JudikaturJustiz2R294/07m

2R294/07m – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 2007

Kopf

Beschluss

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch die Richter Dr. Höfle als Vorsitzenden sowie Dr. Müller und Dr. Flatz als weitere Senatsmitglieder in der Konkurssache des Schuldners P*****über den Rekurs des Gläubigers Ö*****vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 25. Oktober 2007, 29 Se 15/07 s-12, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs, dessen Kosten der Rekurswerber jedenfalls selbst zu tragen hat, wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Mit Antrag vom 05.09.2007 begehrte der Rekurswerber die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Schuldners wegen Zahlungsunfähigkeit. Dazu verwies er auf die Uneinbringlichkeit einer aus einem rechtskräftigen Zahlungsbefehl des Bezirksgerichtes Bregenz vom 26.02.1999, 6 C 114/99 k, trotz verschiedener Teilzahlungen resultierenden Restforderung und auf "zahlreiche" im Rahmen der Gehaltsexekution bevorrangte weitere Gläubiger.

Im Rahmen der gemäß § 70 Abs 2 KO erfolgten Einvernahme am 24.10.2007 bezeichete sich der Schuldner als nicht zahlungsunfähig. Er bezifferte sein monatliches Einkommen mit EUR 1.076,-- (14 x jährlich). Zusätzlich erhalte er Trinkgelder in der Höhe von ca EUR 150,--. Er sei unterhaltspflichtig für ein am 12.06.2001 geborenes Kind, für das er monatlich EUR 250,-- bezahle. Der Unterhaltsrückstand betrage ca EUR 1.500,--. Die vorhandenen Gläubiger und die Höhe der Verbindlichkeiten könne er nicht beziffern. Derzeit seien drei Exekutionen gegen ihn anhängig. Laut dem vom Schuldner unterzeichneten Vermögensverzeichnis nach § 100 KO ergibt sich - über sein Einkommen hinaus - kein verwertbares Vermögen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Konkursantrag "auf Grund fehlender Zahlungsunfähigkeit" des Schuldners ab. Das Erstgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Schuldner mit einem monatlich abschöpfbaren Betrag von EUR 279,50 in der Lage sei, "in ca 5 Jahren sämtliche Gläubiger samt Zinsen und Kosten" zu befriedigen. Bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit sei auch auf die realistische Möglichkeit einer Umschuldung Bedacht zu nehmen. Die offenen Verbindlichkeiten des Schuldners bezifferte das Erstgericht "nach durchgeführter Einsicht in das Exekutionsregister mit EUR 5.828,20 (ohne Zinsen und Kosten)".

Gegen diese Entscheidung richtet sich der rechtzeitige Rekurs des antragstellenden Gläubigers mit dem Begehren, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Schuldners wegen Zahlungsunfähigkeit zu eröffnen.

Der Schuldner beteiligte sich am Rekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs kommt im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Berechtigung zu. Der Rekurswerber verweist zutreffend darauf, dass das Erstgericht zu Unrecht eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners verneint habe.

Eine Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner objektiv generell mangels bereiter Mittel nicht nur vorübergehend außerstande ist, fällige Geldforderungen regelmäßig zu erfüllen. Es ist auch dann anzunehmen, wenn nicht nur eine zeitlich befristete Zahlungsstockung oder die Zurückhaltung einzelner Schulden aus einem bestimmten Grund vorliegt, sondern der Schuldner in Wahrheit nicht in der Lage ist, seinen Verpflichtungen entsprechend regelmäßig zu befriedigen (7 Ob 526/89 ua).

Das Erstgericht hat seinen Ausführungen Verbindlichkeiten des Schuldners in der Höhe von insgesamt lediglich EUR 5.828,20 (ohne Zinsen und Kosten) zu Grunde gelegt und dazu auf eine Einsicht in das Exekutionsregister verwiesen. Daraus können zwar Aufschlüsse über die exekutiv betriebenen Forderungen gegen den Schuldner gewonnen werden, eine Übersicht über die tatsächlich bestehenden Verbindlichkeiten ist daraus jedoch nicht zu erlangen. Das bestätigt sich im konkreten Fall schon deshalb, da im Exekutionsantrag der ***** Bank GmbH im Verfahren 28 E 2125/06 f des Bezirksgerichtes Feldkirch, das das Erstgericht offensichtlich mit dem betriebenen Betrag von EUR 2.180,-- berücksichtigte, ausdrücklich auf eine titulierte Gesamtforderung von EUR 15.877,50 sA hingewiesen wurde.

Auch das in der angefochtenen Entscheidung angeführte monatliche Einkommen des Schuldners von EUR 1.074,-- deckt sich nicht mit dem Einkommen laut Drittschuldnererklärung des Dienstgebers vom 12.04.2007, die der Antragsteller vorlegte und die einen monatlichen Bezug des Schuldners von netto EUR 975,47 aufweist. Unabhängig davon wäre selbst unter den vom Erstgericht unterstellten Voraussetzungen nicht von einer Zahlungsfähigkeit des Schuldners auszugehen. Wie die zahlreichen gegen ihn geführten Exekutionsverfahren belegen, ist er offensichtlich nicht in der Lage, seine Verbindlichkeiten vereinbarungsgemäß zu erfüllen. Von einer vorübergehenden Zahlungsstockung kann hier wohl keine Rede sein. Eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners als Voraussetzung für die Eröffnung des Konkurses gemäß § 66 Abs 1 KO liegt daher entgegen der vom Erstgericht vertretenen Rechtsmeinung vor.

Auf Grund des bisherigen Akteninhaltes kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob ein kostendeckendes Vermögen als weitere Voraussetzung für die Eröffnung des Konkurses gemäß § 71 KO vorhanden ist. Wesentlich dafür ist die Frage, ob die Bestellung eines Masseverwalters notwendig erscheint. Wenngleich der Akteninhalt dafür keinen unmittelbaren Anhaltspunkt liefert, wurde der Schuldner vom Erstgericht im Rahmen der Einvernahme am 24.10.2007 auf die Notwendigkeit der Bestellung eines Masseverwalters hingewiesen. Das Erstgericht wird im weiteren Verfahren näher zu begründen haben, weshalb es die Bestellung eines Masseverwalters für erforderlich hält. Sofern ein kostendeckendes Vermögen im Sinne des § 71 KO nicht vorhanden ist, wird der antragstellende Gläubiger zum Erlag eines entsprechenden Kostenvorschusses iSd Bestimmungen des § 71a KO aufzufordern sein.

Der vorliegende Fall liefert Anlass zu einigen grundsätzlichen Ausführungen zur Kostendeckung:

Was als kostendeckendes Vermögen gemäß § 71 KO anzusehen ist, wird von Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich dargestellt. Wenig Probleme bereiten die Fälle, in denen verwertbares Vermögen des Schuldners vorhanden ist. Besteht das Vermögen des Schuldners nur aus Ansprüchen oder Forderungen, so wird von einem kostendeckenden Vermögen nur dann ausgegangen werden können, wenn begründete Aussichten bestehen, die Ansprüche oder Forderungen realisieren zu können (28 R 194/02 h OLG Wien). Bezieht der Schuldner im Rahmen eines Dienstverhältnisses laufende Einkünfte, stellt sich die Frage, inwieweit diese Einkünfte als "Vermögen" iSd § 71 KO betrachtet werden können. Wie sich schon aus der unterschiedlichen Formulierung im Gesetz ergibt und wie der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, deckt sich der Begriff der "Einkünfte" gemäß § 183 Abs 1 Z 3 KO nicht mit dem Begriff "Vermögen" in § 71 KO (8Ob70/02f; 8 Ob 147/03 f). Was diese Frage anlangt ist nach Ansicht des Rekursgerichtes zwischen dem vom Schuldner bereits "erarbeiteten" Teil seines Entgelts für den laufenden Monat, auf den der Schuldner schon einen gesicherten Rechtsanspruch hat, und seinem künftigen Einkommen zu unterscheiden. Ausgehend davon, dass Dienstnehmern in der Regel ihr Entgelt am Monatsende ausbezahlt wird, stellt der pfändbare Teil des zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Konkurseröffnungsantrag bereits gesicherten Monatseinkommens ein Vermögen iSd § 71 KO dar, während das künftige Einkommen nur im Rahmen des § 183 KO Berücksichtigung finden kann (so auch Fink, "Der Privatkonkurs nach der Insolvenzrechts-Novelle 2002", ÖJZ 2003/11). Die Ausführungen von Kodek in "Privatkonkurs" Rz 65, wonach die Anlaufkosten (iSd Einleitungssatzes des § 183 Abs1 KO) auch durch die "in absehbarer Zeit zu erwartenden konkursunterworfenen Einkommensteile des Schuldners gedeckt werden können", gehen wohl zu weit. In solchen Fällen ist zwar die voraussichtliche Kostendeckung iSd § 183 Abs 1 Z 3 KO erfüllt, nicht aber die (bereits bestehende) Kostendeckung iSd § 71

KO.

Diese Ausführungen gelten nur für den Fall, dass die Einkünfte des Schuldners aus einem Arbeitsverhältnis nicht durch vor Konkurseröffnung begründete Aus- oder Absonderungsrechte belastet sind. Gemäß § 12a Abs 1 KO erlöschen Aus- oder Absonderungsrechte, die vor Konkurseröffnung durch Abtretung bzw. Verpfändung einer Forderung auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auch sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion erworben worden sind, zwei Jahre nach Ablauf des Kalendermonats, in den die Konkurseröffnung fällt. Der pfändbare Teil der Einkünfte stünde in einem solchen Fall erst zwei Jahre nach Konkurseröffnung zur Kostendeckung zur Verfügung und stellt aus diesem Grund kein präsentes, kostendeckendes Vermögen im Sinne des § 71 KO dar. Entgegen der vom Mohr, Privatkonkurs2 (2007) Seite 7 vertretenen Ansicht gilt dies nach Meinung des Rekursgerichtes auch für den das Existenzminimum übersteigenden Teil der exekutiv gepfändeten Einkünfte des Schuldners. Gemäß § 12a Abs 3 KO erlöschen Absonderungsrechte, die vor Konkurseröffnung durch Exekution zur Befriedigung oder Sicherstellung einer Forderung aus Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auch sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion erworben worden sind, mit Ablauf des zur Zeit der Konkurseröffnung laufenden Kalendermonats. Wird der Konkurs nach dem 15. Tag des Monats eröffnet, so erlischt das Absonderungsrecht erst mit Ablauf des folgenden Kalendermonats. Diese Bestimmung bewirkt, dass der abschöpfbare Teil der Einkünfte im der Konkurseröffnung folgenden Monat bzw spätestens im nächsten Kalendermonat in die Masse fiele. Allerdings hat der Schuldner auf dieses künftige Entgelt noch keinen gesicherten Rechtsanspruch, sodass schon aus diesem Grund eine Berücksichtigung der durch die Konkurseröffnung frei werdenden Einkommensteile als "kostendeckendes Vermögen" iSd § 71 KO ausscheidet. Das zukünftige Einkommen kann nach Ansicht des Rekursgerichtes nur im Rahmen der Bescheinigung gemäß §183 Abs 1 Z 3 KO berücksichtigt werden, da dort - wie bereits ausgeführt - nicht vom "Vermögen" die Rede ist, sondern lediglich verlangt wird, dass die Einkünfte des Schuldners die Kosten des Verfahrens voraussichtlich decken werden.

Zusammenfassend betrachtet scheiden daher vertraglich oder exekutiv mit Aus- oder Absonderungsrechten zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung belastete Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis - wie sie auch im hier zu beurteilenden Fall vorliegen - als kostendeckendes Vermögen gemäß § 71 KO aus.

Sofern weiteres Vermögen des Schuldners nicht hervorkommt und Anlaufkosten des Konkursverfahrens vorhersehbar sind, wird das Erstgericht den antragstellenden Gläubiger zum Erlag eines Kostenvorschusses, dessen Höhe ganz wesentlich von der Frage abhängt, ob ein Masseverwalter zu bestellen ist, aufzufordern haben. Erst wenn dieser Kostenvorschuss nicht fristgerecht erlegt wird, lägen die Voraussetzungen für die Abweisung des Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 71a Abs 2 KO vor. In diesem Zusammenhang gilt es auch zu bedenken, dass in einem Konkusverfahren bei Eigenverwaltung des Schuldners gar keine Anlaufkosten anfallen könnten. Wenn kein Vermögen vorhanden ist, das ein Inventarisierung und Schätzung erforderlich machen könnte, wenn Gebühren des Gerichtsvollziehers nicht vorhersehbar sind und wenn keine sonstigen Auslagen anfallen, dann ergäben sich auch keine mit der Einleitung des Konkursverfahrens verbundenen Kosten (siehe auch RES0000130). Einer Konkurseröffnung ohne Erlag eines Kostenvorschusses stünde damit nichts im Wege.

Da - wie ausgeführt - derzeit die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Konkurseröffnungsantrag des Rekurswerbers nicht abschließend beurteilt werden können, ist der angefochtene Beschluss in Stattgebung des Rekurses aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Die Rekurskosten hat der Rekurswerber jedenfalls selbst zu tragen, da ein Kostenersatz im Konkursverfahren gemäß § 173 Abs 1 Z 1 KO nicht vorgesehen ist.

Landesgericht Feldkirch

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen