JudikaturJustiz22R171/21h

22R171/21h – LG Korneuburg Entscheidung

Entscheidung
06. Juli 2021

Kopf

Beschluss

Das Landesgericht Korneuburg als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Dr. Futterknecht, LL.M., BSc und Mag. Rak in der Rechtssache der klagenden Partei I***** S***** , vertreten durch Skribe Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei L***** GmbH , vertreten durch Brenner Klemm Rechtsanwälte in Wien, wegen zuletzt Prozesskosten , infolge Rekurses der klagenden Partei gegen die in Urteilsform ergangene Kostenentscheidung des Bezirksgerichts Schwechat vom 04.03.2021, 26 C 214/20w-10 (Rekursinteresse: EUR 997,80), in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahin abgeändert, sodass sie zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 508,78 (darin EUR 45,-- Barauslagen und EUR 77,30 USt) bestimmten Prozesskosten zu Handen der Klagevertreterin zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 169,75 (darin EUR 28,29 USt) bestimmten Kosten des Rekurses zu Handen der Klagevertreterin zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin verfügte zur Buchungsnummer V7HQUW über eine bestätigte Buchung bei der Beklagten für die Flüge OE 162 am 25.03.2020 von Wien nach Lissabon und OE 163 am 28.03.2020 von Lissabon nach Wien. Für diese Buchung, die sie über die Buchungsplattform Opodo tätigte, zahlte sie insgesamt EUR 189,96. Die Beklagte sollte diese Flüge durchführen, annullierte sie jedoch. Sämtliche Mitreisenden unter der Buchungsnummer V7HQUW traten ihre Ansprüche auf Rückersatz der Ticketkosten an die Klägerin ab, welche diese Abtretungen annahm.

Mit der beim Erstgericht am 04.08.2020 eingebrachten Mahnklage begehrte die Klägerin zunächst die Zahlung von EUR 189,96 samt Zinsen und brachte dazu zusammengefasst vor, „der vorgenannte Flug“ sei von der Beklagten annulliert worden. Die Klägerin habe sich gemäß Art 8 Abs 1 lit a erster Spiegelstrich der VO (EG) Nr. 261/2004 (EU-FluggastVO) für die Rückerstattung der Flugscheinkosten von EUR 189,96 entschieden. Der Anspruch werde auch auf den nicht erfüllten Beförderungsvertrag mit der Beklagten bzw auf jeden erdenklichen Rechtsgrund gestützt. Die Beklagte sei von der Klägerin zur Zahlung aufgefordert worden, es sei jedoch keine Zahlung erfolgt.

Mit vorbereitendem Schriftsatz vom 17.09.2020 (ON 4) brachte die Klägerin ergänzend vor, die Rückerstattung der Ticketkosten sei schon am 24.03.2020 beantragt worden. Die Beklagte sei mit E-Mail vom 23.07.2020 zur Zahlung aufgefordert und mit E-Mail vom 30.07.2020 gemahnt worden. Der Reisevermittler Opodo habe am 11.09.2020 einen Betrag von EUR 189,96 bezahlt, weshalb das Klagebegehren auf Kosten eingeschränkt werde.

Die Beklagte bestritt den Klagsanspruch dem Grunde und der Höhe nach und brachte zusammengefasst vor, sie habe das Aufforderungsschreiben der Klägerin am 24.07.2020 erhalten; bereits am 04.08.2020 sei die Klage eingebracht worden. Eine Zahlungsfrist von zehn Werktagen sei nicht ausreichend. Der Anspruch der Klägerin von EUR 189,96 habe sie zu keinem Zeitpunkt bestritten. Sie habe bereits am 02.07.2020 die Zahlung an die ursprüngliche Zahlungsmethode, welche zur Zahlung der Flugtickets verwendet worden sei, veranlasst. Die Klägerin gestehe zu, dass am 11.09.2020 durch den Reisevermittler opodo.com ein Betrag von EUR 189,96 bezahlt worden sei, sich sohin die Verzögerung der Zahlung einzig durch opodo.com ergeben habe. Ihr sei keine andere Kontoverbindung bekannt gewesen als jene, mit welcher die Flugtickets bezahlt worden seien; sie sei berechtigterweise davon ausgegangen, dass es sich hierbei um die Kontodaten des Fluggastes handelte. Dies sei eine Visa-Karte mit den Endziffern 9888 und dem Gültigkeitsdatum 12/21 lautend auf den Namen Thomas Steigerstorfer gewesen. Dass der Reisevermittler opodo.com die Rückerstattung nicht unverzüglich an den Fluggast weitergeleitet habe, sei ihr nicht zuzurechnen. Sie habe überdies keine Kenntnis davon gehabt, dass die Buchung über den Reisevermittler erfolgt sei. Sie habe somit keinen Anlass zur Klagsführung gegeben und den zustehenden Anspruch der Klägerin bei erster Gelegenheit anerkannt und erfüllt. Die Kosten der Klägerin ebenso wie jene der Beklagten würden sohin gemäß § 45 ZPO der Klägerin zur Last fallen.

Mit der angefochtenen , in Urteilsform ergangenen Kostenentscheidung vom 04.03.2021 erkannte das Erstgericht die Klägerin schuldig, der Beklagten die mit EUR 461,38 (darin enthalten EUR 76,90 USt) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen. Abgesehen von dem eingangs wiedergegebenen, außer Streit stehenden Sachverhalt stellte das Erstgericht folgenden Sachverhalt fest:

„Die Klägerin tätigte die klagsgegenständliche Buchung bei dem Reisevermittler Opodo und zahlte dafür EUR 189,96 an ihn. Vereinbarungsgemäß nahm Opodo daraufhin für sie und den Mitreisenden Thomas Steigerstorfer eine Buchung bei der Beklagten vor und überwies der Beklagten die Ticketkosten von EUR 189,96 mittels einer auf den Namen „Thomas Steigerstorfer“ lautenden Kreditkarte, welche Opodo zur Vornahme dieser Buchung generiert hatte. Am 24.03.2020 beantragte die Klägerin die Ticketkostenrückerstattung betreffend die klagsgegenständlichen Flüge gegenüber der Beklagten, woraufhin die Beklagte am 02.07.2020 die Zahlung auf die auf den Namen „Thomas Steigerstorfer“ lautende Kreditkarte veranlasste, mit der die klagsgegenständlichen Flüge bezahlt worden waren. Diese Zahlung wurde noch im Juli 2020 auf dieser Kreditkarte, welche im Vermögen Opodos stand, gutgeschrieben; am 11.09.2020 erhielt die Klägerin daraufhin eine Zahlung von Opodo in Höhe von EUR 189,96.

Mit einer E-Mail vom 24.07.2020, der Beklagten am selben Tag zugestellt, begehrte die Klagevertreterin im Namen der Klägerin gegenüber der Beklagten die Zahlung der Ticketkosten in Höhe von EUR 189,96 samt Vertretungskosten bis zum 30.07.2020. Am 30.07.2020, der Beklagten am selben Tag zugestellt, erfolgte eine Mahnung durch die Klagevertreterin.“

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht, Fluggäste könnten nach Art 8 Abs 1 lit a FluggastrechteVO im Falle der Annullierung eines Fluges die binnen sieben Tagen zu leistende vollständige Erstattung der Flugscheinkosten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben worden sei, wählen. Die Erstattung habe daher binnen sieben Tagen ab dem Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts durch den Fluggast zu erfolgen. Die Klägerin habe ihr Wahlrecht am 24.03.2020 gegenüber der Beklagten ausgeübt, sodass der Anspruch seit 01.04.2020 fällig gewesen sei. Der von der Klägerin mit Opodo abgeschlossene Reisevermittlungsvertrag sei als Auftrag im Sinne der §§ 1002 ff ABGB zu qualifizieren, wobei auch, zumal Opodo die klagsgegenständlichen Flüge aufgrund der getroffenen Vereinbarung bei der Beklagten gebucht habe, von einer Bevollmächtigung Opodos zur Flugbuchung und Zahlungsabwicklung gegenüber der Beklagten auszugehen sei. Opodo habe den klagsgegenständlichen Flug mit einer auf den Namen des Mitreisenden Thomas Steigerstorfer lautenden Kreditkarte bezahlt und habe damit gegenüber der Beklagten eine Kontoverbindung bekanntgegeben. Implizit stelle dies eine an die Beklagte gerichtete Ermächtigung dar, die dieses Geschäft betreffenden Zahlungen auf dieses Kreditkartenkonto zu leisten, zumal dann, wenn der Vertragspartner eine Zahlung von einem Konto leiste, auch davon ausgegangen werden könne, dass diese Geschäftsverbindung betreffende Rückzahlungen auf dieses Konto erfolgen könnten. Nachdem die Zahlung von EUR 189,96 noch vor Klagseinbringung auf dem von Opodo als Vertreterin der Klägerin bekanntgegebenen Kreditkartenkonto eingelangt und der Anspruch insofern bei Klagseinbringung bereits durch Erfüllung erloschen gewesen sei, habe die Klägerin nicht zurecht prozessiert, und gründe die Kostenentscheidung insofern auf § 41 ZPO. Auf § 45 ZPO und die Frage, ob die Beklagte Anlass zur Klagsführung geboten habe, sei insofern nicht einzugehen.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass die Beklagte verpflichtet werde, der Klägerin die Verfahrenskosten von EUR 536,42 zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt den Rekurs zurück- bzw abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt .

Die Rekurswerberin begehrt die Abänderung der angefochtenen Kostenentscheidung dahin, dass der ihr auferlegte Kostenersatz von EUR 461,38 entfallen soll und ihr Kosten von EUR 536,42 zugesprochen werden mögen. Das Rekursinteresse ist die Summe des Begehrens, das aberkannt werden soll und des Begehrens, das zugesprochen werden soll, sohin EUR 997,80.

Die Rekurswerberin vermeint primär, das Erstgericht sei nicht auf die entscheidende Norm des § 45 ZPO eingegangen. Für eine Kostenersatzpflicht der Klägerin gemäß § 45 ZPO dürfe die Beklagte zur Klagsführung keinen Anlass geboten haben, müsse den Klagsanspruch unverzüglich anerkannt und auch die Forderung erfüllt haben. Diese Voraussetzungen müssten kumulativ vorliegen. Nach der EU-FluggastVO sei der Anspruch nach Art 8 Abs 1 lit a binnen sieben Tagen ab Ausübung des Wahlrechts fällig. Die Beklagte habe daher schon deswegen Anlass zur Klagsführung gegeben, weil die siebentägige Leistungsfrist am 24.03.2020 begonnen habe, und sich die Beklagte sohin seit 01.04.2020 in Verzug befunden habe. Zudem handle es sich bei dem Kreditkartenkonto, auf welches die Ticketkostenrückerstattung von der Beklagten veranlasst worden sei, um kein Zahlungsmittel der Klägerin. Die Zahlung am 02.07.2020 habe daher auch nicht schuldbefreiend sein können.

Nach dem Wortlaut des § 45 ZPO darf der Beklagte zur Klagsführung keinen Anlass geboten haben und muss dieser den Klagsanspruch unverzüglich anerkannt haben. Nur wenn beide Voraussetzungen kumulativ zutreffen, kann § 45 ZPO angewendet und dem obsiegenden Kläger die Kostenlast auferlegt werden ( M. Bydlinski in Fasching / Konecny , Zivilprozessgesetze 3 § 45 ZPO, Rz 1). Bei Leistungsklagen ist die Veranlassung zur Klageführung in der Regel zu bejahen, wenn der Anspruch trotz Fälligkeit nicht erfüllt wurde, wobei eine zusätzliche Mahnung in der Regel nicht erforderlich ist ( M. Bydlinski in Fasching / Konecny , Zivilprozessgesetze 3 § 45 ZPO, Rz 3). Bei Leistungsklagen genügt zur Anwendung des § 45 ZPO nicht die bloße Anerkennung, es bedarf der Erfüllung (RIS-Justiz RW0000701).

Bei der Abwicklung der Rückerstattung ist die unionsrechtliche Vorgabe des Art 7 Abs 3 EU-FluggastVO zu beachten, auf den die Unterstützungsleistung der Ticketkostenrückerstattung nach Art 8 Abs 1 lit a EU-FluggastVO verweist. Demnach hat die Erstattung durch „Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggastes, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen“ zu erfolgen. Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob die genannte Bestimmung der EU-FluggastVO normiert, auf welche Art und Weise die Unterstützungsleistung nach Art 8 Abs 1 schuldbefreiend geleistet werden können, insbesondere in Form einer „Rückbuchung auf eine Kreditkarte“. Keiler führt diesbezüglich zunächst aus, dass eine Rückbuchung via Zahlungsdienst auf die Art und Weise, die bei der Zahlung selbst verwendet wurde (Kreditkarte, PayPal, Ideal, Click Buy, etc.) möglich sein sollte ( Keiler in Staudinger/Keiler , FluggastrechteVO, Art 8 Rz 25). In weiterer Folge kommt er zum Ergebnis, eine Rückbuchung im Rahmen des Zahlungsdienstes, mit dem der Passagier die Flugbuchung beglichen hatte (Kreditkarte, PayPal, Ideal, Click Buy, etc.), sei nicht vorgesehen, sollte jedoch für beide Seiten akzeptabel sein ( Keiler in Staudinger/Keiler , FluggastrechteVO, Art 8 Rz 28). Führich führt nach Wiedergabe des Verordnungstextes aus, dass damit der Fluggast keinen Gutschein akzeptieren müsse ( Führich in Führich / Staudinger , Reiserecht 8 , § 42 Rz 18). Nach Maruhn beziehe sich das im zweiten Halbsatz normierte Erfordernis des Einverständnisses nach der Struktur und dem klaren Wortlaut des Abs 3 ausschließlich auf die Andienung des Reisegutscheines ( Maruhn in Schmid , BeckOK FluggastrechteVO [18. Edition, Stand 01.07.2021] Art 7 Rz 12).

Die Erwägungsgründe der EU-FluggastVO stützen das zuletzt genannte Verständnis zwar nicht, es finden sich jedoch im Wortlaut der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Verbraucherrechte-Richtlinie) Anhaltspunkte dafür. Art 13 Abs 2 Verbraucherrechte-Richtlinie sieht vor, dass der Unternehmer die Rückzahlung unter Verwendung des Zahlungsmittels vornimmt, das vom Verbraucher bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt wurde, es sei denn, mit dem Verbraucher wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart. Nach Erwägungsgrund 46 der Verbraucherrechte-Richtlinie soll die Erstattung nicht in Form eines Gutscheines erfolgen, es sei denn, der Verbraucher hat für die ursprüngliche Transaktion Gutscheine verwendet oder diese ausdrücklich akzeptiert. Auf diesen Erwägungsgrund bezieht sich auch die nationale Umsetzung durch den neu geschaffenen § 14 FAGG. Der Regierungsvorlage zufolge zielt die Regelung über die Rückzahlung mit demselben Zahlungsmittel, das auch der Verbraucher für seine Zahlung verwendete, vor allem darauf ab, der Erstattung der geleisteten Zahlungen in Form von Gutscheinen einen Riegel vorzuschieben (ErlRV 89 BlgNR XXV. GP 36). Dies wird auch als Identitätsgebot bezeichnet und erfasst einerseits dieselbe Währung und andererseits dieselbe Zahlungsweise. Zahlungen per Kreditkarte sind auf das Kreditkartenkonto gutzuschreiben ( Schwarzenegger in Schwimann / Kodek , ABGB 4 , § 14 FAGG, Rz 11; Geiger in Keiler/Klauser , Österreichisches und Europäisches Verbraucherrecht, § 14 FAGG, Rz 7).

Wenngleich die Verbraucherrechte-Richtlinie und auch die konkrete Umsetzung des Art 13 in das nationale Recht (§ 14 FAGG) naturgemäß einen anderen Zweck als die EU-FluggastVO verfolgen, kommt das Rekursgericht insgesamt zum Ergebnis, dass das Unionsrecht einer Ticketkostenrückerstattung auf das seinerzeit vom Fluggast verwendete Kreditkartenkonto auch ohne schriftliches Einverständnis des Fluggastes grundsätzlich nicht entgegensteht. Die Vorgangsweise der Beklagten ist – aus unionsrechtlicher Sicht – somit nicht schon deshalb nicht als schuldtilgend anzusehen, weil ein schriftliches Einverständnis der Klägerin zur Verwendung des seinerzeitigen Kreditkartenkontos nicht vorliegt. Da jedoch die EU-FluggastVO keine weitergehenden Regelungen zur Frage, wann eine Zahlung schuldbefreiend ist, enthält, ist diesbezüglich auf nationales Recht zurückzugreifen.

Da sich im konkreten Fall aufgrund der Parteien und des Vorbringens keine Anhaltspunkte für einen Auslandsbezug stellen, ist die Frage der schuldbefreienden Zahlung nach österreichischem Recht zu beurteilen. Gemäß § 907a ABGB ist eine Geldschuld am Wohnsitz oder an der Niederlassung des Gläubigers zu erfüllen, indem der Geldbetrag dort übergeben oder auf ein vom Gläubiger bekanntgegebenes Bankkonto überwiesen wird. Die Wahl der Überweisung als gesetzliche Erfüllungsmöglichkeit hat somit zwei Voraussetzungen, und zwar dass a) der Gläubiger b) ein Bankkonto bekanntgegeben hat.

§ 907a ABGB wurde durch das Zahlungsverzugsgesetz (BGBl I 50/2013) eingeführt, welches grundlegende Fragen des Regelungskonzepts der Zahlung von Geldschulden, insbesondere den Erfüllungsort und die Art der Erfüllung, neu regelte (ErläutRV 2111 BlgNR XXIV GP 10). Der Gesetzgeber führt in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage aus, es setze diese Art der Erfüllung faktisch voraus, dass dem Schuldner eine Bankverbindung des Gläubigers bekannt ist. Es mache dabei keinen Unterschied, ob die schuldnerische Kenntnis von der Bankverbindung des Gläubigers auf einer ausdrücklichen Bekanntgabe durch den Gläubiger oder darauf beruht, dass der Gläubiger dieses Bankkonto etwa auf seinen Geschäftsdokumenten anführt. Der Schuldner habe freilich nach allgemeinem Zivilrecht keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass ihm der Gläubiger eine Bankverbindung nenne. Wenn der Gläubiger dies unterlasse, habe der Schuldner nur die Wahl zwischen Barzahlung und Übermittlung des Geldbetrages (ErläutRV 2111 BlgNR XXIV GP 13).

Nach Reischauer muss sich, wer nicht zur Kontobekanntgabe verpflichtet ist, auch Überweisungen auf eines seiner Konten nicht bieten lassen. Es könne nicht Sinn des § 907a ABGB sein, einen Schuldner schon allein deshalb zur Überweisung auf ein Gläubigerkonto zu berechtigen, weil ihm das Konto auf irgendeinem Weg bekannt geworden sei. Die Kontobekanntgabe müsse sich an den Schuldner richten. Der Gläubiger habe nach allgemeinem Recht Dispositionsfreiheit; sei es aus reiner Willkür, sei es, weil er ein bestimmtes Geschäft nicht über ein Bankkonto abgewickelt haben will, sei es, weil er zu einer unter mehreren Banken besondere Kontakte pflegen will, etwa weil die Zahlungen auf einen Bestimmten Kreditkonto eingehen sollen und nicht auf irgendeinem, etwa weil dort die Sollzinsen besonders hoch sind ( Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 907a ABGB, Rz 14). Jedenfalls bei Einverständnis des Gläubigers könne der Schuldner mit schuldbefreiender Wirkung auf ein bestimmtes Konto (bestimmte Konten) überweisen oder einzahlen. Ein Einverständnis des Gläubigers erfolge vor allem durch Mitteilung der Kontonummer, sei es durch Bekanntgabe auf Geschäftspapieren, Rechnungen oder Übersendungen von Erlagscheinen. Bei Mitteilung von Kontonummern auf Geschäftspapier, Rechnungen etc könne man schon aufgrund der Verkehrssitte auf das Einverständnis des Gläubigers vertrauen ( Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 907a ABGB, Rz 15).

Kietaibl/Ladler führen in diesem Zusammenhang aus, eine Überweisung setze die Bekanntgabe einer Kontoverbindung durch den Gläubiger voraus, wobei eine Kontoangabe auf der Geschäftskorrespondenz oder eine Übersendung von Zahlscheinen ausreiche. Eine persönlich an den Schuldner gerichtete Bekanntgabe sei nicht erforderlich. Der Schuldner könne aus mehreren bekanntgegebenen Konten frei wählen. Leiste der Schuldner unberechtigt auf ein Gläubigerkonto (zB vereinbarte Barzahlung; Überweisung auf ein anderes als das vom Gläubiger angegebene Konto), so trete (sofern der Gläubiger die Gutschrift nicht genehmigt) keine schuldbefreiende Wirkung ein, dem Schuldner würden allerdings Bereicherungsansprüche gegen den Gläubiger zustehen. § 907a ABGB begründe keinen Anspruch des Schuldners auf Bekanntgabe einer Kontoverbindung. Nennt der Gläubiger kein Bankkonto, entfalle auch das Wahlrecht des Schuldners, was dieses wieder deutlich relativiere.( Kietaibl/Ladler in Kletecka/Schauer , ABGB-ON 1.04 § 907a Rz 20 f).

Auch nach Stabentheiner werde ein konkludentes Einverständnis des Gläubigers zur Zahlung mittels Buchgeld etwa dann angenommen, wenn dieser seine Bankverbindung dem Schuldner bekanntgibt oder etwa auf seinen Geschäftspapieren, auf der Rechnung oder auf den übermittelten Zahlscheinen anführt. Gleiches könne etwa bei einem über die Website eines Unternehmers abgeschlossenen Fernabsatzgeschäft dann angenommen werden, wenn auf der Website die Kontoverbindung angegeben sei, und nicht explizit eine andere Zahlungsart, wie etwa Kreditkartenzahlung, verlangt werde. Auch aus der wiederholten, widerspruchslosen Annahme von Buchgeld könne sich eine konkludente Zustimmung des Gläubigers zu dieser Erfüllungsart ergeben. Wenn Einzahlung auf ein Konto vereinbart worden sei, sei – wegen der für den Gläubiger vollkommen gleichwertigen Verschaffung von Buchgeld – auch eine Überweisung schuldbefreiend. Die Bekanntgabe des Bankkontos müsse nicht notwendigerweise schon bei Vertragsabschluss geschehen; auch eine nachträgliche Bekanntgabe berechtige den Schuldner zur Erfüllung durch Überweisung auf das Konto. Wenn der Gläubiger dem Schuldner jedoch nicht zumindest im Sinn eines konkludenten Einverständnisses eine Bankverbindung bekannt gegeben habe, komme eben eine Erfüllung durch Banküberweisung nicht in Betracht und das Wahlrecht des Schuldners reduziere sich auf die verschiedenen Unterarten der „Übergabe“ ( Stabentheiner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , ABGB, § 907a Rz 28 f).

Es ist daher zu prüfen, ob die Zahlung des Flugpreises mittels Kreditkarte der Bekanntgabe eines Kontos iSd § 907a ABGB zum Zweck der Rückerstattung des Flugpreises gleichzuhalten ist.

Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen legt § 863 ABGB einen strengen Maßstab an (RIS-Justiz RS0014146). Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn waren. Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in eine bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen vorliegt (RIS-Justiz RS0013947).

Im konkreten Fall ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Erstattung der Flugscheinkosten auf jene Kreditkarte tätigte, mit welcher die ursprüngliche Flugbuchung bezahlt wurde. Zum Zeitpunkt der Flugbuchung war die Klägerin jedoch Schuldnerin und die Beklagte Gläubigerin. Es konnte zu diesem Zeitpunkt daher die Klägerin der Beklagten gar kein Bankkonto in ihrer Eigenschaft als Gläubigerin bekanntgeben, weil der gegenständliche Anspruch der Klägerin erst mit Annullierung des Fluges entstanden ist. Lediglich die Zahlung einer Schuld lässt nicht den Schluss zu, dass der ursprüngliche Schuldner damit für den Fall eines möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt entstehenden Anspruchs gegen den ursprünglichen Gläubiger konkludent eine Zustimmung zur Verwendung dieses Zahlungsmittels erteilt.

Dazu kommt, dass der Anspruch gemäß Art 8 Abs 1 lit a erster Spiegelstrich EU-FluggastVO nicht unmittelbar am Beförderungsvertrag anknüpft, auf den der Besteller mittels Kreditkarte an den Unternehmer gezahlt hat. Es handelt sich um keinen aufgrund des Wegfalls des Beförderungsvertrags entstandenen Kondiktionsanspruch des Bestellers, sondern um einen Anspruch des Fluggastes (der mit dem Besteller und/oder Zahler des Beförderungsentgelts nicht ident sein muss).

Ein auf irgendeinem Weg bekannt gewordenes Zahlungsmittel berechtigt den Gläubiger – wie oben ausgeführt – nicht, darauf schuldbefreiend zu überweisen.

Insofern die Beklagte vorbringt, ihr sei keine andere Kontoverbindung bekannt gewesen, hätte sie entweder bei der Klägerin – in ihrer nunmehrigen Eigenschaft als Gläubigerin – nachfragen bzw durch den anderen in § 907a Abs 1 ABGB genannten Grundtyp der Erfüllung, nämlich Übergabe am Wohnsitz der Klägerin zahlen müssen.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass es sich bei einer Kreditkarte nicht um ein Bankkonto handelt. Die Verwendung des Begriffes „Bankkonto“ gründe nach Stabentheiner in der Überlegung des Gesetzgebers, dass es um die Neuformulierung einer Gesetzesbestimmung im ABGB ging, die aus sich heraus möglichst unmissverständlich und dem allgemeinen Sprachgebrauch angenähert sein sollte. Die Übernahme bank- oder zahlungsdienstrechtlicher Terminologie in das ABGB wäre demnach nicht empfehlenswert und wäre im Sprachstil des ABGB ein Fremdkörper ( Stabentheiner , Die Neuregelung der Geldschuld durch das Zahlungsverzugsgesetz, JBl 2013, 205 [214]). Wenngleich § 907a ABGB nicht die Terminologie der bank- oder zahlungsdienstrechlichen Normen übernommen hat, so ergibt sich aus diesen Bestimmungen dennoch, dass es sich bei einer Kreditkarte nicht um ein Bankkonto handeln kann. § 1 Abs 1 Z 6 BWG regelt sonderrechtlich die Ausgabe und Verwaltung von Zahlungsmitteln wie Kreditkarten, Bankschecks und Reiseschecks ( Laurer/Kammel in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka , BWG 4 § 1 Rz 8). Beim Kreditkartengeschäft tritt an die Stelle der Barzahlung ein abstrakter Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens gegen die Kreditkartengesellschaft. Dieser abstrakte Anspruch findet seine Grundlage im Anweisungsrecht. In der Vereinbarung zwischen Kreditkartengesellschaft und Vertragsunternehmen wird festgelegt, dass die Kreditkartengesellschaft schon im Voraus künftige Anweisungen des berechtigten Karteninhabers gegenüber dem Vertragsunternehmen annimmt. Unterschreibt der Karteninhaber beim Vertragsunternehmen unter Vorlage seiner Kreditkarte seinen Rechnungsbeleg, so erteilt er damit eine konkrete Anweisung, die aufgrund der antizipierten Annahme der Kreditkartengesellschaft zugleich eine abstrakte Zahlungspflicht der Kreditkartengesellschaft gegenüber dem Vertragsunternehmen entstehen lässt (RIS-Justiz RS0121043). Die Kreditkartennummer stellt somit lediglich die Nummer einer als Zahlungsmittel ausgegebenen Karte dar, nicht jedoch ein Bankkonto. Die Zahlung erfolgt zwischen der Kreditkartengesellschaft und dem Vertragsunternehmen.

In Anbetracht der klaren Regelung des § 907a Abs 1 ABGB scheidet mangels planwidriger Gesetzeslücke auch eine analoge Anwendung des § 14 Abs 1 zweiter Satz FAGG aus.

Da somit im konkreten Fall a) kein Bankkonto bekanntgegeben wurde und b) die Kreditkarte von der Klägerin bzw von Opodo nicht in der Eigenschaft der Klägerin als Gläubigerin verwendet wurde, erfolgte die Zahlung zunächst nicht schuldbefreiend. Dass die Rückzahlung auf die bei der Buchung verwendet Kreditkarte mit der Klägerin in Abweichung der gesetzlichen Regelung des § 907a ABGB vereinbart worden wäre (vgl dazu Stabentheiner , JBl 2013, 205 [212]), wurde nicht vorgebracht. Erst mit der Überweisung von Opodo am 11.09.2020 langte der Betrag bei der Klägerin schuldbefreiend ein. Da somit der Klagsanspruch nicht unverzüglich erfüllt wurde, ist § 45 ZPO nicht anzuwenden, sondern hat die Klägerin einen Kostenersatzanspruch nach § 41 ZPO.

Den Einwendungen der Beklagten gemäß § 54 Abs 1a ZPO war jedoch insofern zu folgen, als mit Schriftsatz vom 17.09.2020 (ON 4) bereits das Klagebegehren auf Kosten eingeschränkt worden war. Wenngleich die Klagseinschränkung erst durch Vortrag in der folgenden Tagsatzung wirksam wird (vgl OGH 7 Ob 74/19m), ist die Änderung in dem Wert des Streitgegenstandes nach § 12 Abs 3 RATG schon für den betreffenden Schriftsatz zu berücksichtigen. Gemäß § 12 Abs 4 RATG beträgt der Streitwert somit ab dem Schriftsatz ON 4 nur mehr EUR 94,98, und steht für den Schriftsatz ON 4 lediglich ein Kostenersatzanspruch nach TP3A von EUR 58,10 zuzüglich 60 % Einheitssatz von EUR 34,86 und EUR 2,10 ERV-Zuschlag zu, sodass sich insgesamt ein Kostenersatzanspruch im Ausmaß von EUR 508,78 ergibt.

Die Kostenentscheidung für das Rekursverfahren beruht auf §§ 43 Abs 2, 1. Fall, 50 Abs 1 ZPO.

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

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