JudikaturJustiz22R157/23b

22R157/23b – LG Korneuburg Entscheidung

Entscheidung
19. September 2023

Kopf

Im namen der republik

Das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Dr. Futterknecht, LL.M., BSc und Mag. Rak in der Rechtssache der klagenden Parteien [1] C***** M***** und [2] S***** M***** , beide vertreten durch JBB Rechtsanwälte Jaschinski Biere Brexl Partnerschaft mbB in Berlin, wider die beklagte Partei A***** A***** AG ,, vertreten durch Brenner Klemm, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 500,-- s.A. , infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat vom 21.04.2023, 26 C 196/22a-15, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien zu Handen der Klagevertreterin binnen 14 Tagen je die Hälfte der mit EUR 278,10 (darin EUR 46,35 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

entscheidungsgründe:

Die Kläger begehrten jeweils den Zuspruch von EUR 250,-- samt Zinsen an Ausgleichszahlung gemäß Art 5 Abs 1 lit c iVm Art 7 Abs 1 lit a EU-FluggastVO und brachten dazu zusammengefasst vor, sie hätten am 05.07.2020 mit dem Flug OS 506 von Rom nach Wien befördert werden sollen. Der Flug sei jedoch annulliert und sie weniger als sieben Tage vor Abflug darüber informiert worden. Eine Ersatzbeförderung sei nicht erfolgt. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Erfüllung der Forderung betreffend des [geplanten Hin-] Fluges von Wien nach Rom in einem rechtlichen Zusam-menhang mit der gegenständlichen Forderung stehe.

Die Beklagte bestritt den Klagsanspruch dem Grunde und der Höhe nach, beantragte die Klagsabweisung und brachte zuletzt vor, die Kläger hätten im Rahmen einer einheitlichen Buchung den Flug OS 501 von Wien nach Rom, sowie den Flug OS 506 von Rom nach Wien gebucht. Die Flüge seien „aufgrund der COVID-19-Pandemie“ annulliert worden. Statt der von ihr angebotenen Umbuchung hätten die Kläger die Ticketkostenrückerstattung gewählt. Dem sei sie umgehend nachgekommen. Die Kläger hätten bereits für den Flug OS 501 Ansprüche auf Ausgleichszahlung gerichtlich geltend gemacht. Da sie diesen Zahlungsbefehl erfüllt habe, stünden ihnen keine weiteren Ansprüche zu. Aufgrund der nach der Annullierung des Fluges OS 501 auch für den Flug OS 506 begehrten Ticketkostenrückerstattung seien die Kläger vom Vertrag zurückgetreten und hätten keinen Anspruch auf Leistung einer Ausgleichszahlung. Es habe für den Flug OS 506 keine aufrechte und einheitliche Buchung mehr gegeben. Zudem hätten sich die Kläger nicht rechtzeitig für das Check-In und die Abfertigung in Rom eingefunden.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt und verhielt die Beklagte zum Kostenersatz. Es traf nachstehende Feststellungen:

„Der Erstkläger buchte zu Buchungsnummer PKAR8F bei der Beklagten für sich und die Zweitklägerin Tickets für den Flug OS 501 von Wien nach Rom am 03.07.2020 und OS 506 von Rom nach Wien am 05.07.2020; die Beklagte bestätigte diese Buchung.

Die Beklagte annullierte die Flüge OS 501 und OS 506 am 2.6.2020; am 2.7.2020 erhielt der Erstkläger eine E-Mail der Beklagten, in welcher unter Anführung der Buchungsnummer festgehalten war „Ihr Flug kann nicht durchgeführt werden“; zwar enthielt diese E-Mail kein Angebot einer Alternativbeförderung, jedoch wurde darin darauf hingewiesen, dass die Tickets zu einem späteren Zeitpunkt für einen anderen Flug der Beklagten verwendet werden können. Da die Beklagte ihnen keine Alternativbeförderung anbot, reisten die Kläger nicht nach Rom und fanden sich – nachdem der Flug annulliert war – auch nicht zum Check-In für den Flug OS 506 ein.

Am 08.07.2020 beantragte der Erstkläger für beide Kläger die Ticketkostenrückerstattung hinsichtlich des Hin- und Rückflugs. Die Ticketkosten erstattete die Beklagte und zahlte auch eine Ausgleichsleistung in Höhe von jeweils EUR 250,- an die Kläger für die Annullierung des Flugs OS 501. Die Flugstrecke von Rom nach Wien umfasst weniger als 1.500 Kilometer.

Die Kläger forderten die Beklagte zur Zahlung einer Ausgleichsleistung in Höhe von jeweils EUR 250,- wegen der Annullierung des Flugs OS 506 bis zum 09.09.2020 auf, eine Zahlung erfolgte daraufhin jedoch nicht.“

Rechtlich folgerte das Erstgericht, es sei kein Grund ersichtlich, warum durch den nach Annullierung gestellten Antrag auf Ticketkostenrückerstattung die bestätigte Buchung weggefallen sein sollte. Im Falle einer Annullierung müsse sich der Fluggast nicht zur Abfertigung einfinden. Da Hin- und Rückflug auch bei einer einheitlichen Buchung getrennt zu betrachten seien, ändere die Leistung einer Ausgleichszahlung für den Hinflug nichts am Anspruch für den Rückflug.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Kläger beantragen in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Den Einwand, die COVID-19-Pandemie stelle (generell) einen außergewöhnlichen Umstand dar, hält die Beklagte in der Berufung nicht mehr aufrecht. Sie vermeint jedoch, das Ärgernis und die Unannehmlichkeiten, welche die Kläger aufgrund der Annullierung ihrer Flüge erlitten hätten, sei durch die Zahlung einer Ausgleichsleistung abgegolten. Da es sich um ein einziges Schadensereignis handle, könne keine weitere Leistung für den Rückflug begehrt werden.

Dazu ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats der Begriff „Flug“ iSd EU-FluggastVO nicht auf den Fall einer als einheitliche Leistung vereinbarten Hin- und Rückreise anwendbar ist. Der Hin- und Rückflug sind jeweils getrennt als Flug iSd EU-FluggastVO anzusehen. Eine Leistungsstörung (nur) auf dem Hinflug führt daher nicht dazu, dass hinsichtlich des Rückfluges Ansprüche nach Art 7 bis 9 EU-FluggastVO geltend gemacht werden können (RKO0000037). Daraus ist jedoch im Umkehrschluss abzuleiten, dass eine Annullierung von Hin- und Rückflug dazu führt, dass für jeden der beiden Flüge Ansprüche nach der EU-FluggastVO geltend gemacht werden können. Es ist entgegen der Ansicht der Berufungswerberin auch nicht zwingend, dass die Annullierung des Rückfluges keine zusätzliche Unannehmlichkeit für den Fluggast darstellt, zumal dieser – falls er anderweitig an das Ziel des Hinfluges gelangt wäre – auch einen Rückreise organisieren müsste. Nach der Auslegung des Begriffes „Flug“ durch den Europäischen Gerichtshof in der Entscheidung in der Rechtssache Schenkel/Emirates (C-173/07 Rn 32 ff) setzt sich ein Flug iSd der EU-FluggastVO gerade nicht aus der Hin- und Rückreise zusammen, sodass aus dem Nicht-Antritt der Hinreise nicht automatisch ein „no-show“ hinsichtlich des Rückfluges folgt.

Im Hinblick auf das Argument der Beklagten, die Kläger hätten über keine bestätigte Buchung mehr verfügt, hat sich der erkennende Senat bereits in der Entscheidung 22 R 223/22g der Ansicht von S chmid (in BeckOK Fluggastrechte-VO, [nunmehr] 27. Edition, Art 3, Rz 34) angeschlossen, wonach das Tatbestandsmerkmal „bestätigte Buchung“ auch dann erfüllt ist, wenn der Fluggast zunächst im Besitz einer bestätigten Buchung war, diese aber durch das Luftfahrtunternehmen zu einem späteren Zeitpunkt wieder im Buchungssystem gelöscht, oder dem Fluggast das die Buchung verbriefende Dokument beim Check-in manuell entzogen wird.

Da sich der Fluggast im Falle einer Annullierung gemäß Art 3 Abs 2 lit a EU-FluggastVO ausdrücklich nicht zur Abfertigung einfinden muss, um in den Anwendungs-bereich der EU-FluggastVO zu gelangen, war der Berufung insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

Die Unzulässigkeit der Revision folgt aus § 502 Abs 2 ZPO.

Rechtssätze
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