JudikaturJustiz22R200/23a

22R200/23a – LG Korneuburg Entscheidung

Entscheidung
08. Februar 2024

Kopf

Beschluss

Das Landesgericht Korneuburg als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag. Mühleder und Mag. Rak in der Rechtssache der klagenden Parteien [1] J***** H***** , [2] A***** H***** , [3] J***** H***** , vertreten durch Skribe Rechtsanwaelte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei A***** A***** AG, vertreten durch MMag. Christoph Krones, Rechtsanwalt in Wien, wegen zuletzt Prozesskosten , infolge Rekurses der beklagten Partei gegen die im Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 31.07.2023, 18 C 308/23i-8, enthaltene Kostenentscheidung (Rekursinteresse: [richtig] EUR 1.850,24) in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriftsätze jeweils selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

BEgründ UNG:

Mit der am 18.04.2023 eingebrachten Mahnklage beantragten die Kläger – gestützt auf Art 5 iVm Art 7 Abs 2 der VO (EG) Nr. 261/2004 (EU-FluggastVO) – den Zuspruch einer Ausgleichsleistung von jeweils EUR 600,--, insgesamt daher EUR 1.800,-- samt 4 % Zinsen ab 04.03.2023. Sie brachten – soweit im Berufungsverfahren noch relevant – vor, dass sie über eine bestätigte Buchung für die Flugverbindung [a] OS 8864 von Hamburg nach Wien (Abflugzeit am 03.03.2023: 17:45 Uhr in Hamburg, Ankunft: 19:20 Uhr in Wien), [b] OS 15 von Wien nach Bangkok (Abflugzeit: 20:15 Uhr in Wien, Ankunft: 04.03.2023, 12:20 Uhr in Bangkok) und [c] PG 277 von Bangkok nach Phuket (Abflugzeit: 17:30 Uhr in Bangkok, Ankunft: 19:00 Uhr in Phuket) verfügt hätten. Der Flug von Hamburg nach Wien habe sich derart verspätet, dass sie in Wien den von der Beklagten durchgeführten Anschlussflug OS 15 versäumt und das Endziel erst am 05.03.2023 und somit mit mehr als 17 Stunden Verspätung erreichten hätten. Die Beklagte sei passivlegitimiert, weil sie den Flug OS 15 von Wien nach Bangkok durchgeführt habe, und es sich um eine einheitliche Buchung der Flüge OS 8864, OS 15 und PG 277 gehandelt habe. Es hätten keine außergewöhnlichen Umstände vorgelegen. Die Beklagte habe auch nicht alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung der Verspätung getroffen.

Die Beklagte erhob Einspruch, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass die verspätete Ankunft der Kläger auf die Verspätung des Fluges OS 8865 zurückzuführen sei. Dieser Flug sei von E***** unter der Flugnummer EW 7750 durchgeführt worden. Dies ergebe sich auch daraus, dass E***** die Ausgleichsleistungen von EUR 1.800,-- an die Klagevertreterin bezahlt habe. Sie habe die Verspätung daher nicht verursacht, sodass sie den Klägern keine Ausgleichsleistung schulde.

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte, den Klägern deren mit EUR 832,78 (darin enthalten EUR 116,95 USt und EUR 131,10 an privilegierten Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu Handen der Klagevertreterin zu ersetzen. Es traf die auf den Seiten 2 und 3 des Urteils ON 8 ersichtlichen Feststellungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Rechtlich folgerte es, dass zwischen den Parteien unstrittig sei, dass die Beklagte ausführendes Luftfahrtunternehmen des Anschlussfluges OS 15 [also des mittleren Flugsegments] gewesen sei. Die Beklagte habe auch nicht bestritten, dass eine einheitliche Buchung der Flüge von Hamburg über Wien nach Bangkok [ richtig: Phuket] vorliege. Wenn Zubringer- und Anschlussflug einheitlich gebucht worden seien, könne das Luftfahrtunternehmen, das den Anschlussflug flugplangemäß durchgeführt habe, auch dann als ausführendes Luftfahrtunternehmen in Anspruch genommen werden, wenn der Passagier zuvor einen Zubringerflug eines anderen Luftfahrtunternehmens in Anspruch nehme, dessen Verspätung dazu führe, dass er den vom in Anspruch genommenen Luftfahrtfahrtunternehmen flugplangemäß durchgeführten Anschlussflug verpasse. Der Einwand der Beklagten, es fehle an der erforderlichen Passivlegitimation, gehe somit ins Leere.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Kläger schuldig seien, ihr Verfahrenskosten von EUR 1.017,46 (darin EUR 169,58 USt) zu ersetzen; hilfsweise stellt sie einen Auf-hebungsantrag.

Die Kläger beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin moniert, dass das Verpassen des Anschlussfluges auf die Verspätung des von E***** durchgeführten Fluges EW 7750 zurückzuführen sei. Sie habe den Flug EW 7750 nicht durchgeführt, es liege auch kein Beförderungsvertrag zwischen den Parteien zu diesem Flug vor. Es sei ihr daher gar nicht möglich, sich auf das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes zu stützen, weil das Vorkommnis, welches zur Leistungsstörung geführt habe, ein anderes Luftfahrtunternehmen treffe. E***** sei ihr auch nicht als Erfüllungsgehilfe zuzurechnen. Die Entscheidung des EuGH C-502/18 sei auf die gegenständliche Angelegenheit nicht anwendbar, weil es sich bei E***** um ein Luftfahrtunternehmen eines Mitgliedstaats handle, sodass auch nur E***** passivlegitimiert sein könne. Sie sei jedenfalls nicht passivlegitimiert, sodass das Klagebegehren abzuweisen gewesen wäre, und die Kläger ihr ihre Prozesskosten von EUR 1.017,46 ersetzen hätten müssen.

Der Argumentation der Rekurswerberin überzeugt nicht:

Ein Ausgleichsanspruch nach Art 5 Abs 1 lit c EU-Fluggast-VO setzt in Konstellationen wie der vorliegenden voraus, dass die Verspätung des Vorfluges ursächlich dafür war, dass der Fluggast den Anschlussflug nicht mehr erreiche konnte (RKO0000011). Diese Voraussetzung ist unstrittig gegeben. Das Erstgericht traf auch die Feststellung dass der Flug von Hamburg nach Wien sich derart verspätete, dass die Kläger in Wien den von der Beklagten durchgeführten Anschlussflug OS 15 versäumten und ihr Endziel erst am 05.03.2023 und somit mit einer mehr als dreistündigen Verspätung erreichten.

Zahlungspflichtiger des Ausgleichsanspruchs ist das „ausführende Luftfahrtunternehmen“ iSd Art 2 lit b der Verordnung, also das Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt.

Ein Flug mit ein- oder mehrmaligem Umsteigen, der Gegenstand einer einzigen Buchung war, stellt für die Zwecke des in der EU-Fluggast-VO vorgesehehen Ausgleichsanspruchs eine Gesamtheit dar (EuGH C-502/18, České aerolinie , Rn 16). Das ausführende Luftfahrtunternehmen, das für die erste Teilstrecke verantwortlich ist, kann sich nicht darauf berufen, dass die mangelhafte Durchführung auf einer späteren Teilstrecke erfolgte, für die es nicht verantwortlich war (EuGH C 502/18 České aerolinie Rn 26; C-367/20 KLM Royal Dutch Airlines Rn 29). Das sich aus dem 1. Erwägungsgrund der Verordnung ergebende Ziel, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen, verlangt, dass im Fall eines einheitlich gebuchten Anschlussflugs das ausführende Luftfahrtunternehmen, das an der Durchführung mindestens eines Teils dieses Anschlussflugs beteiligt ist, zur Leistung der Ausgleichszahlung nach dieser Verordnung verpflichtet ist, auch wenn es nicht den Beförderungsvertrag mit dem Fluggast geschlossen hat (vgl EuGH C-592/20 British Airways plc Rn 27); dies insbesondere dann, wenn der Flug – wie hier – im Rahmen einer Code-Sharing Vereinbarung durchgeführt wurde (EuGH C-502/18 České aerolinie Rn 31). Dazu vertritt auch das Berufungsgericht in ständiger Rechtsprechung, dass unter der Voraussetzung, dass Zubringer- und Anschlussflug einheitlich gebucht wurden, das Luftfahrtunternehmen, das den Anschlussflug flugplangemäß durchführt hat, als ausführendes Luftfahrtunternehmen iSd Art 2 lit b EU-FluggastVO in Anspruch genommen werden kann, wenn der Passagier zuvor einen Zubringerflug eines anderen Luftfahrtunternehmens in Anspruch nimmt, der verspätet ist, was dazu führt, dass er den von der Beklagten flugplangemäß durchgeführten Anschlussflug verpasst (RKO0000012). Dass es sich bei dem anderen Luftfahrtfahrtunternehmen um ein gemeinschaftsfremdes handeln muss, lässt sich aus den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes letztlich nicht ableiten. Der Rekurswerberin ist zwar zuzugestehen, dass gewisse Elemente der Begründung des Urteils EuGH C-502/18 České aerolinie diese Interpretation nahe legen; den späteren Entscheidungen des EuGH kann diese vermeintliche Einschränkung aber nicht mehr entnommen werden ( „Zu der Frage, wer bei der Ankunft eines Fluges mit Umsteigen wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Ausgleichsleistung im Fall einer großen Verspätung schuldet, hat der Gerichtshof klargestellt, dass jedes ausführende Luftfahrtunternehmen, das an der Durchführung mindestens eines Teilflugs dieses Fluges mit Umsteigen beteiligt ist, diesen Ausgleich unabhängig davon schuldet, ob der von ihm durchgeführte Flug die große Verspätung des Fluggastes bei der Ankunft an seinem Endziel verursacht hat oder nicht.“ [EuGH C 367/20 KLM Royal Dutch Airlines Rn 28]).

Die Rekurswerberin kann sich daher nicht darauf berufen, dass sie keinen Einfluss auf den von E***** durchgeführten Flug EW 7750 / OS 8864 gehabt habe. Aufgrund der einheitlichen Buchung der Flugverbindung ist die Passivlegitimation der Rekurswerberin gegeben, selbst wenn E***** ein Luftfahrtunternehmen eines Mitgliedstaats ist (wozu allerdings keine Feststellungen getroffen wurden). Sie war daher für die Leistung der Ausgleichszahlung gemäß Art 7 EU-FluggastVO passiv legitimiert.

Das Erstgericht hat seine Kostenentscheidung somit zu Recht auf § 41 Abs 1 ZPO zu Lasten der Beklagten gestützt. Dem unberechtigten Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung für das Rekursverfahren gründet auf §§ 40 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Die Rekurswerberin hat keinen Anspruch auf Kostenersatz, weil sie mit ihrem Rechtsmittel nicht durchgedrungen ist; aber auch die Rekursgegner nicht, die keine Kosten verzeichnet haben.

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

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