JudikaturJustiz2R188/97f

2R188/97f – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
09. Juni 1997

Kopf

Beschluß

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Richter Dr. Mähr als Vorsitzenden und die Richter Dr. Fußenegger und Dr. Künz als weitere Senatsmitglieder in der Exekutionssache der betreibenden Partei Republik Österreich, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz, dieser vertreten durch die Einbringungsstelle beim OLG Graz, diese vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17 - 19, 1011 Wien, gegen die verpflichtete Partei Franz S***** wegen S 32.000,-- s.A. infolge Rekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 6. Mai 1997, 6 E 1896/97-3, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er lautet:

Aufgrund des vollstreckbaren Beschlusses des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 30.8.1991, P 72/91, Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 7.1.1992 wird der betreibenden Partei zur Hereinbringung der Forderung von S 32.000,--, der Kosten von S 910,-- (6 E 4086/96 h), der mit S 770,-- bestimmten Kosten des Exekutionsantrages sowie der mit S 2.817,60 bestimmten Kosten des Rekurses die Exekution durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung des der verpflichteten Partei als Anspruchsberechtigten gegen die Drittschuldnerin *****FL-9490 Vaduz/Liechtenstein, angeblich zustehenden Arbeitseinkommens oder der angeblich zustehenden sonstigen Bezüge gemäß § 290 a EO bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung ohne Rücksicht auf ihre Benennung und Berechnungsart bewilligt.

Mit Zustellung dieses Beschlusses an die Drittschuldnerin hat die betreibende Partei an der gepfändeten Forderung ein Pfandrecht erworben. Der verpflichteten Partei wird jede Verfügung über die gepfändete Forderung, insbesondere ihre gänzliche oder teilweise Einziehung untersagt. Der Drittschuldnerin wird verboten, die gepfändete Forderung an den Verpflichteten auszuzahlen. Früher erworbene Rechte Dritter werden nicht berührt. Die Drittschuldnerin darf an den betreibenden Gläubiger erst 4 Wochen nach Zustellung des Zahlungsverbots zahlen.

Die gepfändete und überwiesene Forderung ist beschränkt pfändbar. Die Beträge, die der verpflichteten Partei als unpfändbar zu verbleiben haben, ergeben sich aus den jeweils mit der Existenzminimum-Verordnung kundgemachten Tabellen. Die verpflichtete Partei hat der Drittschuldnerin unverzüglich ihre allfälligen Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben.

Die Exekutionsbewilligung wird aufgrund der vom Gericht nicht überprüften Angaben des Betreibenden erlassen.

Als Exekutionsgericht hat das Bezirksgericht Feldkirch einzuschreiten.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§§ 78 EO, 528 Abs 2 Z 1 ZPO).

Text

Begründung:

Die betreibende Partei begehrt zur Hereinbringung ihres vollstreckbaren Anspruchs von S 32.000,--, der Kosten von S 910,-- (6 E 4086/96 h) und der Kosten des Exekutionsantrages in Höhe von S 770,-- die Forderungsexekution gemäß § 294 EO.

Der Bund habe Vorschüsse auf den gesetzlichen Unterhalt nach dem Unterhaltsvorschußgesetz gewährt. Diese Vorschüsse würden in der Höhe von S 32.000,-- unberichtigt aushaften. Infolge Beendigung der gesetzlichen Vertretung (es handelt sich um Mario S*****) sei die Forderung auf den Bund übergegangen und somit der Rechtsübergang nachgewiesen.

Die Zustellung der Exekutionsbewilligung an die Drittschuldnerin habe unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18.12.1996, 3 Ob 98/95, zu erfolgen.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Erstgericht den Exekutionsantrag abgewiesen. Die von der betreibenden Partei zitierte Entscheidung betreffe einen anders gelagerten Fall. Maßgebend sei im gegenständlichen Fall in erster Linie das zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen bestehende Abkommen (BGBl Nr. 114/1975). Danach würde die begehrte Exekutionsführung, welche die Zustellung des Zahlungsverbotes mit den damit verbundenen Ver- und Geboten (Beachtung der in Österreich geltenden Existenzminimum-Verordnung) bedeute, gegenüber dem Drittschuldner im Fürstentum Liechtenstein ein Eingriff in die liechtensteinische Gerichtshoheit darstellen. Letzteres sei jedoch nach dem erwähnten Abkommen jedenfalls unzulässig (Hinweis auf die Entscheidungen des LG Feldkirch vom 1.3.1993, 1 a R 98/93, vom 5.8.1993, 1 a R 354/93 und vom 18.10.1993, 1 b R 226/93).

Im Rekurs der betreibenden Partei wird der Antrag gestellt, den Beschluß dahin abzuändern, daß die beantragte Forderungsexekution bewilligt wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. An Kosten werden S 2.817,60 verzeichnet.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes gehört der Grundsatz der Territorialhoheit. Es sind daher alle Staatshandlungen im Ausland verboten, durch die in die Gebietshoheit des Territorialstaates ohne dessen Einwilligung oder ohne Vorliegen eines anderen völkerrechtlichen Rechtstitels eingegriffen wird.

Es erhebt sich daher ausschließlich die Frage, ob die Zustellung eines Zahlungsverbotes im Ausland als Eingriff in die ausländische Gerichtshoheit verstanden werden kann. Bejahendenfalls wäre die Bewilligung der gegenständlichen Forderungsexekution unzulässig, da die bloße Erlassung eines Verfügungsverbotes noch nicht die beantragte Begründung eines Pfandrechtes (durch Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner mit Wohnsitz bzw. Sitz im Ausland) bewirkt.

Der Oberste Gerichtshof hat bisher die Erlassung eines Zahlungs- und Drittverbotes im Ausland überwiegend abgelehnt, sofern nicht aus bestehenden Staatsverträgen etwas anderes entnommen werden könne. Ein solches Übereinkommen besteht jedoch zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein nicht.

Auch in der österreichischen Lehre werden zur Frage der Zulässigkeit der Zustellung eines Zahlungsverbotes an einen Drittschuldner im Ausland unterschiedliche Meinungen vertreten. Jener Lehrmeinung, wonach ausnahmsweise eine Zustellung eines Zahlungsverbotes an einen im Ausland wohnhaften Drittschuldner zulässig ist, wenn der Wirkungsbereich des Zahlungsverbotes sich von vornherein ausschließlich auf das Inland beschränkt, hat sich auch der Oberste Gerichtshof angeschlossen (RPflSlgE 1969/47). Teilweise wurde die Zulässigkeit einer Zustellung eines Zahlungsverbotes an einen im Ausland ansässigen Drittschuldner lediglich von einer Inlandsbeziehung abhängig gemacht (EvBl 1990/39, RPflSlgE 1974/72), wobei die Ansicht vertreten wurde, daß die Zulässigkeit der Pfändung vom betreibenden Gläubiger zu behaupten und zu bescheinigen sei.

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat bisher die Zustellung eines Zahlungsverbotes an einen im Ausland wohnhaften Drittschuldner (Fürstentum Liechtenstein, Schweiz) abgelehnt, selbst wenn eine Inlandsbeziehung vorlag, da sich die Wirkungen des Exekutionsverfahrens jedenfalls auch auf das ausländische Hoheitsgebiet erstrecken würde und ein Eingriff in eine ausländische Gebietshoheit vorläge (5.8.1993, 1 a R 354/93, 18.10.1993, 1 b R 226/93). In seiner Entscheidung vom 10.1.1994, 1 b R 294/93, wurde diese Ansicht aufrechterhalten, wobei das Landesgericht Feldkirch vor allem auch auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 25.8.1992, 1 Ob 29/92, Leitsätze veröffentlicht in ZfRV 1993/26, S. 83, Bezug nahm. Im dortigen Amtshaftungsverfahren wurde nämlich die Ansicht vertreten, daß die Zustellung des Zahlungsverbotes der entscheidende Vollzugsakt im Rahmen der Forderungsexekution sei und es daher nur folgerichtig erscheine, auch schon die Zustellung des Zahlungsverbotes im Ausland abzulehnen. Ein darauf abzielender Exekutionsantrag wäre abzuweisen.

In der Zwischenzeit hat sich der Oberste Gerichtshof mit der divergierenden Rechtsprechung und Lehre auseinandergesetzt und ist insbesonders unter Bedachtnahme auf die neuere deutsche Lehre zur Ansicht gekommen, daß die Anordnung, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen, noch nicht als ein Akt der Zwangsvollstreckung angesehen werden könne. Bei der Zustellung des Zahlungsverbotes an einen Drittschuldner mit Wohnsitz (Sitz) im Ausland handle es sich nur um eine Rechtsetzungsbefugnis, die keinen oder nur marginalen Grenzen unterworfen sei. Der Ansicht von Schack in Internationales Zivilverfahrensrecht2 Rz 979, wonach die Anordnung, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen, noch nicht als ein Akt der Zwangsvollstreckung angesehen werden könne, hatte sich der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 26.4.1995, 3 Ob 113 - 148/94 in RdW 1995, 469 f, angeschlossen.

Wenn das Verbot an den Vollstreckungsschuldner zu bezahlen kein völkerrechtswidriger Befehl an den Drittschuldner, nicht mehr Zahlung an den Schuldner zu leisten ist, sondern lediglich die Mitteilung, daß eine Leistung des Drittschuldners an den Schuldner nicht mehr als schuldbefreiend angesehen werden kann, führt dies zwangsläufig zur Verneinung der Frage, ob es sich bei der Zustellung eines Zahlungsverbotes an einen Drittschuldner im Ausland um einen unzulässigen Eingriff in die Gebietshoheit des ausländischen Staates handelt.

Schon im Sinne der Rechtssicherheit erscheint es dem Rekursgericht angebracht, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen und sich der neueren Judikatur des Obersten Gerichtshofes, insbesonders seiner Entscheidung vom 18.12.1996, 3 Ob 98/95, bisher veröffentlicht lediglich in Jus extra 1997/2250 anzuschließen.

Wenn im Sinne dieser neuen Rechtsprechung die Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner im Ausland keine Vollstreckungsmaßnahme darstellt, kommt auch das vom Erstgericht zitierte Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen nicht zur Anwendung. Dieses behandelt lediglich die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, befaßt sich jedoch nicht mit der Frage der bloßen Zustellung von Zahlungsverboten. Der österreichisch-liechtensteinische Rechtshilfevertrag vom 1.4.1955, BGBl 1955/213 idF BGBl 1968/99, schließt die Zustellung eines solchen Zahlungsverbotes nicht aus (vgl. ecolex 1990, 235 f).

Wie der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung (3 Ob 98/95) ausgesprochen hat, kann eine von Amts wegen zu beachtende Zwecklosigkeit bei einer Pfändung einer Forderung gegen einen im Ausland wohnhaften Drittschuldner nicht von vornherein angenommen werden. Einerseits - so der Oberste Gerichtshof - sei es möglich, daß der um Zustellung an den Drittschuldner ersuchte Staat darin keinen Eingriff in seine Souveränität erblickt und die Zustellung bewirkt, andererseits sei nicht abzusehen, ob für den im Ausland wohnhaften Drittschuldner später eine Abgabestelle im Inland besteht oder er einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland namhaft machen wird.

Da somit die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der beantragten Forderungsexekution vorliegen, war dem Rekurs Folge zu geben und der angefochtene Beschluß im Sinne des Rekursantrages abzuändern.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen