JudikaturJustiz2R199/23h

2R199/23h – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
14. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann als Vorsitzenden, die Richterin Dr. Heissenberger und den Richter MMag. Popelka in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geboren am **, **, vertreten durch KOLARZ – AUGUSTIN – MAYER, Rechtsanwaltspartnerschaft in Stockerau, gegen die beklagte Partei B* AG *** Wien , vertreten durch die MUSEY rechtsanwalt gmbh in Salzburg, wegen EUR 35.526,24 samt Anhang, über den Kostenrekurs (Rekursinteresse EUR 797,70) der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 20.11.2023, GZ 39 Cg 39/23p-26, in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er lautet:

„Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 6.135,90 (darin EUR 1.022,65 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 270,19 (darin EUR 45,03 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Nach erfolgter Zurücknahme der Klage und über Kostenbestimmungsantrag der Beklagten verpflichtete das Erstgericht den Kläger mit dem angefochtenen Beschluss zu einem Prozesskostenersatz von EUR 6.930,72.

Dagegen richtet sich der Kostenrekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss dahin abzuändern, dass der Beklagten (nur) Prozesskosten von EUR 6.133,02 zugesprochen werden.

Die Beklagte beantragt, dem Kostenrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt .

1. Der Kläger bekämpft den Beschluss im Umfang des Kostenzuspruchs für die Mitteilung der Beklagten vom 27.6.2023 (TP1 EUR 110,70 + 50 % ES EUR 55,35 + ERV-Kosten EUR 2,60 zzgl USt) sowie der Zuerkennung des doppelten statt des einfachen Einheitssatzes für die Verrichtung der vorbereitenden Tagsatzung vom 27.7.2023 (Differenz EUR 493,7‬0 zzgl USt).

Wie der aufgegliederten und ziffernmäßig bestimmten Auflistung im Rekurs ausreichend deutlich zu entnehmen ist, wendet er sich außerdem gegen den Zuspruch von ERV-Kosten (§ 23a RATG) von EUR 5,- statt EUR 2,60 (je zzgl USt) für den Einspruch.

2. Vorauszuschicken ist, dass im Kostenbestimmungsverfahren nach § 237 Abs 3 ZPO keine Kosteneinwendungen iSd § 54 Abs 1a ZPO erforderlich sind; die verzeichneten Kosten sind amtswegig zu prüfen, die Kostenentscheidung ist uneingeschränkt anfechtbar (Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 1.128). Im bekämpften Umfang ist daher die Kostenentscheidung rechtlich in alle Richtungen zu überprüfen.

3. Infolge einer Vertagungsbitte der Beklagten verlegte das Erstgericht die zunächst für den 20.7.2023 anberaumte vorbereitende Tagsatzung auf den 24.7.2023.

Mit Schriftsatz vom 27.6.2023 (ON 7) teilte die Beklagte mit, nach Rücksprache mit dem Klagevertreter werde bekanntgegeben, dass beide Parteien mit der Abhaltung einer Zoom-Verhandlung am 24.7.2023 einverstanden seien. Weiters gab sie die Kontaktdaten der auf ihrer Seite einzuladenden Person bekannt und bedankte sich für die Umstellung auf Zoom.

Dass vor diesem Schriftsatz die Abhaltung der Tagsatzung mittels Videokonferenz bereits thematisiert worden wäre, ist nicht aktenkundig.

Das Erstgericht honorierte den Schriftsatz, weil es sich um eine normale Äußerung oder Mitteilung handle.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit dem Argument, der Beklagtenvertreter habe aus in seiner Sphäre gelegenen Gründen das Ersuchen gestellt, die Tagsatzung im Wege einer Zoom-Verhandlung durchzuführen. Die telefonisch erfolgte kollegiale Zusage des Klagevertreters hierzu dürfe nicht zu einer Kostenbelastung des Klägers führen.

4. Gemäß § 3 des 1. COVID-19-JuBG in der zum Zeitpunkt der Eingabe des Schriftsatzes geltenden Fassung (BGBl I Nr 224/2022) konnte das Gericht bis zum Ablauf des 30.6.2023 mit Einverständnis der Parteien mündliche Verhandlungen und Anhörungen ohne persönliche Anwesenheit der Parteien oder ihrer Vertreter unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchführen, wobei das Einverständnis als erteilt galt, soweit sich die Parteien nicht innerhalb einer vom Gericht festgesetzten angemessenen Frist dagegen aussprachen.

Am 14.7.2023 trat der mit der ZVN 2023 (BGBl I Nr 77/2023) eingeführte § 132a ZPO in Kraft (Beschluss des Nationalrats am 7.7.2023 und des Bundesrats am 13.7.2023; Kundmachung am 19.7.2023). Gemäß § 132a Abs 1 ZPO kann das Gericht nunmehr (im Dauerrecht) eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung ohne persönliche Anwesenheit von Parteien, ihren Vertretern und sonst der Verhandlung beizuziehenden Personen unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchführen sowie auf diese Weise auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 277 ZPO Gutachten von gerichtlich bestellten Sachverständigen mündlich erstatten lassen oder erörtern und die Parteien und informierte Personen in der vorbereitenden Tagsatzung vernehmen. Voraussetzung ist, dass diese Vorgangsweise unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie tunlich ist, die technischen Voraussetzungen vorhanden sind, um die Tagsatzung verfahrenskonform abzuhalten, und nicht eine Partei innerhalb einer vom Gericht festgesetzten angemessenen Frist dem angekündigten Vorgehen widerspricht oder die ausdrückliche Zustimmung der Parteien dazu vorliegt. Die Parteien können eine solche Vorgangsweise bei Gericht lediglich anregen.

5. Der Schriftsatz vom 27.6.2023 war somit schon deshalb nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, weil bei gebotener Betrachtung ex ante (vgl Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 1.246) zum Einbringungszeitpunkt (noch) keine Rechtsgrundlage für eine Durchführung der für den 14.7.2023 anberaumten Tagsatzung im Wege einer Videokonferenz bestand.

6. Aber auch das Argument des Klägers trifft zu.

Der Schriftsatz ist als Anregung zur Durchführung einer Videokonferenz zu werten. Ein außerhalb der Sphäre der Beklagten liegender Grund für diese Anregung ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht. Der Schriftsatz ist somit auch deshalb – wie etwa Fristerstreckungs- oder Vertagungsanträge (vgl Obermaier, aaO Rz 1.273) – nicht zu honorieren.

7. Die vorbereitende Tagsatzung vom 24.7.2023 wurde via Zoom – somit (auch) ohne die persönliche Anwesenheit des Beklagtenvertreters bei Gericht – durchgeführt. Das Erstgericht sprach der Beklagten den doppelten Einheitssatz mit der Begründung zu, dass sie im Kostenbestimmungsantrag ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Beklagtenvertreter anführe, wobei auch dem Gericht bekannt sei, dass dieser die Beklagte gerade in Sachen der Personenversicherung ständig vertrete.

Der Kläger hält dem entgegen, dass die Beklagte ein besonderes Vertrauensverhältnis zu ihrem Vertreter nicht dargetan habe und ein solches vor dem Hintergrund, dass sie das größte Versicherungsunternehmen Österreichs sei und zahlreiche Rechtsanwälte aus Wien mit ihrer Vertretung beauftrage, auch nicht nachvollziehbar wäre.

8. Für eine mittels Videokonferenz abgehaltene Tagsatzung gebührt nur der einfache Einheitssatz (7 Ob 101/21k). Für die Teilnahme an der vorbereitenden Tagsatzung ist somit jedenfalls nicht der doppelte Einheitssatz zuzusprechen, ohne dass es auf die weiteren Voraussetzungen des § 23 Abs 5 RATG ankäme.

9. „Verfahrenseinleitend“ iSd § 23a RATG ist die Klage bzw der erste Antragstellerschriftsatz sowie dort, wo eine Partei als Gegner einschreitet, auch ihr erster Schriftsatz (vgl Obermaier, aaO Rz 3.30; vgl 8 ObA 62/09i). Somit gebührt – wie vom Erstgericht zuerkannt – für den Einspruch der Erhöhungsbetrag von EUR 5,- zzgl USt. (Nur) insoweit bleibt der Rekurs daher erfolglos.

10. Die Kostenentscheidung für das Rekursverfahren beruht auf §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO. Die Beklagte ist nur geringfügig unterlegen.

11. Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs im Kostenpunkt jedenfalls unzulässig.

Rechtssätze
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