JudikaturJustiz32Bs14/24d

32Bs14/24d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
18. April 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie den Richter Dr. Farkas und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 6. November 2023, GZ 194 Bl 41/23y-4, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Verfahrenshilfe wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Text

B e g r ü n d u n g:

Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Vollzugsgericht das Verfahren (nach § 121c StVG) im Zusammenhang mit einer von A* am 11. August 2023 (ON 1) erhobenen Säumnisbeschwerde ein.

Das Erstgericht hielt dazu wortwörtlich fest wie folgt:

„Mit Eingabe vom 11.8.2023 (ON 1) brachte A* einen „§ 91 GOG Devolutions Antrag“ ein und monierte darin, dass er am 9.11.2022 einen Antrag an die Anstaltsleiterin der Justizanstalt Wien-Mittersteig gestellt habe, der bis dato nicht erledigt worden sei. Konkret habe er um die Besorgung von EUR 0,50 Marken mit Bezahlung aus seinem GGV-Konto Eigengeld sowie weiteren Equipments (Büroartikel) angesucht.

In ihrer Stellungnahme vom 23.8.2023 (ON 3) bestätigte die Anstaltsleiterin den Eingang des Ansuchens am 9.11.2022. Dieses sei am 25.11.2022 dahingehend erledigt worden, dass dem Beschwerdeführer mitgeteilt wurde, dass seine Anregungen zur Kenntnis genommen werden, zum damaligen Zeitpunkt aber kein Bedarf an der Ausweitung des BVB-Angebots bzw. einer Ausweitung des Bestellwesens bestand. Diese Mitteilung sei am 30.11.2022 zur Kenntnis gebracht worden, weshalb keine Fristversäumnis vorliege.

[…]

Folgender Sachverhalt steht fest:

Am 9.11.2022 suchte der Beschwerdeführer um die Besorgung von EUR 0,50 Marken mit Bezahlung aus seinem GGV-Konto Eigengeld sowie weiteren Equipments (Büroartikel) an.

Mit Mitteilung vom 25.11.2022 teilte die Anstaltsleiterin dem Beschwerdeführer mit, dass die Anregung auf Ausweitung des ho. BVB-Angebots bzw. die „umgehende Besorgung“ diverser Gegenstände zur Kenntnis genommen werde. Derzeit ergebe sich jedoch kein Bedarf der Ausweitung des BVB-Angebots bzw. einer Ausweitung des Bestellwesens. Vielmehr wurde der Beschwerdeführer auf die Angebote der ho. BVB bzw. die zur Verfügung gestellten Bestellhäuser verwiesen. Die Mitteilung wurde dem Beschwerdeführer am 30.11.2022 zur Kenntnis gebracht.

Fallkonkret war unstrittig, dass der Beschwerdeführer am 9.11.2022 eine Administrativbeschwerde erhoben hat (der Beschwerdeführer spricht von einem „Antrag“, die Anstaltsleiterin von einem „Ansuchen“). Darüber wurde mit einer „Mitteilung“ vom 25.11.2022 entschieden. Die Bezugnahme in der Erledigung auf einen Antrag (hier: „Schreiben vom 31.10.2022, 9. und 11.11.2022“) der Partei weist jedenfalls auf einen Bescheidwillen hin (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 58 Rz 9 mwN). Dass die Anstaltsleiterin ihre Erledigung als Mitteilung bezeichnet, ist nicht ausschlaggebend (vgl. OLG Wien 32 Bs 84/23x).

Da die Entscheidung in Bezug auf das vom Beschwerdeführer als unerledigt monierte Ansuchen bereits vor Einlangen der Säumnisbeschwerde vom 11.8.2023 (ON 1) getroffen worden war, war das Verfahren einzustellen.“

Dagegen richtet sich die rechtzeitige (als solche zu wertende – vgl ON 8) Beschwerde des A* (ON 6), in der er einen Antrag auf „umfassende Verfahrenshilfe für alle Rechtsschritte/Mittel, einschließlich OGH, EUGH u. EGMR, sowie Beigabe eines fachlichen Verfahrenshelfers gem. Art. 47 GRC, § 61 Abs. 2, 4 StPO zur Erhebung einer Beschwerde an das OLG-Wien i.V.m Art. 3, 5 Abs 1, 6 EMRK“ stellt. Er habe als mittelloser, wehrloser und kranker Angehaltener als amtlich anerkannt „Blöder“ zu gelten. Die Verfahrenshilfe ergebe sich auch aus der Maßnahmenstudie BMJ-V70301/0061-III 1/2014. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs habe jeder in einer Maßnahme Angehaltener das Recht auf Verfahrenshilfe. Der Verwaltungsgerichtshof vertrete die Auffassung, dass die Bestimmungen der StPO über die Verfahrenshilfe analog anwendbar seien. Insgesamt gelte die StPO in allen Fällen, in denen das StVG keine „Lex Specialis Regelung“ vorsehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 16a Abs 1 Z 1 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat (Abs 2). Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.

Verfahrenshilfe ist im gegenständlichen Verfahren nicht vorgesehen, weil die Strafprozessordnung in den Beschwerdeverfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG keine subsidiäre Wirkung entfaltet, sodass allein die in § 17 Abs 2 StVG vorgesehenen Normen des AVG und des VStG zur Anwendung kommen, welche die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht vorsehen (RIS-Justiz RW0000767; Pieber in WK² StVG § 17 Rz 19; Drexler/Weger , StVG 5 § 17 Rz 7). Mangels subsidiärer Wirkung der StPO kommt die Bestimmung des § 61 StPO somit nicht zur Anwendung.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang Art 47 GRC ins Treffen führt, ist vorauszuschicken, dass dieser Bestimmung zufolge Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, Prozesskostenhilfe bewilligt wird, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.

Die GRC gilt gemäß ihrem Art 51 Abs 1 erster Satz für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe fällt, wenn kein Zusammenhang mit der Umsetzung, Auslegung oder Vollziehung von Unionsrecht besteht, nicht in den Anwendungsbereich der GRC ( Holoubek/Oswald , GRC-Kommentar² Art 51 Rz 23).

Zunächst handelt es sich im vorliegenden Fall um keine unter Art 6 Abs 1 EMRK fallende Rechtssache, weil weder ein Verfahren über eine strafrechtliche Anklage, noch über eine Streitigkeit wegen „civil rights“ iSd Art 6 EMRK vorliegt.

Da auch ein Zusammenhang mit Unionsrecht iSd Art 51 GRC nicht vorliegt, ist die Charta – die nicht unter das Recht der Union fällt, da sie anderenfalls ihre eigene Anwendbarkeit auslösen würde ( Meyer/Hölscheidt , GRC 5 Art 51 Rz 55; Holoubek/Oswald , GRC-Kommentar 2 Art 51 Rz 25) - nicht anzuwenden. Damit kann der Anspruch auf Verfahrenshilfe nicht auf Art 47 GRC gestützt werden.

Auch aus dem vom Beschwerdeführer zitierten Erlass BMJ-V70301/0061 III 1/2014 (Titel: Arbeitsgruppe Massnahmenvollzug, Bericht an den Bundesminister für Justiz über die erzielten Ergebnisse) lässt sich für seinen Standpunkt nichts gewinnen, zumal dort lediglich die Empfehlung ausgesprochen wird, dass bei Untergebrachten gemäß § 21 Abs 2 StGB im Entlassungsverfahren das Erfordernis der notwendigen Verteidigung (iSd § 61 StPO) ab dem Zeitpunkt des urteilsmäßigen Strafendes, bei Untergebrachten gemäß § 21 Abs 1 StGB ab einer Unterbringung von drei Jahren, bestehen soll (vgl S 76 des angesprochenen Berichts).

Fallkonkret moniert A* mit seiner Eingabe vom 11. August 2023 (ON 1), dass sein Antrag vom 9. November 2022 bis dato nicht erledigt worden sei, und spricht sohin – wie vom Vollzugsgericht zutreffend erkannt - eine Säumnis der Anstaltsleiterin an.

Die für das gerichtliche Verfahren über eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht geltende Sonderbestimmung ist in § 121c StVG normiert. Beschwerdelegitimiert ist, wer im vollzugsbehördlichen Verfahren ein subjektives Recht auf eine Entscheidung des Anstaltsleiters zu haben behauptet. Das ist in der Regel jene Person, die den verfahrenseinleitenden Antrag eingebracht hat. Die Beschwerdefrist beginnt grundsätzlich sechs Monate ab dem die Entscheidungspflicht der Vollzugsbehörde auslösenden Ereignis, das ist das Einlangen des Antrags des Strafgefangenen auf Sachentscheidung bei jener Stelle, bei der der Antrag einzubringen war ( Drexler/Weger , StVG 5 § 121c Rz 1). Wurde der Bescheid schon vor Einlangen der Beschwerde erlassen oder wird er nachgeholt, bevor die Akten dem Gericht vorgelegt worden sind, wird das Verfahren eingestellt. Die Beschwerde ist diesfalls gegenstandslos ( Drexler/Weger , aaO Rz 5; Pieber in WK 2 StVG § 121c Rz 5). Auch wenn in § 121c StVG nur von Bescheiden die Rede ist, gilt diese Bestimmung sinngemäß auch für Entscheidungen, die nicht in Form eines Bescheids ergehen ( Pieber in WK 2 StVG § 121c Rz 6).

Da der vom Beschwerdeführer als unerledigt monierte Antrag bereits vor Einlangen der als Säumnisbeschwerde zu wertenden Eingabe vom 11. August 2023 (ON 1) in Form einer (vom Vollzugsgericht als Bescheid qualifizierten) Mitteilung der Anstaltsleiterin vom 25. November 2022 (die Kundmachung gegenüber A* erfolgte am 30. November 2022) einer Erledigung zugeführt worden war (ON 3 S 3), hat das Erstgericht das Verfahren zutreffend eingestellt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.

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