JudikaturJustiz23R174/11t

23R174/11t – LG Korneuburg Entscheidung

Entscheidung
28. Dezember 2011

Kopf

Das Landesgericht Korneuburg als Rekursgericht hat durch Vizepräsidentin HR Dr. Zemanek als Einzelrichter in der Pflegschaftssache der mj Kinder A***** , infolge Rekurses des Landes NÖ, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn, Fachgebiet Jugend wohlfahrt, Mühlgasse 4, 2020 Hollabrunn gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Hollabrunn vom 7.11.2011, 1 PS 73/09b-101 in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der hinsichtlich der Bestimmung der Gebühren der Sachverständigen sowie der Auszahlungsanordnung als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird in seinem Ausspruch nach § 2 Abs. 2 GEG dahingehend abgeändert, dass lediglich die Mutter M***** K***** dem Grunde nach verpflichtet wird, die vorläufig aus Amtsgeldern ausbezahlten Gebühren der Sachverständigen DDr Wörgötter in der Höhe von Euro 1.100,--zu ersetzen; sie genießt Verfahrenshilfe.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Der Vater der beiden unehelich geborenen mj. Kinder, deren Obsorge der Mutter alleine zustand, strebte bereits 2005 unter Hinweis auf die mangelnde Erziehungs fähigkeit der Mutter die alleinige bzw. gemeinsame Obsorge für Jasmin an. Auch wenn er in der Folge sämtliche Anträge zurückgenommenen hat, sorgte sich der im Zuge dieses Verfahrens eingeschaltete Jugendwohl fahrtsträger um das Wohl der Kinder und beantragte im Interesse der Kinder Erziehungshilfe durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens mit einer Interaktions beobachtung beider Kinder, weil die Eltern dies nicht zuließen (ON 25).

Am 8.6.2010 wurden die Kinder der Mutter abgenommen und vom Jugendwohlfahrtsträger die Übertragung der Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung im Sinne des § 215 ABGB beantragt (ON 32).

Während das Erstgericht mit rechtskräftigem Beschluss von 14. 6. 2011, ON 38, dem Jugendwohlfahrts träger noch die vorläufige Obsorge übertragen hat, wurde mit dem rechtskräftig gewordenen Beschluss vom 16.8.2011, ON 91 und 96, der Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers, der Mutter die Obsorge im Teilbereich der Pflege und Erziehung endgültig zu entziehen und dem Jugendwohlfahrtsträger zu übertragen, letztlich abgewiesen, der Mutter aber einige Auflagen erteilt, um eine Gefährdung der Kinder hintan zuhalten, insbesondere wurde Familienintensivbetreuung angeordnet.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht die Gebühren der Sachverständigen DDr. Gabriele Wörgötter mit Euro 1.100,-- bestimmt und die Auszahlung des Betrages aus Amtsgeldern angeordnet. Es hat gemäß § 2 Abs. 2 GEG ausgesprochen, dass die Antragstellerin, die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn, Fachgebiet Jugendwohl fahrt, und die Mutter - unbeschadet der ihr bewilligten Verfahrenshilfe - dem Grunde nach anteilig für die Sachverständigengebühren hafteten. Begründet hat es diesen Ausspruch damit, dass die aus Amtsgeldern ausbezahlten Beträge von denjenigen Beteiligten zu ersetzen seien, die sie veranlasst hätten oder in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen worden sei. Eine Kostenhaftung kraft "Veranlassung" gelte für den Jugendwohlfahrtsträger in gleicher Weise wie für andere Personen, die sich an das Gericht zur Erwirkung einer Maßnahme nach § 176 ABGB wendeten.

Diesen Beschluss bekämpft das Land Niederösterreich vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn mit rechtzeitigem Rekurs und dem Antrag,, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass ihr keine grundsätzliche Haftung für die Sachverständigengebühren auferlegt werde.

Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Zur Frage der Besetzung des Rechtsmittelgerichtes ist vorweg auszuführen, dass gemäß § 8a JN bei den Landes- und Handelsgerichten sowie den Oberlandes gerichten über Rechtsmittel gegen Entscheidungen über die Gebühren der Sachverständigen und Dolmetscher der Einzelrichter entscheidet. Gemäß Art. 39 Abs 8 BudgetbegleitG 2011 ist § 8a JN in der Fassung dieses Bundesgesetzes anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung erster Instanz nach dem 30. April 2011 liegt. Dies trifft hier zu. Hier geht es aber nicht um Sachverständigengebühren, sondern um eine Entscheidung nach § 2 GEG. Da es einen Wertungswiderspruch darstellen würde, wenn über Rechtsmittel gegen Gebühren eines Sachverständigen ein Einzelrichter entscheidet, gegen einen (etwa gleichzeitig) angefochtenen Ausspruch nach § 2 GEG ein Drei-Richter-Senat zu entscheiden hätte, und daher bei gleichzeitiger Anfechtung aufgrund unter schiedlicher Besetzung zwei Entscheidungen über einen angefochtenen Beschluss ergehen müssten, vermeint daher das Rekursgericht, dass die gegenständliche Entscheidung ebenso wie jene über die Gebühren der Sachverständigen durch einen Einzelrichter zu treffen ist.

Der Jugendwohlfahrtsträger stützte sich in seinem Rekurs auf die gesetzliche Verpflichtung des § 215 Abs. 1 ABGB, wonach er die zur Wahrung des Wohles eines Minderjährigen erforderlichen gerichtlichen Verfügungen im Bereich der Pflege und Erziehung zu beantragen hat. Die im gegenständlichen Fall getroffene Sofortmaßnahme sei nach jahrelanger Befassung mit der Familie aufgrund einer dringenden Empfehlung der kinder- und jugend psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses Tulln gesetzt worden. Daher sei zur Überprüfung der Erziehungsfähigkeit das eingeholte Gutachten erforderlich geworden. Auch wenn der Antrag der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn auf Übertragung der Obsorge im Teilbereich der Pflege und Erziehung abgewiesen worden sei, wäre die Fremdunterbringung nicht unbegründet gewesen und letztlich nur durch gelindere Maßnahmen ersetzt worden. Die Ersatzpflicht der "Beteiligten" im Sinne des §§ 2 Abs. 1 GEG könne sich nur auf jene beziehen, die aus eigenem Antrieb bzw. zur Durchsetzung eigener Interessen und Ansprüche gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Mit weiteren Kosten würde die Handlungsfähigkeit der Jugendwohlfahrtsträger weiter geschmälert.

Werden Sachverständigengebühren aus Amtsgeldern berichtigt, so sind diese Kosten gemäß § 2 GEG dem Bund von der Partei zu ersetzen, die nach den bestehenden Vorschriften hierzu verpflichtet ist. Im Obsorgeverfahren bestehen aber gemäß § 107 Abs. 3 AußStrG keine Kostenersatzpflichten. Mangels einer Vorschrift oder Entscheidung sind diese Beträge daher von denjenigen Beteiligten zu ersetzen, die sie veranlasst haben oder in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wurde. Beide Tatbestandsmerkmale gelten alternativ, sodass die Kostenersatzpflicht eines Beteiligten greift, wenn auch nur eines von ihnen zutrifft (EFSlg 115.721 f, 128.942). Die Veranlassung eines Gutachtens ist gegenüber dem Antrag auf Einholung eines solchen der weitere Begriff. So kann etwa auch ein konkretes Vorbringen die Einholung eines Sachverständigengutachtens veranlassen (EFSlg 128.955).

Das Erstgericht hat aus der zu EFSlg 98.799 veröffentlichten Entscheidung, wonach die Kostenhaftung kraft "Veranlassung" im Sinne des § 2 Abs. 1 GEG den Jugendwohlfahrtsträger in gleicher Weise wie andere Personen trifft, die sich an das Gericht zur Erwirkung einer Maßnahme nach § 176 ABGB wenden, die Ersatzpflicht des Jugendwohlfahrtsträgers ausgesprochen. Die zitierte Entscheidung legt aber ganz im Gegenteil fest, dass die Stellung eines Antrages auf Fremdunterbringung durch die Bezirksverwaltungsbehörde keine Kostenersatz pflicht des JWT auslöst. Auch wenn die Frage der allfälligen Kostenhaftung kraft "Veranlassen" iSd § 2 Abs 1 GEG für den JWT in gleicher Weise beantwortet werden muss wie für andere Personen, die sich an das Gericht zur Erwirkung einer Maßnahme nach den §§ 176 ff ABGB wenden, wird inhaltlich die Ablehnung der Kostenhaftung damit begründet, dass ein über Informationen Verfügender von einer entsprechenden Antragstellung abgehalten werden könnte, wenn eine derartige Anrufung des Gerichtes für den Anregenden möglicherweise Kostenfolgen hätte. Ein derartiger Effekt wurde nicht iSd Gesetzes gesehen, das durch die Möglichkeit des "Popularantrages" die Wahrnehmung von möglichen Bedrohungen des Kindeswohles erleichtern wollte (EFSlg 128.978).

Zur Kostenersatzpflicht des Jugendwohlfahrtsträgers existieren widersprüchliche Entscheidungen. Einerseits wurde dem Jugendwohlfahrtsträger als Obsorgeprätendent eine Haftung auferlegt (EFSlg 115.752, 128.975), andererseits verneint, weil der Jugendwohlfahrtsträger von Gesetzes wegen die Interessen des Kindes - und keine eigenen! - zu wahren und damit das im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes eingeholte Sachverständigen gutachten nicht veranlasst hat (EFSlg 115.753,128.976 f). Gestützt wurde die Haftung des Jugendwohlfahrtsträgers auch auf seine Beweispflicht in dem von ihm eingeleiteten Verfahren. Veranlassen im Sinne des GEG ist aber nicht mit einer Antragstellung gleichzusetzen. Da der Jugendwohlfahrtsträger hier nur einem gesetzlichen Auftrag zum Schutz gefährdeter Kinder nachkommt, ist das Verfahren durch das Verhalten der Eltern bzw. eines Elternteiles ausgelöst, wodurch diese auch im Sinne des GEG das Verfahren veranlasst haben. Vom „Veranlassen des Jugendwohlfahrtsträgers“ könnte nur bei einem völlig unberechtigten Einschreiten gesprochen werden, das hier aber nicht vorliegt, weil zumindest vorläufig die Obsorge übertragen wurde und letztlich nur im Interesse der Kinder gelindere Mittel ausgereicht haben.

Werden aber nur die Eltern/ein Elternteil für Verfahrenskosten ersatzpflichtig und genießen sie Verfahrenshilfe, sind diese Kosten vom Bund zu tragen. Andererseits hat auch der Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 32f JWG für die Kosten der Maßnahme der öffentlichen Jugendwohlfahrt unbeschadet der Kostenersatzpflicht der Minderjährigen und ihrer Unterhaltspflichtigen zunächst selbst aufzukommen. Würde man ihn auch zum Ersatz von Verfahrenskosten verpflichten, hätte der Jugendwohl fahrtsträger neben seinen Aufwendungen zur Erfüllung des gesetzlichen Jugendschutzes jedenfalls einen Teil dieser Kosten endgültig selbst zu tragen, was auch die Allgemeinheit ungerechtfertigt belastet, während die Entlastung im Rahmen der Verfahrenshilfe eigentlich nur eine Stundung darstellt und eventuell bei den für die Maßnahme bzw. das Verfahren verantwortlichen Eltern eingehoben werden könnte. Selbst wenn sie für die Verfahrenskosten infolge Gewährung der Verfahrenshilfe nicht aufkommen müssen, ändert dies an ihrer grundsätzlichen alleinigen Ersatzpflicht nichts, weil es nur recht und billig erscheint, dass sie die Folgen ihres Verhaltens tragen, woraus die Veranlassung des Verfahrens mit entsprechenden Kostenfolgen abgeleitet werden kann. Eine (Mit-)Haftung des Jugendwohlfahrtsträgers könnte nur in jenem Fall angenommen werden, in dem eine Maßnahme unberechtigt gesetzt wurde, die von den Eltern nicht zu verantworten wäre. Dies liegt hier nicht vor, weshalb in Stattgebung des Rekurses der angefochtene Beschluss im Sinne einer alleinigen Ersatzpflicht der Mutter abzuändern war.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG; die Entscheidung über die Ersatzpflicht ist eine Entscheidung im Kostenpunkt (EFSlg 109.803 ua).

Rechtssätze
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