JudikaturJustiz23Rs39/23s

23Rs39/23s – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2024

Kopf

urteil

Im Namen der Republik

und

beschluss

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler und die fachkundigen Laienrichter:innen Mag. a Sarah Haider (aus dem Kreis der Arbeitgeber) sowie AD RR Jürgen Fiedler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Mitglieder des Senats in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geb am **, Pensionist in ** B*, **straße **, (im Berufungsverfahren) vertreten durch Mag. Christoph Arnold, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen die beklagte Partei C* , D* B*, **, **-Straße **, vertreten durch ihre Mitarbeiterin Dr. in E*, wegen APG-Pensionserhöhung aus Anlass der und über die Berufung der klagenden Partei (ON 13) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 9.10.2023, 16 Cgs 179/23h 11, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Das mit Beschluss vom 15.11.2023 unterbrochene Berufungsverfahren wird f o r t g e s e t z t .

Der Schriftsatz vom 23.1.2024 wird z u r ü c k g e w i e s e n .

II. Der Berufung wird k e i n e Folge gegeben und das bekämpfte Urteil mit der berichtigenden Maßgabe bestätigt, dass es - unter Einschluss des zu bestätigenden Teils - insgesamt lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ab 1.1.2023 die Alterspension in Höhe von monatlich EUR 3.450,18 - unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen - zu bezahlen.

Das Klagebegehren, die beklagte Partei zur Erbringung der Pensionsleistung ab 1.1.2023 mit voller Anpassung nach § 108h Abs 1 ASVG (und daher im verfassungskonformen Ausmaß) zu verpflichten, wird a b g e w i e s e n .“

Ein Kostenersatz findet im Berufungsverfahren nicht statt.

Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Bescheid der beklagten Partei wurde der klagenden Partei die Alterspension einerseits gemäß § 775 Abs 1 iVm Abs 6 ASVG ab 1.1.2023 um EUR 97,24 auf EUR 3.450,18 (je brutto) erhöht und daher entsprechend der von § 108h Abs 1a ASVG vorgesehenen Regelung die Anpassung aliquotiert.

Diesen Bescheid bekämpft die klagende Partei mit ihrer (rechtzeitig erhobenen) vorliegenden Bescheidklage, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, § 108h Abs 1a ASVG verstoße gegen den Gleichheitssatz und sei demgemäß verfassungswidrig, was den durch die Klage außer Kraft gesetzten Bescheid rechtswidrig gemacht habe. Die Bescheidklage mündet in den Antrag, die beklagte Partei dazu zu verpflichten, der klagenden Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution die Pensionsleistung ab 1.1.2023 mit voller Anpassung nach § 108h Abs 1 ASVG (um den Anpassungsfaktor 1,058 [BGBl II 371/2022 = 5,8 %) und daher im verfassungskonformen Ausmaß zu gewähren.

Die beklagte Partei bestreitet, beantragt Klagsabweisung und wendet zusammengefasst ein, die Regelung sei verfassungskonform, was auch dazu führe, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ergangen sei.

Mit dem bekämpften Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren (ohne Bescheidwiederholung) ab.

In rechtlicher Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, § 108h Abs 1 lit a ASVG schreibe vor, dass alle Pensionen aus der Pensionsversicherung, für die der Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) vor dem 1. Jänner des Pensionierungsjahrs liege, mit dem Anpassungsfaktor zu vervielfachen seien.

Die erstmalige Anpassung habe jedoch abweichend von Abs 1 dieser Bestimmung zu erfolgen. Sie richte sich gemäß § 108h Abs 1a ASVG nach dem Kalendermonat, in dem der Stichtag liege. Gemäß § 108h Abs 1a ASVG müsse die erstmalige Anpassung von Pensionen aus der Pensionsversicherung so erfolgen, dass Pensionen, deren Stichtag in dem in der linken Spalte genannten Kalendermonat des der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahrs liege, ab 1. Jänner mit dem in der rechten Spalte genannten Prozentsatz jenes Erhöhungsbetrags zu erhöhen seien, der sich aus der Anwendung des Anpassungsfaktors ergebe:

Liege der Stichtag im November oder im Dezember des der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahrs, so erfolge die erstmalige Anpassung ab 1. Jänner des dem Stichtag zweitfolgenden Kalenderjahrs. Für die erstmalige Anpassung von Hinterbliebenenpensionen, die aus einer bereits zuerkannten Leistung abzuleiten sind, sei der Stichtag dieser Leistung maßgebend.

Gemäß § 775 Abs 1 ASVG sei abweichend von § 108h Abs 1 Satz 1 und Abs 1a ASVG die Pensionserhöhung für das bzw im Kalenderjahr 2023 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern - auch in den Fällen des Abs 6 leg cit - wie folgt vorzunehmen: Das Gesamtpensionseinkommen im Sinn des Abs 2 leg cit sei zu erhöhen

Nach § 775 Abs 6 ASVG sei § 108h Abs 1a ASVG so anzuwenden, dass die erstmalige Anpassung mindestens in jener Höhe gebühre, die sich aus der Vervielfachung mit dem Faktor 1,029 ergebe. Auch Leistungen mit Stichtag im November und Dezember des der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahrs seien in diesem Ausmaß zu erhöhen.

Als Ergebnis dieser Rechenoperationen ergebe sich, dass die Pensionserhöhung im angefochtenen Bescheid zu Recht erfolgt sei.

Der Einwand der Verfassungswidrigkeit des § 108h Abs 1a ASVG schlage nicht durch: Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs liege es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers festzulegen, wann eine neue, den Normadressaten begünstigende Bestimmung in Kraft treten solle und für welche Fälle sie zu gelten habe. Insbesondere bleibe es ihm grundsätzlich überlassen, den Stichtag festzulegen, ohne dass es für die Wahl des Stichtags einer Rechtfertigung bedürfe. In diesem Sinn weise jede Stichtagsregelung auch ein gewisses Maß an Beliebigkeit auf. Es müssten besondere Gründe bestehen, warum gerade der gewählte bestimmte Stichtag unsachlich sei. Auch aus dem öffentlich zugänglichen Entschließungsantrag des Parlaments vom 29.3.2023, dem Rechtsgutachten Honorarprofessor DDr. F* sowie dem Drittelantrag gemäß Art 140 Abs 1 Z 2 B VG von 69 Abgeordneten des Nationalrats seien diese besonderen Gründe für den erkennenden erstinstanzlichen Senat noch nicht ersichtlich, sodass nicht gesagt werden könne, die in Rede stehende Stichtagsregelung gebe Anlass zu verfassungsrechtlichen Bedenken.

Daher sei das Klagebegehren abzuweisen. Eine Kostenentscheidung könne unterbleiben, weil Kostenersatz nicht begehrt worden sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr die (rechtzeitige) Berufung der klagenden Partei aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung kostenpflichtig im Sinn einer für die beklagte Partei kostenpflichtigen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt (ON 13 S 9 f).

Die beklagte Partei hat von der Einbringung einer Berufungsbeantwortung abgesehen, jedoch beantragt, dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen (ON 15).

Innerhalb der Berufungsfrist (§ 467 ZPO) erhob die klagende Partei beim Verfassungsgerichtshof (zu G 1607 1610/2023 2) einen auf Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B VG gestützten Antrag

als verfassungswidrig aufzuheben. Davon machte der Verfassungsgerichtshof dem Erstgericht und dem Berufungsgericht Mitteilung, welches das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 15.11.2023 unterbrach (§ 62a Abs 6 VfGG).

Rechtliche Beurteilung

I.: Am 9.1.2024 langte beim Berufungsgericht der Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 13.12.2023 ein, mit dem die Behandlung des Antrags der klagenden Partei - mit Blick auf die Entscheidung vom 4.12.2023, G 197 202/2023 ua - mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt wurde. Zufolge §§ 2 Abs 1 ASGG, 528b Abs 3 ZPO ist das Berufungsverfahren sohin fortzusetzen.

Der lang außerhalb der Berufungsfrist eingebrachte Schriftsatz der klagenden Partei vom 23.1.2024 war zurückzuweisen: Grundsätzlich steht jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder eine einzige Rechtsmittelgegenschrift zu (RIS Justiz RS0041666 [T5, T32, T56]). Der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels hindert daher Richtigstellungen oder Nachträge des Rechtsmittels durch einen zweiten im Rechtsmittelverfahren erstatteten Schriftsatz. Weitere Rechtsmittelschriften und Rechtsmittelgegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind sogar dann unzulässig, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Rechtsmittelfrist eingebracht werden (RIS Justiz RS0041666 [T53]). Diese Zurückweisung ist unanfechtbar (9 Ob 3/18h ErwGr I.8.).

II.: Nach Art und Inhalt des geltend gemachten Rechtsmittelgrunds war über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO). Hiebei erwies sie sich aufgrund nachstehender Erwägungen als unberechtigt:

II.1.: Bereits mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 4.12.2023, G 197 202/2023 ua, wurde über die Anträge von 69 Nationalratsabgeordneten, des ASG Wien, des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht und des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht sowie insgesamt 159 Individualanträge (nicht jedoch jenen der klagenden Partei), unter anderem die auch hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben, entschieden und deren Verfassungskonformität bejaht: Aus dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes sei das mit dem SVÄG 2020, BGBl I 28/2021, geschaffene System, in dem der Anpassungsfaktor unter Bezugnahme auf den jeweiligen Monat des Pensionsantritts und der erstmaligen Anpassung differenzierter als in der Vorgängerregelung gestaltet werde und ein Modell der verzögerten Anpassung in Form einer Aliquotierung darstelle, im Hinblick auf den dem einfachen Gesetzgeber eingeräumten weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum unbedenklich (Rz 202 212); unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums genüge der Hinweis, dass Regelungen über eine Pensionserhöhung im Allgemeinen nicht in dieses Grundrecht eingreifen würden und Art 1 des ersten ZPEMRK nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kein Recht garantiere, Sozialleistungen oder Pensionszahlungen in irgendeiner Art und Höhe zu erhalten, solange dies nicht im innerstaatlichen Recht vorgesehen sei (Rz 215). Auf eine Verfassungswidrigkeit der hier zur Rede stehenden Bestimmungen kann sich die klagende Partei somit nicht berufen.

II.2.: Darüber hinaus argumentiert sie in ihrer Berufung zusammengefasst, § 775 Abs 1 ASVG sei so zu verstehen, dass zwar betreffend die allgemeine, jährliche Pensionsanpassung gemäß § 108h Abs 1 ASVG nur der Anpassungsfaktor abgeändert werden solle, hinsichtlich § 108h Abs 1a ASVG werde aber die dort dargestellte Tabelle von § 775 Abs 1 ASVG als lex specialis verdrängt, sodass die erstmalige Anpassung ausschließlich nach den Regelungen in § 775 Abs 1 ASVG vorzunehmen sei. Daraus resultiere hier, dass das Gesamtpensionseinkommen um 5,8 % (und nicht bloß um 2,9 %) zu erhöhen sei. Diese Ausführungen sind aus zwei Gründen nicht im Recht:

II.2.1.: Nach ständiger Rechtsprechung gilt im Rechtsmittelverfahren in Sozialrechtssachen ausnahmslos das Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO (RIS-Justiz RS0042049). § 63 ASGG gilt nur in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten.

§ 482 ZPO enthält das Neuerungsverbot im weiteren Sinn, das sowohl die geltend gemachten Ansprüche und Einreden als auch die Tatsachenbehauptungen und Beweismittel umfasst. Dessen Abs 1 befasst sich mit den Sachanträgen und ihrer Abwehr, dessen Abs 2 regelt das Neuerungsverbot im engeren Sinn und betrifft nur den Tatsachenbereich, also das Sachvorbringen und die erforderlichen Beweismittel. Unter Neuerungen (Nova) fällt jeder Entscheidungsstoff, der im Prozess vor dem Erstgericht noch nicht vorgetragen oder erörtert wurde ( Pimmer in Fasching/Konecny ³ [2019] § 482 ZPO Rz 1 und 1/1; G. Kodek in Kodek/Oberhammer ZPO ON [2023] § 482 ZPO Rz 1 und 2). Im erstinstanzlichen Verfahren hat sich die klagende Partei aber ausschließlich auf eine Verfassungswidrigkeit der hier zur Rede stehenden Bestimmungen des ASVG gestützt, sodass ihre nunmehrige Argumentation gegen das Neuerungsverbot verstößt.

II.2.2.: Im Übrigen ist die Argumentation im Rechtsmittel, die auf eine gänzliche Aussetzung der Aliquotierung abzielt, nicht im Recht. § 775 Abs 6 ASVG bewirkt eine Abmilderung der Aliquotierung bei der erstmaligen Pensionsanpassung 2023; die gänzliche Aussetzung der Aliquotierung ist in § 783 Abs 3 ASVG geregelt, betrifft aber ausschließlich die Kalenderjahre 2024 und 2025 (G 197 202/2023 ua Rz 213). Entgegen dem Standpunkt der klagenden Partei steht ihrem Auslegungsergebnis der eindeutige Wortlaut des § 775 Abs 6 ASVG entgegen, der eine Anwendung des § 108h Abs 1a ASVG (also der erwähnten Tabelle) gerade bestimmt, für die erstmalige Anpassung aber eine Mindesthöhe normiert (die hier jedenfalls überschritten wird) und zudem auch Leistungen mit Stichtag November und Dezember erfasst. Im Sinn der Auffassung des Verfassungsgerichtshofs handelt es sich dabei tatsächlich um eine Milderung der Auswirkungen der Pensionsanpassung im Sinn des § 108h Abs 1a ASVG.

Da die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren die Rechtslage richtig wiedergegeben hat (sodass auf deren neuerliche Wiedergabe zur Vermeidung von Wiederholungen verzichtet werden kann) und das Erstgericht zutreffend deren Auslegung gefolgt ist, scheitert diese Argumentation im Rechtsmittel also auch inhaltlich.

II.3.1.: Im System der sukzessiven Kompetenz wäre es konsequenterweise auch möglich, dass das Gericht dem Versicherten nach dem Ergebnis des gerichtlichen Verfahrens auch eine schlechtere Leistung zuspricht als der Versicherungsträger im bekämpften Bescheid zuerkannt hat. § 71 Abs 2 Satz 1 erster Halbsatz ASGG stellt aber klar, dass dem Versicherungsträger im gerichtlichen Verfahren die Bestreitung des von ihm im bekämpften Bescheid zuerkannten Anspruchs bzw Anspruchsteils verwehrt ist, indem das Gesetz die zwingende und nicht ausschließbare Fiktion eines unwiderruflichen Anerkenntnisses vorsieht. Ungeachtet möglicher Änderungen hinsichtlich der Grundlagen eines Zuspruchs (zB Stichtagverschiebung, Neuberechnung der Bemessungsgrundlage) darf insgesamt betrachtet der urteilsmäßige Zuspruch im gerichtlichen Verfahren nicht schlechter sein als der im Bescheid des Versicherungsträgers festgelegte. Die als unwiderruflich anerkannt anzusehende Leistungsverpflichtung ist von Amts wegen in den Urteilsspruch aufzunehmen, gegebenenfalls im Sinn einer Maßgabenbestätigung ( Neumayr in Neumayr-Reissner ZellKomm zum Arbeitsrecht³ II [2018] § 71 ASGG Rz 4; Sonntag in Köck/Sonntag ASGG [2020] § 71 Rz 25; 10 ObS 111/15v; 10 ObS 59/02b; RIS Justiz RS0089217; RS0085721).

II.3.2.: Die angefochtene Enscheidung war daher mit der im Tenor der Berufungsentscheidung ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen (vgl Sonntag in Köck/Sonntag ASGG [2020] § 71 Rz 25; OLG Graz 28.9.2023, 7 Rs 46/23y ErwGr 2.). Damit wird kein inhaltlicher Erfolg der Berufung bewirkt und werden keine Kostenfolgen ausgelöst (10 ObS 117/16b; RIS Justiz RS0085823; OLG Graz wie vor; OLG Wien 26.4.2023, 9 Rs 90/22d).

II.4.1.: Die klagende Partei ist auch im Rechtsmittelverfahren als unterlegen anzusehen (oben ErwGr II.3.2.), sodass nur ein Kostenzuspruch aus Billigkeit im Sinn des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG in Betracht zu ziehen ist. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung setzt ein Kostenersatz nach Billigkeit voraus, dass sowohl tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens vorliegen als auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten einen Kostenersatz nahelegen. Es ist Sache des Versicherten, Umstände, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen können, vor Schluss der der Entscheidung über den Kostenersatz unmittelbar vorangehenden Verhandlung geltend zu machen, es sei denn, sie ergeben sich aus dem Akteninhalt ( Neumayr § 77 ASGG Rz 13; Sonntag § 77 Rz 21 und 22).

Die klagende Partei wäre sohin hier spätestens in der Rechtsmittelschrift gehalten gewesen, die Umstände, die einen Kostenersatz aus Billigkeit nahelegen, darzulegen. Da sie dies insbesondere hinsichtlich ihrer Vermögensverhältnisse unterlassen hat, kommt ein Kostenersatzanspruch nach dieser Bestimmung schon aus diesem Grund nicht in Betracht. Im Übrigen werden gerade in sozialgerichtlichen Verfahren häufig Gesetzesbeschwerden wie die vorliegende erhoben und kann auch unter diesem Gesichtspunkt nicht vom Vorliegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten gesprochen werden (vgl dazu auch OLG Innsbruck 23 Rs 41/22h, RIS Justiz RI0100107; 25 Rs 64/21d).

II.4.2.: Anzumerken bleibt noch, dass auch die verzeichneten Kosten für den Parteiantrag an den VfGH nicht zuzuerkennen sind: Grundsätzlich sind die Kosten des Verfahrens zu bestimmen und zwar (außer bei einem Konstenvorbehalt nach § 52 Abs 1 ZPO) vom Rechtsmittelgericht. Gegen die Annahme eines vom Ausgang des Rechtsmittelverfahrens unabhängigen Zwischenstreits spricht, dass die Beseitigung einer Norm auch aus Sicht der anfechtenden Partei nicht Selbstzweck ist, sondern nur dem Prozesserfolg in der Hauptsache dient ( Musger in Fasching/Konecny ³ IV/1 [2019] § 528b ZPO Rz 56; G. Kodek in Kodek/Oberhammer ZPO ON [2023] § 528b ZPO Rz 20). Der VfGH judiziert, es sei Sache des zuständigen ordentlichen Gerichts, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB G 7/2019). Für die Frage des Kostenersatzes ist jedoch der Erfolg in der Hauptsache maßgebend ( Neumayr in Höllwerth/Ziehensack ZPO TaKo [2019] § 528b ZPO Rz 47). Ein solcher wurde hier von der klagenden Partei nicht erzielt.

II.5.: Im Hinblick auf die Klärung der Verfassungskonformität der hier anzuwendenden Regelungen durch den Verfassungsgerichtshof und die im Übrigen eindeutige Rechtslage war eine Rechtsfrage mit der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zu lösen. Damit ist auszusprechen, dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist (§§ 2 Abs 1 ASGG, 500 Abs 2 Z 3, 502 Abs 5 Z 4 ZPO).