JudikaturJustiz22R82/20v

22R82/20v – LG Korneuburg Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2020

Kopf

Im Namen der Republik

Das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag. Jarec, LL.M. und Mag. Straßl in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. T**** S*****, MBA , vertreten durch Skribe Rechtsanwaelte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei A***** A***** AG , vertreten durch Brenner Klemm, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 280,-- s.A., infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil das Bezirksgerichtes Schwechat vom 03.02.2020, 24 C 274/19b-16, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„[1] Die Klagsforderung besteht mit EUR 105,45 zu Recht.

[2] Die Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

[3] Die beklagte Partei ist daher schuldig, der klagenden Partei EUR 105,45 samt 4 % Zinsen seit 21.03.2018 binnen 14 Tagen zu zahlen.

[4] Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 174,55 samt 4 % Zinsen seit 21.03.2018 zu zahlen, wird abgewiesen.

[5] Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 18,-- (Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

[6] Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 162,85 (darin EUR 27,14 USt.) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen“.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 59,86 (darin EUR 5,88 USt. und EUR 24,60 Barauslagen) bestimmten Kosten der Berufung binnen 14 Tagen zu Handen der Beklagtenvertreter zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger verfügte über eine bestätigte Buchung unter anderem für den von der Beklagten durchgeführten Flug OS 571 ab Wien 22.03.2018, 07.15 Uhr, an Genf 22.03.2018, 08.55 Uhr. Die Beklagte annullierte den Flug am 21.03.2018, 15.09 Uhr und buchte den Kläger auf den Flug OS 577 ab Wien 21.03.2018, 20.15 Uhr, an Genf 21.03.2018, 21.55 Uhr, um und zahlte dem Kläger eine Ausgleichsleistung gemäß Art 7 EU-FluggastVO von EUR 125,--.

Mit der beim Erstgericht am 17.08.2018 eingebrachten Klage begehrte der Kläger von der Beklagten die Zahlung von EUR 280,-- samt 4 % Zinsen seit 21.03.2018 und brachte vor, der Flug OS 571 am 22.03.2018 sei aufgrund des alleinigen Verschuldens der Beklagten storniert worden. Aufgrund der Stornierung sei die Beklagte mit ihrer Hauptleistungspflicht in Schuldnerverzug geraten. Der Kläger habe die Erfüllung des Vertrages verlangt und keine andere Möglichkeit gehabt als die Umbuchung auf den Flug am Vortag. Die zweite Alternative am 22.03.2018 um 15.10 wäre für ihn zu spät gewesen. Durch den Abschluss eines neuen Vertrages mit der Beklagten über die Durchführung eines Fluges von Wien nach Genf am 21.03.2018 als Alternative für den annullierten Flug am 22.03.2018 sei er schlüssig und ohne Nachfristsetzung vom Vertrag über den ursprünglichen Flug zurückgetreten. Dadurch seien Kosten für die Übernachtung in einem Hotel von EUR 154,45 und der zweimaligen Nutzung eines Taxis von EUR 125,55 entstanden. Eine andere Möglichkeit im Sinne der Schadenminderungspflicht habe es nicht gegeben. Das Hotel sei anders als die Arbeitsstätte, die er in Genf habe aufsuchen müssen, nicht in Gehdistanz zum Flughafen gewesen. Es sei unbillig, zusätzlich zur beruflichen Vorbereitung auf einen Termin in Genf und dem ohnehin erhöhten Organisationsaufwand durch die vonnöten gewordene Hotelbuchung und die verfrühte Anreise sich auch noch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln der Schweiz sowie Frankreichs vertraut zu machen. Es handle sich um einen Verspätungsschaden, dieser könne nicht zuletzt aus einer verfrüht erbrachten Leistung im Entstehen begriffen sein. Ansprüche aus der EU-FluggastVO seien darauf nicht anzurechnen. Es bestehe eine planwidrige Lücke der Art 5 und 9 EU-FluggastVO in Bezug auf verfrühte Flüge. Die geleisteten EUR 125,-- sollten das Ärgernis und die Unannehmlichkeiten, die durch die Annullierung entstanden sei, verringern. Die Aufwendungen seien jedoch notwendiges Übel gewesen. Transportkosten vom Flughafen zum Hotel und wieder zurück seien keine Sowiesokosten, weil der Kläger, wäre er mit dem ursprünglich gebuchten Flug angereist, den kostenlosen Shuttleservice vom Airport ins Stadtzentrum genutzt hätte. Der Differenzanspruch aus dem Deckungsgeschäft sei weder der Ersatz eines mittelbaren Schadens noch eines Folgeschadens noch ein Schadenersatz mit pönalem Charakter im Sinne von Punkt 15.3.4. der Beförderungsbedingungen. Die Bestimmung sei gröblich benachteiligend. Der Klagsbetrag seien die aus der konkreten Schadensberechnung sich ergebenden Mehrkosten des abgeschlossenen Deckungsgeschäftes. Zu der von der Beklagten als Entlastungsgrund vorgetragenen Betriebsversammlung brachte der Kläger vor: Bereits beim ersten Versuch, die Betriebsversammlung abzuhalten, seien rund 10.000 Passagiere und 140 Flüge betroffen gewesen seien. Diese seien sogar ausgefallen, obwohl die Betriebsversammlung abberaumt worden sei. Es sei daher davon auszugehen gewesen, dass bei einer Verlegung der Betriebsversammlung von zwei bis drei Wochen nach hinten sich an deren Auswirkungen nichts ändere. Die Beklagte habe für das Verhalten ihres Personals als Erfüllungsgehilfen einzustehen. Ein Verschulden der Beklagten werde gesetzlich vermutet. Der Beklagten sei die Betriebsversammlung mindestens über eine Woche vor dem 22.03.2018 bekannt gewesen, sie hätte ihn über den möglichen Ausfall informieren müssen.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, die geleistete Zahlung sei gemäß Art 12 Abs 1 EU-FluggastVO auf einen allfälligen Schadenersatzanspruch des Klägers anzurechnen, umsichtshalber werde die unstrittig geleistete Zahlung von EUR 125,-- aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung eingewendet. In der Zahlung liege kein Anerkenntnis der Anwendbarkeit der EU-FluggastVO. Die Vorverlegung eines Fluges sei keine Annullierung. Betreuungsleistungen am Zielort seien nach der EU-FluggastVO nicht zu erbringen. Gemäß Art 15.3.4. ihrer Beförderungsbedingungen sei die Übernahme von mittelbaren Schäden oder Folgekosten auch ausdrücklich ausgeschlossen. Die geltend gemachten Mehrkosten seien ausschließlich aufgrund der Handlungen des Klägers entstanden. Eine Beförderung vom Flughafen zum Hotel wäre in keinem Fall zu ersetzen, weil es sich unzweifelhaft um Sowiesokosten handle. Der Kläger habe die Beförderung am 21.3. selbst gewählt und damit auch Hotel- und Transportkosten billigend in Kauf genommen. Ein Verspätungsschaden liege nicht vor, weil die Beklagte mit ihrer Leistung nicht in Verzug geraten sei. Für die Beklagte sei nicht abschätzbar gewesen, wie viele Mitarbeiter der Beklagten tatsächlich an der Betriebsversammlung teilnehmen würden. Ihr wäre es arbeitsrechtlich gar nicht erlaubt, von ihren Mitarbeitern verbindliche Aussagen über deren Teilnahme bekannt zu geben. Die konkret zu setzenden Maßnahmen bzw. deren Ausmaß seien im Vorhinein unmöglich bestimmbar.

Der Kläger habe seine Schadenminderungspflicht verletzt. Das vom Kläger ausgewählte Hotel sei 29,1 km vom Flughafengelände entfernt gewesen. In der unmittelbaren Nähe des Flughafens Genf stünden 25 Hotels zur Verfügung. Ein Hotel, das in 1,5 km Entfernung zum Flughafen liege, werde für EUR 30,-- in der Nacht angeboten. Zu den in Anspruch genommenen Taxikosten werde ausgeführt, dass auch die Beförderung mittels Straßenbahn, Zug oder Bus möglich gewesen wäre, die Kosten würden diesfalls zwischen EUR 8,-- und EUR 21,-- betragen.

Mit dem angefochtenen Urteil stellte das Erstgericht die Klagsforderung mit EUR 280,-- als zu Recht bestehend fest, zur Gegenforderung sprach es aus, dass diese nicht aufrechenbar sei. Es verpflichtete die Beklagte, dem Kläger EUR 280,-- samt 4 % Zinsen seit 21.03.2018 zu zahlen. Es traf die auf Seiten 5 und 6 der Urteilsausfertigung ON 16 ersichtlichen Feststellungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, und folgerte in rechtlicher Hinsicht, dass der Kläger nicht die Verbrauchereigenschaft nach dem KSchG in Anspruch nehmen könne. Die Beklagte habe ihre Hauptleistungspflicht aus dem Beförderungsvertrag vorsätzlich verletzt. Daher sei der Haftungsausschluss für vorsätzliche Schadenszufügung sittenwidrig und unbeachtlich. Der Luftbeförderungsvertrag werde nicht als absolutes Fixgeschäft aufgefasst. Wenn ein entgeltlicher Vertrag von einem Teil nicht in der gehörigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt werde, könne der andere gemäß § 918 Abs 1 ABGB entweder Erfüllung und Schadenersatz wegen der Verspätung begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären. Die Beklagte sei in subjektiven Schuldnerverzug geraten. Dem Kläger seien durch die Annullierung und Umbuchung auf einen früheren Flug konkrete Aufwendungen in Form der notwendig gewordenen Hotelübernachtung und Fahrtkosten zum und vom Hotel entstanden; diese seien von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes zu ersetzen. Zum Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht führte es aus, dass zu den Hotelkosten nicht habe festgestellt werden können, dass ein günstigeres Hotel zum Zeitpunkt der Buchung verfügbar gewesen sei. Zu den Taxifahrten führte es aus, dass dem Kläger nicht zuzumuten gewesen sei, bei einer derart kurzfristigen Umbuchung sich noch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln eines fremden Landes auseinanderzusetzen; in der vergleichbaren Situation hätte wohl jeder andere Mensch genauso wie der Kläger gehandelt und einen Transport mit dem Taxi gewählt. Der Kläger habe versucht, die Kosten durch den Transport mittels UBER gering zu halten. Zur „Gegenforderung“ führte das Erstgericht aus, dass Unterstützungsleistungen unentgeltlich zu erbringen und nicht auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen seien. Die beiden Konstellationen der Umbuchung auf einen späteren oder auf einen früheren Flug seien vergleichbar, es wäre sachwidrig, den jeweiligen Ersatz anders zu behandeln. Nach der Begründung der Kostenentscheidung (unter Berufung auf § 41 Abs 1 ZPO) führte das Erstgericht noch aus, dass das Klagebegehren auch aufgrund Art 5 Abs 1 lit b iVm mit Art 9 Abs 1 lit b und c EU-FluggastVO zuzusprechen sei, eine Anrechnung habe zu unterbleiben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist teilweise berechtigt .

Die Berufungswerberin wendet sich gegen die Auffassung des Erstgerichtes, bei der Annullierungsentscheidung handle es sich um eine vorsätzliche Schädigung des Klägers; vielmehr sei der Haftungsausschluss für mittelbare Schäden und Folgeschäden in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten wirksam vereinbart worden und gelange zur Anwendung. Durch die alternative Beförderung am Abend des Vortages liege kein Schuldnerverzug vor. Der Kläger habe sich für diese Beförderung entschieden. Im Nachhinein aus der einvernehmlichen Vertragsveränderung dem Kläger Schadenersatzansprüche zuzusprechen, sei nicht nachvollziehbar. Die Fahrtkosten seien Sowiesokosten, die auch dann entstanden wären, wenn der Kläger seinen Zielort erst am nächsten Tag erreicht hätte. Er hätte sich auch bei einer Ankunft zum ursprünglichen Zeitpunkt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln eines fremden Landes auseinanderzusetzen gehabt, in der Stadt Genf werde grundsätzlich auch Deutsch gesprochen. Es habe sich um keine Beförderung mit UBER gehandelt, die Rechnung stamme von einem Taxi bzw. Transportunternehmen. Die frühere Beförderung werde von der EU-FluggastVO nicht als anspruchsbegründend betrachtet, deshalb sei eine Anrechnung von Ausgleichsleistungen mit sonstigen Schadenersatzansprüchen möglich.

Der Berufungsgegner hält dem entgegen, dass keine Vorverlegung des Fluges vorliege, sondern eine Annullierung mit einer Ersatzbeförderung auf einen früheren Flug. In analoger Anwendung von Art 9 Abs 1 EU-FluggastVO habe der Kläger Anspruch auf Ersatz der Hotel- und Taxikosten. Es handle sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichtes, ob der Anspruch auf Ausgleichsleistung anzurechnen sei oder nicht. Die Allgemeinen Beförderungsbedingungen seien nichtig, weil sie die Rechte von Fluggästen nach der EU-FluggastVO einschränke. Der Kläger sei durch den früheren Flug am Vortag seiner Schadensminderungspflicht nachgekommen. Hätte er das nicht gemacht und den Geschäftstermin versäumt, wäre ein noch viel größerer Schaden entstanden.

Den Berufungsausführungen kommt teilweise Berechtigung zu.

[1] Einleitend ist zu bemerken, dass das Berufungsgericht die vom Erstgericht vertretene analoge Anwendung der Verpflichtung zur Unterstützungsleistung nach Art 5 Abs 1 lit b EU-FluggastVO nicht teilt. Die vom Erstgericht zitierte Stelle der Verordnung spricht ausdrücklich von der zu erwartenden Abflugszeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugszeit des annullierten Fluges. Im selben Art 5 EU-FluggastVO wird dem Umstand Rechnung getragen, wenn nach Annullierung eines Fluges die Ersatzbeförderung durch einen Flug erfolgt, der vor der ursprünglichen planmäßigen Abflugszeit abfliegt (Art 5 Abs 1 lit c Z 2 und 3 EU-FluggastVO). Eine Planwidrigkeit der Lücke, dass keine weiteren Betreuungsleistungen für einen annullierten und dann durch Ersatzbeförderung „vorverlegten“ Flug am Endziel vorgesehen sind, ist daher nicht anzunehmen. Schließlich ist auf die Rechtsprechung des EuGH zu verweisen, wonach der „Obhutszeitraum“ (mag der Begriff im Kontext der EU-FluggastVO auch nicht zutreffend sein) mit dem Öffnen der Flugzeugtüren endet (Urteil des EuGH vom 4.9.2014 in der Rechtssache C-452/13 Henning Rn 24).

Zusammengefasst kommt das Berufungsgericht zum Ergebnis, dass im Falle der Annullierung eines Fluges und Durchführung der Ersatzbeförderung vor dem planmäßigen Abflugs- und Ankunftszeitpunkt ein Anspruch auf Ersatz der (zusätzlichen) Hotel- und Transportkosten am Endziel nicht auf die EU-FluggastVO gestützt werden kann.

[2.1] Charakteristischer Vertragsinhalt und gleichzeitig Hauptleistungspflicht des Beförderers ist die Beförderung, also die Verbringung einer Person oder Sache vom Abflugsort zum gewünschten Bestimmungsort, wobei es sich ausnahmsweise – bei Rundflügen – um ein und den selben Ort handeln kann. Er muss nach dem Willen der Parteien auf eine Ortsveränderung gerichtet sein. Ist der Vertrag entgeltlich, handelt es sich um einen Werkvertrag (2 Ob 58/15s). Ein Personenbeförderungsvertrag mittels Luftfahrzeugen mit bestimmten Hin- und Rückflugterminen im Linienverkehr ist ein relatives Fixgeschäft im Sinne des § 919 Satz 2 ABGB, weil Natur und Zweck der vereinbarten Flugtermine schon im allgemeinen erkennen lassen, dass der Gläubiger (hier: Fluggast) an einer verspäteten Leistung kein Interesse mehr hat (RS0018434; Reidinger in Schwimann/Kodek ABGB 4 § 919 Rz 6; Gruber in Kletecka/Schauer, ABGB/ON 1.06 § 919 Rz 8; BGH 28.5.2009, Xa ZR 113/08; Führich in Führich/Staudinger, Reiserecht 8 , 762). Bei einem relativen Fixgeschäft ist die Erfüllung nach dem vereinbarten Leistungstermin noch möglich, und der Schuldner muss mit einem Erfüllungsbegehren des Gläubigers rechnen. Der Erfüllungsanspruch des Gläubigers setzt aber nach § 919 ABGB voraus, dass der Gläubiger dies dem Schuldner ohne Verzug anzeigt (2 Ob 74/12i [ErwGr 5.1]; 9 Ob 50/15s [ErwGr 4]). Anzeige ohne Verzug bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“. Unterlässt der Gläubiger die Anzeige, so verliert er seinen Erfüllungsanspruch und es kommt zum Zerfall des Vertrages. Die rechtzeitige Anzeige des Erfüllungsbegehrens wandelt das (relative) Fixgeschäft in ein normales Termingeschäft um. Wählt der Gläubiger beim relativen Fixgeschäft die Erfüllung, so hat er Anspruch auf Ersatz des Verspätungsschadens ( Gruber in Kletecka/Schauer, ABGB/ON 1.06 § 919 Rz 11 bis 13). Nach Annahme der verspätet angebotenen Leistung scheidet eine Berufung auf Vertragsunwirksamkeit infolge der Versäumung des Fixtermines aus; der Gläubiger kann bei schuldhafter Verzögerung nur Ersatz des Verspätungsschadens fordern (RS0018422; Bydlinski in KBB 5 § 919 Rz 2; Reischauer in Rummel/Lukas ABGB 4 § 918 RZ 144). Bei einer Annullierung eines Fluges hat der Fluggast weiterhin einen Erfüllungsanspruch ( Lintschinger , Zum rechtlichen Nachspiel in der Reisebranche aufgrund des Vulkanausbruches in Island, wbl 2010, 321 [327] unter Berufung auf Janköster , Fluggastrechte im internationalen Verkehr). Ist die vereinbarte Reiseveranstaltung zur vorgesehen Zeit überbucht und werden die Reiseleistungen später erbracht, ist das keine Ersatzreise, sondern eine verspätete Vertragserfüllung ( Fischer-Czermak , Leistungsstörungen beim Reiseveranstaltungsvertrag, JBl 1997, 274).

Das österreichische Recht erlaubt die vorzeitige Erfüllung nur in gesetzlichen Sonderregelungen, die hier nicht in Betracht kommen. Vorzeitige Leistung muss nicht angenommen werden ( Reischauer in Rummel ABGB³ § 1413 Rz 2). Von der Berechtigung des Schuldners, vorzeitig zu leisten, ist jedoch die nachträgliche Änderung des vereinbarten Fälligkeitstermines zu unterscheiden. Außerdem ist der Gläubiger in Ausnahmefällen – spiegelbildlich zur vorzeitigen Erfüllung – berechtigt, vorzeitig zu fordern, der Schuldner darf aber nicht von sich aus früher leisten ( Koller in Klang³ § 904 Rz 7). Da die nicht gehörige Erfüllung und beim Fixgeschäft auch die nicht zeitgerechte Erfüllung der Nichterfüllung gleichstehen, liegen in Wahrheit nur zwei verschiedene Fälle vor, nämlich jener der Nichterfüllung und der verspäteten Erfüllung beim Nichtfixgeschäft (RS0032114).

Im konkreten Fall handelt es sich zwar nicht um eine verspätete Leistung, sondern um eine verfrühte Leistung. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich nicht um eine gehörige Erfüllung im Sinne des § 918 ABGB handelt. Wenn in der Rechtsprechung und im Schrifttum regelmäßig vom „Verspätungsschaden“ gesprochen wird, ergibt sich dies zwangsläufig daraus, dass im Falle der Nichterfüllung zum vereinbarten Zeitpunkt eine Nachfrist zu setzen ist. Daraus ergibt sich zwingend, dass eine allfällige verspätete Erfüllung nur nach dem ursprünglich vereinbarten Erfüllungszeitpunkt vorliegen kann. Dies gilt für das (relative) Fixgeschäft nicht. Im Falle des relativen Fixgeschäftes handelt es sich nach dem oben Gesagten auch bei der Erfüllung vor dem ursprünglich vereinbarten Zeitpunkt um eine Leistungsstörung, bei der der Gläubiger nicht verpflichtet ist, dem Schuldner eine Nachfrist zu setzen. Insgesamt besteht daher für das Berufungsgericht kein Anlass, den „Verfrühungsschaden“ anders zu werten als den „Verspätungsschaden“.

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass zwischen den Streitteilen ein Werkvertrag zustande gekommen ist, der als relatives Fixgeschäft aufzufassen ist. Die mit Zustimmung des Klägers vorgenommene Vertragsänderung im Sinne einer Vorverlegung des Fluges führt dazu, den vorverlegten Flug als Erfüllung der ursprünglichen vertraglichen Verpflichtung gemäß der Buchung aufzufassen. Der Kläger hat somit nicht Anspruch auf Ersatz eines Nichterfüllungsschadens, sondern nur des „ Verspätungsschaden “.

[2.2] Die Berufungswerberin zeigt zutreffend auf, dass ihr vorsätzliches Verhalten durch die Annullierung des Fluges zu Unrecht unterstellt wurde. Vorsätzliches Verhalten liegt nur dann vor, wenn nicht nur eine bewusste Missachtung einer vertraglichen Verpflichtung, sondern auch die Billigung des Schadenseintrittes vorliegt. Erforderlich ist demnach auch eine vorsätzliche Schadenszufügung, nicht bloß die vorsätzliche Vertragsverletzung (7 Ob 533/93). Dass die Beklagte im Zeitpunkt der Annullierung des vom Kläger gebuchten Fluges den Vorsatz hatte, dem Kläger einen Schaden durch zusätzliche Hotel- und Transportkosten zuzufügen, hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet. Der Beklagten ist daher eine vorsätzliche Schädigung des Klägers nicht anzulasten .

[2.3] Die Beklagte stützte sich im erstinstanzlichen Verfahren darauf, dass sie die Annullierung wegen der Betriebsversammlung durchführte.

Hat beim

Werkvertrag der Unternehmer vertragswidrig erfüllt und kommt die vertragswidrige Erfüllung als Schadensursache in Betracht, so ist es seine Sache zu beweisen, dass die Vertragsverletzung nicht kausal für den Schaden war. Gelingt ihm dieser Beweis nicht, tritt bezüglich des Verschuldens die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB ein (allgemein RS0026134, RS0112247; für das Reiserecht RS0038355; für die Luftbeförderung von Personen 8 Ob 14/18v).

Das Erstgericht stellte dazu fest, dass Grund für die Annullierung eine Betriebsversammlung der Mitarbeiter der Beklagten gewesen sei (Seite 5 in ON 16). Inwieweit Mitarbeiter an der Betriebsversammlung teilnahmen oder ihre Teilnahme auch nur ankündigten, die für die Durchführung des später annullierten Fluges vorgesehen waren, wurde weder behauptet noch festgestellt. Der Ursachenzusammenhang der Betriebsversammlung einerseits und der Annullierungsentscheidung andererseits muss daher offen bleiben. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass es bei Unterstellung eines Kausalzusammenhanges der Betriebsversammlung auch mit dem konkreten Flug die Beklagte sich nicht auf mangelndes Verschulden berufen kann. Grundsätzlich ist mangels einer Behauptung einer vertraglichen Einschränkung die Beklagte berechtigt gewesen, die Werkherstellung, in concreto den Transport des Klägers von Wien nach Genf, auch zur Gänze einem Dritten zu übertragen ( Bydlinski in KBB 5 § 1165 Rz 3, Reiner in Schwimann/Neumayr ABGB 4 § 1165 Rz 17, Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek ABGB 4 § 1165 Rz 44, Kletecka in Kletecka/Schauer ABGB-ON 1.03 § 1166 Rz 29). Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren weder behauptet noch den Nachweis erbracht, dass ihr die Übertragung der Luftbeförderung an einen Dritten nicht möglich gewesen wäre.

Die Einberufung einer Betriebsversammlung stellt für sich keinen Grund dar, die Luftbeförderung des Klägers nicht durchzuführen. Den Einberufer der Betriebsversammlung trifft neben der Verständigung des Betriebsinhabers die weitere Pflicht, eine Interessensabwägung durchzuführen. Dabei ist das Interesse der Arbeitnehmerschaft an der Teilnahme möglichst vieler Arbeitnehmer an der Versammlung dem Interesse des Betriebsinhabers an einer möglichst störungsfreien Betriebsablaufes gegenüber zu stellen. Ist der Betriebsinhaber der Auffassung, dass der vom Betriebsrat festgesetzte Zeitpunkt den Betriebsablauf in unzumutbarer Weise stört, so kann er dies dem Einberufer mitteilen und im Streitfall beim Arbeits- und Sozialgericht auf Unterlassung klagen. In diesem Falle wäre unter Umständen auch die Erlassung einer Einstweiligen Verfügung denkbar ( Schneller in Gahleitner/Mosler Arbeitsverfassungsrecht 12 § 47 ArbVG Rz 5; Risak in Tomandl, Arbeitsverfassungsgesetz § 57 ArbVG Rz 8).

Als weiteres Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass der Beklagten der Nachweis, sie treffe kein Verschulden an den Schäden des Klägers, deshalb nicht gelungen ist, weil ein Ursachenzusammenhang zwischen der Betriebsversammlung und der Annullierung nicht festgestellt wurde, und weil im Falle einer nach umfangreicher Interessenabwägung einberufenen Betriebsversammlung diese den Betriebsablauf insoweit nicht zu stören vermag, dass die Annullierung des Fluges des Klägers erforderlich ist. Für den Fall, dass eine Annullierung eines Fluges doch erforderlich geworden wäre, hätte die Beklagte als Betriebsinhaberin gegen die Anberaumung der Betriebsversammlung gerichtlich vorgehen können. Schließlich hätte sie, für den Fall, dass eine gerichtliche Entscheidung zu spät erfolgt oder nicht hätte durchgesetzt werden können, die Luftbeförderung einem Dritten übertragen können (grundsätzlich zur Umbuchung siehe das Urteil des EuGH vom 11.6.2020 in der Rechtssache C-74/19 Transportes Aéreos Portugueses Rn 59). Allfällige Unaufklärbarkeiten des Sachverhaltes gehen zu Lasten der Beklagten (8 Ob 14/18v). Die Schadenszufügung ist der Beklagten daher vorwerfbar, der ihr obliegende Entlastungsbeweis ist ihr nicht geglückt.

[2.4] Weiters ist das Argument zu behandeln, dass der Kläger ja in die alternative Beförderung eingewilligt hat. Dieser Umstand ändert nichts am Vorliegen des adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen der Annullierung des Fluges und den Aufwendungen des Klägers. Die Zurechnung der Schadensfolge erscheint nur dann nicht gerechtfertigt, wenn dies auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluss des Verletzten selbst beruht, der sie deshalb auch alleine zu verantworten hat (RS0022912). Die Beklagte hat auch gar nicht vorgetragen, dass eine umfassende Interessensabwägung ergeben würde, dass die Belastungsmomente auf Seiten des Geschädigten jene des Schädigers bei weitem überwiegen würden (vgl. 2 Ob 155/97a). Daher ist die Argumentation im erstinstanzlichen Verfahren, der Kläger sei die Aufwendungen freiwillig eingegangen und habe sie selbst verschuldet, verfehlt. Die Ausgaben für Hotel und Taxi beruhen auf dem haftungsbegründenden Vorgang, nämlich der Annullierung des Fluges. Die Bereitschaft des Klägers, schon am Vortag nach Genf zu fliegen, war daher nicht anspruchsvernichtend .

[2.5] Was den vertraglichen Ausschluss des insoweit zu Recht bestehenden Schadenersatzanspruches durch die allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten betrifft, ist zunächst darauf zu verweisen, dass die wirksame Vereinbarung insbesondere des Punktes 15.3.4. von den Parteien im Rechtsmittelverfahren nicht mehr in Frage gestellt wird; eine Geltungskontrolle ist somit nicht vorzunehmen. Abgesehen vom Ausschluss von Schadenersatzansprüchen mit pönalem Charakter, die hier unstreitig keine Rolle spielen, ist zu prüfen, ob ein Haftungsausschluss für mittelbare Schäden oder Folgeschäden anzuwenden ist.

Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung ein bloß mittelbar Geschädigter nicht anspruchsberechtigt ist (RS0021473). Des weiteren spricht man bei einem Schaden, der außerhalb des Schutzzweckes der übertretenen Norm liegt, von einem (ebenfalls nicht zu ersetzenden) mittelbaren Schaden (vergleiche Karner in KBB 5 § 1295 Rz 13). Eine vergleichbare Bestimmung wurde jüngst als intransparent im Sinne des Verbraucherrechtes qualifiziert (OLG Wien 20.2.2020, 4 R 151/19h). Dazu ist zu bemerken, dass es sich bei dem vom OLG Wien entschiednen Fall um eine Verbandsstreitigkeit handelt, und die Intransparenz im vorliegenden Fall keine Rolle spielt, weil einander zwei Unternehmer gegenüber stehen. Dies ändert nichts daran, dass die herrschende Rechtsprechung unter mittelbaren Schäden solche versteht, die ohnedies nicht zu ersetzen sind und im konkreten Fall gar nicht geltend gemacht wurden. Zum anderen ist zu prüfen, ob ein Folgeschaden vorliegt. Auch dies ist zu verneinen. Vielmehr handelt es sich nach dem oben Gesagten um das auf das Erfüllungsinteresse reduzierte verbleibende Restausmaß des Schadens, wenn es zu einer Vertragsänderung kommt und ein relatives Fixgeschäft in ein Termingeschäft verwandelt wird. Damit ist der Verspätungsschaden als in den Rahmen des Nichterfüllungsschadens fallend zu qualifizieren ( Hödl in Schwimann/Neumayr ABGB 4 § 921 Rz 6). Es handelt sich daher gerade nicht um einen Folgeschaden (eines anderen Schadens oder eines Mangels), sondern um einen unmittelbaren Schaden. Im Übrigen wird in Deutschland die Auffassung vertreten, dass die nicht zeitgerechte Durchführung eines Fluges keinen Werkmangel darstellt. Ein Mangel setzt voraus, dass das Werk selbst infolge der Zeitverzögerung nicht die geschuldete Beschaffenheit aufweist. Bei einer Flugreise oder einer sonstigen Beförderungsleistung ist dies regelmäßig nicht der Fall. Die Beförderungsleistung wird nicht dadurch schlechter, da sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht wird (BGH 28.5.2009, Xa ZR 113/08 Rn 17). Es ist somit bereits die Mangelhaftigkeit der Vertragserfüllung durch die Beklagte zu verneinen, weshalb die Qualifikation der geltend gemachten Aufwendungen des Klägers als Mangelfolgeschaden ausscheidet. Schließlich ist zu ergänzen, dass ein Haftungsausschluss bei Mangelfolgeschäden für leichte Fahrlässigkeit insbesondere dann unzulässig iSd § 879 Abs 3 ABGB ist, wenn er auch bei Verletzung vertraglicher Verpflichtungen zum Tragen kommt und eine sachliche Rechtfertigung für einen solchen weitgehenden Haftungsausschluss nicht zu erkennen ist (4 Ob 228/17h [ErwGr 6.3.3]). Diese Norm ist auch auf Verträge zwischen Unternehmern anzuwenden (10 Ob 54/04w [damals: Kaufleute]).

Als weiteres Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten der Geltendmachung der vom Kläger getätigten Aufwendungen nicht entgegensteht .

[2.6] Es stellt einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar, wenn der Geschädigte Handlungen unterlassen hat, die geeignet gewesen wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern, die – objektiv beurteilt – von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden wären, um eine nachteilige Veränderung des eigenen Vermögens hintanzuhalten, bzw. wenn er Handlungen gesetzt hat, die geeignet waren, den Schaden zu vergrößern und von einem verständigen Durchschnittsmenschen nicht gesetzt worden wären, und dies der Geschädigte bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen und dieser Einsicht nach hätte er handeln können (RS0023573). Wird die Verletzung der Schadensminderungspflicht bejaht, hat der Geschädigte die von ihm zu vertretende Schadenserhöhung alleine zu tragen (9 Ob 26/09b).

Zu den Einzelpositionen ist auszuführen, dass sich der Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht (vgl. 2 Ob 48/16x) im erstinstanzlichen Verfahren nur generell darauf stützt, dass es billigere Hotels als das vom Kläger gebuchte gäbe. Dieser Einwand wird in der Berufung nicht mehr aufrecht erhalten, weshalb das Berufungsgericht nicht dazu Stellung nehmen braucht. Was die Kosten des Transportes vom Flughafen Genf zum Hotel betrifft, legte die Beklagte eine Routenplanung für den 08.01.2020, 12.50 Uhr, vor. Dazu fehlt jeglicher Vortrag der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren, dass dieselben Verkehrsmittel dem Kläger auch bei einer Ankunftszeit um 22.00 Uhr noch zur Verfügung gestanden wären. Insbesondere ist auf die erste Position zu verweisen, wonach es sich um eine Umsteigverbindung mit einem Zug und zwei Straßenbahnen handelt. Ob diese Verbindung nächtens auch so dem Kläger zur Verfügung gestanden wäre, wurde nicht vorgetragen. Auch hinsichtlich dieser Position ist die Verletzung einer Schadensminderungspflicht nicht zu erkennen.

Anders ist der Transport am 22.03.2018 vom Hotel in das Stadtzentrum Genf zu bewerten. Die Notwendigkeit der Verwendung eines Taxis oder eines Mietwagens (UBER) für die morgendliche Beförderung ist nicht ersichtlich, weil auch bei der flugplanmäßigen Durchführung der Kläger in den Morgenstunden nach der Ankunft ein öffentliches Verkehrsmittel genutzt hätte. Weiters wäre er im Stande gewesen, ohne größeren Zeitdruck sich im Hotel an der Rezeption nach öffentlichen Verkehrsmitteln ins Stadtzentrum zu erkundigen. Zwar stellte das Erstgericht die konkreten Kosten des Transportes mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht fest, allerdings gestand die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren zu, dass diese Kosten bis zu EUR 21,-- betragen können.

Zusammengefasst ist im Rahmen der Verletzung der Schadensminderungspflicht nur wahrzunehmen, dass für die Fahrt vom Hotel in die Stadt Genf anstelle der Transportkosten von CHF 55,-- nur EUR 21,-- als Kosten einer alternativen Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zuzusprechen waren.

Im übrigen sind die Voraussetzungen des Schadenersatzanspruches gegeben, die dem Kläger ungekürzt zuzusprechen waren.

[3] Was die Anrechnung der unstreitig geleisteten Ausgleichszahlung von EUR 125,-- auf die in Rede stehenden Schadenersatzansprüche betrifft, ist von einer Anrechnung auszugehen. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 28.05.2020, 22 R 76/20m, ausführlich begründet, dass

- nach Art 12 Abs 1 EU-FluggastVO die Anrechnung einer bereits geleisteten Ausgleichszahlung auf dem nationalen Recht entspringende Ansprüche grundsätzlich zulässig ist,

- die Frage der Anrechnung nach nationalem Recht zu beurteilen ist,

- in der Judikatur zum Vorteilsausgleich bei der Berechnung des Schadens eine Anrechnungsbestimmung zu sehen ist,

- auch die PauschalreiseRL von einer weitgehenden Anrechnung von unvölkerrechtlichen-, unionsrechtlichen und nationalen Ansprüchen ausgeht,

- die PauschalreiseRL es grundsätzlich zulässt, dass die nationalen Umsetzungen ihre Regelungen nicht nur für Pauschalreisen und verbundene Reisen, sondern für sonstige Reisen vorsehen können,

- daher die nationale Judikatur zum Vorteilsausgleich bei der Schadensberechnung weiterhin aufrecht erhalten kann.

Zu ergänzen ist bloß, dass sich aus dem mit Gründen versehenen Beschluss des EuGH nach Art 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes (ebenfalls vom 28.05.2020 in der Rechtssache C-153/19 DER Touristik Rn 36) keine neuen Aspekte ergeben haben, die es notwendig erscheinen lassen, von der in der zitierten Entscheidung des erkennenden Senates vom selben Tag getätigten Ausführungen abzugehen. Ebenso vermögen die Ausführungen in den Rechtsmittelschriftsätzen nichts beizutragen, die ein Abgehen von der ausführlich begründeten Entscheidung erforderlich macht. Die geleistete Ausgleichszahlung ist daher dem Vorbingen der Beklagten folgend auf die Klagsforderung anzurechnen .

[4] Insgesamt kommt das Berufungsgericht zum Ergebnis, dass der Kläger Anspruch auf Ersatz seiner Auslagen für das Hotel und für die Kosten der Transporte vom Flughafen zum Hotel und vom Hotel in das Stadtzentrum von Zürich hat. Davon waren dem Kläger die Hotelkosten und die Kosten des Transportes vom Flughafen zum Hotel ungekürzt zuzusprechen. Hinsichtlich der Kosten der Fahrt vom Hotel in das Stadtzentrum ist dem Kläger die Verletzung der Schadensminderungspflicht vorzuwerfen, was dazu führt, dass der Anspruch auf das Ausmaß zu kürzen ist, hätte er seine Schadensminderungspflicht nicht verletzt. Insgesamt errechnet sich ein Anspruch von EUR 230,45. Auf diesen Anspruch ist die bereits geleistete Ausgleichszahlung von EUR 125,-- anzurechnen. Daraus ergibt sich eine Berechtigung der Klagsforderung mit EUR 105,45. Im Hinblick darauf, dass durch die Anrechnung die Gegenforderung der Beklagten getilgt wurde, ist die aufweisungsweise geltend gemachte Forderung erloschen, sodass die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend festzustellen war. Insgesamt waren dem Kläger EUR 105,45 (zuzüglich Zinsen) zuzusprechen, ein Mehrbegehren von EUR 174,55 (zuzüglich Zinsen) war abzuweisen.

[5] Die Abänderung des erstinstanzlichen Urteiles macht die Neufassung der Kostenentscheidung erforderlich. Der Kläger ist mit rund 40 % durchgedrungen, die Beklagte hat mit 60 % obsiegt. Dem Kläger gebühren daher 40 % der Barauslagen, der Beklagten gebührt 20 % (= 60 % - 40 %) des Anwaltshonorars.

Hinsichtlich der Barauslagen des Klägers ist darauf zu verweisen, dass er über sein Kostenverzeichnis hinaus in der Mahnklage (vom Erstgericht unberücksichtigt) EUR 10,-- an Portopauschale verzeichnet hat. Der Kläger verzeichnete diese Position in seinem Kostenverzeichnis nicht und bot auch keine Aufklärung an, woraus er diese Kostenforderung ableitet. Einerseits ist möglich, dass es sich um die Portokosten der Übersendung der Mahnklage handelt, andererseits kann es sich um einen außergerichtlichen Briefverkehr handeln. In den beiden Fällen wären die konkreten Kosten, die dem Kläger aufgelaufen sind, zu bescheinigen gewesen ( Obermaier , Kostenhandbuch³ Rz 1.54). Dem Kläger waren daher als Barauslagen nur die (anteiligen) Kosten der Pauschalgebühr zuzuerkennen (§ 43 Abs 1 ZPO).

[6] Die Kosten im Berufungsverfahren waren nach § 43 Abs 1, 50 ZPO zu bestimmen, wobei auf die Berechnung der Obsiegensquote im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen wird.

[7] Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf §§ 500 Abs 2 Z 2, 502 Abs 2 ZPO.

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