JudikaturJustiz22R223/22g

22R223/22g – LG Korneuburg Entscheidung

Entscheidung
21. März 2023

Kopf

Im Namen der Republik

Das

Landesgericht Korneuburg

als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Dr. Futterknecht, LL.M., BSc und Mag. Rak in der Rechtssache der klagenden Partei A***** G***** GmbH , vertreten durch Mag. Thomas Hohenberg, LL.M, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A***** A***** AG , vertreten durch MMag. Christoph Krones, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 70,-- s.A. , infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat vom 09.09.2022, 26 C 129/22y-8, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 89,30 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte gestützt auf Art 5 Abs 1 lit c iVm Art 7 Abs 1 lit a EU-FluggastVO den Zuspruch von EUR 70,-- samt Zinsen und brachte dazu vor, P***** M***** habe bei der Beklagten ein Flugticket für den Flug OS 183 von Wien nach Stuttgart am 05.12.2021 gebucht. Der Flug sei annulliert worden, ohne dass sich die Beklagte auf einen Befreiungstatbestand gemäß Art 5 Abs 3 der VO berufen könne. Der Fluggast habe seinen Ausgleichsanspruch an die Klägerin abgetreten. Diese habe die Abtretung angenommen. Aus anwaltlicher Vorsicht werde zunächst ein Teilbetrag von EUR 70,-- geltend gemacht.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte die Klagsabweisung und brachte – soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse – zusammengefasst vor, P***** M***** habe die Flüge OS 178 von Stuttgart nach Wien am 03.12.2021 und OS 183 von Wien nach Stuttgart vom 05.12.2021 gebucht. Der Flug OS 178 habe planmäßig stattgefunden, P***** M***** sei jedoch nicht erschienen („no-show“), weshalb der Rückflug OS 183 aus der Reservierung gelöscht worden sei. Ein Rückflug könne ohne Hinflug nicht in Anspruch genommen werden. Infolge des „no-shows“ habe der Fluggast über keine bestätigte Buchung für den Flug OS 183 verfügt.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt und verhielt die Beklagte zum Kostenersatz. Es traf folgende Feststellungen:

„Der Fluggast P***** M***** buchte über den Vermittler Flugladen.de die Flüge OS 178 von Stuttgart nach Wien am 03.12.2021 und OS 183 von Wien nach Stuttgart am 05.12.2021. Flugladen.de nahm diese Buchung bei der Beklagten vor und übermittelte dem Fluggast vor dem 03.12.2021 ein E-Ticket samt E-Ticketnummer, auf dem die Flugnummern, Flugzeiten sowie die Abflug- und Ankunftsorte festgehalten waren.

Die Beklagte führte OS 178 durch, annullierte OS 183 jedoch weniger als sieben Tage vor der geplanten Flugdurchführung. Der Fluggast trat seine Ansprüche auf Zahlung einer Ausgleichsleistung an die im deutschen Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Klägerin ab, welche diese Abtretung annahm. Die Flugstrecke von Wien nach Stuttgart umfasst weniger als 1.500 Kilometer. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Zahlung des Betrags von EUR 70,- bis zum 14.04.2022 auf, eine Zahlung erfolgte daraufhin jedoch nicht.“

Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, der Fluggast habe über eine bestätigte Buchung in Form des E-Tickets samt E-Ticketnummer verfügt. Es sei keine Grundlage ersichtlich, weshalb diese bestätigte Buchung nach dem Nichtantritt des Hinfluges wegfallen sollte.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungs- antrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

[1] Die Berufungswerberin argumentiert im Wesentlichen, die zunächst vorhandene bestätigte Buchung für die Flüge OS 178 und OS 183 sei durch das „no show“ verfallen, sodass es der Klägerin an einer Anspruchsgrundlage mangle.

Dazu war zu erwägen, dass die EU-FluggastVO gemäß deren Art 3 Abs 2 lit a unter anderem dann anzuwenden ist, wenn die Fluggäste über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen. Dass das von Flugladen.de vor dem 03.12.2021 an den Fluggast übermittelte E-Ticket, auf dem die Flugnummern, Flugzeiten sowie die Abflug- und Ankunftsorte festgehalten sind, (zunächst) eine derartige bestätigte Buchung darstellte, die ihr auch zurechenbar ist (vgl LG Korneuburg 22 R 206/21f, 22 R 26/20g, 22 R 277/20w), zieht die Berufungswerberin nicht in Zweifel.

Die bestätigte Buchung muss grundsätzlich im Zeitpunkt der Abfertigung vorliegen und bleibt bestehen, solange der Beförderungsanspruch des Fluggastes aus dem Luft- beförderungsvertrag besteht und zu erfüllen ist (LG Korneuburg 22 R 145/21k). Der erkennende Senat schließt sich in diesem Zusammenhang der von Schmid (in BeckOK Fluggastrechte-VO, 25. Edition, Art 3, Rz 34) wiedergegebenen Ansicht an, wonach das Tatbestandsmerkmal „bestätigte Buchung“ auch dann erfüllt ist, wenn der Fluggast zunächst im Besitz einer bestätigten Buchung war, diese aber durch das Luftfahrtunternehmen zu einem späteren Zeitpunkt wieder im Buchungssystem gelöscht oder dem Fluggast das die Buchung verbriefende Dokument beim Check-in manuell entzogen wird.

Der Auffassung der Berufungswerberin steht überdies die Auslegung des Begriffes „Flug“ durch den EuGH in der Entscheidung in der Rechtssache Schenkel/Emirates (C-173/07 Rn 32 ff) entgegen: Ein Flug iSd der EU-FluggastVO setzt sich demnach gerade nicht aus der Hin- und Rückreise zusammen, sodass aus dem Nicht-Antritt der Hinreise nicht automatisch ein „no-show“ hinsichtlich des Rückfluges folgt.

Der Fluggast verfügte somit über eine bestätigte Buchung für den Flug OS 183.

Die von der Berufungswerberin ins Treffen geführte Entscheidung des Handels- gerichts Wien zu 60 R 69/20g ist schon hinsichtlich des anspruchsbegründenden Sachverhalts nicht einschlägig. In jenem Fall wurde der Klägerin ein Ausgleichs- anspruch gemäß Art 7 EU-FluggastVO auch aus einem anderen Grund verwehrt, nämlich weil das beklagte Luftfahrtunternehmen ihr eine anderweitige Beförderung angeboten hatte, die den Kriterien des Art 5 Abs 1 lit c sublit ii EU-FluggastVO entsprochen hatte.

[2] Sofern die Berufungswerberin sekundäre Feststellungsmängel im Hinblick auf die zu ergreifenden zumutbaren Maßnahmen moniert, ist festzuhalten, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen für das Vorliegen sämtlicher für eine Befreiung nach Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO erforderlicher Tatbestandselemente behauptungs- und beweispflichtig ist (LG Korneuburg 22 R 68/22p, 22 R 358/21h, 22 R 273/20g mwN). Im erstinstanzlichen Verfahren brachte sie jedoch zum Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes lediglich vor, sie habe die Reservierung des Fluggastes für den Flug OS 183 am 03.12.2021 um 14:10 Uhr aus der Reservierung gelöscht; zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht festgestanden, dass der Rückflug OS 183 am 05.12.2021 aufgrund der Corona-Pandemie annulliert habe werden müssen. Ein weiteres Vorbringen, inwieweit die Pandemie für die Annullierung des Fluges kausal wurde, welche Maßnahmen sie zur Vermeidung des außergewöhnlichen Umstandes selbst, der daraus resultierenden Annullierung bzw der unerwünschten Folgen der Annullierung getroffen habe (vgl RKO0000014), erstattete sie jedoch nicht.

[3] Da der Fluggast sich im Falle einer Annullierung gemäß Art 3 Abs 2 lit a EU-FluggastVO ausdrücklich nicht zur Abfertigung einfinden muss, um in den Anwendungs-bereich der VO zu gelangen, ist es – entgegen der Ansicht der Berufungswerberin – auch unerheblich, wo er sich im Zeitpunkt des Abflugs von OS 183 befunden hat.

Der Berufung war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf §§ 500 Abs 2 Z 2, 502 Abs 2 ZPO.