JudikaturJustiz2R188/07g

2R188/07g – LG Leoben Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 2007

Kopf

Das Landesgericht Leoben hat als Rekursgericht durch die Richter Hofrat Dr. Mayer (Vorsitz), Dr. Weixelbaumer und Dr. Pochmarski in der Sachwalterschaftssache H*****, vertreten durch die Sachwalterin R*****, über den Rekurs des Revisors beim Landesgericht Leoben (SZ 3459-1/06) gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Irdning vom 27.10.2006, 12 P 14/05g-65, beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird F o l g e gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der hinsichtlich der Gebührenbestimmung (Punkt I.) sowie der Auszahlungsanordnung (Punkt II.) als nicht bekämpft unberührt bleibt, wird in der Weise abgeändert, dass der Ausspruch über die Kostentragung durch den Bund (Punkt III.) entfällt und gemäß § 2 Abs 2 GEG ausgesprochen wird, dass der Betroffene H***** die mit EUR 1.714,70 bestimmten, aus Amtsgeldern berichtigten, Sachverständigengebühren dem Bund zu ersetzen hat.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung:

Text

Mit Beschluss vom 8.5.2002, P 7/07k-10 des BG Irdning, wurde für H***** rechtskräftig ein Sachwalter bestellt, dessen Wirkungskreis unter anderem zur Einkommens- und Vermögensverwaltung umfasst. Mit Schriftsatz 12 P 14/05g-44 beantragte der damalige Sachwalter RA Mag. K***** die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Übertragung von Gesellschaftsanteilen des Betroffenen an der zu FN 52319s eingetragenen U***** GmbH an dessen Stiefsohn.

Mit Beschluss vom 28.10.2005, 12 P 14/05g-45, beauftragte das Pflegschaftsgericht den Sachverständigen Mag. R***** zur Erstattung eines Gutachtens über den Wert des dem Betroffenen gehörenden Gesellschaftsanteiles.

Nach Erstattung des Gutachtens genehmigte das Pflegschaftsgericht mit Beschluss vom 11.5.2006, 12 P 14/05g-56, die Abtretung der Geschäftsanteile antragsgemäß.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss ON 65 bestimmte das Pflegschaftsgericht die Gebühren des beigezogenen Sachverständigen Mag. R***** für die Erstattung seines Gutachtens (Punkt I.), wies den Rechnungsführer an, den Gebührenbetrag aus Amtsgeldern auszuzahlen (Punkt II.) und sprach aus, dass diese Kosten der Bund trage (Punkt III.).

Den ausschließlich angefochtenen Beschluss-Punkt III. begründete das Erstgericht damit, dass die Beiziehung eines Sachverständigen zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des vorgelegten Abtretungsvertrages betreffend die Geschäftsanteile des Betroffenen unerlässlich gewesen sei und von Amts wegen zu erfolgen hatte, der Betroffene jedoch über kein Vermögen verfüge und die Übernahme dieser Kosten dessen notwendigen Unterhalt gefährden würde. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Revisors beim Landesgericht Leoben welcher die Tragung der Sachverständigenkosten durch den Bund bekämpft. Der Revisor macht geltend, dass der Betroffene (sein Sachwalter) durch seinen Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Abtretungsvertrages die Einholung des Gutachtens verursacht haben; § 129 AußStrG könne nicht angewendet werden.

Dem Betroffenen (seiner nunmehrigen Sachwalterin) wurde Gelegenheit zur Erstattung einer Rekursbeantwortung gegeben; eine solche wurde nicht erstattet (vgl ON 72).

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens:

1.1. Es entspricht der bisherigen Rechtsprechung des LG Leoben als

Rekursgericht wie auch einer Reihe anderer Rekursgerichte, dass das

Rekursverfahren gegen einen Grundsatzbeschluss nach § 2 GEG einseitig

sei (vgl LG Leoben 15.5.2003, 3 R 91/03v; LG Salzburg 23.8.2002, 21 R

180/02w = EFSlg 102.714; LG Linz 21.8.2003, 15 R 269/03i = EFSlg

106.504; LG Wels 11.1.2005, 21 R 401/04a = EFSlg 112.795).

Im Lichte der ZVN 2004 (BGBl I Nr.128/2004) erscheint diese Ansicht aber überprüfenswert:

1.2. Die viel beachtete Entscheidung EGMR 6.12.2001, Beer - Austria, 30428/96 wurde vom Gesetzgeber zum Anlass genommen, durch die Einfügung des § 521a Abs 1 Z 4 ZPO durch das 2. Euro-JuBeG (BGBl I Nr.98/2001) das Kostenrekursverfahren zweiseitig zu gestalten. Der Entscheidung des EGMR lag der aus Art 6 Abs 1 MRK herleitbare Grundsatz der Waffengleichheit in einem Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zugrunde, welcher es erfordert, jeder Partei eine angemessene Gelegenheit zu geben, ihren Fall unter Bedingungen zu präsentieren, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber dem Verfahrensgegner bedeuten (ausführlich G. Kodek, Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens - Überlegungen aus Anlass der Entscheidung Beer gegen Österreich, ÖJZ 2004/34 bzw. 37). Der Gesetzgeber des Außerstreitgesetzes ist diesem Grundsatz auch gefolgt, indem § 48 AußStrG ebenfalls die Zweiseitigkeit des Verfahrens für Rekurse gegen Beschlüsse, mit denen über die Kosten des Verfahrens entschieden wurde, anordnet.

Mit der bereits erwähnten ZVN 2004 wurde durch § 72 Abs 2a ZPO auch das Rekursverfahren in Verfahrenshilfeangelegenheiten zweiseitig gestaltet. Die Erläuternden Bemerkungen (613 der Beilagen, XXII.GP) führen dazu aus, dass diese Gesetzesänderung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art 6 MRK) vorgenommen wurde.

1.3. Der Ausspruch der Haftung nach § 2 GEG bildet quasi die "Schnittstelle" zwischen dem Kostenersatzrecht zwischen den Parteien einerseits und andererseits der Entscheidung der Frage der Kostentragung durch die Parteien oder - zufolge bewilligter Verfahrenshilfe - vorläufig durch den Bund. Im ersten Fall ordnen die §§ 521a Abs 1 Z 4 ZPO bzw. § 48 AußStrG die Zweiseitigkeit des Kostenrekursverfahrens an. Für den zweiten Fall - die Bewilligung oder Versagung der Verfahrenshilfe - ordnet § 72 Abs 2a ZPO die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens an. Nach Ansicht des Rekurssenates kommt einem Ausspruch nach § 2 GEG, mit welchem die Zahlungspflicht einer Partei für vorläufig aus Amtsgelder ausbezahlte (hier) Sachverständigengebühren angeordnet wird, dieselbe Qualität zu, wie einer Verpflichtung zur Kostentragung gegenüber dem Verfahrensgegner, welche Auslegung für die Gewährung von rechtlichem Gehör spricht.

Ein weiteres Argument spricht für die Gewährung von rechtlichem Gehör zumindest durch die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens: Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem rekursgerichtlichen Ausspruch über die Haftung nach § 2 GEG um eine endgültige, da nicht weiter vor dem OGH anfechtbare, Entscheidung in einem Zwischenverfahren, in welchem der Betroffene (bzw. seine Sachwalterin) vor der Entscheidung durch das Gericht erster Instanz (prinzipiell zulässigerweise) nicht gehört wurde. Bliebe man bei der Einseitigkeit des Rekursverfahrens würde der Betroffene auch im Rekursverfahren nicht gehört werden. Dies führte zu dem Ergebnis, dass der Betroffene (sein Sachwalter) und dessen Argumente vor Ergehen der hier vorliegenden Entscheidung, mit welchem die Haftung gegenüber dem Bund für Sachverständigengebühren ausgesprochen wird, weder in erster, noch in zweiter Instanz gehört würden. Dieses Defizit des rechtlichen Gehörs wird dadurch verstärkt, dass eine Anrufung des Obersten Gerichtshofes mittels Revisionsrekurses gegen Beschlüsse nach § 2 GEG jedenfalls unzulässig ist (vgl OGH 25.1.1994, 1 Ob 501/94).

1.4. Zusammengefasst würde die Beibehaltung der Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens gegen Grundsatzbeschlüsse gemäß § 2 GEG im vorliegenden Fall dazu führen, dass eine Partei im Verfahren erster Instanz vom Erstgericht zulässigerweise vor Erlassung des Haftungsausspruches nicht gehört würde, in der Folge den Beschluss mangels eigener Beschwer nicht bekämpfen könnte, aber das Rekursgericht über Rekurs des Revisors (oder eines Prozessgegners) ohne Gewährung rechtlichen Gehörs die Haftung jener Partei gegenüber dem Bund für die aus Amsgeldern berichtigten Sachverständigen-Gebühren aussprechen würde. Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes wäre zufolge § 62 Abs 2 AußStrG (oder bei vergleichbarer Rechtslage im Verfahren nach der ZPO zufolge § 528 Abs 2 Z 3 bzw. Z 5 ZPO) eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs mittels Revisionsrekurses unzulässig.

Der erkennende Senat kommt daher zum Ergebnis, dass das Rekursverfahren gegen Haftungsbeschlüsse nach § 2 GEG jedenfalls dann zweiseitig ist, wenn eine Partei (der Revisor) die Abänderung einer erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne einer Haftung einer anderen Partei begehrt.

2. In der Sache ist auf die Entscheidung LG Leoben vom 15.5.2003, 3 R 91/03v und die dort herausgearbeiteten Grundsätze zu verweisen, an deren Anwendbarkeit sich auch durch die Einführung des § 129 AußStrG nF nichts geändert hat und welche wie folgt zusammenzufassen sind:

Da das Sachwalterbestellungsverfahren - im vorliegenden Fall durch den Beschluss vom 8.5.2002, P 7/02k-10 - abgeschlossen ist, gelangt § 129 AußStrG (früher § 252 AußStrG) nicht zur Anwendung. Es gibt somit weder eine bestehende Vorschrift, noch eine rechtskräftige Kostenentscheidung iS des § 2 Abs 1 GEG. Die Frage der (möglichen) Ersatzpflicht des Betroffenen orientiert sich daher an der Veranlassung des Gutachtens bzw. dem Interesse daran.

Beide Kriterien treffen auf den Betroffenen zu: Die Einholung des Gutachtens wurde durch den Antrag des damaligen Sachwalters auf Genehmigung der Übertragung der Gesellschaftsanteile des Betroffenen (ON 44) veranlasst. Weiters war die Abtretung auch im Interesse des Betroffenen, da dieser das Unternehmen nicht weiterführen konnte und der Abtretungspreis dem Wert der Gesellschaftsanteile entsprach (vgl auch Maurer/Schütz/Schrott, AußStrG, Rz 2 zu § 132, wonach die Genehmigung von Rechtshandlungen Pflegebefohlener ausschließlich im Interesse des Pflegebefohlenen erfolgt mwN).

Daraus folgt, dass der Betroffene gemäß § 2 Abs 2 GEG die Sachverständigengebühren zu ersetzen hat, weshalb der angefochtene Beschluss wie im Spruch ersichtlich abzuändern war. Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 62 Abs 2 AußStrG.

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