnell aufschaukelnde Situation vorlag und die Angeklagte der C* bereits im Frühjahr mit einer Körperverletzung gedroht habe (US 7 f).

Da auch das Rechtsmittelgericht bei der im Rahmen der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hegt, haben die Schuldsprüche Bestand.

Der Rechtsrüge ist vorauszuschicken, dass deren gesetzmäßige Ausführung das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung hat (RIS-Justiz RS0099810; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 584). Demnach liegt keine prozessordnungsgemäße Darstellung eines derartigen Berufungsgrundes vor, wenn eine im Urteil konstatierte Tatsache übergangen wird (RIS-Justiz RS0099810 [T15]). Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann (RIS-Justiz RS0099810 [insbesondere T28]).

Soweit der Angeklagte mit der Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO in Ansehung von I.a und b moniert, dass sich mangels Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Äußerung nicht verlässlich beurteilen lasse, ob diese Formulierungen als tatbildliche Drohung mit einer Verletzung am Körper oder bloß als Ankündigung von Misshandlungen aufzufassen seien, ist er darauf zu verweisen, dass sich die vermissten Feststellungen zum Bedeutungsinhalt auf US 3 f finden.

Mit dem Vorbringen, dass die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Drohungen den Schuldspruch nicht tragen würden, weil bloß eine Misshandlung am Körper in Aussicht gestellt werde, stellt die Angeklagte - wie von der Oberstaatsanwaltschaft aufgezeigt - eigene Beweiswerterwägungen an und entfernt sich derart unzulässig vom festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810).

Indem das Erstgericht nicht bloß substanzlos die verba legalia des § 107 Abs 1 StGB verwendete, sondern zulässig auf die Verwendung der Worte der gesetzlichen Legaldefinition des § 74 Abs 1 Z 5 StGB zurückgriff, wird die Wirksamkeit der Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Drohung – wie von der Oberstaatsanwaltschaft dargelegt - nicht beeinträchtigt (RIS-Justiz RS0098936, insbesondere T1 und T12).

Soweit in Ansehung von II. - wie bereits mit der Mängelrüge – behauptet wird, dass einer Verurteilung entgegenstünde, dass die Gewalt wenigstens mittelbar auf den Körper des Opfers einwirken müsse, was sich anhand der getroffenen Feststellungen nicht verlässlich beurteilen lasse, entfernt sich die Angeklagte von den Feststellungen, denen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung eindeutig zu entnehmen ist, dass sich der Tritt und der Schlag jeweils gegen das in der Hand des Opfers befindliche Handy richtete (US 5 und US 9), sodass - iS der zur Mängelrüge getätigten Rechtsausführungen und im Übrigen der überschaubaren Größe eines Mobiltelefons, das keineswegs ein geeignetes Schutzschild gegen Fußtritte und Schläge darstellt - zumindest mittelbare Gewalt anzunehmen ist.

Soweit die Angeklagte in Ansehung von II. den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO anspricht und auf unterlassene Feststellungen zum Vorliegen bzw Nichtvorliegen des Rechtfertigungsgrundes nach § 105 Abs 2 StGB abstellt, weil C* die Angeklagte am 6. September 2023 mit ihrem Handy ohne deren Einwilligung gefilmt habe, was einen unzulässigen Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht darstelle und die Videoaufzeichnung auch nicht gerechtfertigt gewesen sei, um eine Straftat oder Verwaltungsübertretung durch die Angeklagte zu dokumentieren, weil ihre Hunde an diesem Tag ordnungsgemäß angeleint gewesen wären, ist vorauszuschicken wie folgt:

Im Rahmen des in § 105 Abs 2 StGB normierten speziellen Rechtfertigungsgrundes gilt die Anwendung von Gewalt (jedenfalls wenn es sich um grobe Gewalt handelt) im Allgemeinen als unzulässiges Mittel zur Durchsetzung irgendwelcher Ziele ( Schwaighofer in WK² § 105 Rz 77 mwN).

Nachdem die Angeklagte - entgegen ihres Monitums - den Feststellungen folgend keineswegs isoliert Gewalt gegen einen Gegenstand geübt hat, sondern sich ihre Aggression zumindest mittelbar gegen das, das Mobiltelefon in Händen haltende Opfer, sohin insbesondere gegen dessen Hand und Finger richtete, ist von zumindest mittelbarer Gewalt gegen eine Person auszugehen, die mit Blick auf das Vorliegen von einem Tritt und einem Schlag als grob eingestuft werden kann.

Überdies ist der von der Angeklagten ins Treffen geführte Bildnisschutz zwar grundsätzlich ein Persönlichkeitsrecht im Sinne des § 16 ABGB (RIS-Justiz RS0123001) und kann die Herstellung von Bildnissen einer Person in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen und ohne Verbreitungsabsicht einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen (RIS-Justiz RS0128659). Ob aber ein Filmen ein Eingriff in Persönlichkeitsrechte darstellt oder ob dies im Sinne der Rechtsprechung gerechtfertigt ist, ist durch eine umfassende Interessensabwägung zu ermitteln (RIS-Justiz RS0078088, RS0008990). Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass C* bereits zuvor durch die Angeklagte bedroht worden (vgl I.) und die Angeklagte auch wiederholt mit ihren Hunden ohne Leine (und offensichtlich auch ohne Maulkorb) unterwegs war (US 4 f) und sohin einen Verwaltungsstraftatbestand gesetzt hat (vgl §§ 5 Abs 1 iVm 13 Abs 2 Z 3 Wiener Tierhaltegesetz). Mit Blick darauf, dass dem Filmen darüber hinaus ein Wortgefecht auf Distanz vorausging (US 5), ist C* ein berechtigtes Interesse zuzubilligen, einen gefürchteten neuerlichen Angriff zu Beweiszwecken festzuhalten. Dass das Recht der Angeklagten an ihrem Bildnis einem Interesse der C*, einen befürchteten Angriff auf ihre (Willens-)Freiheit zu dokumentieren, überwiegt, ist nicht erkennbar, zumal dies – auch in Ansehung des Umstands, dass dem Vorfall keine weitere Zeugen beiwohnten - im Wesentlichen darauf hinauslaufen könnte, dass ein weiterer Angriff der Angeklagten, die sich im Zuge der Filmaufnahme dem Opfer immer weiter annäherte (US 5), undokumentiert geblieben und damit schwer zu beweisen gewesen wäre (vgl dazu 6 Ob 206/19s mwN).

Rechtliche Beurteilung

Zur Berufung wegen Strafe:

Die konkreten Tathandlungen, die jeweils eine deutliche Überreaktion auf soziale Interaktionen zeigen, sowie das Verhalten der Berufungswerberin im Verfahren (vgl etwa US 6 und 10) deuten darauf hin, dass die der Angeklagten attestierte „therapieresistente Depressio im Rahmen der emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung, impulsiver Typ“ (vgl die mit der Berufung vorgelegten Unterlagen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen insb die Zusammenfassung von Sachverständigengutachten [ON 18.3]) für die Tatbegehungen mitbestimmend war, sodass der von ihr monierte Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 1 StGB nicht außer Acht zu lassen war.

Soweit die Angeklagte zu allen Tatangriffen das Vorliegen einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung behauptet, weil sie, teils aufgrund einer Provokation durch das Opfer (widerrechtliches Filmen, unrichtige Behauptung, dass die Hunde nicht angeleint gewesen wären), jeweils spontan aus einem Impuls heraus gehandelt habe, ist vorauszuschicken, dass der besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 8 StGB voraussetzt, dass sich der Täter durch den heftigen Affekt in einer psychischen Ausnahmesituation befand, wobei der Affekt allgemein begreiflich sein muss. Davon kann zu den Sachverhalten zu I, wo durch die Opfer ein Hinweis auf die tatsächlich bestehende Leinenpflicht erfolgte sowie das Rufen der Polizei bei einem (weiteren) Verstoß dagegen in Aussicht gestellt wurde (US 3 f), keine Rede sein, zumal sich die Angeklagte tatsächlich im Unrecht (Verstoß gegen die Leinenpflicht) befand. Aber auch der Hinweis auf die Leinenpflicht durch das Opfer (zu II.) - obwohl tatsächlich kein Verstoß vorlag – im Zusammenhalt mit dessen Filmen vermag den geltend gemachten Affekt nicht allgemein begreiflich erscheinen lassen, zumal die Angeklagte das Opfer zuvor bereits zweifach bedroht hatte.

Darüber hinaus liegt auch der von der Angeklagten monierte Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 19 StGB nicht vor. Dies würde voraussetzen, dass die Angeklagte durch die Tat oder als Folge der Tat, sohin durch die von ihr gesetzten strafbaren Handlungen der Drohung und der Nötigung oder als deren Folge eine beträchtliche Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten hat, wovon mit Blick auf den Umstand, dass die Angeklagte sich Mobbing ausgesetzt sieht und sich dadurch ihre Vorerkrankung verschlechtert habe (ON 18.2) sowie, dass ein Krankenstand von 15. September 2023 bis 13. Oktober 2023 belegt ist (ON 18.5), keine Rede sein kann.

Bei rechtbesehener Abwägung der solcherart ergänzten Strafzumessungslage erweist sich die vom Erstgericht bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen verhängte dreimonatige Freiheitsstrafe trotz Hinzutreten eines Milderungsgrundes keiner Reduktion zugänglich, weil die Strafe – insbesondere im Hinblick auf das Zusammentreffen von Vergehen – äußerst moderat bemessen wurde.

Auch die Berufung der Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche ist nicht im Recht.

Eine ersatzfähige Körperverletzung ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit. Bei psychischen Beeinträchtigungen ist entscheidend, ob diese medizinisch behandlungsbedürftig oder zumindest medizinisch diagnostizierbar sind. Psychische Beeinträchtigungen, die bloß in Unbehagen und Unlustgefühlen bestehen, sind nicht ausreichend, sodass etwa reine Angstgefühle oder Schlafstörungen keine Schmerzengeldansprüche auslösen ( Hinteregger in Kletecka / Schauer ABGB-ON § 1325 [Stand 1. August 2022] Rz 2). Die Feststellungen des Erstgericht, wonach eine krankheitswertige Beeinträchtigung der Psyche des Opfers eingetreten sei (US 5, 10), sind in Ansehung der Inanspruchnahme des Sozialpsychiatrischen Notdienstes durch C* am Tag nach dem Vorfall (ON 12.2) und deren Aussage, nach dem Vorfall sehr aufgelöst gewesen zu sein und sich krankgemeldet zu haben (ON 13 S 20), mit Blick auf die in Rede stehende versuchte Nötigung (II.), die mit einer körperlichen Attacke einherging, nachvollziehbar. Aufgrund der aktuellen Schmerzengeldsätze für leichte Schmerzen und § 273 ZPO, wonach auf eine Schätzung zurückgegriffen werden kann, ist auch die Höhe angemessen.

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