JudikaturJustiz2R96/13b

2R96/13b – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
11. April 2013

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Richter Hofrat Dr. Höfle als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Mayrhofer und Dr. Ciresa als weitere Senatsmitglieder in der Schuldenregulierungssache der G***** S *****, vertreten durch die IfS-Schuldenberatung gemeinnützige GmbH in Bregenz, über den Rekurs der Treuhänderin A***** gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Bludenz vom 13. März 2013, 9 S 32/12i-15, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert , dass der Antrag des Drittschuldners vom 7.3.2013 (ON 14) zurückgewiesen wird.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00 nicht.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 21.5.2012, 9 S 32/12i-3, wurde über das Vermögen der Schuldnerin G***** S***** das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, wobei der Schuldnerin die Eigenverwaltung belassen wurde. Die Summe der anerkannten Forderungen beträgt EUR 86.654,75.

Nachdem in der Tagsatzung vom 31.7.2012 der von der Schuldnerin angebotene Zahlungsplan von den Gläubigern nicht angenommen worden war, leitete das Erstgericht mit Beschluss vom 31.7.2012 (ON 10) das Abschöpfungsverfahren ein und bestellte die Rekurswerberin zur Treuhänderin. Dieser Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 14.2.2013 langte beim Erstgericht die Mitteilung der Vertretung der Schuldnerin vom 12.2.2013 (ON 13) ein, dass die Schuldnerin mit Datum 10.10.2012 ihre bezugauszahlende Stelle gewechselt habe. Die neue bezugauszahlende Stelle sei die S***** GmbH, *****. Die Schuldnerin verdiene ca EUR 550,00 monatlich und zahle weiterhin aus Eigenerlag auf das Treuhandkonto ein.

Am 12.3.2013 langte beim Erstgericht der Antrag der Drittschuldnerin S***** (idF: Drittschuldnerin) vom 7.3.2013 (ON 14) ein festzustellen, welche der von ihr benannten Forderungen an erster Stelle stehe, nämlich die Forderung der betreibenden Partei U***** aufgrund der am 17.1.2013 zur GZ 9 E 38/13b bewilligten Fahrnis- und Gehaltsexekution oder die der Rekurswerberin.

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 17.1.2013 war der U***** zur Hereinbringung einer Forderung von EUR 150,41 sA unter anderem die Forderungsexekution gemäß § 294a EO bewilligt worden. Der bekannt gewordenen Drittschuldnerin wurde die Exekutionsbewilligung am 29.1.2013 zugestellt.

Die Treuhänderin bringt im Rekurs vor, sie habe mit Schreiben vom 14.2.2013 die Drittschuldnerin von der Abtretung im Abschöpfungsverfahren informiert.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht festgestellt, dass die Forderung der Gläubigerin U***** „den ersten Pfandrang genießt“.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der fristgerechte Rekurs der Treuhänderin mit dem Abänderungsantrag festzustellen, dass die Abtretung des pfändbaren Einkommens (gemeint: an sie) bei der Drittschuldnerin ersten Pfandrang genieße und das pfändbare Einkommen auf das Treuhandkonto der Rekurswerberin zu überweisen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs erweist sich im Ergebnis im Sinne einer Antragszurückweisung als begründet.

1.

Durch den rechtskräftigen Beschluss des Insolvenzgerichts, dass der Sanierungsplan oder der Zahlungsplan bestätigt, das Abschöpfungsverfahren eingeleitet oder aus sonstigen Gründen das Insolvenzverfahren aufgehoben wird, tritt der Schuldner wieder in das Recht, über sein Vermögen frei zu verfügen, soweit dieses Bundesgesetz nicht eine Einschränkung festlegt (§§ 59, 200 Abs 4 IO). Der Schuldner erlangt wieder seine frühere Rechtsstellung. Die mit dem Insolvenzverfahren verbundenen Beschränkungen fallen weg. Der Schuldner unterliegt allerdings den Obliegenheiten des § 210 IO.

Die Rechtsstellung des Treuhänders und seine Aufgaben sind in der IO gesetzlich geregelt. Eine weitere Beschränkung des Schuldners ist mit der Bestellung des Treuhänders nicht verbunden. Nach Maßgabe der Abschöpfungserklärung geht auf den Treuhänder der pfändbare Teil des Einkommens und sonstiger Bezüge mit Einkommensersatzfunktion über (§ 202 Abs 2 IO). Die Hauptaufgabe des Treuhänders liegt darin, die Beträge, die er durch die Abtretung erlangt und sonstige Leistungen des Schuldners von seinem Vermögen getrennt zu halten, fruchtbringend anzulegen und zu verteilen. Daneben treffen ihn Überwachungsfunktionen. Im Umfang der Abtretungserklärung, die sich nur auf den pfändbaren Teil der Forderungen des Schuldners auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion bezieht, stehen dem Treuhänder unmittelbare Rechte zu (8 O 3/08m mwN). Der Treuhänder kann auch eine Drittschuldnerklage erheben, um den pfändbaren Teil gegenüber dem Drittschuldner geltend zu machen (Mohr, Privatkonkurs² 110).

Aus dieser in § 203 IO definierten Rechtsstellung der Treuhänderin lässt sich hier ihre Rechtsmittellegitimation ableiten:

Den Spezialregelungen der Insolvenzordnung lässt sich keine generelle Abgrenzung der Rekurslegitimation entnehmen. Auszugehen ist vom Grundsatz, dass rechtsmittellegitimiert ist, wem Beteiligtenstellung im Verfahren zukommt. Da die IO bloß vereinzelt festlegt, wer an einem Verfahrensabschnitt beteiligt ist, ist das im Auslegungsweg zu ermitteln (Konecny, Die Zulässigkeit des Rekurses gegen Beschlüsse der Insolvenzgerichte, ÖJZ 2012/118, 1035 [1039]). Nach herrschender Meinung kann jeder einen Rekurs erheben, der sich als in seinem Recht verletzt erachtet, wobei eine wirtschaftliche Betroffenheit nicht ausreicht. Nicht notwendig ist der Eingriff in eigene Rechte. Vielfach agieren Personen im Interesse fremder Rechte. Vordringlich maßgeblich ist daher, wer die vom Beschluss betroffenen Rechte im jeweiligen Verfahrensabschnitt wahrzunehmen hat, also die Beteiligung am Unterverfahren. Nur ausnahmsweise ist allein aus dem beschlussmäßigen Eingriff in Rechte die Rekurslegitimation abzuleiten. Das ist insbesondere dort der Fall, wo das Insolvenzgericht seine Befugnisse überschreitet und dabei Rechte verletzt, für deren Schutz im Insolvenzverfahren nicht vorgesorgt ist (Konecny aaO 1041).

Nach Mohr (in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 203 Rz 2) ist die Abtretung einer Pfändung gleichzuhalten, woraus sich jedenfalls ein rechtliche Interesse der Treuhänderin im Zusammenhang mit der Frage, an wen Zahlung durch die Drittschuldnerin erfolgt, ableiten lässt.

Selbst wenn aber die Beteiligtenstellung der Rekurswerberin verneint würde, ließe sich ihre Rekurslegitimation jedenfalls aus der Überschreitung der Befugnisse durch das Insolvenzgericht durch den angefochtenen Beschluss, wie noch auszuführen sein wird, ableiten.

2.

Gemäß § 292k Abs 1 Z 3 EO hat das Exekutionsgericht ua zu entscheiden, ob an der Gehaltsforderung oder einer anderen in fortlaufenden Bezügen bestehenden Forderung, deren Pfändung durch das Gericht bewilligt wurde, tatsächlich ein Pfandrecht begründet wurde. Gemeint ist damit die Frage, ob tatsächlich ein Pfändungspfandrecht begründet wurde und ob es noch besteht. Das Gericht hat hingegen nicht über den Vorrang einer Zession oder einer rechtsgeschäftlichen Verpfändung gegenüber einer gerichtlichen Pfändung zu entscheiden (Resch in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 292k Rz 9 mwN).

Mohr (aaO) vertritt die Ansicht, dass die Bestimmung des § 292k EO im insolvenzrechtlichen Abschöpfungsverfahren analog heranzuziehen sei. Diese Ausführungen werden von ihm im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 205 IO getätigt. Er bezieht sich dabei auf König, der in ecolex 1995, 253, die Ansicht vertreten hat, dass bei der KO-Novelle 1993 die Aufnahme einer Norm im Abschöpfungsverfahren für die sinngemäße Heranziehung der Erleichterungen für den Drittschuldner bei der Lohn- und Gehaltsexekution sinnvoll gewesen wäre. Demzufolge hat das Landesgericht Linz in seiner Entscheidung vom 19.3.1999, 15 R 43/99w (= EF 91.198 = RPflSlgE 1999, 122/74) unter Hinweis auf die von Mohr gemachten Ausführungen ebenfalls vertreten, dass § 292k EO im insolvenzrechtlichen Abschöpfungsverfahren analog heranzuziehen sei.

Das Landesgericht Innsbruck (VdRÖ-INS-010-2013) ist dem nicht gefolgt, sondern geht davon aus, dass es - zumindest in einem Schuldenregulierungsverfahren - an einer gesetzlichen Grundlage für eine Entscheidung nach § 292k [Abs 1 Z 2 EO] im Insolvenzverfahren mangle.

Das Rekursgericht hat wohl in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 2 Abs 2 IO, wonach das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen des Schuldners auch insolvenzunterworfen ist, einen Generalverweis auf alle Bestimmungen der EO über die (Ermittlung der) Pfändbarkeit, sohin auch über die Zusammenrechnung sowie die Erhöhung und Herabsetzung des unpfändbaren Freibetrags, enthalte, sodass das Insolvenzgericht eine Änderung des unpfändbaren Betrages der Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder deren Zusammenrechnung gemäß § 205 Abs 1 IO nicht nur in einem Abschöpfungsverfahren, sondern auch im Insolvenz- und Schuldenregulierungsverfahren nach §§ 181 ff IO beschließen könne (2 R 191/12x mwN). Daraus lässt sich für den gegenständlichen Fall allerdings nichts gewinnen, da sich diese Entscheidungen jeweils einerseits auf ein Vorgehen nach § 205 IO beziehen und andererseits durch den Generalverweis auf die Bestimmungen der EO nicht davon ausgegangen werden kann, dass auch die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der EO damit Eingang in das Insolvenzverfahren gefunden hätten.

Der Oberste Gerichtshof lehnt eine analoge Anwendung der Bestimmungen der IO erkennbar ab, wenn er ausführt, dass außer dem in § 205 KO (jetzt IO) behandelten Fall der Änderung des unpfändbaren Betrags der Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder der Änderung sonstiger wiederkehrender Leistungen mit Einkommensersatzfunktion die KO (jetzt IO) im Abschöpfungsverfahren keine Entscheidungskompetenz des Konkursgerichts (jetzt Insolvenzgerichtes) auf „Feststellung der Pfändbarkeit" bzw auf Feststellung, ob bestimmte Vermögensbestandteile dem § 210 Abs 1 Z 2 KO (jetzt IO) zu unterstellen sind, kenne (RIS- Justiz RS0123277 = 8 Ob 3/08m = ZIK 2008/232 S 139 - ZIK 2008,139 = SZ 2008/42). Bereits in der Entscheidung 8 Ob 107/06b (= EvBl 2007/80 S 455 - EvBl 2007,455 = ZIK 2007/161 S 91- ZIK 2007,91 = ÖBA 2007,665/1431 - ÖBA 2007/1431 = HS 38.535) hatte er judiziert, dass dem Konkursgericht keine Kompetenz zur beschlussmässigen Feststellung (des Erlöschens) von Aus- oder Absonderungsrechten iSd § 113a KO zusteht. Dieser Ansicht hat sich das Rekursgericht angeschlossen (2 R 268/12w).

Die Abtretungserklärung im Abschöpfungsverfahren erfasst sowohl bestehende als auch künftig zu erwerbende Forderungen, zB nach Wechsel des Arbeitsplatzes. Es fallen jedoch nur die das Existenzminimum nach § 291a EO übersteigenden Beträge und nicht die das Unterhaltsexistenzminimum nach § 291b EO übersteigenden Beträge in die Abschöpfungsmasse. Wirksam wird die Abtretungserklärung des Schuldners, wenn das Gericht den Treuhänder bestellt und dieser durch die Übernahme des Amts konkludent sein Einverständnis mit der Abtretung erklärt (Mohr in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 199 Rz 9). Nach § 206 Abs 1 IO dürfen die Insolvenzgläubiger während des Abschöpfungsverfahrens in das Vermögen des Schuldners auch nicht Exekution führen. Die Exekutionsführung anderer Gläubiger wird nicht für unzulässig erklärt. Die Exekutionsobjekte werden jedoch durch § 208 Satz 2 IO so stark eingeschränkt, sodass de facto eine Exekutionssperre besteht. Das vom Abschöpfungsverfahren erfasste Vermögen ist nämlich der Exekution insoweit entzogen, als der Schuldner es dem Treuhänder herausgibt. Auf Antrag des Schuldners ist die Exekution einzustellen, wenn er zustimmt, dass die in Exekution gezogene Sache dem Treuhänder ausgefolgt wird (§ 208 Satz 3 IO). Durch Satz 2 und 3 des § 208 IO wird somit erreicht, dass das vom Abschöpfungsverfahren erfasste Vermögen vorrangig für die Insolvenzgläubiger und nicht für sonstige Gläubiger verwendet wird (Mohr aaO § 208 Rz 5). Ein Neugläubiger wie hier die betreibende Partei U***** kann seine Forderung daher nur auf Vermögenswerte durchsetzen, die vom Abschöpfungsverfahren nicht erfasst werden.

Allerdings sieht § 205 Abs 1 IO lediglich vor, dass das Insolvenzgericht auf Antrag des Treuhänders, eines Insolvenzgläubigers oder des Schuldners die Forderungen des Schuldners auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion nach § 292 EO zusammenzurechnen, den unpfändbaren Freibetrag nach § 292a EO zu erhöhen oder nach § 292b EO herabzusetzen hat. Für die Entscheidung über einen Antrag der Drittschuldnerin nach § 292k Abs 1 Z 3 EO fehlt es aber an einer gesetzlichen Grundlage und damit Entscheidungskompetenz des Insolvenzgerichtes im Abschöpfungsverfahren.

Im Ergebnis kommt dem Rekurs daher Berechtigung zu. Der angefochtene Beschluss ist dahingehend abzuändern, dass der Antrag des Drittschuldners zurückgewiesen wird.

Gemäß §§ 252 IO, 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 ZPO ist eine Bewertung vorzunehmen. Im Hinblick auf die Geringfügigkeit der vom Antrag des Drittschuldners betroffenen Einkünfte der Gemeinschuldnerin ist auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes, über den das Rekursgericht entschieden hat, EUR 5.000,00 nicht übersteigt.

Gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO (iVm § 252 IO) ist auszusprechen, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist.

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