JudikaturJustiz2R16/12m

2R16/12m – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 2012

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Richter Hofrat Dr. Höfle als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Mayrhofer und Dr. Ciresa als weitere Senatsmitglieder in der Schuldenregulierungssache des B *****, vertreten durch die IfS Schuldenberatung gemeinnützige GmbH, Mehrerauerstraße 3, 6900 Bregenz, vertreten durch Mag. Claudia Lecher-Tedeschi, Rechtsanwältin in Dornbirn, über den Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 28. Dezember 2011, 17 S 29/11t-21, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Am 28.9.2011 hat der durch die IfS Schuldenberatung gemeinnützige GmbH in Bregenz vertretene Schuldner die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens beantragt. Nach dem Einlangen der vom Erstgericht angeforderten Gläubigerliste, in welcher unter anderem als Gläubigerin die P*****, (nunmehr) vertreten durch die Hartl Rechtsanwalts GmbH in 4020 Linz, mit einer titulierten Forderung von EUR 268,63 aufscheint, wurde vom Erstgericht mit Beschluss vom 8.11.2011 über das Vermögen des Schuldners antragsgemäß das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet.

Das Erstgericht veranlasste die Zustellung des Eröffnungsediktes an die P***** an der in der Gläubigerliste angeführten Adresse *****. Das Dokument langte am 2.12.2011 mit dem Vermerk „verzogen“ beim Erstgericht zurück, welches den Schuldnervertreter vom Unterbleiben der Zustellung an die Gläubigerin benachrichtigte.

Der Schuldner(vertreter) begehrte hierauf die Zustellung des Eröffnungsediktes an den in der Gläubigerliste angeführten Gläubigervertreter (ON 18). Das Erstgericht erklärte im Schreiben vom 14.12.2011, ON 19, dass ein Vollmachtsverhältnis zwischen der P***** und dem in der Gläubigerliste angeführten Gläubigervertreter im gegenständlichen Schuldenregulierungsverfahren nicht ausgewiesen sei, sodass eine Zustellung des Eröffnungsbeschlusses (samt Vermögensverzeichnis und Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans) an den im Exekutionsverfahren auftretenden Gläubigervertreter nicht erfolgen könne.

Am 27.12.2011 beantragte hierauf der Schuldner die Zustellung des Eröffnungsediktes an die Hartl Rechtsanwalts GmbH mit der Begründung, dass die Hartl Rechtsanwalts GmbH nicht nur für den Zivilprozess und das Exekutionsverfahren eine Vollmacht habe. Es wäre widersinnig, einen bisher im Zivilprozess und Exekutionsverfahren agierenden Vertreter nicht von einem Insolvenzverfahren zu verständigen. Aus dem Umstand, dass die ausgewiesene Vertretung „nur“ im Zivilprozess und im Exekutionsverfahren erfolgt sei, könne nicht abgeleitet werden, dass dieser Vertreter keine Vollmacht für ein Insolvenzverfahren haben sollte. Die Praxis zeige, dass jene Rechtsvertreter, die den Zivilprozess und das Exekutionsverfahren betreiben würden, in Insolvenzverfahren regelmäßig die bestehenden Forderungen zur Anmeldung brächten.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht den Antrag des Schuldners mit der Begründung abgewiesen, dass bisher weder die P***** noch die Hartl Rechtsanwälte GmbH ein Vollmachtsverhältnis angezeigt habe. Die Behauptung des Schuldnervertreters, dass die Hartl Rechtsanwalts GmbH für die Gläubigerin nicht nur für den Zivilprozess und das Exekutionsverfahren eine Vollmacht habe, sei nicht bescheinigt worden. Jedem Gläubiger stehe das Recht zu, sich in einem Schuldenregulierungsverfahren durch den bisherigen Rechtsvertreter vertreten zu lassen. Es bestehe aber auch die Möglichkeit, sich durch Gläubigerschutzverbände vertreten zu lassen oder gar selbst aufzutreten. Solange somit dem Gericht nicht bekannt sei, ob und durch wen sich ein Gläubiger im Schuldenregulierungsverfahren überhaupt vertreten lasse, könne eine wirksame Zustellung nur an den Gläubiger selbst erfolgen. Im Übrigen hätten die Gläubiger auch Anspruch auf Zustellung des Vermögensverzeichnisses des Schuldners sowie dessen Antrag auf Annahme eines Zahlungsplanes. Eine Zustellung dieser zum Teil sensiblen Daten an einen nicht ausgewiesenen Vertreter könne schon aus Datenschutzgründen nicht erfolgen.

Gegen die Entscheidung richtet sich der fristgerechte Rekurs des Schuldners aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, den Beschluss über die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens der Hartl Rechtsanwalts GmbH zustellen zu lassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Schuldners ist zulässig, allerdings nicht begründet.

Alle im Zusammenhang mit einer Zustellung stehenden Anordnungen sind grundsätzlich Sache des Gerichtes. Gemäß § 87 Abs 2 ZPO (iVm § 252 IO) sind diese Anordnungen nicht abgesondert anfechtbar. Nach § 87 Abs 2 ZPO sind nur Anordnungen nach dem mit „Zustellungen“ überschriebenen Zweiten Titel, Zweiter Abschnitt, Erster Teil der ZPO gemeint, worunter neben der Zustellverfügung (§ 123 ff Geo) auch die Anordnung der neuerlichen Zustellung einer Entscheidung verstanden wird (RIS-Justiz RS0036418[T1], RS0113341). Darüber hinausgehende Entscheidungen des Gerichtes, wie etwa die Abweisung eines Antrags auf Zustellung von Beschlussausfertigungen, sind hingegen von der gesetzlichen Rechtsmittelbeschränkung nicht erfasst (RIS-Justiz RS0102243, zuletzt 3 Ob 36/09d), zumal durch die hier strittige Frage, an wen (Gläubiger oder Vertreter) die Zustellung zu erfolgen hat, auch wohl eine Beschwer des Schuldners zu bejahen ist (Stumvoll in Fasching/Konecny² § 87 ZPO Rz 12).

Der Rekurs des Schuldners gegen die Abweisung seines Zustellantrages unterliegt damit nicht der gesetzlichen Rechtsmittelbeschränkung nach § 87 Abs 2 ZPO iVm § 252 IO, sodass die Zulässigkeit seines Rekurses zu bejahen ist.

Inhaltlich erweist sich der Rekurs allerdings als unbegründet.

Der Schuldner argumentiert damit, dass eine Prozessvollmacht nach § 31 ZPO kraft Gesetzes unter anderem zur Einleitung der Exekution wider den Prozessgegner, zur Vornahme aller im Exekutionsverfahren auf Seiten des Exekutionsführers vorkommenden Handlungen und zur Erwirkung des Sicherungsverfahrens ermächtige. Eine Beschränkung der Prozessvollmacht lediglich auf das Exekutions- und Sicherungsverfahren wäre eine zu enge Auslegung der Bestimmung. Vielmehr impliziere die Prozessvollmacht auch ein Vollmachtsverhältnis für ein allfälliges (nachfolgendes) Insolvenz- bzw Schuldenregulierungsverfahren, sodass es nicht notwendig sei, dass die P***** und die Hartl Rechtsanwalts GmbH ein Vollmachtsverhältnis im Insolvenzverfahren gesondert anzeigten.

Das Schuldenregulierungsverfahren – wie im Übrigen das Insolvenzverfahren natürlicher Personen überhaupt – verfolge den Zweck der Haftungsverwirklichung, also der (anteiligen) Gläubigerbefriedigung durch Realisierung des Schuldnervermögens. Dieser Zweck werde nur dann erfüllt, wenn die Gläubiger am Verfahren teilnehmen könnten. Wenn nun aber die vom Schuldner in seinem Vermögensverzeichnis aufgezählten Gläubigervertreter nicht vom Schuldenregulierungsverfahren verständigt würden, werde einer der Hauptzwecke des Schuldenregulierungsverfahrens nicht erfüllt, was den Intentionen des Gesetzgebers widerspreche.

Im Übrigen sei es an sämtlichen anderen Vorarlberger Bezirksgerichten üblich, das Eröffnungsedikt den Gläubigern und Gläubigervertretern, teilweise sogar ausschließlich den Gläubigervertretern, zuzustellen. Das Vermögensverzeichnis sei im Schuldenregulierungsverfahren den Insolvenzgläubigern und deren Vertretern nicht zuzustellen. § 75 Abs 2 IO sei nur auf Schuldner anzuwenden, die (noch) Unternehmen seien. Der Zahlungsplaninhalt werde in der Insolvenzdatei bekannt gemacht, sodass die vom Erstgericht geäußerten Bedenken in Bezug auf den Datenschutz unbegründet seien.

Gemäß § 93 Abs 1 ZPO, welche Bestimmung gemäß § 252 IO und § 78 EO sowohl im Insolvenz- als auch im Exekutionsverfahren anzuwenden ist, haben bis zur Aufhebung der Prozessvollmacht (§ 36) alle diesen Rechtsstreit betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen. Es steht damit nicht im Ermessen des Gerichts, ob bei aufrechtem Vollmachtsverhältnis an den Prozessbevollmächtigten oder an die Partei zugestellt werden soll. Eine Zustellung an Letztere ist daher wirkungslos (RIS-Justiz RS0036252; Gitschthaler in Rechberger 3 § 93 Rz 6 mwN).

Die Prozessvollmacht als Legalvollmacht hat im Wesentlichen unbeschränkbar einen gesetzlich umschriebenen Inhalt. Sie befähigt zu allen in § 31 Abs 1 ZPO umschriebenen Prozesshandlungen sowie zur beschränkten Unterbevollmächtigung (Zib in Fasching/Konecny² §§ 31, 32 ZPO Rz 6, 7). Zustellungen können daher nur insoweit an den Bevollmächtigten erfolgen, als die Annahme der Zustellung durch den Umfang der Prozessvollmacht nach §§ 31, 32 ZPO gedeckt ist (Zib aaO Rz 19; Stumvoll aaO § 93 ZPO Rz 6).

Gemäß § 31 Abs 1 Z 3 ZPO ermächtigt die einem Rechtsanwalt zur Prozessführung erteilte Vollmacht auch zur Einleitung der Exekution gegen den Prozessgegner. Die Prozessvollmacht deckt somit auch den Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils gemäß §§ 78 ff EO und ermächtigt zu allen im Vollstreckungsverfahren auf Seiten der betreibenden Partei vorkommenden Handlungen (Stumvoll aaO; Zib aaO Rz 28) sowie zur Erwirkung des Sicherungsverfahrens, daher insbesondere auch zur Exekution zur Sicherstellung gemäß §§ 370 ff EO (Zib aaO Rz 31). Beschlüsse auf Einverleibung und Löschung nach Zwangsversteigerung (§ 237 EO) im Exekutionsverfahren sind dem ausgewiesenen Vertreter zuzustellen (Stopfer in Raschauer, Österreichisches Zustellrecht, § 93 ZPO Rz 3 mwN).

Hinsichtlich des einem Hauptverfahren, in dem eine einstweilige Verfügung erlassen worden war, folgenden Verfahrens nach § 394 EO wirkt die Prozessvollmacht ebenfalls weiter (RIS-Justiz RS0034709; Stumvoll aaO), hinsichtlich des dem Hauptverfahren folgenden Exekutionsverfahrens deckt sie jedoch weder die Vertretung des Verpflichteten noch die Führung von Prozessen nach §§ 35 bis 37 EO oder die Anerkennung des Eigentums eines Exszindierungsklägers (Fucik in Rechberger³ § 31 Rz 1; Zib aaO Rz 30).

Die Berechtigung zur Empfangnahme von Zustellungen bezieht sich also grundsätzlich nur auf jenes Verfahren, in welchem die Bevollmächtigung erteilt wurde, sie erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung jedoch auf die mit diesem Verfahren unmittelbar zusammenhängenden Streitigkeiten, die vom gesetzlichen Umfang der einem Rechtsanwalt erteilten Prozessvollmacht gedeckt sind (RIS-Justiz RS0118682; 8 Ob 20/03d mwN; Stopfer aaO), so auf Zustellungen im Rahmen einer auf das Verfahren Bezug habenden Widerklage, eines damit zusammenhängenden Hauptinterventionsstreites oder eines dem Hauptverfahren folgenden Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmesprozesses (Stumvoll aaO).

Die im Ehescheidungsverfahren erteilte Prozessvollmacht ist auch für das anschließende Verfahren nach § 98 EheG wirksam (RIS-Justiz RS0118681, RS0118682 = 1 Ob 115/03y). Die Bekanntgabe der Bevollmächtigung eines Rechtsvertreters im Besuchsrechtsverfahren wirkt sich hingegen nicht auf das Unterhaltsverfahren aus (LG Feldkirch 1 R 282/07i = RIS-Justiz RFE0000170).

Die im Zuge der Anmeldung einer Insolvenzforderung ausgewiesene Vollmacht erstreckt sich auch auf das Verwertungsverfahren einer mit Absonderungsrechten belasteten Sondermasse (RIS-Justiz RS0108052[T2], RS0118208 = 8 Ob 20/03d). Das Abschöpfungsverfahren stellt ein Nachverfahren zum Insolvenzverfahren dar, sodass die im Schuldenregulierungsverfahren ausgewiesene Rechtsanwaltsbestellung auch auf das Abschöpfungsverfahren fortwirkt (LGZ Wien 46 R 617/09i = RIS-Justiz RWZ0000153 mwN).

Die kridamäßige Versteigerung nach § 119 KO (jetzt: gerichtliche Veräußerung nach § 119 IO) ist hingegen ein im Verhältnis zum Konkurs-/Schuldenregulierungsverfahren eigenständiges exekutionsrechtliches Verfahren, sodass bei der Zustellung des Meistbotverteilungsbeschlusses im Verfahren nach § 119 KO in Bezug auf das Konkurs-/Schuldenregulierungsverfahren nicht von einer „diesen Rechtsstreit betreffenden Zustellung“ im Sinne des § 93 ZPO gesprochen werden kann (RIS-Justiz RS0108052 [T3] = 3 Ob 227/06p). Der Vertreter wird durch die Prozessvollmacht daher weder zu Anträgen auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch zur Anmeldung der Forderungen in einem solchen Verfahren noch zur Vornahme irgendeiner Verfahrenshandlung im Insolvenzverfahren befähigt, weil dies außerhalb des in § 31 Abs 1 ZPO geregelten Bereiches des Zivilprozesses und anschließenden Exekutionsverfahrens liegt. Anderes würde nur gelten, wenn die „Prozessvollmacht“ gerade für das Insolvenzverfahren erteilt wurde (Zib aaO Rz 36). Allerdings muss die Prozessvollmacht ausdrücklich (und nicht schlüssig) erteilt werden (RIS-Justiz RS0105790, zuletzt 2 Ob 60/02s).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung und Lehre erweist sich die Rechtsansicht des Erstgerichtes aber als zutreffend, dass sich die von der Gläubigerin erteilte Prozessvollmacht nicht auch auf das gegenständliche Schuldenregulierungsverfahren erstreckt und mangels Nachweises einer Bevollmächtigung (auch) für das Insolvenzverfahren die Zustellung nicht an den früheren Rechtsvertreter, sondern an die Gläubigerin persönlich zu erfolgen hat. Wie bereits das Erstgericht richtig ausgeführt hat, besteht im Insolvenzverfahren keine Anwaltspflicht. Im Insolvenzverfahren besteht auch die Möglichkeit, dass sich Gläubiger durch einen bevorrechteten Gläubigerschutzverband oder durch einen Bevollmächtigten einer gesetzlichen Interessenvertretung oder freiwilligen kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung vertreten lassen (Deixler-Hübner in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 173 KO Rz 4, 27).

Das Gericht kann weder über Anzeige des Prozessgegners noch durch gelegentliche amtswegige Zustellungen oder Verständigungen einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten der anderen Partei behandeln. Die Zustellung an den Vertreter setzt die Namhaftmachung des Bevollmächtigten durch den Machtgeber für das konkrete Verfahren voraus (RIS-Justiz RS0036282; Stopfer aaO; vgl auch Zib aaO Rz 12). Solange im konkreten Verfahren diese Namhaftmachung des Bevollmächtigten nicht erfolgte, muss und kann wirksam nur an die Partei zugestellt werden (RIS-Justiz RS0006023[T3] = 8 Ob 601/85).

Dem Rekurs des Schuldners ist damit ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 252 IO.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen