JudikaturJustiz2R219/18y

2R219/18y – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
04. Oktober 2018

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Richter Hofrat Dr. Höfle als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Mahuschek und Hofrätin Dr. Ciresa als weitere Senatsmitglieder in der Pflegschaftssache des mj L***** G***** (*****), wohnhaft und in Obsorge bei der Mutter J***** G*****, in Unterhaltsangelegenheiten vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Bregenz (Zahl: V- 131-06733/2018), wegen Gewährung von Unterhaltsvorschüssen, über den Rekurs des Vaters E***** M*****, derzeit unbekannten Aufenthalts, vertreten durch MMag. Olivia Lerch, Rechtsanwältin, Kirchstraße 4, 6900 Bregenz, als Zustellkuratorin, gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 25. Juli 2018, 7 Pu 82/18y-3, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung:

Text

Der mj L***** G***** ist der Sohn von J***** G***** und E***** M*****, dessen Vaterschaft mit Urteil des Amtsgerichts H***** vom 28.1.2004, 22 F 263/03, festgestellt und welcher verpflichtet wurde, seinem Sohn vom Tag der Geburt (*****) an Unterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages nach den Altersstufen gemäß § 1 der Regelbetragsverordnung abzüglich eines nach § 1612b Abs 5 dBGB anzurechnenden anteiligen Kindesgeldes zu bezahlen.

Der Minderjährige befindet sich in Pflege und Erziehung seiner Mutter. Die Eltern sowie der Minderjährige sind deutsche Staatsangehörige.

Da der Aufenthalt des Vaters unbekannt ist, wurde mit Beschluss des Erstgerichtes vom 25.7.2018 (ON 4) MMag. Olivia Lerch, Rechtsanwältin in Bregenz, für ihn zur Zustellkuratorin (§ 5 Abs 2 Z 1 b AußStrG) bestellt.

Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht dem Minderjährigen antragsgemäß Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Abs 2 UVG in der jeweiligen Höhe nach § 6 Abs 2 UVG für den Zeitraum 1.7.2018 bis 31.5.2021.

Gegen den Beschluss richtet sich der Rekurs der für den Vater bestellten Kuratorin mit dem Abänderungsantrag, den Antrag des Minderjährigen zurück- bzw abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Vertreterin des Minderjährigen hat beantragt, den Rekurs abzuweisen. Der Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Der Rekurs ist unbegründet.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG hat das Gericht in einem anhängigen Verfahren von Amts wegen einen gesetzlichen Vertreter (Kurator) zu bestellen, wenn an eine Partei nur durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden könnte und sie infolge der Zustellung zur Wahrung ihrer Rechte eine Verfahrenshandlung vorzunehmen hätte, insbesondere das zuzustellende Schriftstück eine Ladung enthält.

§ 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG entspricht dem § 116 ZPO, weshalb die Rechtsprechung zu § 116 ZPO auf den Zustellkurator nach § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG übertragen werden kann.

§ 116 ZPO und § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG stellen Spezialfälle der allgemeinen Abwesenheitskuratorbestellung nach § 270 ABGB dar. Sowohl der Zustellkurator als auch der Abwesenheitskurator sind gesetzliche Vertreter des Abwesenden mit der hieraus folgenden Rechtsstellung. Regelmäßig erfolgt die Abgrenzung so, dass die Vertretungsbefugnis des Zustellkurators umfänglich auf die Vertretung des Abwesenden in jenem Verfahren beschränkt ist, in dem und für das er vom Prozess-(Verfahrens-)Gericht bestellt wurde. Seit dem KindRÄG 2001 (BGBl I 2000/135) ist die Bestellung eines Abwesenheitskurators gemäß § 270 ABGB gegenüber § 116 ZPO und § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG subsidiär; sofern nicht zwingende Notwendigkeiten entgegenstehen, hat das Prozess-(Verfahrens-)Gericht einen Kurator nach § 116 ZPO bzw § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG zu bestellen (10 Ob 9/15v).

§ 19 RpflG legt in seinem Abs 1 den Wirkungskreis des Rechtspflegers in Kindschafts-, Erwachsenenschutz- und Kuratelsangelegenheiten fest. Im Rahmen des jeweiligen Wirkungskreises ist auch der Rechtspfleger zur Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO zuständig ( Stumvoll in Fasching/Konecny 3 II/2 § 116 ZPO Rz 20; Mondel , Die Kuratoren im österreichischen Recht 2 [2013] Rz 1/36).

Auf Grund der Generalklausel zu Gunsten des Wirkungskreises für Rechtspfleger war es erforderlich, in § 19 Abs 2 RpflG alle Angelegenheiten aufzuzählen, die dem Richter vorbehalten sind („Richtervorbehaltssachen“). Nach §19 Abs 2 Z 5 lit c RpflG bleibt dem Richter unter anderem das „Verfahren zur Bestellung, Erweiterung, Einschränkung, Übertragung oder Beendigung eines Kurators für Abwesende“ vorbehalten, wenn sie nicht österreichische Staatsbürger sind oder wenn Anhaltspunkte für ihren Aufenthalt im Ausland gegeben sind. Die Bestellung eines Abwesenheitskurators ist somit Richtersache, wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 Ob 91/08t unter Hinweis auf die dort fehlende Zuständigkeit des Erstgerichts ausgeführt hat. Für eine solche Bestellung hätte das Erstgericht lediglich durch die Anzeige deren Notwendigkeit an das zuständige Gericht „sorgen“ dürfen; in einem konkreten Verfahren habe das Gericht (nur) Kollisions- oder Zustellkuratoren gemäß § 5 Abs 2 Z 1 AußStrG zu bestellen. Dieser Entscheidung ist eine Aussage zur funktionellen Zuständigkeit daher nicht zu entnehmen.

Das Rekursgericht vertritt die Rechtsansicht, dass nur die Bestellung eines Abwesenheitskurators, nicht jedoch jene eines Zustellkurators unter den Richtervorbehalt fällt ( Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 5 Rz 35; Mondel aaO; EF 132.800; 3 R 117/14z LG Feldkirch = EF 144.066; EF 132.800; gegenteilig: Stumvoll aaO § 116 ZPO Rz 20 mwN). Der Bestellungsbeschluss der Diplomrechtspflegerin vom 25.7.2018 begegnet daher keinen Bedenken des Rekursgerichts, selbst wenn nach dem Akteninhalt der unterhaltspflichtige Vater deutscher Staatsbürger ist und sich im Ausland aufhalten sollte.

Voraussetzung für die Bestellung ist, dass die Person unbekannten Aufenthalts ist und zuvor erfolglos versucht wurde, den Aufenthalt des Betreffenden zu ermitteln. Gefordert werden zumutbare Erhebungen, etwa solche, wenngleich auch nicht sehr umfangreiche über den momentanen Aufenthaltsort des Zustellempfängers insbesondere bei Verwandten und sonstigen Personen, die üblicherweise vom Aufenthalt einer Person Kenntnis haben, oder naheliegende Nachforschungen bei ausländischen Behörden. Nur wenn aufgrund der Sachlage Nachforschungen bzw Erhebungen von vornherein wenig aussichtsreich bzw nicht erfolgversprechend sind, ist eine Kuratorenbestellung auch ohne diese möglich (1 Ob 109/17m mwN), wovon hier nach der Aktenlage auszugehen ist.

2. Im Rekurs wird zusammengefasst vorgebracht, dass die Vertreterin des Minderjährigen offen lasse, aus welchem Grund keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners bestehen würden. Schon auf Grund dessen unbekannten Aufenthalts könne nicht von seiner Leistungsfähigkeit, jedenfalls nicht im Umfang der zugesprochenen Vorschüsse ausgegangen werden. Auf Grund seines unbekannten Aufenthalts sei vielmehr anzunehmen, dass der Unterhaltsschuldner der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend nachkommen könne, da diese zu hoch festgesetzt sei, sodass das Erstgericht die Vorschüsse ganz oder teilweise hätte versagen müssen.

Nach § 4 Z 2 UVG sind Vorschüsse auch dann zu gewähren, wenn die Festsetzung des Unterhaltsbeitrags überhaupt oder, falls der Exekutionstitel im Sinn des § 3 Z 1, gerechnet vom Zeitpunkt der Erlassung, älter als drei Jahre ist, die Erhöhung des Unterhaltsbeitrags aus Gründen auf Seite des Unterhaltsschuldners nicht gelingt, außer dieser ist nach seinen Kräften offenbar zu einer Unterhaltsleistung bzw einer höheren Unterhaltsleistung nicht imstande. § 4 Z 2 UVG stellt auf die Unmöglichkeit einer Unterhaltsfestsetzung ab ( Neumayr in Schwimann/Kodek 4 § 4 UVG Rz 24), obwohl das Kind die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen dafür unternommen hätte (RIS-Justiz RS0109423; Neumayr aaO § 4 UVG Rz 25, 39). Die ergebnislose Durchführung eines Unterhaltsverfahrens ist nicht unbedingt Voraussetzung für Unterhaltsvorschussgewährung. Ein Unterhaltsfestsetzungsverfahren ist jedenfalls dann entbehrlich, wenn ein solches Verfahren schon nach der Aktenlage aussichtslos erscheint (RIS-Justiz RS0076100 [T 3]).

Nach § 4 Z 2 UVG soll ein Richtsatzvorschuss dann gewährt werden, wenn der Unterhaltstitel älter als drei Jahre ist, weil das Gesetz offensichtlich davon ausgeht, dass sich die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Verhältnisse im Allgemeinen innerhalb einer dreijährigen Frist ab der für die Beurteilung der maßgeblichen Verhältnisse ausschlaggebenden Beschlussfassung erster Instanz derart ändern, dass eine Neufestsetzung des Unterhalts begründet ist. Danach ist davon auszugehen, dass der ursprüngliche Unterhaltstitel als nicht mehr relevant und unrichtig anzusehen ist, bis eine neue Titelfestsetzung gelingt (7 Ob 28/00v). Nur dann, wenn erweislich oder offenkundig ist, dass sich die materielle Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem in dem mehr als drei Jahre alten Titel festgesetzten Betrag nicht erhöht hat, kommt iSd letzten Halbsatzes des § 4 Z 2 UVG ein Richtsatzvorschuss nicht in Betracht ( Neumayr aaO § 4 UVG Rz 28).

Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, hindern der unbekannte

Aufenthalt und ungeklärte Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners die Bevorschussung nicht, weil Vorschüsse nach dem Willen des Gesetzgebers gerade dann gewährt werden sollen, wenn ein Antrag auf Unterhaltsfestsetzung erfolglos blieb oder aus Gründen in der Person des Unterhaltsschuldners von vornherein mangels realistischer Erfolgsaussicht nicht gestellt wurde. Die Vorschussleistung nach § 4 Z 2

UVG soll nur dann ausgeschlossen sein, wenn der Unterhaltsschuldner „offenbar“ zur Unterhaltsleistung bzw zur Leistung des höheren Unterhalts nicht im Stande ist. Auch eine Bevorschussung nach § 4 Z 2

UVG setzt voraus, dass der Unterhaltsschuldner an sich in der Lage ist, Unterhalt zu leisten. Die Leistungsunfähigkeit müsste sich auf der eingeschränkten Beweisgrundlage des § 11 Abs 2

UVG durch einen positiven Beweis ergeben. Ein Beweisdefizit und Zweifel über die

Leistungsfähigkeit machen die Unfähigkeit nicht offenbar und stehen daher der Bevorschussung nicht entgegen (10 Ob 1/11m mwN; Neumayr aaO § 4 UVG Rz 39).

Die von der Kuratorin herangezogenen Umstände, dass Aufenthalt und Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners derzeit unbekannt sind, hindert demnach eine Bevorschussung nicht, soll doch gerade in einem solchen Fall der Vorschuss nach dem Willen des Gesetzgebers gewährt werden (10 Ob 67/11t mwN). Nach der derzeitigen Aktenlage kann weder von einer offenbaren Leistungsunfähigkeit des Vaters noch davon ausgegangen werden, dass sich seine materielle Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Zeitpunkt der Festsetzung im Urteil des Amtsgerichts H***** nicht erhöht hat. Selbst Zweifel an der Leistungsfähigkeit machen die Unfähigkeit des Unterhaltsschuldners zu einer Unterhaltsleistung nicht „offenbar“, es sind vielmehr positive Beweise für die Leistungsunfähigkeit erforderlich (RIS-Justiz RS0076273, RS0125664; Neumayr aaO § 4 UVG Rz 44 f). Die für den abwesenden Vater bestellte Kuratorin, die naturgemäß bisher außer Stande war, mit dem Vater Kontakt aufzunehmen, vermag jedenfalls keine Gesichtspunkte aufzeigen, die eine gegenteilige Beurteilung rechtfertigten könnten.

Dem Rekurs ist daher kein Erfolg beschieden.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG ist auszusprechen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist.

Rechtssätze
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