JudikaturJustiz2R146/14g

2R146/14g – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
22. Mai 2014

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch die Richter Hofrat Dr. Höfle als Vorsitzenden sowie Mag. Kallina und Dr. Weißenbach als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei W***** F *****, vertreten durch Mag. Martin Rützler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei C***** GmbH , H*****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 1.224,30 sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 15. April 2014, 3 C 88/14s-9, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird (ersatzlos) aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen .

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 225,07 (darin enthalten EUR 37,51 an USt) bestimmten Rekurskosten zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit der am 21.01.2014 beim Erstgericht erhobenen Klage macht der Kläger Schadenersatz geltend. Seine Tochter C***** F***** habe im Hotel der beklagten Partei genächtigt. Als sie mit dem PKW des Klägers die Tiefgarage habe verlassen wollen, sei dieser durch die automatische Tür des Fahrzeuglifts beschädigt worden. Zuständig sei das angerufene Gericht nach Art 15 ff EuGVVO (Verbrauchergerichtsstand).

Nach Einlangen der Klage forderte das Erstgericht die beklagte Partei bei gleichzeitiger Zustellung der Klage auf, einen inländischen Zustellbevollmächtigten namhaft zu machen. Nach dessen Bekanntgabe mit Schriftsatz vom 27.02.2014 erstattete die beklagte Partei am 24.03.2014 einen „Vorbereitenden Schriftsatz“, in dem sie zur Sache vorbrachte, Klagsabweisung beantragte und der Firma O***** OHG den Streit verkündete, ohne den Mangel der Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Dornbirn geltend zu machen.

(Erst) zu Beginn der Verhandlungstagsatzung vom 31.03.2014 erhob die beklagte Partei die Einrede der internationalen Unzuständigkeit. Im Anschluss daran brachten die Parteien vor wie in ihren bis dahin erstatteten Schriftsätzen.

Mit dem angefochtenen Beschluss erklärte sich das Erstgericht für international unzuständig, wies die am 21.1.2014 erhobene Klage zurück und erkannte die klagende Partei schuldig, der beklagten Partei zu Handen des Beklagtenvertreters die mit EUR 556,58 bestimmten Prozesskosten (darin enthalten EUR 92,76 an österreichischer Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Die Begründung dafür lautet im Wesentlichen, dass der vom Kläger in Anspruch genommene Verbrauchergerichtsstand nach Art 15 ff EuGVVO nicht vorliege und die beklagte Partei rechtzeitig die Einrede der internationalen Zuständigkeit (gemeint Unzuständigkeit) erhoben habe. Die Rechtsansicht der klagenden Partei, die Unzuständigskeitseinrede sei verspätet erhoben worden und greife deswegen der Einlassungsgerichtsstand nach Art 24 EuGVVO, sei hingegen verfehlt. Sie übersehe nämlich, dass im bezirksgerichtlichen Mahnverfahren ein Einspruch nach den innerstaatlichen österreichischen Verfahrensgesetzen keiner Begründung bedürfe und der EuGH zu C-144/12 (in Beantwortung der Vorlagefragen des OGH zu 8 Ob 39/11k) entschieden und ausgesprochen habe, dass ein in der Sache selbst erstatteter Einspruch noch nicht als Einlassung im Sinne des Art 25 (gemeint Artikel 24) EuGVVO angesehen werden könne und daher der Umstand, dass der Beklagte im Rahmen des von ihm eingelegten Einspruches Vorbringen zur Hauptsache erstattet habe, insoweit nicht relevant sei. Sowohl das Bezirksgericht Neusiedl (zu 6 C 1136/01g, abrufbar im RIS), das Landesgericht Feldkirch (zu 2 R 131/12y, ebenfalls abrufbar im RIS) als auch der Oberste Gerichtshof (vgl RIS-Justiz RS0109437, zuletzt 8 Ob 67/13f) verträten einhellig – entgegen der herrschenden Lehrmeinung – die Ansicht, dass ein „freiwillig begründeter“ Einspruch, der die internationale Unzuständigkeit des Gerichtes nicht behaupte, nicht verhindere, dass die Einwendung der Unzuständigkeit noch spätestens in der ersten mündlichen Streitverhandlung nachgeholt werden könne. Die Unzuständigkeitseinrede der beklagten Partei sei demnach inhaltlich berechtigt und auch nicht verspätet.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, „dass das Bezirksgericht Dornbirn örtlich und sachlich sowie auch international zuständig ist“. Hilfsweise wird beantragt, „den angefochtenen Beschluss aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.“ Ein weiterer Antrag lautet, die beklagte Partei zum Ersatz der Kosten des Verfahrens zu verfällen.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs kostenpflichtig nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist begründet.

Der Rekurswerber macht als Rekursgrund – die unrichtige Bezeichnung als „Berufungsgrund“ schadet nicht – unter anderem unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und führt dazu zu 2.) b) aus, die beklagte Partei habe mit ihrem Schriftsatz vom 24.3.2014 ausführlich zu allen möglichen streitgegenständlichen Punkten Stellung genommen, jedoch keine Unzuständigkeitseinrede erhoben. Sie habe sich daher gemäß Art 24 EuGVVO auf das Verfahren beim Erstgericht eingelassen. Die vom Erstgericht zitierte Rechtsprechung, wonach auch ein begründeter Einspruch nicht als Einlassung auf das Verfahren anzusehen sei, sei nicht einschlägig, weil das vorliegende Verfahren kein Mahnverfahren sei.

Dem ist zuzustimmen. Nach der VO (EG) Nr. 2001/44 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) darf das angerufene Gericht seine internationale Unzuständigkeit, worauf bereits das Erstgericht zutreffend hingewiesen hat, grundsätzlich nicht von Amts wegen a limine wahrnehmen, sondern hat den Beklagten immer die Möglichkeit zu geben, sich einzulassen (RIS-Justiz RS0111247). Dies gilt selbst dann, wenn die Unzuständigkeit bereits aus den Klagsangaben offenkundig ist. Eine amtswegige Prüfung erfolgte erst vor Erlassung eines allfälligen Versäumungsurteils. Gemäß Art 24 EuGVVO wird das Gericht eines Mitgliedsstaats – sofern es nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist – dadurch zuständig, dass der Beklagte sich vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt dann nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen, oder wenn ein anderes Gericht auf Grund des Art 22 ausschließlich zuständig ist. Die Wortfolge „wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt“ ist gemeinschaftsrechtlich autonom zu bestimmen (Simotta in Fasching/Konecny 2 V/I Art 24 EuGVVO Rz 17). Unter Einlassung auf das Verfahren ist jede Verteidigung zu verstehen, die unmittelbar auf Klagsabweisung oder Klagszurückweisung abzielt (Simotta aaO Rz 18; Mayr, Die rügelose Einlassung im europäischen (und österreichischen) Mahnverfahren, Zak 2012/334, 168; LG Feldkirch 2 R 131/12y). Allerdings stößt die autonome Qualifikationsmethode gerade bei der Auslegung des Art 24 EuGVVO an ihre Grenzen, weil dieser eine Einlassung auf das Verfahren voraussetzt, diese sich aber, weil die Ausgestaltung der Verfahren in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich ist, nach der lex fori bestimmt. Das heißt, die Verordnung gibt durch die Art 24 und 26 nur einen einheitssrechtlichen, durch die Vorschriften der lex fori ausfüllungsbedürftigen Rahmen für den Begriff der Einlassung auf das Verfahren vor. Insbesondere wird nach der lex fori zu beurteilen sein, was im Einzelfall als Verteidigung des Beklagten anzusehen ist und die damit in einem engen Zusammenhang stehende Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Rüge (Einrede) der internationalen Unzuständigkeit noch rechtzeitig erhoben werden kann (Simotta aaO Art 24 EuGVVO Rz 17 mwN).

Der Standpunkt des EuGH zu dieser Frage lautet, dass die Rüge der fehlenden Zuständigkeit, soweit sie nicht vor jedem Vortrag zur Hauptsache vorgebracht wird, keinesfalls mehr nach Abgabe derjenigen Stellungnahme erhoben werden kann, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist. In seiner Rechtsprechung zum österreichischen Mahnverfahren vertritt der Oberste Gerichtshof die Auffassung, dass ein mit Vorbringen in der Sache begründeter Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl nur dann bereits eine Einlassung in das Verfahren nach Art 24 EuGVVO (Art 18 LGVÜ) bewirkt, wenn nach den maßgeblichen Prozessvorschriften eine Begründung notwendig war. Im bezirksgerichtlichen Mahnverfahren (Streitwert bis zu EUR 15.000,00) und im arbeitsgerichtlichen Verfahren bedarf ein Einspruch nach den innerstaatlichen österreichischen Verfahrensgesetzen jedoch keiner Begründung. Einem Beklagten gereicht es in diesen Verfahrensarten in Hinblick auf Art 24 EuGVVO daher nicht zum Nachteil, wenn er einen „freiwillig begründeten“ Einspruch erhebt, ohne darin auch schon die internationale Unzuständigkeit des Gerichts zu behaupten. Er kann die Einwendung der Unzuständigkeit noch im ersten vorbereitenden Schriftsatz nachholen, ohne einen solchen spätestens in der ersten mündlichen Streitverhandlung (RIS-Justiz RS0109437).

Zur Verordnung (EG) Nr. 2006/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates 32006R1896 (EuMahnVO) haben der EuGH in seinem Urteil vom 16.06.2013, C-144/12 (Goldbet Sportwetten), und im folgend der OGH zu 8 Ob 67/13f – durchaus im Einklang mit den im vorigen Absatz dargestellten Wertungen – entschieden, dass die Erhebung eines Einspruchs gegen einen europäischen Zahlungsbefehl, in dem der Einwand der Unzuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedsstaats nicht erhoben wird, noch keine Einlassung im Sinn des Art 24 EuGVVO bedeutet, und es in diesem Zusammenhang nicht relevant ist, ob der Beklagte im Einspruch bereits Vorbringen zur Sache erstattet hat (RIS Justiz RS0129053). Nach Auffassung des EuGH ist zwischen einem Vorbringen, das der Beklagte im Rahmen eines ordentlichen Zivilprozesses zur Hauptsache erstattet und einem Vorbringen im Rahmen des Einspruchs gegen eine europäischen Zahlungsbefehl zu unterscheiden. Im letztgenannten Verfahren soll demnach ein Einspruch, der ein Vorbringen zur Hauptsache enthält, (noch) nicht als das erste Verteidigungsvorbringen im ordentlichen Zivilprozesses, der erst auf das europäischen Mahnverfahren folgt, angesehen werden.

Nun hat die beklagte Partei aber im hier zu beurteilenden Fall keinen „begründeten“ Einspruch im Mahnverfahren erhoben – das Erstgericht hat einen Zahlungsbefehl nicht erlassen und hätte einen solchen mit Rücksicht auf § 244 Abs 2 Z 3 ZPO auch nicht erlassen dürfen. Auszugehen ist somit von einem mit Schriftsatz vom 24.03.2014 im „ordentlichen Verfahren“ erstatteten Vorbringen der beklagten Partei zur Hauptsache ohne gleichzeitiger Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit. Mit diesem (vom Erstgericht auch nicht aufgetragenen) vorbereitenden Schriftsatz hat sich die beklagte Partei im Sinne des Art 24 EuGVVO auf das Verfahren eingelassen (in diesem Sinne auch Simotta aaO Rz 22 und RIS-Justiz RS0109437 [T10]). Es liegt damit ein unzuständigkeitsbehebender Akt der Streiteinlassung vor (7 Ob 661/85 = EvBl 1986/85), weswegen die erst zu Beginn der Verhandlung vom 31.03.2014 erhobene Einrede der internationalen Unzuständigkeit keine Wirkung mehr haben konnte.

Dem Rekurs ist daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluss (ersatzlos) aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

Da das Erstgericht durch die rügelose Einlassung zuständig geworden ist, kann auf die Behandlung der weiteren Rekursgründe verzichtet werden.

Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Selbst wenn der Rekursantrag dahingehend zu verstehen wäre, dass von der klagenden Partei (zusätzlich) begehrt wird, die beklagte Partei auch zum Ersatz der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu verpflichten, könnte diesbezüglich kein Kostenzuspruch erfolgen, weil sämtliche erstinstanzlichen Prozesshandlungen, für die die klagende Partei Kosten verzeichnet hat, im weiteren Verfahren verwertbar sind.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig.

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