JudikaturJustiz32Bs294/23d

32Bs294/23d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
26. März 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB über die Berufungen des Genannten sowie der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 27. Juli 2023, GZ 24 Hv 2/23s-50.5, nach der am 26. März 2024 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Seidl, im Beisein der Richterin Dr. Vetter und des Richters Dr. Farkas als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Wohlmuth LL.M. sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seiner Verteidigerin Mag. Scheed durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht, hingegen jener des Angeklagten mit der Maßgabe, dass die Freiheitsstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. September 2023, AZ 14 Hv 24/23h, als Zusatzstrafe zu gelten hat, Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf sechs Monate herabgesetzt.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 29. Juni 2022 in ** mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, nämlich den Staat an seinem Recht auf Verfolgung der in § 20 Abs 1 und 2 StVG niedergelegten Vollzugszwecke sowie „auf Einhaltung des in § 30 Abs 1 StVG verankerten Geschäftsverbots zwischen Häftlingen und Vollzugsbeamten“, den Justizwachebeamten B*, sohin einen Beamten, durch die Aufforderung, er möge „leiwand“ sein und ihm gegen Bezahlung „etwas besorgen“, wissentlich (US 3) dazu zu bestimmen versucht, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch „wissentlich“ zu missbrauchen, dass er ihm verbotene Gegenstände (§ 33 Abs 1 StVG) überlässt (US 3), wobei es beim Versuch blieb, weil der Justizwachebeamte der Aufforderung nicht nachkam.

Bei der Strafbemessung wertete das Gericht die Tatbegehung in Strafhaft als erschwerend, als mildernd hingegen den Umstand, dass die Tat beim Versuch geblieben ist.

Nach Zurückweisung der vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 28. November 2023, GZ 14 Os 102/23s-4, ist nunmehr über die Berufung des Angeklagten (ON 54) und jene der Staatsanwaltschaft (ON 53) zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Nur dem Rechtsmittel des Angeklagten kommt (teilweise) Berechtigung zu.

Voranzustellen ist zunächst, dass A* mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. September 2023, AZ 14 Hv 24/23h, wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter und vierter Fall StGB (I./1./), des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (I./2./) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (II./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt wurde.

Wird jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt wurde, wegen einer anderen Tat verurteilt, die – wie vorliegend – nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können, so ist gemäß § 31 Abs 1 StGB innerhalb der dort normierten Grenzen eine Zusatzstrafe zu verhängen, deren Bemessung (samt Möglichkeit des Absehens von einer zusätzlichen Strafe) § 40 StGB regelt. Erwächst das Vorurteil noch vor Strafneubemessung oder Erledigung einer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung im Rechtsmittelverfahren in Rechtskraft, ist § 31 StGB durch das Rechtsmittelgericht anzuwenden (RIS-Justiz RS0090926). Denn dann ist im Zeitpunkt der Strafbemessung durch das Rechtsmittelgericht die Voraussetzung des § 31 Abs 1 erster Fall StGB erfüllt ( Ratz in WK 2 § 31 Rz 3).

Im Hinblick auf die sohin gebotene Bedachtnahme auf das Vorurteil gemäß §§ 31, 40 StGB war zu ermitteln, welche Strafe bei gemeinsamer Aburteilung zu verhängen gewesen wäre, wobei bei der solcherart vorzunehmenden gedanklichen Ermittlung der Strafhöhe für den Fall der Aburteilung sämtlicher Taten in einem Urteil demnach auch alle Strafzumessungsgründe miteinzubeziehen waren, die das Vorurteil betrafen (RIS-Justiz RS0091425), wobei es nicht von Bedeutung ist, welche Strafzumessungsgründe im Vorurteil herangezogen wurden. Vielmehr ist die Strafbemessung mit Rücksicht auf die neu hinzugekommenen Strafzumessungsgründe nach Maßgabe jener vorzunehmen, die im damaligen Verfahren richtigerweise heranzuziehen gewesen wären ( Ratz in WK 2 StGB § 40 Rz 2).

Die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe sind solcherart dahin zu ergänzen, dass mit Blick auf die vom Vorurteil erfassten Straftaten vom Zusammentreffen zweier Vergehen mit zwei Verbrechen und vom Vorliegen von sieben einschlägigen Vorstrafen auszugehen war (ON 45). Als mildernd war bei gesamthafter Betrachtung beider Urteile der Umstand zu werten, dass es (insgesamt) teilweise beim Versuch geblieben ist.

Die (im Hinblick auf die dem nunmehrigen Schuldspruch zugrunde liegende) Tatbegehung während des Vollzugs einer Strafhaft war lediglich im Rahmen des § 32 Abs 2 StGB als aggravierend zu werten (vgl ON 45; 14 Os 86/20h).

Im Rahmen des § 32 StGB aggraviert überdies die (wiederholte) Delinquenz während anhängigen Strafverfahrens, zumal der Angeklagte zu der vom nunmehrigen Schuldspruch erfassten Tat bereits am 14. Oktober 2022 (ON 5.5) als Beschuldigter einvernommen wurde und danach am 29. Juni 2023 und 1. Juli 2023 die vom Vorurteil erfassten Straftaten beging (RIS-Justiz RS0119271).

Da ein durchschnittlich rechtstreuer Mensch selbst bei Annahme einer ungerechtfertigten „Behandlung durch die Anstaltspsychiaterin“, sich zu der dem Angeklagten zur Last liegenden Tat (versuchte Bestimmung eines Justizwachebeamten zum Missbrauch der Amtsgewalt) nicht hätte hinreißen lassen, liegt auch der (der Sache nach vom Angeklagten geltend gemachte) Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 8 StGB nicht vor (vgl RIS-Justiz RS0091042; Riffel in WK 2 StGB § 34 Rz 20).

Inwiefern es einen Milderungsgrund darstellen soll, dass er den Justizwachebeamten „lediglich zur Besorgung eines ungefährlichen, allgemein erlaubten Gegenstandes bestimmen wollte“, vermag die Berufung nicht darzulegen.

Bei rechtbesehener Abwägung der dargestellten Strafzumessungslage und der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB anzustellenden Erwägungen erweist sich die vorliegend - ausgehend von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe - über den Angeklagten verhängte Sanktion auf Grund der nunmehr vorzunehmenden Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das in Rede stehende Vorurteil als zu hoch bemessen. Demgemäß war seiner Berufung (unter gleichzeitiger Abweisung jener der Staatsanwaltschaft) Folge zu geben und die verhängte – nunmehr als Zusatzstrafe anzusehende – Freiheitsstrafe auf das im Spruch ersichtliche Maß herabzusetzen.

Die Voraussetzungen für eine (vom Berufungswerber begehrte) bedingte Strafnachsicht waren angesichts des angeführten Vorlebens und der neuerlichen Straffälligkeit während des Vollzugs einer Strafhaft nicht gegeben.

Rechtssätze
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