JudikaturJustiz2R86/14h

2R86/14h – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
25. März 2014

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Berufungsgericht hat durch den Richter Hofrat Dr. Höfle als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Hofrätin Dr. Ciresa und Dr. Mayrhofer als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei L***** K *****, vertreten durch Blum, Hagen Partner Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei G***** V***** AG , *****, vertreten durch Dr. Johann Meier, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen EUR 723,52 sA, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Montafon vom 12. Februar 2014, 1 C 404/13i-10, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen des Beklagtenvertreters die mit EUR 250,22 (darin enthalten an USt EUR 41,70) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer eines PKW, der bei der beklagten Partei (mit einem Selbstbehalt) kaskoversichert war.

Nach Art 1 Punkt 1.2.6 der zu Grunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung 2012 (AKKB 2012 idF 07/2012) sind das Fahrzeug und seine Teile … durch einen Unfall, das ist ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis, versichert; Brems-, Betriebs- und reine Bruchschäden sind nicht versichert.

Am 31.1.2013 montierte der Kläger an seinem Fahrzeug Schneeketten. Während der Fahrt riss ein Kettenglied einer der montierten Schneeketten. Durch den Riss in der Schneekette wurde die Radlaufschale regelrecht zerrissen und es entstanden Lackschäden an der Karosserie. Diese markanten Schleifspuren bzw Beschädigungen sind typisch für gerissene Schneeketten. Der Kläger bemerkte bereits während der Fahrt, dass mit der Schneekette etwas nicht in Ordnung war.

Die Beschädigung an der Karosserie des Fahrzeugs bemerkte der Kläger erstmals beim Autowaschen. Er ging gleich zu seinem Versicherungsmakler, der den Schaden am 12.3.2013 der beklagten Partei meldete. In der Schadensmeldung wurde der Schadenshergang so beschrieben, dass der Kläger ausgewichen sei und mit dem Kotflügel vorne links an einer Schneewand gestreift habe. Der Versicherungsmakler ist mit dem Kläger mögliche Schadensursachen durchgegangen. Davon wählten sie gemeinsam eine für sie plausible Schadensursache aus. Es kann nicht festgestellt werden, dass mit Willen des Klägers wider besseren Wissens diese Schadensursache in der Schadensmeldung angegeben wurde.

Am 14.3.2013 wurde F***** K*****, ein Gutachter der beklagten Partei, mit der Schadensermittlung beauftragt. Er kam zum Schluss, dass es sich um einen Schneekettenschaden handelt.

Mit Schreiben vom 19.3.2013 hat die beklagte Partei die Versicherungsdeckung abgelehnt.

Der Kläger begehrt – abzüglich eines Selbstbehaltes – EUR 723,52 sA. Der Schaden sei nicht als „Betriebsschaden“, sondern als Schaden durch einen Unfall zu beurteilen. Die ordnungsgemäß montierte Schneekette vorne links sei gerissen und habe den Radkasten, die Stoßstange, die Türe und den Kotflügel beschädigt. Die gerissene Schneekette habe plötzlich und von außen kommend mit mechanischer Gewalt den klägerischen PKW beschädigt. Der Kläger habe keine Obliegenheiten verletzt. Er habe seinem Versicherungsmakler den Unfall korrekt gemeldet.

Die beklagte Partei bestritt und wendete ein, der Schaden stamme von nicht ordnungsgemäß montierten Schneeketten, die innerhalb der Radlaufschale gestreift hätten. Es handle sich somit um einen Betriebsschaden, der von der Kaskoversicherung nicht gedeckt sei. Zudem habe der Kläger anfänglich andere Schadensursachen gemeldet und somit Obliegenheitsverletzungen zu verantworten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen kam es in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, der Riss eines Gliedes der Schneekette sei nicht dem Begriff des Unfalls nach den Versicherungsbedingungen zu unterstellen. Vielmehr handle es sich dabei um einen Betriebsschaden, der von der Kaskoversicherung nicht gedeckt sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Berufung des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die beklagte Partei hat eine Berufungsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht begründet.

Nach Ansicht des Klägers sei der Schaden nicht durch die Benützung der Schneekette entstanden, sondern durch die Einwirkung eines abgerissenen Teiles davon. Somit handle es sich um keinen Betriebsschaden. Zudem verstoße die maßgebliche Bestimmung in den AKKB 2012 dem Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG.

Vorweg wird iSd § 500a ZPO auf die zutreffenden Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil verwiesen, sodass sich das Berufungsgericht mit einer kurzen Zusatzbegründung begnügen kann.

Für die Abgrenzung zwischen einem Unfallschaden und einem – von der Kaskoversicherung nicht umfassten – Betriebsschaden ist entscheidend, ob das Schadensereignis mit Rücksicht auf den Verwendungszweck des Fahrzeuges im Allgemeinen oder im Einzelfall dem Betriebsrisiko zugerechnet werden kann (RIS-Justiz RS0081193, RS0081161). Ein Betriebsschaden liegt dann vor, wenn der Schaden durch eine Einwirkung entstanden ist, der ein Kraftfahrzeug gewöhnlich ausgesetzt ist und die es ohne weiteres überstehen muss (ZVR 1989/111). Ein „Unfall“ iSd der AKKB 2012 ist ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Der Unfall muss unmittelbar schadenstiftend gewesen sein, also selbst und ohne Hinzutreten weiterer, anderer Ursachen den Schaden verursacht haben. Die Unfalleinwirkung muss von außen kommen und darf nicht durch einen rein internen Betriebsvorgang verursacht worden sein. Mechanische Gewalt bedeutet, dass es sich um eine mittels Zug, Druck oder Stoß verursachte Krafteinwirkung handelt. Plötzlich ist ein Unfall dann nicht, wenn der Schaden Auswirkung einer allmählichen Entwicklung darstellt. Die Kaskoversicherung ist keine Maschinenversicherung. Sie deckt daher im Gegensatz zu dieser keine Abnutzungsschäden. Dies gilt nicht nur für den Motor und seine Teile, für die elektrische Anlage und die Lackierung, sondern auch für die Bereifung und – wie hier – für angelegte Schneeketten, die dadurch zu einem Teil des Fahrzeuges geworden sind. In der Rechtsprechung wird etwa bei einem Reifenschaden unterschieden, ob der Reifenplatzer durch einen von außen eingedrungenen Fremdkörper oder durch Abnutzung und Verschleiß verursacht wurde. Wird der Reifen durch auf der Fahrbahn liegende kleine Gegenstände beschädigt, wird das Vorliegen eines durch die Kaskoversicherung gedeckten Unfalls bejaht (9 O 95/12 Landgericht Karlsruhe; Prölss/Martin, Versicherungsvertrags-gesetz 27 , 1752 Rz 55 ff; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17 , Rz 80 ff).

Nach den Versicherungsbedingungen sind vom Versicherungsschutz auch Bruchschäden ausgeschlossen. Dabei muss regelmäßig geprüft werden, ob es sich um einen Ermüdungsbruch (Dauerbruch) oder um einen Gewaltbruch handelt. Dauerbrüche sind niemals Unfallfolgen, sondern beruhen entweder auf Materialfehlern oder auf Überbeanspruchung oder auf der natürlichen Abnutzung des Fahrzeuges. Derartige Bruchschäden sind von der Kaskoversicherung nicht umfasst (2 R 284/04m LG Feldkirch; Stiefel/Hofmann aaO).

Nach den Feststellungen riss während der Fahrt ein Kettenglied einer der montierten Schneeketten, wodurch die Radlaufschale regelrecht zerrissen wurde und Lackschäden an der Karosserie entstanden. Es ist nicht hervorgekommen, dass der Riss des Kettengliedes auf eine (zusätzliche) mechanische Einwirkung zurückzuführen ist. Vielmehr ist dieser Riss beim normalen Betrieb des Fahrzeuges entstanden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass durch den Riss eines Kettengliedes die Kette ausgeschlagen und die beschriebenen Schäden verursacht hat. Deshalb hat das Erstgericht zu Recht die vom Kläger angestrebte Versicherungsdeckung abgelehnt.

Wenn der Kläger mit der Verletzung des Transparenzgebots nach § 6 Abs 3 KSchG argumentiert, ist ihm entgegenzuhalten, dass er dies nicht konkret begründet und allfällige Defizite aufzeigt. Aus dem Transparenzgebot kann eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben (RIS-Justiz RS0115219). Durch das Transparenzgebot soll verhindert werden, dass der Verbraucher über Rechtsfolgen getäuscht oder dass ihm ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt wird (7 Ob 232/13p). Die vom Kläger kritisierten Bestimmungen in den AKKB 2012 entsprechen durchaus dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG. Sie sind für einen Durchschnittskunden ausreichend verständlich und geben Auskunft darüber, welche Schäden von der Kaskoversicherung gedeckt werden. Die Vertragsklauseln in Art I Punkt 1.2.6 der AKKB 2012 in der vorliegenden Fassung sind seit Jahrzehnten unverändert in Geltung und es hat sich dazu einen umfangreiche Rechtsprechung entwickelt. Dass sie dem Transparenzgebot widersprechen würden, ist nicht nachvollziehbar und wurde von der Judikatur bislang auch nie aufgegriffen.

Daher ist der Berufung des Klägers nicht Folge zu geben, sodass er gemäß §§ 41, 50 ZPO verpflichtet ist, der beklagten Partei die Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen. Hinsichtlich des Einheitssatzes wurden diese Kosten aber überhöht verzeichnet. Gemäß § 23 Abs 10 RATG gilt die in § 23 Abs 9 RATG vorgesehene Vervielfachung des Einheitssatzes nicht für Berufungsverfahren, in denen - wie hier - § 501 Abs 1 ZPO anzuwenden ist.

Die Unzulässigkeit der Revision beruht auf der Bestimmung des § 502 Abs 2 ZPO.

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