JudikaturJustiz2R304/14t

2R304/14t – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
11. November 2014

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Richter Hofrat Dr. Höfle als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Hofrätin Dr. Ciresa und Dr. Mayrhofer als weitere Senatsmitglieder in der Schuldenregulierungssache des Wolfgang M *****, über den Rekurs des Schuldners, vertreten durch die IfS Schuldenberatung gemeinnützige GmbH, Mehrerauerstraße 3, 6900 Bregenz, diese vertreten durch Mag. Claudia Lecher-Tedeschi, Rechtsanwältin in Dornbirn, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 28.10.2014, 29 S 5/14f-35, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene „Beschluss“, mit dem die öffentliche Bekanntmachung der Änderung der Anschrift des Schuldners angeordnet wurde, ersatzlos aufgehoben .

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,00.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

Text

Begründung:

Über Antrag des Schuldners eröffnete das Erstgericht am 27.1.2014 das Schuldenregulierungsverfahren und beließ dem Schuldner die Eigenverwaltung. Dieser Beschluss wurde in die Insolvenzdatei aufgenommen, wobei der laut § 74 Abs 2 Z 2 IO aufzunehmende Wohnort des Schuldners mit „S***** A*****“ angegeben war.

In der Tagsatzung vom 9.4.2014 wurde der vom Schuldner angebotene Zahlungsplan mit einer Quote von 14,215572 %, zahlbar in 14 halbjährigen Teilquoten zu je 1,015398 %, angenommen (ON 26).

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 9.4.2014 hat das Erstgericht den abgeschlossenen Zahlungsplan bestätigt und darauf hingewiesen, dass mit Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben sei (ON 27).

Am 27.10.2014 teilte der Schuldner per E-Mail dem Erstgericht mit, dass seine neue Anschrift „K***** A*****“ sei (ON 35).

Nachdem diese neue Adresse im Register erfasst worden war, verfügte das Erstgericht die öffentliche Bekanntmachung dieser aktuellen Anschrift des Schuldners in der Insolvenzdatei. Unter Bezugnahme auf einen „Beschluss vom 28.10.2014“ erfolgte in der Insolvenzdatei am selben Tag folgende Bekanntmachung: Der Schuldner gibt seine aktuelle Anschrift wie folgt bekannt: “K***** A*****“.

Gegen diesen „Beschluss vom 28.10.2014“ richtet sich der Rekurs des Schuldners mit dem Antrag auf Aufhebung.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Vorab ist festzuhalten, dass der Rekurs zulässig ist. Gemäß § 252 IO sind, soweit in diesem Gesetz nichts anderes angeordnet ist, auf das Verfahren die JN, die ZPO und ihre Einführungsgesetze sinngemäß anzuwenden. Gegen Beschlüsse im Insolvenzverfahren steht grundsätzlich das Rechtsmittel des Rekurses offen. Laut § 514 Abs 1 ZPO iVm § 252 IO ist der Rekurs nur dann nicht statthaft, wenn ihn das Gesetz für unzulässig erklärt. Im Zweifel ist daher jeder Beschluss mit Rekurs anfechtbar, auch wenn es sich dabei um eine „prozessleitende Verfügung“ handelt, für die das Gesetz keine Unanfechtbarkeit vorsieht (Kodek in Rechberger 4 § 514 Rz 2). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rekurses ist zunächst, dass die angefochtene Entscheidung tatsächlich den Charakter eines Beschlusses hat, wobei eine allfällige Fehlbezeichnung nicht maßgebend ist. Auch gesetzlich nicht vorgesehene Beschlüsse sind anfechtbar, sofern nicht die Beschwer zu verneinen ist (8 Ob 38/07g). Hingegen sind gerichtliche Erklärungen ohne Entscheidungswillen, auch wenn sie als Beschluss bezeichnet werden, unanfechtbar (RIS-Justiz RS0106917). Gemäß § 87 Abs 2 ZPO ist gegen Anordnungen und Zustellungen, worunter auch solche mittels Edikt zu verstehen sind, kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig. Ein aufgeschobener Rekurs kann jedoch dann selbständig überreicht werden, wenn infolge Abschlusses der Hauptsache eine weitere anfechtbare Entscheidung nicht erfließen kann (RIS-Justiz RS0035518), wovon im gegenständlichen Fall auszugehen ist. Deshalb ist die, wenngleich nur als Verfügung bezeichnete, Anordnung der Aufnahme der vom Schuldner mitgeteilten Änderung seiner Anschrift in die Insolvenzdatei als Beschluss einzustufen, der mittels Rekurs anfechtbar ist (vgl 8 Ob 20/05g).

Dem zulässigen Rekurs kommt auch Berechtigung zu. Der Schuldner vertritt die Auffassung, die Mitteilung seiner aktuellen Wohnanschrift sei nicht in die Insolvenzdatei aufzunehmen, da es sich bei der Adressenänderung nach der Zahlungsplanbestätigung um keinen veröffentlichungspflichtigen Vorgang handelt.

Gemäß § 255 IO erfolgt die öffentliche Bekanntmachung von Schriftstücken und Beschlüssen durch Aufnahme in die Insolvenzdatei. Nach § 256 Abs 1 IO sind in die Insolvenzdatei die Daten aufzunehmen, die nach diesem Bundesgesetz, also nach der IO, öffentlich bekanntzumachen sind. Diese Bestimmung wird durch § 89j Abs 1 GOG ergänzt, wonach in die einzurichtende Ediktsdatei von den Gerichten die Daten jener gerichtlichen Bekanntmachungen aufzunehmen sind, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften durch die Aufnahme in die Ediktsdatei bekanntzumachen sind. Laut § 89j Abs 3 GOG sind Fehler von Dateneingaben in die Ediktsdatei und fehlerhafte Abfragemöglichkeiten auf Antrag oder von Amts wegen von dem Gericht zu berichtigen, das für jenes Verfahren zuständig ist, in dem die Bekanntmachung vorgenommen worden ist. Der Antrag kann von jedem gestellt werden, der von einem Fehler der Dateneingabe oder ihrer Abfragbarkeit betroffen ist (8 Ob 20/05g ZIK 2005/155).

Dem Schuldner ist beizupflichten, dass die öffentliche Zustellung nur dort Platz greift, wo sie im Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben ist (RIS-Justiz RS0105980; 8 Ob 225/02z RdW 2004/85; Mohr , IO 11 § 258 E 8). Weder in der IO noch in anderen Verfahrensgesetzen wird angeordnet, dass nach Bestätigung des Zahlungsplans und daraus folgender Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens eine Änderung der Anschrift des Schuldners durch Aufnahme in die Insolvenzdatei öffentlich bekanntzumachen sei ( Krenn , Was leistet die Insolvenzdatei? ZIK 2000/54; A. Konecny , Insolvenzdatei: Neue/auffallende Rechtsprobleme, ÖJZ 2002, 292).

Daran ändert auch die Bestimmung des § 256 Abs 2 Z 4 IO nichts, dass die Einsicht in die Insolvenzdatei (erst dann) nicht mehr zu gewähren ist, wenn seit Ablauf der im Zahlungsplan vorgesehenen Zahlungsfrist ein Jahr vergangen ist. Sollte der Schuldner mit der Erfüllung des Zahlungsplans in Verzug kommen und die Mahnung eines Gläubigers mit Nachfristsetzung erforderlich werden, dann stünde diesem Gläubiger das Recht auf Akteneinsicht zu, sodass er auf diesem Weg die im Insolvenzakt enthaltene aktuelle Anschrift des Schuldners in Erfahrung bringen könnte. Deshalb ist es aber nicht erforderlich, nach Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens, wodurch die Tätigkeit des Insolvenzgerichtes an sich beendet und der Schuldner nicht mehr eingeschränkt ist, allfällige Wohnsitzwechsel des Schuldners durch Aufnahme in die Insolvenzdatei der gesamten Öffentlichkeit bekanntzumachen.

Die vom Erstgericht eingehaltene Vorgangsweise ist letztlich auch nicht der oben erwähnten Bestimmung des § 89j Abs 3 GOG zu unterstellen, weil die anlässlich der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens iSd § 74 Abs 2 Z 2 IO in das Insolvenzedikt aufgenommene Anschrift des Schuldners damals richtig war und somit keine Fehler bei der Dateneingabe vorliegen.

Aus diesen Überlegungen ist dem Rekurs des Schuldners Folge zu geben und die als Beschluss zu wertende Verfügung der Aufnahme der Änderung der Schuldneranschrift in die Insolvenzdatei ersatzlos aufzuheben. Diese Aufhebung wird vom Erstgericht iSd § 89j Abs 3 GOG zu vollziehen sein (vgl 8 Ob 20/05g ZIK 2005/155).

Im Hinblick auf die Höhe der angemeldeten und anerkannten Forderungen ist auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000,00 übersteigt.

Der ordentliche Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO iVm § 252 IO ist zulässig, weil keine Rechtsprechung des OGH zur Frage ersichtlich ist, ob eine vom Schuldner nach Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens dem Insolvenzgericht mitgeteilte Änderung seines Wohnsitzes durch Aufnahme in die Insolvenzdatei bekanntzumachen ist.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen