JudikaturJustiz2R17/17s

2R17/17s – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
26. Januar 2017

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Richter Hofrat Dr. Höfle als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Mayrhofer und den Richter Mag. Kallina als weitere Senatsmitglieder in der Schuldenregulierungssache des J***** W *****, vertreten durch die ifs Schuldenberatung gemeinnützige GmbH, Mehrerauerstraße 3, 6900 Bregenz, diese vertreten durch Mag. Claudia Lecher-Tedeschi, Rechtsanwältin in Dornbirn, über den Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 23. Dezember 2016, 14 S 75/09d-27, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung:

Text

Mit Beschluss vom 29.5.2009 eröffnete das Erstgericht über das Vermögen des Schuldners das Schuldenregulierungsverfahren, wobei ihm die Eigenverwaltung nicht entzogen wurde.

In der Tagsatzung vom 9.9.2009 wurde die Gesamtsumme der angemeldeten und anerkannten Forderungen mit EUR 71.948,31 festgestellt. Dem vom Schuldner angebotenen Zahlungsplan mit einer Quote von 29 %, zahlbar in 7 Jahresraten, stimmten die anwesenden Gläubiger mehrheitlich nicht zu. Das Erstgericht leitete mit Beschluss vom 9.9.2009 das Abschöpfungsverfahren ein und bestellte die ASB Schuldnerberatungen GmbH zur Treuhänderin.

Nach Ablauf der für die Zeit von 7 Jahren gültigen Abtretungserklärung legte die Treuhänderin Rechnung und gab bekannt, dass die Gläubiger 1,52 % ihrer angemeldeten Forderungen erhalten hätten. Auf die Quote von 10 % hafte noch ein Betrag von EUR 6.060,79 aus. An Verfahrenskosten seien über die Treuhänderin EUR 626,89 beglichen worden. Dies entspreche einer Quote von 0,88 % der Gesamtforderungen. Es würden ein Negativsaldo am Treuhandkonto von EUR 84,06 und die Treuhandvergütung von EUR 684,00 aushaften.

Über Aufforderung des Erstgerichtes stellte der Schuldner gestützt auf die Bestimmung des § 213 Abs 3 IO den Antrag, das Abschöpfungsverfahren zu beenden, die Entscheidung über die Restschuldbefreiung auszusetzen und festzulegen, dass er gegen Leistung von Ergänzungszahlungen von EUR 1.000,00 innert der nächsten 12 Monate von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten befreit werde. Dies entspräche einer Quote von weiteren 1,55 %, wodurch sich die Gesamtquote unter Berücksichtigung der Verfahrenskosten auf 3,95 % erhöhen würde. Dazu brachte der Schuldner vor, er habe während der gesamten Laufzeit des Abschöpfungsverfahrens mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen gehabt. Bedingt durch zwei Bandscheibenvorfälle und die damit verbundenen ständigen Schmerzen sei er nicht mehr in der Lage gewesen, seinen erlernten Beruf als Konditor auszuüben. Er habe versucht, durch medikamentöse Behandlungen und mehrfache Kuraufenthalte seine gesundheitliche Situation zu verbessern. Wegen der Beeinträchtigungen habe er in den letzten 7 Jahren mehrfach den Arbeitsplatz gewechselt. Seit dem Jahr 2013 beziehe er nur noch ein Mindesteinkommen, bestehend aus Notstandshilfe, Mindestsicherung und Wohnbeihilfe. Er habe für sämtliche Verbindlichkeiten allein gehaftet. Das Finanzamt habe im Jahr 2011 eine Gutschrift aus der Arbeitnehmerveranlagung in Höhe von EUR 449,00 einbehalten. Seine gesundheitliche Lage und die damit einhergehenden Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt würden sich in den nächsten Jahren nicht bessern. Mit Unterstützung von dritter Seite wäre es ihm möglich, Ergänzungszahlungen von EUR 1.000,00 zu leisten.

Die Treuhänderin erklärte, dass aus ihrer Sicht keine Bedenken gegen den Antrag des Schuldners vorlägen.

Eine Insolvenzgläubigerin sprach sich gegen den Antrag des Schuldners aus, während zwei Insolvenzgläubigerinnen ihre Zustimmung erteilten. Die übrigen Gläubiger äußerten sich nicht.

Das Erstgericht erklärte das eingeleitete Abschöpfungsverfahren für beendet und wies den Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß § 213 Abs 3 IO ab. Dabei ging es davon aus, dass die Gläubiger 0,52 % (richtig: 1,52 %) ihrer angemeldeten Forderungen erhalten hätten. Die beglichenen Verfahrenskosten entsprächen einer weiteren Quote von 0,88 % der Gesamtforderungen. Wegen des Einbehalts einer Gutschrift aus der Arbeitnehmerveranlagung von EUR 449,00 habe das Finanzamt Feldkirch die ursprüngliche Forderung von EUR 7.376,05 auf EUR 6.927,05 eingeschränkt. Im Jahr 2009 seien auf dem Treuhandkonto EUR 416,36 eingegangen. In den Jahren 2010 und 2011 seien noch unregelmäßige Zahlungseingänge von gesamt EUR 1.306,78 verbucht worden. Im Zeitraum Dezember 2011 bis Dezember 2015 seien keine weiteren Zahlungen mehr eingelangt. Der Schuldner habe eine Ausbildung als Konditor. Zu Beginn des Abschöpfungsverfahrens sei er als Arbeiter tätig gewesen. Vom 19.4.2010 bis 3.6.2011 habe er bei einer Möbelfirma gearbeitet. Seit 1.6.2011 sei er wechselnd geringfügig beschäftigt gewesen und habe Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe bezogen. Immer wieder habe er Krankengeld erhalten. Der Schuldner leide seit dem Jahr 2009 an chronischen Lendenwirbelsäulenschmerzen. Er habe mehrere, teilweise kleinere Bandscheibenvorfälle. Mit der gesundheitlichen Beeinträchtigung seien Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, insbesondere beim Heben und Tragen von Lasten, bei überwiegend sitzenden Tätigkeiten und monotonen Bewegungsabläufen verbunden. Der Schuldner habe keine Sorgepflichten. Bei der Entscheidung nach § 213 Abs 3 IO seien regelmäßig auch die besonderen persönlichen Verhältnisse eines Schuldners, vor allem eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und Sorgepflichten ins Kalkül zu ziehen. Hier habe der Schuldner während der Laufzeit des Abschöpfungsverfahrens eine Quote von 0,52 % (richtig: 1,52 %) und unter Berücksichtigung der Verfahrenskosten von 1,4 % (richtig: 2,4 %) erzielt. Wohl seien die gesundheitliche Beeinträchtigung des Schuldners und die damit verbundenen Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden, als Billigkeitsgründe zu werten. Allerdings werde die Quote nicht nur geringfügig, sondern massiv unterschritten, da – selbst unter Berücksichtigung der Verfahrenskosten – eine Quote von nicht einmal 2 % (richtig: 3 %) erzielt worden sei. Der vom Schuldner nunmehr angebotene Betrag von EUR 1.000,00 würde zu einer Erhöhung der bisher erzielten Quote um weitere 1,55 % führen. Dadurch werde aber die Gesamtquote nur in einem solchen Ausmaß erhöht, das es nicht rechtfertige, die Entscheidung über die Restschuldbefreiung auszusetzen. Die krankheitsbedingten Beeinträchtigungen seien nicht so stark, dass sie eine gänzliche Arbeitsunfähigkeit zur Folge gehabt hätten. In Anbetracht des noch jungen Alters des Schuldners und der fehlenden Betreuungspflichten wäre ihm das Erzielen einer höheren Quote zumutbar gewesen. Zudem habe der Schuldner seit dem Jahre 2011 wenig Bemühen gezeigt, die Quote zu erhöhen. Es wäre ihm möglich gewesen, durch zusätzliche, wenn auch kleine, freiwillige Zahlungen an die Treuhänderin zumindest seine Bemühungen, die Quote zu erhöhen, zu zeigen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der fristgerechte Rekurs des Schuldners mit dem Antrag, die Entscheidung aufzuheben und ihm iSd § 213 Abs 3 IO Ergänzungszahlungen zur Erreichung der Restschuldbefreiung aufzutragen.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Schuldner argumentiert damit, er habe sich während der gesamten Laufzeit des Abschöpfungsverfahrens um eine berufliche Rehabilitation bzw Umschulung bemüht. Er habe immer wieder den Einstieg ins Berufsleben versucht und Maßnahmen zur Verbesserung seiner gesundheitlichen Situation in Anspruch genommen. Aufgrund seiner starken Schmerzen sei er daran gescheitert. Wegen des erhaltenen Mindesteinkommens seien ihm keine weiteren Zahlungen an die Treuhänderin möglich gewesen. Durch die von ihm angebotene Ergänzungszahlung könnte er eine Gesamtquote von 3,95 % erzielen. Das Insolvenzgericht hätte auch die Möglichkeit gehabt, eine höhere Ergänzungszahlung aufzutragen.

Bereits das Erstgericht hat die maßgeblichen Kriterien für eine Billigkeitsentscheidung nach § 213 Abs 3 IO zutreffend aufgezeigt. Wesentlich dabei ist, dass die Aufzählung im § 213 Abs 3 IO nicht taxativ zu verstehen ist, weshalb auch die Billigkeitsgründe des § 213 Abs 2 IO (Krankheit, Arbeitslosigkeit, Betreuungspflichten) bei einer Entscheidung nach § 213 Abs 3 IO Berücksichtigung finden können (RIS-Justiz RS0112278; 8 Ob 119/13b; 2 R 308/16h LG Feldkirch mwN; Kodek , Privatkonkurs 2 Rz 687, 691; Posani , Krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit als Billigkeitsgrund – zur Unterschreitung der Mindestquote im Abschöpfungsverfahren, ZIK 2014, 125 [126]). Wegen des Charakters der Entscheidung nach § 213 Abs 3 IO als Billigkeitsentscheidung sind für die zu erreichende Mindestquote auch keine fixen Grenzen vorgegeben. Gegenüber einzelnen Gläubigern kann es auch zu einem deutlichen Unterschreiten der 10 %-Grenze kommen (2 R 171/16m LG Feldkirch; Kodek aaO Rz 689). Nach Mohr (Restschuldbefreiung nach Billigkeit, ZIK 2015/274, 211) sind das Unterschreiten der Mindestquote einerseits und das Gewicht der Billigkeitsgründe andererseits kommunizierende Gefäße. Auch den Zahlungszeitpunkt hat das Gericht nach Billigkeit festzusetzen (8 Ob 7/16m). Da es sich bei der Entscheidung nach § 213 Abs 3 IO um eine Billigkeitsentscheidung handelt, ist stets eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen (8 Ob 7/16m = ZIK 2016/205 = ÖBA 2016/2233).

Nach der Rechtsprechung des OGH rechtfertigt selbst eine krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit ein Vorgehen nach § 213 Abs 3 IO dann nicht, wenn auch bei Auferlegung weiterer Zahlungen die Quote von 10 % deutlich unterschritten würde (RIS-Justiz RS0112275; 8 Ob 71/11s = ZIK 2012/340 = ÖBA 212/1851; 8 Ob 119/13b = ZIK 2014/227 = ÖBA 2014/2044; 8 Ob 51/15f = ZIK 2015/314 = ÖBA 2015/2169). Auch das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat zur Bestimmung des § 213 Abs 3 IO schon mehrfach die Auffassung vertreten, dass ein deutliches Unterschreiten der 10 %-Quote für alle Gläubiger auch nach Leistung von Ergänzungszahlungen nur ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Dies betraf aber nur Fälle, in denen neben allgemeinen Billigkeitsgründen (Krankheit, Arbeitslosigkeit, Betreuungspflichten) die im § 213 Abs 3 Z 1 bis 4 IO angeführten speziellen Gründe zum Tragen kamen (2 R 222/16m, 2 R 291/15g, 2 R 196/15m, 2 R 251/14y, 2 R 74/11i, alle LG Feldkirch).

Gegenständlich hat auch schon das Erstgericht die vom Schuldner bescheinigten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die damit verbundenen Schwierigkeiten, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden, als (allgemeine) Billigkeitsgründe anerkannt. Allerdings hat es auch zu Recht darauf hingewiesen, dass durch die vom Schuldner angebotenen Ergänzungszahlungen – selbst unter Einbeziehung der Verfahrenskosten – die Gesamtquote auf (nur) 3,95 % erhöht würde. Damit liegt sie aber nicht nur geringfügig, sondern weit hinter der Mindestquote von 10 % zurück, was ein Vorgehen nach § 213 Abs 3 IO verhindert.

Wenn im Rekurs damit argumentiert wird, das Erstgericht hätte auch die Möglichkeit gehabt, eine höhere Ergänzungszahlung aufzutragen, dann handelt es sich dabei um ein nicht konkretisiertes, geschweige denn bescheinigtes Vorbringen zur Erfüllbarkeit. Bereits in erster Instanz ging der Schuldner davon aus, er könne nur durch Unterstützung von dritter Seite EUR 1.000,00 an Ergänzungszahlungen aufbringen. Wie er darüber hinaus in der Lage wäre, weitere Ergänzungszahlungen zu leisten, wird im Rekurs nicht näher erläutert und es wurden dazu auch keine Bescheinigungsmittel angeboten oder vorgelegt. Es obliegt dem Schuldner, Umstände zu behaupten und zu bescheinigen, die die Erteilung der Restschuldbefreiung rechtfertigen würden (RIS-Justiz RS0112278, RS0126092).

Aus diesen Überlegungen ist dem Rekurs des Schuldners nicht Folge zu geben.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses stützt sich auf § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.

Landesgericht Feldkirch, Abteilung 2

Feldkirch, am 26. Jänner 2017

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