JudikaturJustiz24Ds15/23z

24Ds15/23z – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. April 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 18. April 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Grohmann als weitere Richterin und die Rechtsanwälte Dr. Wachter und Dr. Konzett als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, AZ D 150/22 ua des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien, über die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten gegen den Beschluss des Disziplinarrats vom 25. Oktober 2023 (ON 53) in nichtöffentlicher Sitzung (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

[1] Zunächst ist auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 3. November 2023, AZ 24 Ds 9/23t, zu verweisen, mit der der Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten gegen die erstmalige Verhängung der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 19 Abs 1a DSt keine Folge gegeben wurde.

[2] M it Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 25. Oktober 2023 wurde diese einstweilige Maßnahme gemäß § 19 Abs 4 DSt bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Disziplinarrats in den Disziplinarsachen, die zu AZ D 150/22, D 45/23, D 46/23 und D 47/23 behandelt werden, um sechs Monate bis zum 3. Mai 2024 verlängert (ON 53 in AZ D 150/22).

[3] In diesem Zusammenhang führte der Disziplinarrat am 18. Oktober 2023 eine mündliche Anhörung durch, zu der der Disziplinarbeschuldigte erschien.

[4] Der Disziplinarrat kam in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass nach wie vor – weil sich seit Verhängung der Maßnahme die Voraussetzungen für deren Verhängung (dh die Verdachtslage) nicht geändert hätten – mit schweren Nachteilen für die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung zu rechnen und daher die Verlängerung der einstweiligen Maßnahme unbedingt erforderlich sei.

Rechtliche Beurteilung

[5] Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten, mit der er moniert, dass dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen sei, worin konkret eine Gefährdung der rechtsuchenden Bevölkerung zu sehen und weswegen die Verlängerung unbedingt erforderlich sei. Überdies sei anlässlich seiner mündlichen Anhörung am 28. Oktober 2023 die Sache nur mangelhaft erörtert worden.

[6] Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

[7] Zur – von der Beschwerde gar nicht bestrittenen – dem Beschluss (faktisch und rechtlich) unverändert zugrunde gelegten Verdachtslage (BS 2) kann wiederum auf die in dieser Sache ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, AZ 24 Ds 9/23t, verwiesen werden.

[8] Darüber hinaus ist der Disziplinarbeschuldigte (zu AZ D 106/23, D 113/23; siehe jeweils Beilage ./2 zu ON 53 und ON 61 in AZ D 150/22) – zusammengefasst – weiters verdächtig, er habe bei der Abwicklung von weiteren Liegenschaftskäufen wiederholt, nämlich durch die Auszahlung der von den kaufpreisfinanzierenden Banken erlegten Treuhandbeträge vor der Durchführung der ausbedungenen Sicherstellungen bzw durch die Auszahlung von dem BTVG entsprechenden Teilzahlungen trotz erkennbaren Nichtvorliegens des geforderten Baufortschritts, gegen übernommene Treuhandverpflichtungen verstoßen.

[9] Bei der Entscheidung über die Verlängerung einer bereits getroffenen einstweiligen Maßnahme hat der Disziplinarrat nicht nur die Natur und Schwere der disziplinarrechtlichen Vorwürfe zu prüfen, sondern auch, ob es die Gefahr eines ernsthaften Schadens für die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung gibt, welche es unbedingt erforderlich macht, eine bereits getroffene einstweilige Maßnahme zu verlängern. Die Verlängerung unterliegt also strengeren Anforderungen als die Verhängung (§ 19 Abs 4 DSt; vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek RAO 11 § 19 DSt Rz 33).

[10] Im Fall der Verhängung (sowie Verlängerung) einer einstweiligen Maßnahme auf Grundlage des § 19 Abs 1a DSt hat diese Gefahr eines ernsthaften Schadens für die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung konkret in der dringenden Besorgnis einer erheblichen Beeinträchtigung anvertrauten fremden Vermögens zu bestehen (§ 19 Abs 1a iVm Abs 4 DSt; vgl Lehner in Engelhart et al RAO 11 § 19 DSt Rz 18 f).

[11] Eine solche legte der Disziplinarrat seiner Entscheidung – der Beschwerde zuwider keinen Bedenken begegnend – zugrunde, indem er erwog, dass die „massive Befürchtung“ bestehe, der Disziplinarbeschuldigte könne seine bisherigen Vorgangsweisen im Zusammenhang mit der Übernahme von Treuhandschaften und deren Abwicklung/Erfüllung beibehalten und dadurch massive nachteilige Folgen für fremdes Geld und fremde wirtschaftliche Interessen bewirken (BS 6).

[12] Der Befürchtung einer solchen Gefahr könne – mangels erzielbarer „Öffentlichkeitswirkung“ – auch durch die vom Disziplinarbeschuldigten intendierte Selbstverpflichtungserklärung, keine Treuhandschaften mehr zu übernehmen, nicht wirksam begegnet werden (BS 5).

[13] Gemäß § 69 DSt iVm § 34a Abs 2 RAO ist im Fall der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unverzüglich und tunlichst ein Kammerkommissär zu bestellen. Damit der Kammerkommissär die ihm vom Gesetz für einen solchen Fall zugedachten Geschäfte (vgl dazu § 34a Abs 2 zweiter Satz RAO) besorgen kann, hat der betroffene Rechtsanwalt dem Kammerkommissär die Akten und hinterlegten Urkunden zu übergeben und Zugang zu den von ihm im anwaltlichen Urkundenarchiv gespeicherten Urkunden zu ermöglichen (§ 34a Abs 2 letzter Satz RAO); in diesem Umfang besteht also eine – vom Beschwerdeführer bestrittene – Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Zusammenarbeit mit dem Kammerkommissär.

[14] Aus der andauernden Kooperationsverweigerung des Disziplinarbeschuldigten und der mit ihm nur sehr eingeschränkt möglichen Kommunikation, die die Zusammenarbeit „unüblich schwierig“ gestalte (BS 2 ff), sowie aus dem Umstand, dass dieser in der Vergangenheit überwiegend Immobilienangelegenheiten betreut und zudem die Rechtsansicht geäußert habe, die Treuhandschaften ohnedies vereinbarungs- und rechtskonform durchgeführt zu haben (BS 4), leitete der Disziplinarrat – entgegen der Beschwerde also nicht unbegründet, sondern durchaus schlüssig – die unbedingte Erforderlichkeit der angeordneten Maßnahme sowie deren Nichtsubstituierbarkeit durch das gelindere Mittel der Kontrolle der Kanzleiführung ab.

[15] Der weitere spekulative Einwand, die Verlängerung der Maßnahme sei „offensichtlich die Sanktion einer behaupteten rechtswidrigen Weigerung des Disziplinarbeschuldigten, mit der Kammerkommissärin zusammenzuarbeiten“, entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung. Mag es auch für den Disziplinarbeschuldigten eigenartig erscheinen, dass er mit der Kammerkommissärin zusammenarbeiten soll, obwohl diese Erhebungen pflegt und Verhaltensweisen setzt, durch die den Beschuldigten belastende Sachverhalte offenbart werden könnten, so ist es doch die p rimäre Aufgabe der Kammerkommissärin eine geordnete (vorläufige) Abwicklung der Kanzlei zu ermöglichen, dies mit dem Ziel, dass übernommene Treuhandschaften möglichst zu Ende geführt werden können, um Schäden für Treugeber zu vermeiden und damit letztlich auch die zivilrechtliche Haftung des Disziplinarbeschuldigten zu minimieren.

[16] § 19 Abs 2 DSt sieht vor, dass vor Beschlussfassung über eine einstweilige Maßnahme der Rechtsanwalt Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen sowie zu den Voraussetzungen für die Anordnung einer einstweiligen Maßnahme gehabt haben muss; eine mündliche Verhandlung hat ua dann stattzufinden, wenn dies – wie hier – der Disziplinarrat für erforderlich erachtet. Entgegen der Beschwerde, die die Erörterung dem Disziplinarrat „wesentlich erscheinender Tatsachen“ durch diesen im Rahmen der durchgeführten Anhörung vermisst, wurde den dargestellten gesetzlichen Anhörungsanforderungen durch die am 18. Oktober 2023 durchgeführte mündliche Verhandlung (ON 52 in AZ D 150/22) Genüge getan.

[17] Auch angesichts der Massivität der vorgeworfenen Treuhandverstöße erweist sich die Maßnahme insgesamt als noch verhältnismäßig.

[18] Der Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten war daher keine Folge zu geben.

Rechtssätze
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