JudikaturJustiz22R50/09y

22R50/09y – LG Wels Entscheidung

Entscheidung
04. März 2009

Kopf

Das Landesgericht Wels als Berufungsgericht hat durch Dr. Pramendorfer als Vorsitzenden und durch die weiteren Richter Dr. Obermaier und Dr. Lengauer in der Rechtssache der Klägerin A BAU GmbH, ***** Kematen, vertreten durch Gratl Anker Rechtsanwaltspartnerschaft, Innsbruck, gegen die Beklagte P***** GmbH, *****, 4810 Gmunden, vertreten durch Dr. Otto Urban, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen € 3.383,47 s.A., über die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 18. November 2008, 5 C 1388/07x-18, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1.) Aus Anlass der Berufung der Klägerin werden das angefochtene Urteil und das ihm ab Anordnung der Klagszustellung vorangegangene Verfahren nur im Umfang der Entscheidung über einen Nebenforderungsteilbetrag von € 214,74 s.A. als nichtig aufgehoben; die Klage wird nur in diesem Umfang zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens über die Berufung der Klägerin werden gegeneinander aufgehoben.

2.) Der Berufung der Beklagten wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird abgeändert, sodass es einschließlich seines in Rechtskraft erwachsenen Teils lautet:

„Die Klage, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin € 3.383,47 s.A. und eine Nebenforderung von € 211,50 s.A. zu zahlen, wird abgewiesen. Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit € 1.995,98 (darin € 332,66 USt) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

3.) Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit € 777,13 (darin € 90,69 USt, € 233,- Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

4.) Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe

Die Parteien hatten in einem Vertrag über Bauleistungen einen Skontoabzug vereinbart, falls die Werklohnforderung binnen 21 Tagen ab Rechnungseingang bezahlt werde. Weiterer Vertragsinhalt war die Geltung der ÖNorm B 2210 mit dem vom Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung festgestellten, nicht strittig gewesenen (ON 5, 7), hier einzig relevanten Inhalt: „Die Annahme der Schlusszahlung auf Grund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist, oder binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird

...."

Die Beklagte hatte am 28.2.2006 € 140.000,- angezahlt. Die Klägerin legte am 12.6.2006 ihre Schlussrechnung über insgesamt netto €

236.750,51. Am 28.6.2006 waren bei der Beklagten auch alle bezughabenden Rechnungsunterlagen vollständig eingelangt. Per 31.7.2006 korrigierte sie die Schlussrechnung auf € 215.833,85. Am 9.8.2006 zahlte sie weitere € 47.454,81. Am 13.9.2006 wurde die Schlussrechnungssumme parteieneinvernehmlich mit € 219.182,55 festgelegt. Am 19.9.2006 zahlte die Beklagte weitere € 3.121,11. Am 19.2.2007 mahnten die Klagevertreter € 25.653,94 - Minderzahlung auf die Schlussrechnung von € 23.461,89, € 1.765,81 Zinsen und € 426,24 Mahnkosten - ein (./B). Die Beklagte zahlte hierauf nach einigen Tagen € 12.710,-; diese Zahlung betraf den von ihr zunächst einbehaltenen und sodann durch eine von der Klägerin gelegte Bankgarantie abgelösten Haftrücklass. Unbeglichen sind lediglich €

10.751,89; dieser Betrag resultiert unstrittig nur aus dem von der Beklagten vorgenommene Skontoabzug.

Von diesem Skontoabzug klagte die Klägerin den Teilbetrag von €

3.387,47 als Hauptforderung ein, wobei sie sich ausdrücklich die Klags- ausdehnung hinsichtlich des restlichen Skontoabzugs von €

7.368,42 vorbehielt (AS 3). Die aus dieser Teileinklagung gemäß § 55 Abs 3, § 49 Abs 1 JN resultierende sachliche Unzuständigkeit hatten weder das Erstgericht noch die Beklagte wahrgenommen, sodass sie gemäß § 104 Abs 3 JN geheilt ist.

Weiters begehrte die Klägerin - ausdrücklich als Nebenforderung - die Kosten ihres Mahnschreibens von € 426,24 mit dem Vorbringen, dass die Beklagte den Haftrücklass von € 12.710,- erst auf Grund dieser anwaltlichen Mahnung am 27.2.2007 ausbezahlt habe.

Der Kern der Argumente der Klägerin besteht darin, dass die Einforderung eines zu Unrecht in Anspruch genommenen Skontoabzugs „keine nachträgliche Forderung für vertragsgemäß erbrachte Leistungen" sei. Der Skontoabzug betreffe weder Fragen der Leistungserbringung noch des Leistungsumfangs oder der dafür vereinbarten (Einheits )Preise. Die Beklagte bestritt. Sie wendete iW ein, die vorbehaltslose Annahme ihrer Schlusszahlung stehe einer diesbezüglichen Nachforderung der Klägerin entgegen; auch ein Skontoabzug sei ein Abzug vom Entgelt (nämlich ein prozentueller Abzug vom gesamten verrechneten Entgelt), gegen den die Klägerin nach der vorgenannten ÖNorm-Bestimmung einen Vorbehalt erheben hätte müssen. Auf die diesbezüglich umfangreiche Argumentation der Parteien in ihren Schriftsätzen konnte gemäß § 500a ZPO verwiesen werden. Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der klagsweise geltend gemachten Hauptforderung statt; es verurteilte die Beklagte zur Zahlung von € 3.383, 47 s.A. Hingegen wies es die Nebenforderung (Mahnkosten von € 426,24) und einen Teil des Zinsenbegehrens aus der Hauptforderung ab. Es beurteilte den oben zusammengefassten Sachverhalt dahin, dass die genannte Bestimmung der ÖNorm B 2110 nicht die Verpflichtung beinhalte, auch gegen einen Skontoabzug den darin angeordneten Vorbehalt machen zu müssen. Die Zahlungen der Beklagten seien - letztlich unstrittig - außerhalb der vereinbarten Skontofrist erfolgt. Die Nebenforderung sei in dem im anwaltlichen Tarifrecht hierfür vorgesehenen Einheitssatz gedeckt. Gegen dieses Urteil richten sich die rechtzeitigen Berufungen beider Parteien:

Die Klägerin bekämpft die Abweisung der Nebenforderung nur in dem auf den eingemahnten Haftrücklass aliquot entfallenden Teilbetrag von €

214,74. Da die einbehaltenen € 12.710,- auf Grund der Mahnung gezahlt worden seien, könne dieser Betrag nicht mehr als Hauptforderung eingeklagt werden, sodass die darauf entfallenden Mahnspesen selbständig geltend zu machen seien. Ihre Geltendmachung als Hauptforderung wäre unökonomisch und wegen des Weiterbestehens einer anderen Hauptforderung (Skontoabzug) riskant gewesen. Das Erstgericht hätte allfällig dagegen bestehende Bedenken erörtern und zudem Tatsachenfeststellungen im Sinn dieser Behauptungen treffen müssen. Die Beklagte bekämpft ihre Verurteilung zur Zahlung der Hauptforderung weiterhin mit dem einzigen Argument, dass auch gegen einen Skontoabzug ein Vorbehalt zu erheben sei.

Die Parteien erstatteten Berufungsbeantwortungen mit den jeweils ihrem Prozessstandpunkt entsprechenden Anträgen auf Bestätigung der diesbezüglichen Entscheidungspunkte.

Über die Berufungen konnte nach § 473 Abs 1, § 492 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden. Aus Anlass der Berufung der Klägerin war amtswegig die Nichtigkeit des von ihrer Berufung betroffenen Verfahrens- und Entscheidungsteils aufzugreifen (§ 470, § 471 Z 5, § 477 Abs 1 Z 6 ZPO). Die Berufung der Beklagten ist hingegen zur Gänze berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Hauptforderung (Skonto)

1.1. Seit der Grundssatzentscheidung 7 Ob 68/98w = RdW 1998, 456 stehen im Anwendungsbereich der jetzigen ÖNorm B 2110 (Vorgängernorm A 2060, P 2.13.2.; zur Normengeschichte vgl Karasek, ÖNorm B 2110, Rz 722 f) nach vorbehaltsloser Annahme einer auf eine Schlussrechnung geleisteten Zahlung dem Werkunternehmer keine weiteren (Nach )Forderungen zu (RIS-Justiz RS0070863). Dieser Rechtssatz wird von den Parteien grundsätzlich nicht in Frage gestellt; strittig ist nur, ob er auch auf einen Skontoabzug anzuwenden sei. Nach Prüfung aller in dieser Rechtssatzkette veröffentlichten Entscheidungen im Volltext war festzuhalten, dass keine einzige dieser insgesamt zehn Entscheidungen diese Frage ausdrücklich releviert hatte.

1.2. Die zitierte Bestimmung der ÖNorm B 2210 ist nach ihrem Wortlaut dahin zu verstehen, dass sie zwei verschiedene Tatbestände erfasst, nämlich

(a) den - hier nicht vorliegenden - Fall, dass der Auftragnehmer bewusst oder unbewusst in der Schlussrechnung nicht alle Forderungen geltend gemacht hat,

(b) und den Fall, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abzüge vornimmt und entsprechend weniger bezahlt (7 Ob 68/98w; 8 Ob 141/07d). Dieser Fall könnte hier vorliegen; es war damit zu fragen, was unter „Abzüge vom Schlussrechnungsbetrag" zu verstehen ist.

1.2.1. Zu 6 Ob 566/95 wurde ausgeführt, die synonym gebrauchten Begriffe „nachträgliche Forderungen" und „Nachforderungen" bezögen sich unmissverständlich auf die vom Auftragnehmer angenommene Schlusszahlung des Auftraggebers. Alles was über diese Summe hinausgehe und noch „nachgefordert" werden soll, müsse rechtzeitig „vorbehalten" werden, ohne dass es darauf ankomme, ob die entsprechende Forderung bereits verrechnet worden sei oder nicht. Die Bestimmung gelte auch für den Fall, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abstriche vorgenommen, entsprechend weniger bezahlt und der Auftragnehmer dann diese geringere Schlusszahlung vorbehaltslos angenommen habe.

1.2.2. Zu 7 Ob 68/98w wurde unter Abzug schlechthin ein Abweichen der Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag definiert. Ähnliches sprechen die Entscheidungen 8 Ob 109/04v und 7 Ob 208/07z aus: Diese Bestimmung der ÖNorm B 2210 betreffe auch den Fall, dass die geleistete Zahlung durch den Auftraggeber „vom Rechnungsbetrag abweiche", was sich auch schon aus der Einordnung im Abschnitt über „Zahlungen" zeige, und damit auch die Forderung nach einem fristgerechten Vorbehalt innerhalb einer bestimmten Frist auslöse. Unter „Korrekturen" seien dabei auch Minderzahlungen, nämlich Kürzungen zu verstehen, die sich auf „Leistungsumfang und Entgelt" beziehen.

1.2.3. Zu 5 Ob 69/05s wurde ausgesprochen: Eine dem Wortlaut nahe Auslegung erfordere es, zu berücksichtigen, dass der Forderungsausschluss sich ausdrücklich auf „vertragsgemäß abgerechnete und vom Auftraggeber korrigierte Rechnungen" beziehe. Unter „Korrekturen" seien nur jene Berichti- gungen zu verstehen, die vom Auftraggeber an der Schlussrechnung selbst vorgenommen wurden und die zu entsprechenden Kürzungen führten. Darunter seien alle jene Kürzungen zu verstehen, die sich auf Leistungsumfang und Entgelt beziehen. Darunter falle auch ein vereinbartes Pönale, weil diese Kürzung unmittelbar die Entgeltsvereinbarung betrifft, und auch ein Abzug für Bauschaden, weil er den Umfang der abgerechneten Leistungen betrifft, sodass eine Korrektur dieser in der Schlussrechnung enthaltenen Forderung des Auftragnehmers einer Korrektur vertragsgemäß abgerechneter Ansprüche des Auftragnehmers entspricht. Vom Wortlaut der Vereinbarung nicht mehr erfasst seien echte Schadenersatzforderungen des Auftraggebers, auch wenn diese in einem sachlichen Zusammenhang mit den vertragsgemäß abgerechneten Leistungen stehen oder sogar vom Auftragnehmer durch Schlechtleistung und Verzögerungen verschuldet worden seien.

Zwischenergebnis: Es ist darauf hinzuweisen, dass ein Pönalabzug die „Vollständigkeit des vom Werkunternehmer in Rechnung gestellten Leistungsumfangs" (vgl S 4 des Schriftsatzes der Klägerin ON 5) nicht betrifft; er betrifft nur die Rechtzeitigkeit. Das wesentliche Argument der Klägerin, Punkt 5.30.2. der ÖNorm B 2110 betreffe nur „Irrtümer über die Vollständigkeit des vom Werkunternehmer in Rechnung gestellten Leistungs- umfangs", steht mit dieser Entscheidung nicht im Einklang. Sie betont vielmehr, dass Abzüge, die sich aus Vertragspunkten betreffend das Entgelt ergeben, unter diese Bestimmung der ÖNorm B 2210 fallen, während Schadenersatzforderungen, weil nicht aus der Entgeltsvereinbarung resultierend, davon nicht mehr umfasst seien.

1.2.4. Wenusch, ÖNorm B 2110 - Praxiskommentar zum Bauwerkvertragsrecht, Rz 280-283, versteht diese Rechtsprechung dahin, dass das Erfordernis eines Vorbehalts auch für Abzüge von der „ursprünglichen", also von der bereits verrechneten und damit geltend gemachten Forderung besteht, also auch dann notwendig ist, wenn der Werkbesteller nicht den gesamten vom Werkunternehmer in Rechnung gestellten Betrag zahlt. In gleicher Weise versteht auch Karasek, ÖNorm B 2210, Rz 723, diese Rechtsprechung: Er führt nämlich aus, dass nach seiner Auffassung die nachträgliche Geltendmachung eines Restbetrags aus dem Grund der unvollständigen Zahlung einer Schlussrechnung hinsichtlich der Minderzahlung nicht ausgeschlossen werde; die Rechtsprechung des OGH sei allerdings überwiegend gegenteiliger Ansicht.

1.3.1. Das „Skonto", das weder in der ÖNorm B 2110 noch im ABGB geregelt ist und das deshalb auch im Bauvertragsrecht individuell vereinbart werden muss (vgl Kropik in Straube/Aicher, Bauvertrags- und Bauhaftungsrecht II³, 3.3.8; Weselik/Husian, Der österr Bauprozess, 182), bedeutet einen prozentuellen Preisnachlass (Barzahlungsrabatt) bei unverzüglicher und vollständiger Zahlung, der auf den Fakturenbetrag gewährt wird (Rummel in Rummel3 § 914 ABG Rz 5; RIS-Justiz RS0018147). Eine Vereinbarung betreffend des Rechtes zu einem Skontoabzug ist „Teil der Entgeltsvereinbarung".

Im Bauvertragsrecht setzt die Inanspruchnahme des Skontos eine

prüffähige Rechnung voraus, da eine nicht prüffähige Rechnung den

Fristenlauf gar nicht in Gang setzt (Kropik, aaO; Weselik/Husian,

aaO). Erst dann kann der Werkbesteller den prozentuellen

Preisnachlass vom Rechnungsbetrag durch Abzug in Anspruch nehmen. Das

Skonto setzt also voraus, dass die Leistung bereits mit einer

Schluss- oder Teilschlussrechnung abgerechnet wurde, es ist dann ein

Abzug des Werkbestellers von der (Teil )Schlussrechnungssumme, sohin

vom Entgelt (Kropnik, aaO [3.3.2.] mit folgendem Beispiel

Summe 23.520,-

- 5 % Haftrücklass - 1.176,-

Summe 22.344,-

- 3 % Skonto - 670,32 (Anm: Abzug vom

Gesamtentgelt)

Summe 21.673,68

- bereits überwiesen - 9.120,-

Anweisungsbetrag 12.553,68).

1.3.2. Eine der Besonderheiten des Bauvertrags ist, dass er von der insgesamt zu zahlenden Summe (der Gesamtforderung) mehrere Abzugsposten enthalten kann, insbesondere einen Haftrücklass und einen Skontoabzug. Beide betreffen nicht „die Abrechnung der vertragsgemäß erbrachten Leistungen" (also weder die Leistungserbringung an sich noch das Ausmaß oder den dafür vereinbarten Einheits- oder sonstigen Preis), sondern eben „die gesamte vertragsgemäß abgerechnete Leistung", sohin das Gesamtentgelt. Ein Skonto ist davon ein Abzug (so für die gemäß ÖNorm B 2110 zu erstellende Abrechnung ausdrücklich auch Kropnik, aaO [3.3.8]).

Der Unterschied des Skontoabzugs zum Einbehalt eines Haftrücklasses besteht darin, dass der Haftrücklass nur die Fälligkeit bis zum Ablauf der vereinbarten Haftungszeit hinausschiebt, während das Skonto im Fall seiner durch rechtzeitige Zahlung gerechtigfertigen Inanspruchnahme sogleich eine endgültige Abzugspost vom bereits verrechneten Gesamtentgelt ist. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied: Beim Einbehalt eines Haftrücklasses kann der Werkunternehmer im Zeitpunkt des Einlangens der Schlusszahlung noch nicht erkennen, dass der Besteller damit einen endgültigen Abzug vornehme. Bei der Vornahme eines Skontoabzugs muss er - nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Angehörigen des angesprochenen Adressatenkreises wie auch nach der Übung des redlichen Verkehrs (RIS-Justiz RS0008901; 5 Ob 69/05s) - von vornherein annehmen, dass dieser Abzug aus der Sicht des zahlungspflichtigen Werkbestellers endgültig vorgenommen wird. Ein Skontoabzug ist von einem Erklärungsempfänger (Zahlungsempfänger) also sofort bei Eingang der um das Skonto gekürzten (sohin hinter dem abgerechneten Gesamtentgelt zurückbleibenden) Zahlung auch als aus der Sicht des Zahlenden bereits endgültig vorgenommen erkennbar. Er ist demnach eine Kürzung der Schlussrechnungssumme, die sich auf das abgerechnete Gesamtentgelt bezieht.

Die Einforderung eines behauptet zu Unrecht abgezogenen Skontos betrifft, auch wenn damit keine Einzelposition gekürzt wird, damit „ein Abweichen der Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag". Fordert der Werkunternehmer dann vom Werkbesteller (Schuldner) diesen abgezogenen Teilbetrag des Gesamtentgelts ein, so geht diese Forderung denknotwendig „über die angenommene Schlusszahlung hinaus" (siehe dazu oben 1.2.).

1.3.3. Die gegenständliche ÖNorm-Bestimmung hat den Zweck, die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Frist zu klären und zu diesem Zweck die gesetzlichen Verjährungsfristen abzukürzen; der Auftraggeber (Schuldner) soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen und erfahren können (6 Ob 566/95; 7 Ob 68/98w; 5 Ob 69/05s; 8 Ob 109/04v; 7 Ob 208/07z; 8 Ob 141/07d). Das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen hängt - im Gegensatz zum Haftrücklass - beim Skontoabzug auch von der Frage ab, ob er vom Werkunternehmer (Gläubiger) als skontoabzugsberechtigt oder als nicht skontoabzugsberechtigt angesehen wird. Sohin ist auch diese Frage nach dem Normzweck der ehestmöglichen Klärung zuzuführen, wonach beim Fall eines Skontoabzugs von der Schlussrechnungssumme (vom bereits abgerechneten Gesamtentgelt) dann ein Vorbehalts gegen das diesbezügliche Zurückbleiben der Zahlung bedarf.

1.3.4. Sohin war die hier gegenständliche Rechtsfrage insbesondere nach den Grundsätzen der Entscheidung 5 Ob 69/05s (idS auch Wenusch, ÖNorm B 2110, RS 280-283) im Sinn der Berufungswerberin dahin zu lösen, dass ein Werkunternehmer auch gegen einen seiner Ansicht nach zu Unrecht vom Besteller vorgenommenen Skontoabzug fristgemäß einen schriftlich begründeten Vorbehalt machen muss: Eine Skontovereinbarung ist Teil der Entgeltsvereinbarung, ein Skontoabzug bewirkt ein Zurückbleiben der Zahlung vom verrechneten Gesamtentgelt; das Unterbleiben eines Vorbehalts erweckt zudem beim zahlenden Werkbesteller den vom Normzweck verpönten Eindruck, mit diesem Abzug einverstanden zu sein. Die vorbehaltslose Annahme des wegen des Skontoabzugs hinter der Abrechnungssumme zurückgebliebenen Zahlung verhindert seine Nachforderung.

1.4. Im Rahmen der allseitigen rechtlichen Prüfungspflicht war noch auszuführen, dass der Abzug für den Werkunternehmer nur „nachvollziehbar" sein muss (8 Ob 109/04v; vgl auch 7 Ob 68/98w). Im vorliegenden Fall hatten die Parteien das Zurückbleiben der Zahlung der Beklagten hinter der Schlussrechnungssumme stets als - berechtigten oder unberechtigen - Skontoabzug verstanden, sohin war der nicht gezahlte Differenzbetrag für die Klägerin ohnehin eindeutig nachvollziehbar. Auf Gegenteiliges hatte sie sich zudem nicht berufen.

1.5. Da ein Vorbehalt gegen die Schlusszahlung - begrifflich denknotwendig - überhaupt erst nach ihrem Einlangen (9.8. und 19.9.2006) erfolgen kann, konnte die zeitlich davor liegende Aktennotiz vom 13.7.2006, ./I, entgegen dem erstinstanzlich eingenommenen Standpunkt der Klägerin kein solcher Vorbehalt sein. Von einem zeitlich nach dem 9.8.2006 erklärten und schriftlich begründeten Vorbehalt ging die Klägerin selbst nicht aus.

1.6. Die Berufung der Beklagten ist damit berechtigt. Auf die Beurteilung der Zahlungen der Beklagten als tatsächlich innerhalb oder außerhalb der Skontofrist liegend kam es damit ebenso wenig an wie auf die Beurteilung der Vereinbarungen vom September 2006 betreffend die Schluss- rechnungsprüfung als auch die Skontofrage abschließend regelnder Vergleich.

1.7. Die Klägerin war mit ihrem in die Berufung aufgenommenen, den Zinsenzuspruch betreffenden Berichtigungsantrag auf diese Entscheidung über die Berufung der Beklagten zu verweisen.

2. Nebenforderung

Die Klägerin strebt mit ihrer Berufung den Zuspruch von € 214,74 an Nebengebühren (anwaltlichen Mahnkosten) an, wobei die Abweisung ihres Mehrbegehrens von € 211,50 unbekämpft blieb (S 4 der Berufung). Unter Wahrung der Teilrechtskraft war folgende Nichtigkeit aufzugreifen:

2.1. Unabhängig davon, ob sich die „Nebengebührenforderung" auf § 1333 ABGB (worauf die Klägerin in ihrer Berufung beharrte) oder auf Prozesskostenersatz gründete, war sie bereits nach dem Wortlaut des § 182a ZPO, der auch für das Berufungsverfahren gilt, von der Erörterungspflicht ausgenommen, sodass der gerügte Verfahrensmangel zu verneinen war.

2.2. Es stand nicht im Belieben der Klägerin, frei zu wählen, ob sie vorprozessuale Kosten im Kostenverzeichnis, als materielle Hauptforderung oder als Nebenforderung geltend macht. Diese Ansicht wurde zwar früher von M. Bydlinski, Kostenersatz 176, vertreten, sie wurde in der Folge vom Höchstgericht ausdrücklich abgelehnt (2 Ob 59/93; 8 Ob 2070/96m) und sodann auch von Bydlinski nicht mehr aufrecht erhalten (Bydlinski in Fasching/Konecny² § 40 ZPO Rz 14).

2.3. Die Kosten eines anwaltlichen Mahnschreibens sind nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung keine Nebenforderung iSd § 1333 ABGB, sondern eine anwaltliche Honorarforderung, sohin eine Kostenforderung, die bei Weiterbestehen der Hauptforderung in dem nach § 23 Abs 1 RATG gebühren- den Einheitssatz gedeckt ist (3 Ob 127/05f = SZ 2005/153; RIS-Justiz RS0120431). Da anwaltliche Mahnkosten weiterhin den Prozesskosten zugerechnet werden, hängt die Zulässigkeit ihrer Geltendmachung im ordentlichen Rechtsweg unabhängig davon, ob sie dort als Haupt- oder Nebenforderung bezeichnet werden, vom Wegfall der Akzessorietät ab. Die Akzessorietät bewirkt, dass Kosten neben einer noch aufrechten Hauptforderung nur als Prozesskostenforderung mit Kostennote geltend gemacht werden können; der streitige Rechtsweg ist für ihre Geltendmachung unzulässig (RIS-Justiz RS0035770; zuletzt etwa 7 Ob 201/08x). Erst dann, wenn die Hauptforderung nicht mehr besteht, wird die Kostenforderung selbst zur Hauptforderung (Bydlinski in Fasching/Konecny2, Vor §§ 40 ff ZPO Rz 4; Obermaier, Kostenhandbuch Rz 46 f mwN; für anwaltliche Mahnkosten ausdrücklich 3 Ob 127/05f = SZ 2005/153 und die weiteren Entscheidungen in RIS-Justiz RS0120431). Nach der älteren Rechtsprechung (9 ObA 155/91) wäre bereits die Einklagung des von der Beklagten getätigten Skontoabzugs, der ein- und dieselbe Werklohnforderung betraf, der Einklagung der Mahnkosten entgegen gestanden, weil dann noch diese Hauptforderung offen gewesen wäre. Von dieser Rechtsansicht ist das Höchstgericht zu 4 Ob 103/06k = SZ 2006/105 nunmehr abgegangen. Dieser Fall betraf die Erledigung eines Unterlassungs- anspruchs, wonach eine aus ein- und demselben Wettbewerbsverstoß erhobene Schadenersatzforderung offen geblieben war. Das Höchstgericht sprach unter ausdrücklicher Ablehnung der Vorentscheidung 9 ObA 155/91 aus: Bezieht sich die Kostenforderung ausschließlich auf einen Teil einer Forderung, der nicht eingeklagt wurde und auch nicht mehr eingeklagt werden kann, so hängt ihr Schicksal nicht vom Erfolg bei der Durchsetzung der anderen Teilforderung ab; damit fällt ihre Akzessorietät weg, sodass für ihre Durchsetzung der Rechtsweg zulässig ist.

2.4. Während zu 4 Ob 103/06k die Akzessorietät im Hinblick auf zwei verschiedenartige Klägeransprüche (Unterlassung, Schadenersatz) beurteilt wurde, ist hier nur eine einzige Forderung der Klägerin, nämlich ihre Werklohnforderung, zu beurteilen. Das Recht zum Skontoabzug und das Recht zum Einbehalt eines Haftrücklasses sind nicht zwei unterschiedliche Forderungen der Klägerin, sondern auf zwei ihr Gesamtentgelt betreffende Vertragsbestimmungen gründende Abzugsrechte der Beklagten. Bestreitet die Klägerin die Berechtigung solcher Abzüge der Beklagten, so macht sie damit nur ihre restliche Werklohnforderung und nicht zwei verschiedene Forderungsarten geltend. Dem entsprach auch der Inhalt ihres Mahnschreibens ./B, mit dem sie den offenen Restbetrag aus ihrer Schlussrechnung, nicht jedoch Einzelpositionen wie Skonto und Haftrücklass, geltend machte. Der vorliegende Sachverhalt kann damit nicht dem vom Höchstgericht zu 4 Ob 103/06k beurteilten gleichgesetzt werden.

2.5. Die mit € 3.383,47 s.A. eingeklagte Forderung war ein Teil einer einheitlichen Hauptforderung. Darüber hinaus hatte sich die Klägerin die Klagsausdehnung hinsichtlich des nicht eingeklagten Skontoteilbetrags von € 7.368,42 ausdrücklich vorbehalten. Auch dieser nicht eingeklagte Teil der Hauptforderung, auf den nach dem Klagsinhalt auch nicht verzichtet worden war, war - und ist - noch aufrecht. Damit war die Akzessorietät der gesamten Kosten des Mahnschreibens wegen eines noch erhalten gebliebenen Teils der Werklohnforderung der Klägerin nicht weggefallen, sodass ihrer Einklagung das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs entgegen stand. Das hatte zur Aufhebung der Entscheidung und des ihm vorausgegangenen Verfahrens als nichtig und zur Klagszurückweisung zu führen (§ 478 Abs 1 ZPO), wobei lediglich die Teilrechtskraft zu wahren war.

3. Die Kostenentscheidung war wegen Abänderung in der Hauptsache für das Verfahren erster Instanz neu zutreffen (§ 50 Abs 1 ZPO), sie gründet sich auf § 41 Abs 1 ZPO. Das Unterliegen mit den „Nebengebühren" ist nach § 54 Abs 2 JN nicht kostenrelevant (7 Ob 49/06s).

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens über die Berufung der Klägerin gründet sich auf § 51 Abs 2 ZPO. Weil die Klägerin das nichtige Verfahren eingeleitet und weil die Beklagte sich auf dieses Verfahren ohne Hinweis auf die Nichtigkeit eingelassen hatte, traf beide Teile daran ein Verschulden, was zur Kostenaufhebung führt (zuletzt etwa 4 Ob 79/08h). Hingegen hat die Klägerin der Beklagten nach §§ 50, 41 Abs 1 ZPO die Kosten ihrer erfolgreichen Berufung zu ersetzen.

4. Die Streitwerte beider Berufungen überstiegen zusammen nicht €

4.000,-, sodass sich Fragen der Zusammenrechenbarkeit iSd § 55 Abs 1 JN gar nicht stellen konnten. Die Revision ist demgemäß streitwertbedingt nicht zulässig (§ 502 Abs 2 ZPO). Daran könnte selbst ein Verständnis der Klagsforderung als bloße Teileinklagung eines in der Klage mit insgesamt € 10.751,89 bezifferten Skontoabzugs nichts ändern (RIS-Justiz RS0042348; RS0042500). Hinsichtlich des Beschlusses, womit ein Teil der „Nebenforderung" zurückgewiesen wurde, ist nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO kein Zulässigkeitsausspruch vorgesehen.

Landesgericht Wels, Abt. 22,

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