JudikaturJustiz2Ob192/98v

2Ob192/98v – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen Mag. Siegmund B*****, infolge Revisionsrekurses des Sohnes mj. Anatol S*****, vertreten durch die Mutter Antonine S*****, diese vertreten durch Dr. Paul Friedl, Rechtsanwalt in Eibiswald, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. April 1998, GZ 43 R 226/98y-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 16. Februar 1998, GZ 10 A 204/97x-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mag. Siegmund B***** ist am ***** unter Hinterlassung einer mit 7. 8. 1991 datierten letztwilligen Verfügung verstorben, mit der er seinen Sohn Dr. Gernot B***** zu 2/3 und seine Ehefrau Mag. Viktoria B***** zu 1/3 des Nachlasses als Erben einsetzte und sein im Zeitpunkt der Testamentserrichtung von Antonine S***** noch nicht geborenes uneheliches Kind ausdrücklich "auf die Hälfte des gesetzlichen Pflichtteils" im Sinne der Pflichtteilsminderung nach § 773a ABGB beschränkte. Am 30. 12. 1997 brachte Antonine S***** in Vertretung ihres Sohnes mj. Anatol S*****, geboren am *****, dem Verlassenschaftsgericht zur Kenntnis, dass der Erblasser seine ursprünglich ihm gehörende Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit dem Haus A***** am 27. 8.1987 der erbl Witwe Mag. Viktoria B***** zur Hälfte und sodann am 7. 8. 1991 den zweiten Hälfteanteil dem Sohn Dr. Gernot B***** geschenkt habe und stellte mit dem Hinweis darauf, dass durch diese Schenkungen des Erblassers an andere pflichtteilsberechtigte Personen der Pflichtteilsanspruch seines einschreitenden mj. außerehelichen Sohnes verkürzt worden sei, den Antrag, die genannten Schenkungen des Erblassers an seine Ehefrau und seinen ehelichen Sohn gemäß § 785 ABGB auf den Pflichtteilsanspruch des mj. Anatol S***** anzurechnen und die Liegenschaft zu inventarisieren und zu schätzen.

In der Folge wurde am 7. 1. und 9. 1. 1998 nach Schätzung der Fahrnisse, jedoch ohne Einbeziehung der angeführten Liegenschaft, das Inventar mit Aktiven von insgesamt S 32.172,-- und Passiven von S 42.135,03 und einer sich demnach ergebenden Nachlassüberschuldung von S 9.963,03, errichtet. Das Erstgericht hat das vom Gerichtskommissär Dr. Herbert S***** errichtete Inventar vom 7. 1. 1998 zu Gericht angenommen und genehmigt und den vorhandenen Nachlass von zusammen S 32.172,-- der erbl Witwe Mag. Viktoria B***** auf teilweisen Abschlag der von ihr bezahlten Steinmetzarbeiten für das Grab im Betrag von S 33.048,-- an Zahlungsstatt überlassen.

Das vom mj. Sohn Anatol S***** angerufene Rekursgericht gab dessen Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses bzw die Schätzung und Inventarisierung der den Pflichtteil verkürzenden Schenkung hinsichtlich der Liegenschaft EZ ***** KG ***** anzuordnen, welche Schenkung auf den Pflichtteil des Rekurswerbers anzurechnen sei, nicht Folge. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Es erachtete zwar die Rekurslegitimation des Rechtsmittelwerbers gegeben, verwies aber darauf, dass das Inventar des Abhandlungsverfahrens nach dem § 92, 97 AußStrG nur den Nachlass, nicht aber die zu Lebzeiten des Erblassers verschenkten Liegenschaften zu erfassen habe (NZ 1976, 170). Die Einbeziehung der erwähnten Werte in die Berechnung des dadurch erhöhten Pflichtteiles nach § 785 ABGB bedeute nur, dass diese einbezogenen Werte Rechnungsposten seien, nicht aber, dass sie zum Nachlass selbst gehörten und deshalb in das Inventar einzusetzen seien. Diese Werte seien nur in den Pflichtteilsausweis aufzunehmen. Nach § 785 Abs 2 ABGB stehe einem Kind der Schenkungspflichtteil nur hinsichtlich solcher Schenkungen zu, die der Erblasser zu einer Zeit getätigt habe, zu der er ein pflichtteilsberechtigtes Kind gehabt habe. Zum Zeitpunkt der beiden Schenkungen vom 27. 8. 1987 und 7. 8. 1991 sei bereits ein pflichtteilsberechtigter Sohn (Dr. Gernot B*****, geboren am 7. 8. 1970) vorhanden gewesen, weshalb die Schenkungen bei Ausmessung eines Schenkungspflichtteiles des Rekurswerbers in Anschlag zu bringen seien. Bei Streitigkeiten über den Pflichtteilsanspruch einschließlich über die Frage, ob der geminderte oder normale Pflichtteil zustehe, habe der Noterbe den Rechtsweg zu beschreiten und eine Pflichtteilsklage einzubringen. Das Abhandlungsgericht habe aber dann, wenn der Noterbe - wie hier - pflegebefohlen sei, mit der Einantwortung des Nachlasses so lange zuzuwarten, bis der Prozess beendet und je nach Prozessergebnis der normale oder geminderte Pflichtteil geleistet oder sichergestellt sei. Demnach sei zwar der Anspruch des Noterben gegen den vom Erblasser beschenkten wegen Verkürzung des Pflichtteiles im Streitverfahren geltend zu machen, doch sei im Sinne des § 162 AußStrG im Abhandlungsverfahren zu Gunsten Minderjähriger oder Pflegebefohlener bei Ermittlung des Pflichtteiles auf Schenkungen Rücksicht zu nehmen. Dabei habe das Abhandlungsgericht bei pflichtteilsberechtigten Noterben nach den §§ 783 bis 789 ABGB, daher insbesondere auch dann, wenn Schenkungen nach § 785 ABGB anzurechnen seien, von Amts wegen zu erheben, wenn Zweifel bestünden, ob der Pflichtteil verletzt worden sei. Allerdings setze die zur Sicherung des Pflichtteils eines minderjährigen Noterben vom Abhandlungsgericht zu treffenden Maßnahmen die Durchführung einer Abhandlung voraus. Im vorliegenden Fall liege aber keine mit der Einantwortung endende Abhandlung, sondern eine Überlassung an Zahlungsstatt gemäß § 73 AußStrG vor. Gegenstand dieser Überlassung an Zahlungsstatt könne aber nur der Nachlass zum Verteilungszeitpunkt sein, weil nur das, was vorhanden sei, den Gläubigern an Zahlungsstatt überlassen werden könne. Bedenken gegen die in diesem Sinn vorhandenen Nachlasswerte die nicht einmal zur Abdeckung der im Sinn des § 549 ABGB angemessenen, nach § 46 Abs 1 Z 7 KO vorrangig zu behandelnden Begräbniskosten ausreichten, würden vom Rekurswerber nicht erhoben, der sein Begehren auf Schätzung der vom Erblasser verschenkten Liegenschaftsanteile erkennbar allein auf die Bestimmung des § 162 AußStrG gestützt habe. Hier sei hervorzuheben, dass die Ergebnisse der vom Rekurswerber angestrebten Schätzung der vom Erblasser verschenkten Liegenschaft für den Fortgang und das Ergebnis eines von ihm geführten Pflichtteilsprozesses nicht von Bedeutung wäre, weshalb es auch unter Bedachtnahme auf die im Sinne der §§ 27, 162 AußStrG zu wahrenden Interessen des Pflegebefohlenen nicht sinnvoll und zielführend wäre, im Rahmen eines allein im Hinblick auf den erhobenen Schenkungspflichtteil fortzuführenden Verlassenschaftsverfahrens die Schätzung der bezeichneten vom Erblasser verschenkten Liegenschaftsanteile durch Sachverständige vorzunehmen, um einen Anhaltspunkt für die Höhe des geltend gemachten Pflichtteilsanspruches zu haben. Da auch jene Schenkungen des Erblassers, auf welche sich der geltend gemachte Schenkungspflichtteil des Rekurswerbers stütze, von den Testamentserben nach ihrem im Verlassenschaftsverfahren erstatteten Vorbringen nicht bestritten worden seien, erübrige sich auch eine auf § 162 AußStrG zu stützende weitere Befragung der Erben nach § 98 AußStrG über diese Schenkungen. Im Hinblick auf den bereits nach § 73 AußStrG zur Folge der erwähnten bevorrechteten Begräbniskostenforderung zur Gänze erschöpften Nachlass sei hier von der Stellung eines Pflichtteilsausweises, der sich allein auf den im Streitverfahren durchzusetzenden Schenkungspflichtteil des Rekurswerbers beschränkten müsste, abzusehen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob bzw inwieweit die Bestimmung des § 162 AußStrG im Fall der Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt nach § 73 AußStrG die Errichtung eines Pflichtteilsausweises hinsichtlich des von einem Pflegebefohlenen geltend gemachten Schenkungspflichtteiles einschließlich der Schätzung dieser vom Erblasser verschenkten Liegenschaft im Verlassenschaftsverfahren fordere, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des mj. Anatol S***** mit dem Antrag die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erst- oder Zweitgericht zurückzuverweisen oder aber den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Antrag auf Schätzung und Inventarisierung sowie Errichtung eines Pflichtteilsausweises im Sinn des § 162 AußStrG stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Das Inventar dient dem Schutz des Noterben und soll die möglichst rasche Gewinnung der Grundlagen für die Ausmittlung des Pflichtteils gewährleisten (SZ 64/184). Daraus ergibt sich die Beteiligtenstellung des Noterben im Abhandlungsverfahren. Nach § 97 Abs 1 AußStrG muss das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis alles beweglichen und unbeweglichen Vermögens, in dessen Besitz sich der Erblasser zur Zeit seines Todes befunden hat, enthalten und den damaligen Wert und Betrag desselben klar anzeigen. Was in das Inventar aufzunehmen ist, entscheidet sich nach übereinstimmender Lehre (Eccher in Schwimann2 Rz 14 zu § 802; Welser in Rummel2 Rz 9 zu § 802) und ständiger Rechtsprechung (6 Ob 85/98p mwN; SZ 59/9 uva) nach den Besitzverhältnissen zum Todeszeitpunkt. Danach sind nicht in das Inventar aufzunehmen vom Erblasser bei seinen Lebzeiten verschenkte Sachen, die sich zur Zeit seines Todes nicht mehr in seinem Besitz befanden (vgl RIS-Justiz RS0007869; RS007793 mwN). Eine Aufnahme der bereits zu Lebzeiten des Erblassers verschenkten und (übergebenen) Liegenschaftsanteile scheitert daher schon aus diesen Gründen.

Der Rekurswerber verweist aber darauf, dass nach der Absicht des Gesetzgebers Prozesse der mj. Noterben möglichst vermieden und alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden sollten, um über ihre Ansprüche bereits im Abhandlungsverfahren zu entscheiden. Danach hat bei Bestehen von Zweifeln, ob der Pflichtteil eines Minderjährigen verletzt ist, der Erbe gemäß § 162 AußStrG einen Pflichtteilsausweis zu erstatten. Das Wesen des Pflichtteilsausweises besteht darin, dass der Erbe seine eigene Auffassung von der Berechnung des Pflichtteils zum Ausdruck bringt. Sache des Gerichtes ist es dann allerdings, diesen Ausweis zu erörtern und zu prüfen und darüber Beschluss zu fassen, wie hoch der Pflichtteilsanspruch des mj. Noterben wirklich ist (Welser in Rummel2 § 817 Rz 16 f; Eccher in Schwimann2 aaO; RZ 1967, 166; NZ 1985, 176). Vor der Entscheidung über die Höhe des Pflichtteiles und der Berichtigung oder Sicherstellung desselben für den mj. Noterben darf dem Erben nicht eingeantwortet werden (vgl § 149 Abs 1, § 162, § 174 Abs 1 AußStrG, Welser in Rummel2 § 817 Rz 17). Die Entscheidung des Abhandlungsgerichtes über die Pflichtteilshöhe steht aber einer späteren Pflichtteilsklage nicht entgegen und bindet den Streitrichter auch umfänglich nicht. Die Klage auf Leistung des Pflichtteiles muss auch von einem Minderjährigen im streitigen Verfahren erhoben werden (Eccher in Schwimann2 § 764 Rz 10; JBl 1966, 258).

Im vorliegenden Fall liegt allerdings keine zu einer Einantwortung führende Nachlassabhandlung vor, sondern eine Überlassung an Zahlungsstatt gemäß § 73 AußStrG. In diesem Fall kommt es nur in Ansehung der im Überlassungsbeschluss bezeichneten Vermögensobjekte zur Singularsukzession. Im übrigen dauert der Zustand des ruhenden Nachlasses fort (vgl RIS-Justiz RS007687).

Der erkennende Senat teilt die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, dass es in einem derartigen Fall nicht sinnvoll wäre, eine Entscheidung über die Höhe der allenfalls einzubeziehenden Schenkungen bereits im Verlassenschaftsverfahren vorzunehmen, um einen Anhaltspunkt für den Wert des Schenkungspflichtteils zu haben, weil wie bereits ausgeführt, die Pflichtteilsklage ebenfalls als Leistungsklage im streitigen Verfahren anhängig zu machen ist und dieses durch das Verlassenschaftsverfahren nicht gebunden wird, weshalb es nicht sinnvoll erscheint, eine Schätzung bereits im Verlassenschaftsverfahren vorzunehmen (vgl 1 Ob 280/97a), weil dadurch eine allfällige zweifache Schätzung (im Außerstreitverfahren und im Streitverfahren) vermieden werden kann. Die Erstattung eines Pflichtteilsausweises aber kann der Rechtsmittelwerber im Verlassenschaftsverfahren nicht erwirken, solange kein bisher nicht bekanntes Vermögen des Erblassers auftaucht.

Rechtssätze
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