JudikaturJustiz32Bs18/24t

32Bs18/24t – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
18. April 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Vetter und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* wegen Nichtgewährung des Strafvollzugs in Form des elektronisch überwachten Hausarrests (im Weiteren: eüH) über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. November 2023, GZ 191 Bl 44/23t 11, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Landesgericht für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht einer Beschwerde des A* (./2 im eüH-Akt) gegen den Bescheid des Leiters der Justizanstalt Wien Simmering vom 31. Juli 2023, GZ 2023/0200, mit dem dessen Antrag auf Vollzug der über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. August 2021, AZ 112 Hv 49/21b, verhängten unbedingten Freiheitsstrafe in Dauer von vier Monaten in Form des eüH abgewiesen worden war (./3 im eüH-Akt), nicht Folge.

Begründend ging das Erstgericht wortwörtlich von folgendem Sachverhalt aus:

Die Strafregisterauskunft des am ** geborenen A* weist insgesamt fünf teils massive Verurteilungen auf, wovon die den ersten beiden Verurteilungen zu Grunde liegenden Taten vom Beschwerdeführer als junger Erwachsener begangen worden sind (ON 4).

Konkret wurde der Beschwerdeführer erstmals am 1.7.2014 vom Landesgericht für Strafsachen Wien, AZ 161 Hv 61/14t, wegen dem Verbrechen des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 3.Fall, 142 Abs 1, 143 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Jahren verurteilt, wobei ein Teil der Strafe von 2 Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren samt Anordnung von Bewährungshilfe bedingt nachgesehen wurde. Dem Schuldspruch lag die Zurverfügungstellung von zwei Eisenstangen und zwei Sturzhelmen für die Verübung eines bewaffneten Trafiküberfalls, bei dem das Opfer von den beiden unmittelbaren Tätern mehrfach mit den Eisenstangen auf den Kopf und den Rücken geschlagen wurde, sowie das Lenken des Fluchtfahrzeuges zu Grunde.

Aus dem unbedingt zu verbüßen gewesenen Strafteil (1 Jahr) wurde A* am 4.9.2014 vorzeitig bedingt entlassen, wobei der offene Strafrest von 3 Monaten und 10 Tagen anlässlich der noch zu erörternden vierten Verurteilung ebenso widerrufen wurde, wie – nach bereits erfolgter Probezeitverlängerung im Zuge der zweiten Verurteilung - der bedingt nachgesehene Strafteil (2 Jahre), sodass diese gesamte Strafe bis zum 18.6.2020 am Beschwerdeführer vollzogen wurde.

Die zweite Verurteilung des A* durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 6.5.2015, AZ 162 Hv 56/15s, erfolgte wegen Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, weil er (nur rund ein halbes Jahr nach seiner bedingten Entlassung) mit der Zufügung zumindest einer Körperverletzung gedroht hatte, indem er während der mehrfach getätigten Äußerung sein Opfer umbringen zu wollen einen Hi-Hat-Ständer sowie eine Spielzugpistole in der Hand gehalten hatte. A* wurde deshalb zu einer für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, wobei auch diese bedingte Strafnachsicht nach Probezeitverlängerung anlässlich der dritten Verurteilung im Zuge der vierten Verurteilung widerrufen wurde und er das Haftübel dazu bis zum 28.9.2020 zu verspüren hatte.

Die dritte Verurteilung des Beschwerdeführers erfolgte am 9.2.2016 (rechtskräftig seit 13.2.2016) durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 154 Hv 40/15d wegen am 30.10.2015 versuchten Ladendiebstahls von fünf USB-Sticks nach §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen á € 4,-- (insgesamt € 600,--), im Nichteinbringungsfall zu 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Über Antrag des Beschwerdeführers wurde ihm Ratenzahlung in Form von 6 Monatsraten á € 100,-- mit Beschluss vom 15.2.2016 bewilligt, wobei er die diesbezügliche Gerichtssendung nicht behob und erst nach Einschaltung seiner Bewährungshelferin bloß die 1. Rate zu € 100,-- samt € 8,-- Einhebungsgebühr verspätet entrichtete. Hinsichtlich der restlichen € 500,-- blieb die Hereinbringung auch nach Einschaltung der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien ergebnislos, weshalb A* zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe oder – alternativ - zur Zahlung der restlichen Geldstrafe iHv € 500,-- oder Erbringung von 250 Stunden an gemeinnützigen Leistungen aufgefordert wurde. Da eine Vermittlung von gemeinnützigen Leistungen daran scheiterte, dass der Beschwerdeführer zu den beiden Einladungen zu Gesprächsterminen nicht erschienen ist und keine Reaktion auf die diesbezüglichen Schreiben setzte, wurde der Strafantritt bereits geplant. Erst nachdem feststand, dass die Ersatzfreiheitsstrafe im Anschluss an die aus Anlass der vierten Verurteilung zu hg 024 Hv 36/16m zu verbüßenden Sanktionen erfolgen sollte, langte die Zahlung des restlichen Betrags iHv € 500,-- bei Gericht ein (ON 17, ON 21 bis ON 35 in hg 154 Hv 40/15d).

Der vierten Verurteilung des A* lag das Verbrechen einer versuchten absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB durch Schläge und Fußtritte in den Gesichts- und Brustbereich auf ein dann am Boden liegendes Opfer gemeinsam mit einem weiteren Täter in einem mittelstark alkoholisierten Zustand zu Grunde, weshalb der nur tatsachengeständige und durch eine Videoaufnahme der Tat überführte einschlägig vorbestrafte Beschwerdeführer am 19.7.2016 (rechtskräftig seit 23.7.2016) vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 024 Hv 36/16m zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt wurde.

Mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 15.12.2020 zu AZ 820 BE 305/20i wurde A* aus dieser Freiheitsstrafe, aus Anlass derer sämtliche offenen bedingten Strafnachsichten und Entlassungen widerrufen worden waren, somit einem Haftblock von insgesamt 5 Jahren, 2 Monaten und 10 Tagen, nach Verbüßung eines Teils der Freiheitsstrafe von 4 Jahren, 8 Monaten und 10 Tagen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren sowie Anordnung von Bewährungshilfe und einer Psychotherapieweisung am 28.2.2021 bedingt entlassen. Diese Probezeit wurde aus Anlass der letzten und fallgegenständlichen fünften Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 112 Hv 49/21b auf insgesamt 5 Jahre verlängert, wobei 6 Monate von diesem Freiheitsentzug noch offen sind.

Der nunmehr in Vollzug zu setzende Freiheitsentzug von 4 Monaten beruht auf der letzten - insgesamt fünften - Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 16.8.2021 (rechtskräftig seit 2.12.2021), AZ 112 Hv 49/21b, wegen eines am 24.4.2021, somit nur 2 Monate nach der letzten Haftentlassung, begangenen Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB. Konkret täuschte der Beschwerdeführer sein Opfer bei einem Privatkauf eines Staubsaugers über die wirksame Zahlung der dafür zu begleichenden € 25,-- durch Übergabe eines mehrfach gefalteten € 50,-- Scheines, bei dem es sich tatsächlich um eine Souvenirbanknote handelte.

Die ihm nach Durchführung eines für ihn erfolglos gebliebenen Rechtsmittelverfahrens zugestellte Aufforderung zum Antritt der über ihn verhängten Freiheitsstrafe von 4 Monaten wurde von A* nicht behoben, weshalb die Zustellung durch die Polizei veranlasst werden musste. Knapp vor Ende der Strafantrittsfrist von einem Monat beantragte A* dann Strafaufschub unter Vorlage einer Einstellungszusage der B* KG und der Behauptung ab 1.2.2022 bei diesem Unternehmen vollzeitbeschäftigt zu sein. Diesem Ansuchen wurde mit Beschluss vom 10.2.2022 gemäß § 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG stattgegeben und der Strafvollzug im maximalen Ausmaß bis zum 10.2.2023 aufgeschoben (ON 31ff und ON 36f in hg 112 Hv 49/2021b).

Tatsächlich hat A* bei der B* KG lediglich vom 1. bis zum 9.2.2022 (also 9 Tage!) vollzeit- und dann erst wieder vom 1.5.2022 bis zum 22.8.2022 geringfügig beschäftigt gearbeitet. In der übrigen Zeit des einjährigen Strafaufschubs hat der Beschwerdeführer lediglich einen Tag am 21.9.2022 geringfügig beschäftigt in einer anderen Pizzeria gearbeitet (ON 3).

Nur einen Tag vor Ende des bis 10.2.2023 gewährten Strafaufschubs hat A* den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vollzug in Form eines elektronisch überwachten Hausarrestes am 9.2.2023 gestellt.

A* verfügt über eine für den Vollzug in Form des elektronisch überwachten Hausarrests geeignete Wohnmöglichkeit in einer 40 m² großen Mietwohnung, die er jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung am 9.2.2023 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin C* bewohnt hat, welche ihre Einwilligung zur begehrten Vollzugsform in der auch von ihr bewohnten Unterkunft bereits anlässlich der Antragstellung am 8.2.2023 schriftlich erteilt hat (Beilage der ON 9 in ON 1). Der immer wieder nur in sehr kurzen bzw. vorübergehenden idR geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen befindlich gewesene Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt seiner Antragstellung am 9.2.2023 beschäftigungslos und bezog Notstandshilfe vom AMS E*. Er legte seinem Antrag eine Einstellungszusage der F* e.U. ab 15.3.2023 bei, war aber auch noch im Erhebungszeitraum durch die Sozialarbeiterin des Vereins NEUSTART im April 2023 ohne Beschäftigung und wollte sich auf seine Karriere als Musiker konzentrieren. Seine bislang einzige Vollzeitbeschäftigung erfolgte über bloß 9 Tage, vom 1.2.2022 bis 9.2.2022, bei der B* KG. Danach war er stets sehr kurz jeweils geringfügig bei insgesamt drei verschiedenen Dienstgebern beschäftigt. Insbesondere liegt keine Anmeldung zur Sozialversicherung seit 1.9.2023 beim Unternehmen F* e.U. oder einem anderen Arbeitgeber vor (ON 3, ON 6 und ON 8).

Es kann nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer während der Dauer eines elektronisch überwachten Hausarrests einer geeigneten, eine ausreichende Tagesstruktur schaffenden und den Lebensunterhalt sichernden Beschäftigung nachgeht sowie ein Einkommen bezieht. Auch ist ein entsprechender Kranken- und Unfallversicherungsschutz nicht feststellbar (ON 6 und ON 8).

A* hat sich im Zuge des Erhebungsverfahrens unzuverlässig, nicht kooperativ, unehrlich und antisozial eingestellt präsentiert. Er zeigt auch keinerlei Verantwortungsübernahme.

Beweiswürdigend hielt das Erstgericht wortwörtlich fest wie folgt:

Beweiswürdigend stützt sich der festgestellte Sachverhalt auf die bei den einzelnen Konstatierungen zitierten Fundstellen im Akt beziehungsweise in den beigeschafften Strafakten sowie im Wesentlichen auf die von der Justizanstalt Wien-Simmering zur Verfügung gestellten, auch die Eingaben und vorgelegten Dokumente des Beschwerdeführers enthaltenden Unterlagen, insbesondere den Erhebungsbericht des Verein NEUSTART vom 28.4.2023, die Strafvollzugsanordnung vom 7.12.2021, das Protokoll über das Parteiengehör vom 12.6.2023, den Bescheid vom 31.7.2023, die dagegen erhobene Beschwerde vom 16.8.2023 sowie die Stellungnahme der Anstaltsleitung der Justizanstalt Wien-Simmering vom 17.8.2023 (ON 1). Weiters fußen die Feststellungen zum getrübten Vorleben und dem beruflichen Werdegang auf der von Amts wegen eingeholten aktuellen Strafregisterauskunft vom 25.8.2023 (ON 4) und den beigeschafften Sozialversicherungsdatenauszügen vom 25.8.2023, 6.9.2023 und 6.10.2023 (ON 3, ON 6 und ON 8) im Zusammenhalt mit der Einsichtnahme in die beigeschafften Akten des Landesgerichts für Strafsachen Wien AZ 161 Hv 61/14t, AZ 162 Hv 56/15s, AZ 154 Hv 40/15d, AZ 024 Hv 36/16m und AZ 112 Hv 49/21b, insbesondere in die darin erliegenden Urteile, sowie die Akten über die bedingten Entlassungen, AZ 185 BE 212/14w und AZ 184 BE 68/21x jeweils des Landesgerichts für Strafsachen Wien.

Da keine Erhebungen zu der Geeignetheit der Beschäftigung durch den Verein NEUSTART gepflogen werden konnten, weil der Beschwerdeführer im Erhebungszeitraum beschäftigungslos und sein künftiger Arbeitgeber nicht erreichbar war, waren die Angaben des A* zu seiner Beschäftigung anlässlich seiner Antragstellung nicht weiter überprüf- und daher auch nicht feststellbar. Bezüglich der erst anlässlich der Beschwerdeerhebung vorgelegten Einstellungszusage der Firma F* e.U. ab 1.9.2023 erbrachten die deshalb amtswegig eingeholten Sozialversicherungsdatenanfragen vom 6.9.2923 und vom 6.10.2023 keine Anmeldung des Beschwerdeführers zur Sozialversicherung ab 1.9.2023, obwohl A* in seiner Stellungnahme vom 5.9.2023 behauptete, den festen Arbeitsplatz iSd Einstellungszusage ab 1.9.2023 bereits tatsächlich angetreten zu haben. Aus dem zuletzt eingeholten Sozialversicherungsdatenauszug ergibt sich in diesem Zusammenhang vielmehr ein wiederholter Notstandshilfebezug zuletzt bis 27.9.2023 und seither keine weitere Meldung (ON 8).

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass sich aus dem Sozialversicherungsdatenauszug vom 25.8.2023 ergibt, dass A* lediglich 9 Tage, von 1. bis 9.2.2022, bei der B* KG vollzeit- und dann erst wieder von 1.5.2022 bis 22.8.2022 allerdings bloß geringfügig beschäftigt als Arbeitnehmer angemeldet war (ON 3), sodass er zum Zeitpunkt des ihm mit Beschluss vom 10.2.2022 gewährten Strafaufschubs von einem Jahr zwecks Bildung von finanziellen Rücklagen, um seiner Unterhaltsverpflichtung während seiner Haft nachkommen zu können, sowie zur Sicherung seines Arbeitsplatzes und Erhalts seiner Wohnung (ON 37 in hg 112 Hv 49/21b), schon gar nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis stand und somit die Grundlage für die Gewährung des Strafaufschubes gar nicht mehr gegeben war. Daraus, sowie auch aus den Ausführungen der Sozialarbeiterin des Vereins NEUSTART, wonach sie vom Beschwerdeführer im Zuge der Hauserhebung darum gebeten worden sei, ihre Erhebungen hinauszuzögern, weil er noch Auftritte als Musiker geplant habe, ergibt sich das Bild einer unaufrichtigen und manipulativen Persönlichkeit des Beschwerdeführers, der nichts unversucht lässt, seinen Strafantritt hinauszuzögern. Die weiteren Konstatierungen zur Unzuverlässlichkeit, mangelnden Verantwortungsübernahme und antisozialen Einstellung des A* fußen auf den Wahrnehmungen der Sozialarbeiterin des Vereins NEUSTART über das ihr gegenüber gesetzte Verhalten des Beschwerdeführers. Dieser öffnete zum ursprünglich vereinbarten Termin des Hausbesuchs die Wohnungstüre nicht und war auch telefonisch nicht erreichbar. Seine letzte Tathandlung „rechtfertigte“ er beim späteren Termin damit, sich gedacht zu haben, er „könne diese dummen Ausländer eh ausnützen“. Die Sozialarbeiterin kam deshalb auf Grund all ihrer getätigten Erhebungen und Eindrücke insgesamt zu dem Ergebnis, dass A* aus sozialarbeiterischer Sicht nicht für den elektronisch überwachten Hausarrest geeignet ist (ON 4 in ON 1).

Die Negativfeststellungen zu Beschäftigung, Einkommen und dem erforderlichen Versicherungsschutz erfolgten auf Grund diesbezüglich nicht vorhandener Nachweise und dementsprechend keiner dazu erfolgten Überprüfung.

Rechtlich erwog das Erstgericht zusammengefasst, dass die Voraussetzung des § 156c Abs 1 Z 4 StVG nicht vorliege, weil der Beschwerdeführer seit seinem 19. Lebensjahr ein strafrechtlich massiv getrübtes Vorleben aufweise und trotz wiederholtem Verspüren des Haftübels im Gesamtausmaß von mehreren Jahren und der zuletzt nach bereits zuvor gewährten Rechtswohltaten der bedingten und teilbedingten Strafnachsicht und bedingten Entlassung neuerlich gewährten bedingten Entlassung unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren nur zwei Monate nach seiner Haftentlassung das diesem Verfahren zugrundeliegende Delikt begangen habe, zudem er nicht nur vor Gericht sondern auch gegenüber der Sozialarbeiterin im Zuge der durchgeführten Erhebungen nicht bereit gewesen wäre, Verantwortung zu übernehmen, sondern sein Vorgehen bagatellisierte. Die Einhaltung von Verpflichtungen und Terminen sei nur mangelhaft erfolgt, A* habe wiederholt ihm zugestellte Gerichtssendungen unbeachtet gelassen und bis zuletzt keinen Nachweis der Aufnahme einer Beschäftigung, eines Einkommens und eines aufrechten Versicherungsschutzes erbracht. Er habe weder das Scheitern der Beschäftigungsaufnahme ab 15. März 2023 noch ab 1. September 2023 bekanntgegeben, sondern vielmehr sogar einen Arbeitsantritt ab 1. September 2023 in seiner Stellungnahme vom 5. September 2023 tatsachenwidrig behauptet und zudem auch im Zuge des von ihm begehrten Strafaufschubs eine Berufstätigkeit ins Treffen geführt, der er dann tatsächlich gar nicht nachgekommen sei. Insgesamt ergebe sich das Bild eines weder zuverlässigen noch paktfähigen Mannes mit jahrelanger krimineller Neigung, den weder Rechtswohltaten, bedingte Strafnachsichten und Entlassungen samt Resozialisierungshilfen noch das mehrjährige Verspüren des Haftübels zu einem rechtskonformen Leben veranlasst habe. Es sei daher im Zusammenhalt mit seiner mangelnden Kooperationsbereitschaft zu befürchten, dass er den ihm während der Anhaltung im eüH notwendigerweise auferlegten Verpflichtungen weder termingerecht noch zuverlässig nachkommen und er diese Art der Vollzugsform missbrauchen werde.

Da sohin nicht sämtliche nach § 156c Abs 1 StVG erforderlichen Voraussetzungen vorlägen, sei ganz unabhängig vom Fehlen einer geeigneten Beschäftigung, einem ausreichenden Einkommen und einem erforderlichen Kranken und Unfallversicherungsschutz der Beschwerde keine Folge zu geben gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A*, der zusammengefasst moniert, dass bei ihm „unzweifelhaft Einschränkungen von Beschäftigungen durch die fünffache Vorstrafenbelastung“ bestünden. Da im Beschwerdeverfahren kein Neuerungsverbot gelte, werde vorgebracht, dass abgesehen von Erwerbstätigkeiten das Absolvieren von Fortbildungsmaßnahmen statt einer festen Arbeitsstruktur in Betracht komme. Hinsichtlich der späteren Verwertbarkeit einer solchen angestrebten Berufsausbildung sollten keine anderen Maßstäbe angelegt werden, als ein im Vollzug dem Betroffenen zur Verfügung stehendes Angebot. Er strebe während der Anhaltung in der Fußfessel in Kooperation mit dem AMS eine Ausbildung zum „Lager(logistik-)arbeiter“, verbunden mit einem Staplerführerschein an. Diese Ausbildung nehme sicherlich mehrere Monate in Anspruch. Aus und Fortbildungsmaßnahmen würden wie ein fester Arbeitsplatz der Resozialisierung dienen. Er könne sich während der Ausbildung beim AMS versichern bzw werde ihm eine geringfügige Beschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden angeboten, wodurch ein ausreichender Kranken und Unfallversicherungsschutz gewährleistet werden könne. Er sei auch jederzeit bereit dem Gericht eine Bestätigung über eine erfolgte Anmeldung (offensichtlich gemeint: beim AMS) vorzulegen, sofern dies im Beschwerdeverfahren bereits verlangt werde.

Ebenso lasse sich keine Missbrauchsgefahr ableiten, da er zu seinen begangenen Straftaten voll schuldeinsichtig sei und während eines eüH auch die Möglichkeit der sozialarbeiterischen Betreuung durch den Verein Neustart bestehe, sodass eine Missbrauchsgefahr nahezu ausgeschlossen sei (ON 16).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat. Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.

Hat das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberlandesgericht Wien den Beschluss weder aufheben noch – um das Ermessen anders auszuüben – abändern ( Pieber in WK 2 StVG § 16a Rz 5; Drexler/Weger , StVG 5 § 16a Rz 2).

Die Bewilligung eines eüH hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen dieser Vollzugsform abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist. Dabei zu treffende Ermessensentscheidungen bewirken gemäß § 16a Abs 2 StVG keine Rechtswidrigkeit. Auch die Ermessensentscheidung über die gemäß § 156c Abs 1 Z 4 StVG zu treffende Prognose betrifft – solange dem Vollzugsgericht dabei kein an die Grenzen des Missbrauchs gehender Fehler unterlief oder es den vorgegebenen Ermessensrahmen eklatant missachtet hätte – keine erhebliche Rechtsfrage ( Drexler/Weger , aaO § 156c, Rz 14/1).

Die Vollzugsform des eüH setzt ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Kooperationsbereitschaft voraus. Im Rahmen der nach § 156c Abs 1 Z 4 StVG aufzustellenden Risikoprognose hinsichtlich eines Missbrauchs des eüH stellen bereits begangene strafbare Handlungen Risikofaktoren dar, die gemäß § 156c Abs 1 Z 4 StVG neben den Wohnverhältnissen und dem sozialen Umfeld des Verurteilten in die Beurteilung der Missbrauchsgefahr einzufließen haben. Darüber hinaus sind etwa die Gefährlichkeit des Betroffenen, Art und Beweggrund der Anlasstat oder früherer Verurteilungen, der nunmehrige Lebenswandel und die Chancen auf ein redliches Fortkommen nach der Haft als weitere Aspekte zu berücksichtigen. Dabei besteht für die Strafvollzugsbehörden ein Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen die Entscheidung anhand der gesetzlichen Kriterien zu begründen ist ( Drexler/Weger , aaO Rz 14 mwN).

Die Gewährung eines eüH ist mit einem entsprechenden Vertrauensvorschuss verbunden, zumal keine dem geschlossenen Vollzug vergleichbare physische Überwachungsmöglichkeit besteht. Missbrauchsgefahr liegt demnach dann vor, wenn jeweils aufgrund konkreter Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Verurteilter den eüH zur Begehung einer strafbaren Handlung ausnützt, flüchten wird oder diese Vollzugsform im konkreten Fall sonst nicht mit den Vollzugszwecken (§ 20) in Einklang gebracht werden kann ( Drexler/Weger, aaO Rz 15 mwN). Gefahrenträchtig ist etwa eine negative Verlässlichkeitsprognose, wenn also der Antragsteller nur eine mangelnde Kooperationsbereitschaft bzw Paktfähigkeit zeigt ( Drexler/Weger, aaO Rz 15/1 mwN).

Gegenständlich weicht das Erstgericht weder von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab, wonach eine negative Missbrauchsprognose zur Ablehnung eines Antrags auf eüH führt, noch wurden dabei vorzunehmende Ermessensentscheidungen außerhalb des gesetzlichen Rahmens bzw. in unvertretbarer Weise getroffen. Vielmehr hat das Erstgericht die Prognose vorbildlich aus penibel zur Darstellung gebrachten aktenkundigen Umständen, etwa dem Vorleben des Verurteilten und dem Bericht des Vereins Neustart, abgeleitet. Mit der Behauptung, dass die Möglichkeit der sozialarbeiterischen Betreuung während des eüH eine Missbrauchsgefahr nahezu ausschließen würde, vermag der Beschwerdeführer keine Fehler in der Ermessensentscheidung aufzuzeigen. Auch mit seiner Beteuerung, zur begangenen Straftat voll schuldeinsichtig zu sein, vermag er die Feststellungen des Erstgericht, das seine nicht vorhandene Schuldeinsicht schlüssig aus der gegenüber der Sozialarbeiterin des Vereins NEUSTART getroffenen Äußerung, er „könne diese dummen Ausländer eh ausnützen“, ableitete (BS 8), keineswegs in Frage zu stellen.

Da die in §§ 156b und 156c StVG genannten Voraussetzungen für die Gewährung eines eüH nach den Intentionen des Gesetzgebers kumulativ vorliegen müssten, wobei das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen zur Ablehnung des Antrages führt ( Drexler/Weger, aaO § 156d Rz 5 mwN), war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

Sohin ist nur der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass auch die vom Beschwerdeführer gar nicht beanstandete Feststellung, wonach er zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Erstgerichts keiner Beschäftigung nachgegangen ist, die bekämpfte Entscheidung trägt. Die Voraussetzungen für den Vollzug im eüH müssen nämlich (spätestens) zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Bewilligung bzw Ablehnung des Antrags durch das Vollzugsgericht vorliegen (vgl OLG Wien 32 Bs 343/21g, 33 Bs 43/16i).

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde erstmals Bereitschaft signalisiert ein Ausbildungsverhältnis einzugehen, was einer Beschäftigung gleichzuhalten sei, stellt er zudem auf Neuerungen ab, die – entgegen seiner Rechtsansicht – im Verfahren vor dem Oberlandesgericht als Vollzugsgericht unbeachtlich sind. Neuerungsverbot ist in diesem Verfahren gegeben, weil Beschlüsse des Vollzugsgerichts – das nicht als erste Instanz entscheidet – nach § 16 Abs 3 StVG nur wegen Rechtswidrigkeit angefochten werden können (vgl Pieber in WK 2 StVG § 121a Rz 3; OLG Wien, 33 Bs 48/14x, 33 Bs 226/16a) und gemäß § 17 Abs 2 Z 2 iVm Z 1 StVG die Bestimmung des § 65 AVG, wonach Neuerungen im Berufungsverfahren zulässig wären, nicht anzuwenden ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.

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