JudikaturJustiz22R196/21k

22R196/21k – LG Korneuburg Entscheidung

Entscheidung
06. Juli 2021

Kopf

I./ BESCHLUSS

II./ Teilurteil

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag. Jarec, LL.M. und Mag. Rak in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. S***** U***** , vertreten durch Stanonik, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei L***** GmbH , vertreten durch Brenner Klemm, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 485,62 s.A., infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 05.03.2021, 17 C 533/20s-10, in nicht öffentlicher Sitzung

Spruch

I./ den Beschluss gefasst:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil im Ausmaß des Zuspruches von EUR 485,62 samt 4 % Zinsen aus diesem Betrag ab 31.03.2020 aufgehoben und an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

II./ zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil als Teilurteil bestätigt, das zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 4 % Zinsen aus EUR 359,62 von 05.04.2020 bis 06.12.2020 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die Kostenentscheidung wird dem Endurteil vorbehalten.“

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Klägerin und ihre Familienmitglieder verfügten über bestätigte Buchungen für die von der Beklagten durchzuführenden Flüge OE 162 von Wien nach Lissabon am 04.04.2020 und OE 2365 von Faro nach Wien am 12.04.2020. Die Klägerin bezahlte für die Flüge unter der Buchungsnummer N36UFP EUR 359,62 und für die Flüge unter der Buchungsnummer O9PNJK EUR 485,62. Als Zahlungsmittel verwendete sie die Kreditkarte „VISA Gold“ mit der Kartennummer **** 1019. Inhaber dieser Karte war der Ehemann der Klägerin, Dr. A***** U*****; die Gültigkeit der Karte reichte bis 12/19. Im November 2019 bestellte Dr. A***** U***** statt der ablaufenden Kreditkarte eine Kreditkarte „VISA Platinum“, die auf die Ziffern 5012 endete, die Gültigkeit reichte bis 11/2023. Die Beklagte annullierte die Flüge. Am 23.03.2020 beantragte die Klägerin die Rückerstattung der Flugscheinkosten. Am 02.07.2020 gab ein Mitarbeiter der Beklagten unter der Buchungsnummer O9PNJK eine Buchung von EUR 458,62 auf eine VISA-Karte mit den Endziffern 1019 und der Gültigkeitsdauer bis 12/21 frei. Es kann nicht festgestellt werden, ob und falls ja, an wen dieser Betrag ausbezahlt oder gutgeschrieben wurde. Er wurde jedenfalls nicht auf die neue VISA-Platinum-Karte des Dr. A***** U***** gebucht. Weder er noch die Klägerin erhielten den Betrag auf ein in ihrer Verfügungsmacht stehendes Kreditkarten- oder Bankkonto gutgeschrieben. Der Betrag ging ihnen auch durch keine andere Zahlungsmethode zu. Die Rückerstattung der Flugscheinkosten unter der Buchungsnummer N36UFP wurde von der Beklagten am 20.11.2020 veranlasst; am 07.12.2020 wurden EUR 359,62 auf dem Konto der Klagevertreter wertgestellt.

Mit der beim Erstgericht am 22.07.2020 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten zunächst die Zahlung von EUR 845,26 samt gestaffelten Zinsen und brachte vor, sie habe die Beklagte aufgefordert, den fälligen Betrag rückzuüberweisen, ihr sei lediglich ein Gutschein angeboten worden.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, sie habe die Ticketpreise zur Buchung O9PNJK von EUR 485,62 am 02.07.2020 an die Klägerin auf die VISA-Karte mit den Endziffern 1019 und der Gültigkeitsdauer bis 12/21, sohin die für die Buchung verwendete Zahlungsmethode rückerstattet und auch die Rückerstattung der Ticketkosten zur Buchung N36UFP in Höhe von EUR 359,62 veranlasst.

In der vorbereitenden Tagsatzung vom 09.12.2020 schränkte die Klägerin infolge Zahlung von EUR 359,62 am 07.07.2020 das Klagebegehren auf Zahlung von EUR 485,62 samt 4 % Zinsen ab 28.03.2020 sowie 4 % Zinsen aus EUR 359,62 von 05.04.2020 bis 06.12.2020 ein. Hinsichtlich des verbleibenden Betrages von EUR 485,62 samt den darauf entfallenden Zinsen replizierte die Klägerin, dass bei keinem der Passagiere eine VISA-Karte mit den Endziffern 1019 und einem Ablaufdatum 12/2021 existiere.

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte, der Klägerin EUR 485,62 samt 4 % Zinsen ab 31.03.2020 sowie 4 % Zinsen aus EUR 359,62 vom 05.04.2020 bis 06.05.2020 zu zahlen. Es traf die auf Seiten 2 und 3 der Urteilsausfertigung ON 10 ersichtlichen Feststellungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird; wesentliche Teile wurden vom Berufungsgericht eingangs wiedergegeben. In rechtlicher Hinsichtlich folgerte das Erstgericht, dass die Beklagte dem eingeschränkten Klagebegehren ausschließlich mit dem Einwand entgegengetreten sei, der Anspruch der Klägerin sei bereits durch Zahlung erfüllt worden und damit erloschen. Die Zahlung sei ein anspruchsvernichtender Umstand, die Beweislast treffe die Beklagte. Ihr sei dieser Beweis nicht gelungen. Der Zinsenlauf beginne mit Fälligkeit des Anspruches, die hier binnen sieben Tagen ab dem Antrag der Klägerin auf Rückerstattung vom 23.03.2020 eingetreten sei, also mit 31.03.2020.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist teilweise berechtigt .

[I] Zum Anspruch aus der Buchung O9PNJK (Spruchpunkt I./):

Die Berufungswerberin wirft dem Erstgericht im Wesentlichen vor, dass sie rechtsirrig zur Zahlung eines bereits geleisteten Betrages und somit zur Doppelzahlung verurteilt worden sei.

[1] Als sekundären Feststellungsmangel rügt die Berufungswerberin die unterlassene Feststellung, dass die Rückerstattung der Ticketkosten von EUR 485,62 am 02.07.2020 auf die bei der Flugbuchung von der Klägerin verwendete Zahlungsmethode erfolgt sei. Probleme bei der Rückbuchung seien nicht aufgetreten.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass das Erstgericht zu beiden Themen Feststellungen getroffen hat und somit schon deshalb ein sekundärer Feststellungsmangel nicht vorliegen kann. Das Erstgericht stellte fest, dass ein Mitarbeiter der Beklagten die Buchung auf eine VISA-Karte mit den Endziffern 1019 und einer Gültigkeit bis 12/21 freigegeben habe. Die für die Zahlung verwendete Kreditkarte trägt zwar diese Endnummer, jedoch eine davon abweichende Gültigkeitsdauer, nämlich mit 12/19. Es handelt sich aber grundsätzlich um dieselbe Zahlungs methode . Welche rechtlichen Auswirkungen die Buchung hat, bedarf ohnedies noch der näheren Erörterung. Was die Probleme mit der Rückbuchung betrifft, traf das Erstgericht Feststellungen darüber, dass den Kreditkarten- oder Bankkonten der Betrag nicht gutgeschrieben worden sei. Diese Feststellung steht der gewünschten Feststellung entgegen, dass Probleme nicht aufgetreten seien.

[2] Weiters rügt die Berufungswerberin die Feststellung des Erstgerichtes als überschießend, dass Dr. A***** U***** im November 2019 anstatt der ablaufenden Kreditkarte eine neue Kreditkarte bestellt habe und die alte Kreditkarte an die Firma Card Complete weitergeleitet habe. Sie bringt vor, dass die Feststellung nicht vom Klagsvorbringen gedeckt sei.

Dieses Berufungsvorbringen ist grundsätzlich zutreffend, was aber an der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes nichts ändern vermag, dass wesentliche Sachverhalts- und Rechtsfragen vom Erstgericht in unzureichender Weise erörtert und festgestellt wurden.

[3] Im Rahmen ihrer Rechtsrüge ieS nimmt die Berufungswerberin den Standpunkt ein, die Bekanntgabe der Kreditkartennummer bei der Buchung stelle implizit eine an die Beklagte gerichtete Ermächtigung dar, die dieses Geschäft betreffenden Zahlungen auf diese Kreditkartenkonten zu leisten. Die (Rück-) Zahlung auf dieses durch die Flugscheinzahlung bekanntgegebene Kreditkartenkonto entfalte schuldbefreiende Wirkung.

Dem hält die Berufungsgegnerin entgegen, dass die Karte, die die Berufungswerberin zur Rückbuchung verwendet habe, schlichtweg nicht existiere. Die Rückbuchung sei weder auf die alte noch auf die neue Karte erfolgt.

Dem Klagsvorbringen kann nicht entnommen werden, ob die Klägerin nach Annullierung ihrer Flüge die Unterstützungsleistung der Ticketkostenrückerstattung nach Art 8 Abs 1 lit a EU-FluggastVO oder ob sie eine dem nationalen Werkvertragsrecht zuzuordnenden Anspruch (offensichtlich aufgrund einer Leistungsstörung gegen ihre Vertragspartnerin) geltend macht. Da weder die Streitteile noch das Erstgericht Überlegungen anstellten, welche rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Ticketkostenrückerstattung nach Art 8 Abs 1 lit a EU-FluggastVO bzw. für die Rückzahlung eines Werklohnes, den der vorleistungspflichtige Werkbesteller dem Werkunternehmer geleistet hat, gelten, sind folgende Überlegungen voranzustellen:

[3.1] Bei der Abwicklung der Rückerstattung ist die unionsrechtliche Vorgabe des Art 7 Abs 3 EU-FluggastVO zu beachten, auf den die Unterstützungsleistung der Ticketkostenrückerstattung nach Art 8 Abs 1 lit a EU-FluggastVO verweist. Demnach hat die Erstattung durch „Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggastes, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen“ zu erfolgen. Aus diesem Wortlaut lässt sich nicht ohne weiteres ableiten, ob die „Rückbuchung auf eine Kreditkarte“ in Betracht kommt oder nicht, insbesondere, ob es sich um eine Überweisung im Sinne der genannten Gesetzesstelle handelt oder nicht. Keiler (in Staudinger/Keiler, FluggastrechteVO, Art 8 Rz 25) führt aus, dass eine Rückbuchung via Zahlungsdienst auf die Art und Weise, die bei der Zahlung selbst verwendet wurde (Kreditkarte, PayPal, Ideal, Click Buy, etc.) möglich sein sollte. An anderer Stelle (aaO Art 7 Rz 28) schreibt Keiler , dass eine Rückbuchung im Rahmen des Zahlungsdienstes, mit dem der Passagier die Flugbuchung beglichen hatte (Kreditkarte, PayPal, Ideal, Click Buy, etc.) nicht vorgesehen sei, jedoch für beide Seiten akzeptabel sein sollte. Führich (in Führich / Staudinger , Reiserecht 8 , § 42 Rz 18) führt nach Wiedergabe des Verordnungstextes aus, dass damit der Fluggast keinen Gutschein akzeptieren müsse. Maruhn (in Schmid, BeckOK FluggastrechteVO [18. Edition, Stand 01.07.2021] Art 7 Rz 12) lehrt, dass sich das im zweiten Halbsatz normierte Erfordernis des Einverständnisses nach der Struktur und dem klaren Wortlaut des Abs 3 ausschließlich auf die Andienung des Reisegutscheines beziehe.

Das zuletzt genannte Verständnis wird zwar nicht durch die Erwägungsgründe der EU-FluggastVO gestützt, jedoch durch den Wortlaut der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (VerbraucherrechteRL). Art 13 Abs 2 VerbraucherrechteRL sieht vor, dass der Unternehmer die Rückzahlung unter Verwendung des Zahlungsmittels vornimmt, das vom Verbraucher bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt wurde, es sei denn, mit dem Verbraucher wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart. Erwägungsgrund 46 macht deutlich, dass die Erstattung nicht in Form eines Gutscheines erfolgen soll, es sei denn, der Verbraucher hat für die ursprüngliche Transaktion Gutscheine verwendet oder diese ausdrücklich akzeptiert. Auf diesen Erwägungsgrund bezieht sich auch die nationale Umsetzung durch den neu geschaffenen § 14 FAGG. Ausweislich der Materialien zielt die Regelung über die Rückzahlung mit demselben Zahlungsmittel, das auch der Verbraucher für seine Zahlung verwendete, darauf ab, der Erstattung der geleisteten Zahlungen in Form von Gutscheinen einen Riegel vorzuschieben (Erl RV 89 BlgNR XXV. GP, 36). Dies wird als Identitätsgebot bezeichnet und erfasst einerseits dieselbe Währung, andererseits dieselbe Zahlungsweise. Zahlungen per Kreditkarte sind auf das Kreditkartenkonto gutzuschreiben ( Schwarzenegger in Schwimann / Kodek , ABGB 4 , § 14 FAGG Rz 11; Geiger in Keiler/Klauser, Österreichisches und Europäisches Verbraucherrecht, § 14 FAGG Rz 7).

Das Berufungsgericht kommt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass das Unionsrecht einer Ticketkostenrückerstattung auf das seinerzeit vom Fluggast verwendete Kreditkartenkonto (das, wie noch zu zeigen sein wird, bankvertragsrechtlich von der Kreditkarte zu unterscheiden ist) auch ohne schriftliches Einverständnis des Fluggastes nicht entgegensteht; die Vorgangsweise der Beklagten ist – aus unionsrechtlicher Sicht – also nicht schon deshalb nicht als schuldtilgend anzusehen ist, weil ein schriftliches Einverständnis der Klägerin zur Verwendung des seinerzeitigen Kreditkartenkontos nicht vorliegt.

[3.2] Die wechselseitigen Prozessstandpunkte sind insgesamt so aufzufassen, dass die Beklagte die Auffassung vertritt, den in Rede stehenden Betrag überwiesen zu haben, und die Klägerin repliziert, den Betrag nicht erhalten zu haben. Inhaltlich geht es daher um die Frage, wer die Gefahr für den Verlust des „reisenden“ Geldbetrages trägt. Dem Unionsrecht sind keine Regelungen der Gefahrtragung zu entnehmen. Daher ist auf das nationale Recht zurückzugreifen, das sich im konkreten Fall aus dem Vertragsstatut ergibt (BGH Xa ZR 76/07 = NJW 2010, 1070; BGH Xa ZR 61/09 = NJW 2010, 1526; LG Korneuburg 02.03.2021, 22 R 74/21v; Jarec , Neues vom EuGH zur Berechnung des Ausgleichsanspruches nach der FluggastrechteVO, Zak 2017/701, 404)

Ort, Art und Zeit der Erfüllung von Geldschulden ist durch § 907a ABGB geregelt, der durch das Zahlungsverzugsgesetz (ZVG, BGBl I Nr. 50/2013) eingeführt wurde und die Zahlungsverzugsrichtlinie 2011/7/EU umsetzen soll ( Binder / Kolmasch in Schwimann/Kodek, ABGB 4 , § 907a Rz 1, 2; ausführlich Stabentheiner , Die Neuregelung der Geldschuld durch das Zahlungsverzugsgesetz, JBl 2013, 205). Diese Bestimmung kommt daher zur Anwendung, unabhängig davon, ob die Klagsforderung auf Unionsrecht oder auf nationales Recht gestützt wird.

Mit § 907a ABGB wurde eine neue Zentralnorm für die Geldschuld im allgemeinen Vertragsrecht geschaffen, in der die Regelungen über den Erfüllungsort und über die rechtliche Klassifikation der Geldschuld, über die Art der Erfüllung und über die Rechtzeitigkeit, über die Gefahrtragung sowie über die bestimmte Sonderregelungen bei der Erfüllung durch Banküberweisung konzentriert sind ( Stabentheiner in Klang 3 § 907a Rz 1). Der Geldschuldner ist verpflichtet, am Ort des Gläubigers zu erfüllen. Er hat sowohl die Kosten für den Transfer des Geldes zum Gläubiger als auch die mit jedem Transfer verbundene Gefahr zu tragen. Das ist die logische Konsequenz des Bringschuldkonzepts.

§ 907a ABGB ist auch auf Rückabwicklungsansprüche in Geld anzuwenden. Für die Rückabwicklung der bereits erbrachten Geldleistung ist entsprechend der Grundregel des § 907a Abs 1 ABGB der Sitz des Rückabwicklungsgläubigers Erfüllungsort, bei der Rückzahlungspflicht handelt es sich um eine Bringschuld ( Stabentheiner aaO Rz 102).

[3.3] Bei der Zahlung durch Banküberweisung hat der Schuldner das mit der Reise des Geldes im Überweisungsverkehr verbundene Risiko zu tragen, doch wird dies eingeschränkt um solche Störungsursachen, die beim Bankinstitut des Gläubigers und damit in dessen Sphäre auftreten ( Stabentheiner aaO Rz 20). Dem Schuldner steht das Wahlrecht zwischen Übergabe und Überweisung zu. Das Wahlrecht setzt die Nennung einer Bankverbindung voraus. Gibt der Gläubiger keine Bankverbindung bekannt, ist das Wahlrecht des Schuldners gegenstandslos ( Kietaibl / Ladler in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.04 , § 907a Rz 24). Das Abhandenkommen des Geldes während des Überweisungsvorganges fällt jener Partei zur Last, in deren Sphäre der Verlust eingetreten ist. Das ist bis zum Einlangen des Geldbetrages bei der Gläubigerbank der Schuldner und danach der Gläubiger. Ein Fehlverhalten der Gläubigerbank geht daher zu Lasten des Gläubigers ( Reischauer aaO Rz 22). Die Beweislast dafür, dass eine Säumnis oder ein Verlust im Bereich der Gläubigerbank eingetreten ist, trifft den Schuldner ( Stabentheiner aaO Rz 59). Es kommt auf die Gutschrift des überwiesenen Geldbetrages bei der Gläubigerbank und nicht auf dem Gläubigerkonto an ( Kolmasch in Schwimann/Neumayr , ABGB 5 § 907a Rz 33; Binder / Kolmasch aaO Rz 46). Der Schuldner ist durch eine Bringschuld stärker belastet als durch eine Schickschuld ( Stabentheiner , JBl 2013, 21).

[3.4] Dem Schuldner können über die im Gesetz angesprochenen Vorgänge hinaus entweder aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder aufgrund der Verkehrsübung noch weitere Erfüllungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, wie etwa die Zahlung mit Kreditkarte ( Stabentheiner aaO Rz 24; Kietaibl / Ladler aaO Rz 18; 9 Ob 38/19; Zöchling-Jud , Die geplante Neuregelung der Geldschuld, ecolex 2012, 553).

Die von der Berufungswerberin ins Treffen geführte Verkehrssitte ist so zu verstehen, dass Zahlungen auf ein laufendes Konto des Gläubigers gestattet sind ( Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB 4 , § 907a Rz 15). Weiters ist aus Art 3 und 9 VO (EO) 260/2012 zur Festlegung des technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in EUR und zur Änderung der Verordnung (EG) 924/2009 (SEPA-VO) abzuleiten, dass für Banküberweisungen in EUR grundsätzlich jede Bankverbindung in einem Mitgliedsstaat der EU als „verkehrsüblich“ anzusehen ist ( Faber / Lengauer , Zivilrecht und internationales Privatrecht, in Herzig , Europarechtliches Jahrbuch 2014, 405 [411]).

Es ist daher zu prüfen, ob die Zahlung des Flugpreises mittels Kreditkarte der Bekanntgabe eines Kontos iSd § 907a ABGB zum Zweck der Rückerstattung des Flugpreises gleichzuhalten ist.

Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen legt § 863 ABGB einen strengen Maßstab an (RIS-Justiz RS0014146). Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn waren. Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen vorliegt (RIS-Justiz RS0013947).

Im konkreten Fall ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Erstattung der Flugscheinkosten auf jene Kreditkarte tätigte, mit welcher die ursprüngliche Flugbuchung bezahlt wurde. Zum Zeitpunkt der Flugbuchung war die Klägerin jedoch Schuldnerin und die Beklagte Gläubigerin. Es konnte zu diesem Zeitpunkt daher die Klägerin der Beklagten gar kein Bankkonto in ihrer Eigenschaft als Gläubigerin bekanntgeben, weil der gegenständliche Anspruch der Klägerin erst mit Annullierung des Fluges entstanden ist. Lediglich die Zahlung einer Schuld lässt nicht den Schluss zu, dass der ursprüngliche Schuldner damit für den Fall eines möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt entstehenden Anspruchs gegen den ursprünglichen Gläubiger konkludent eine Zustimmung zur Verwendung dieses Zahlungsmittels erteilt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Gläubiger zusätzlich die Insolvenzrisiken eines weiterer Zahlungsdienstleisters auf sich zu nehmen hätte.

Dazu kommt, dass der Anspruch gemäß Art 8 Abs 1 lit a erster Spiegelstrich EU-FluggastVO – sofern die Klägerin ihren Anspruch darauf stützen sollte – nicht unmittelbar am Beförderungsvertrag anknüpft, auf den der Besteller mittels Kreditkarte an den Unternehmer gezahlt hat. Es handelt sich um keinen aufgrund des Wegfalls des Beförderungsvertrags entstandenen Kondiktionsanspruch des Bestellers, sondern um einen Anspruch des Fluggastes (der mit dem Besteller und/oder Zahler des Beförderungsentgelts nicht ident sein muss).

Ist eine Vereinbarung über einen bestimmten Zahlungsweg, die Rücküberweisung vorzunehmen, nicht zustande gekommen, ist unabhängig davon, was mit dem Überweisungsbetrag geschehen ist, von einer nicht schuldbefreienden Zahlung der Beklagten auszugehen ( Binder / Kolmasch aaO Rz 17, Kietaibl / Ladler , aaO Rz 10; 6 Ob 190/00k = ÖBA 2001, 332 [Anm P. Bydlinski ]; Stabentheiner aaO Rz 22; Kolmasch aaO Rz 5). In diesem Fall steht dem Gläubiger der Anspruch (weiterhin) ungetilgt zu; der Schuldner kann nur mit dem Anspruch auf Rückforderung der nicht schuld-tilgenden Leistung aufrechnen.

[3.5] Auch bei einer anderweitigen Übermittlung des Geldbetrages hat der Schuldner die mit der Reise des Geldes zum Gläubiger verbundene Gefahr zu tragen, und zwar ebenfalls einheitlich sowohl das Verlust- als auch das Verzögerungsrisiko ( Stabentheiner , aaO Rz 62). Grundsätzlich braucht nicht zwischen den Sphären der beiden Parteien des Schuldverhältnisses differenziert werden, weil hier in der Regel kein Pendant für die Gläubigerbank auf dem Weg des Geldes in Erscheinung tritt, das als Machthaber des Gläubigers qualifiziert werden könnte ( Stabentheiner aaO und JBl 2013, 220).

Eine Kreditkarte ist zwar grundsätzlich ein Zahlungsmittel. Wenn sie aber ohne Verwendung der für diese rechtliche Qualifikation wesentlichen personalisierten Sicherheitsmerkmale (PIN oder Unterschrift) eingesetzt wird, kann sie bezogen auf diesen Zahlungsvorgang nicht als Zahlungsinstrument angesehen werden ( Haghofer in Weilinger/Knauder/Miernicki, ZaDiG 2018, § 64 Rz 28). Seit Jahren ist es bereits üblich, dass Zahlungsdienstleister Kreditkarten emittieren, nicht aber gleichzeitig auch das Zahlungskonto des Karteninhabers führen ( Grond-Szucsich in Weilinger/Knauder/Miernicki aaO § 59 Rz 7). Die aufrechte Geschäftsverbindung ist eine notwendige Voraussetzung des Kontokorrent, erst mit dem Wegfall der Geschäfts- beziehung nimmt das Kontokorrent sein Ende ( Apathy in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II 2 Rz 2/107). Existiert diese Kontoverbindung nicht mehr, gilt weiterhin, dass Erfüllungsort nicht das Gläubigerkonto bei der Bank, sondern die Bankstelle ist, bei der das Gläubigerkonto geführt wurde, und die Gläubigerbank Machthaber des Gläubigers ist. Für den Fall, dass der Zahlungsempfänger kein Konto bei seinem Zahlungsdienstleister hält, schreibt § 42 Abs 2 Z 2 ZaDiG [nunmehr § 77 Abs 3 ZaDiG 2018] vor, dass der Zahlungsdienstleister, bei dem Geldbeträge zugunsten des Zahlungsempfängers eingegangen sind, diese unverzüglich nach Eingang auf dem Konto des Empfängerinstituts zur Auszahlung bereitzuhalten hat ( B. Koch , Der Zahlungsverkehr nach dem Zahlungsdienstegesetz – Ein Überblick, ÖBA 2009, 869 [886]). Ein Fehlverhalten der Gläubigerbank geht zu Lasten des Gläubigers ( Reischauer aaO Rz 22). Im Fall des Verlustes der Geldzahlung im Bereich der Gläubigerbank ist der Schuldner also von seiner Verbindlichkeit befreit, auch wenn der Geldbetrag letztlich dem Gläubiger nicht zugekommen ist ( Barth/Dokalik/Potyka , ABGB 26 § 907a ABGB [Anm]).

[4] Ob eine Vereinbarung vorliegt, wonach die Beklagte das seinerzeit eingesetzte Kreditkartenkonto als Erfüllungsort verwenden darf, wurde vom Erstgericht nicht erörtert und auch nicht festgestellt. Es hat sich auf die Erörterung der Beweisfrage, ob der geschuldete Betrag der Kreditkarte, mit der die Buchung vorgenommen worden war, gutgeschrieben wurde, beschränkt und damit – ebenso wie die Parteien – die Rechtslage letztlich verkannt.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher zu erörtern und zu prüfen haben, ob eine Vereinbarung zustande gekommen ist, wonach die Klägerin die Beklagte ermächtigte, ein näher definiertes Konto zu verwenden. Sollte das Erst- gericht im fortgesetzten Verfahren zum Ergebnis kommen, dass eine Vereinbarung über einen bestimmten Zahlungsweg zur Vornahme der Rücküberweisung nicht zustande gekommen ist, ist unabhängig davon, was mit dem Überweisungsbetrag geschehen ist, von einer nicht schuldbefreienden Zahlung der Beklagten auszugehen.

Kommt das Erstgericht zum Ergebnis, dass eine Vereinbarung der Streitteile über den Zahlungsweg zustande gekommen ist, bedarf es einer Erweiterung der bislang getroffenen Feststellungen zur Überweisung. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes sind die zuletzt angeführten Ausführungen über die Sphären von Schuldner- und Gläubigerbank auch auf den konkreten Fall anzuwenden, weil auf die Besonderheiten des Einsatzes der „Kreditkarte“ Bedacht zu nehmen ist. Es kommt daher darauf an, ob das von der Beklagten an die Klägerin überwiesene Geld bei derjenigen Bank eingelangt ist, die das Zahlungskonto des Karteninhabers führt(e). Kommt das Erstgericht zur Vereinbarung eines bestimmten Zahlungsweges, und sei es auch durch Übernahme der Kreditkartendaten aus der seinerzeitigen Buchung und Akzeptanz dieses Zahlungsweges durch die Klägerin, kommt es nicht darauf an, ob das seinerzeit verwendete Zahlungskonto zur Abwicklung der Kreditkartenzahlungen noch existiert. Ist der überwiesene Betrag bei der Bank eingelangt, die dieses Konto geführt hat, hat die Beklagte ihre Bringschuld erfüllt. Aus diesem Grund kann mit den bislang getroffenen Feststellungen nicht das Auslangen gefunden werden, wonach das Erstgericht vor allem Negativfeststellungen zu den Themen traf, ob das Geld auf einem bestimmten Konto gutgeschrieben wurde. Da die Reise, für die die Beklagte als Schuldnerin die Gefahr des Verlustes zu tragen hat, mit der Ankunft des überwiesenen Betrages bei der Bank endet, die das Zahlungskonto des Karteninhabers führt(e), kommt es nach dem bislang vorgetragenen Sachverhalt auch nicht darauf an, ob der Karteninhaber über eine neue Karte mit einer anderen Kartennummer verfügt.

Abschließend ist auf Folgendes hinzuweisen: Ein Zahlungsauftrag ist dann korrekt ausgeführt, wenn er in Übereinstimmung mit dem Kundenidentifikator ausgeführt wurde (§ 79 Abs 1 ZaDiG 2018). Zu der von den Streitteilen und vom Erstgericht im erstinstanzlichen Verfahren angesprochenen Frage der Gültigkeitsdauer der Kreditkarte ist darauf hinzuweisen, dass die auf einer Zahlungskarte ersichtlichen Nummern keine personalisierten Sicherheitsmerkmale darstellen (1 Ob 105/14v). Bei fehlender Kohärenz ist der Zahlungsauftrag zurückzuweisen, darüber hinaus treffen die Bank grundsätzlich keine weiteren Prüfpflichten. Die Bank hat aber bei irrtümlicher Angabe eines fehlerhaften Kundenidentifikators auf die Wiedererlangung des Geldbetrages hinzuwirken (§ 79 Abs 3 ZaDiG). Die Haftungsbefreiung bei fehlerhafter IBAN gilt nicht nur gegenüber der Schuldner-, sondern auch gegenüber der Gläubigerbank ( Kietaibl / Ladler aaO Rz 40). Landet das Geld aus Sicht des Zahlers im „Nirvana“, ist der Zahler auf die Unterstützung seines Zahlungsdienstleisters angewiesen, wenn er den fehlgeleiteten Zahlungsbetrag wiedererlangen will. In diesem Fall kann er als Außenstehender nicht wissen, wo die Überweisung innerhalb der Kette der Banken stecken geblieben ist. Der Zahlungsdienstleister ist daher verpflichtet, auch wenn er seine Sorgfaltspflichten nach § 79 ZaDiG 2018 eingehalten hat und ihn ansonsten keine Haftung trifft, sich im Rahmen des Zumutbaren zu bemühen, den fehlgeleiteten Geldbetrag wiederzuerlangen. Dabei schuldet der Zahlungsdienstleister ein sorgfältiges Bemühen und ein zielgerichtetes Nachforschen, nicht jedoch notwendigerweise den Erfolg seiner Bemühungen ( Haghofer in Weilinger/Knauder/Miernicki aaO § 79 Rz 34). Die vom ZaDiG geforderten Informationen sind den Kunden kostenlos zu geben ( B. Koch aaO 872). Dies führt im Ergebnis dazu, dass das Erstgericht im Rahmen der Erörterung des Sachverhaltes von der Beklagten verlangen kann, Nachforschungen im Rahmen des Zumutbaren bei ihrem Zahlungsdienstleiter über den Verbleib des von ihr überwiesenen Betrages anzustrengen.

[II] Zur Buchung Nr. N36UFP (Spruchpunkt II./):

Formal richtet sich die Berufung auch gegen den Zuspruch von 4 % Zinsen aus EUR 359,62 für den Zeitraum 05.04.2020 bis 06.12.2020. Diese Forderung wurde im erstinstanzlichen Verfahren von der Beklagten nicht substanziiert bestritten; auch den Berufungsausführungen ist für das Berufungsgericht nicht zu entnehmen, worin die unrichtige rechtliche Beurteilung des Erstgerichts liegen soll, diese Forderung zugesprochen zu haben.

Im Ausmaß dieses Zuspruches war daher das erstgerichtliche Urteil als Teilurteil zu bestätigen. Der Kostenvorbehalt im Teilurteil beruht auf § 52 Abs 4 ZPO.

Der Kostenvorbehalt für das Berufungsverfahren beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

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